Freiheit schützt das Klima!
Nur mündige und vor allem freie Bürger können ein Klimabewusstsein haben, denn soziale Gerechtigkeit und Ökologie bedingen einander.
Das Pandemie-Thema nutzt sich allmählich ab und der Klimaschutz erklimmt wieder die Spitze der politischen Prioritätenliste. Unverkennbar sind die Parallelen zwischen beiden Themenfeldern. Diese Krisen ließen sich — so die landläufige Auffassung — nur durch Verbote und Freiheitseinschränkungen bewerkstelligen. Doch wird bei diesem Bestreben, die Freiheit der Katastrophenprävention unterzuordnen, die wichtigste Triebfeder der Rettung übersehen — der Mensch selbst. Doch wie soll der in Unfreiheit befindliche Mensch den Willen und die Bereitschaft entwickeln, Ziele zu verfolgen, die über sein bloßes Dasein hinausgehen? Lebt der Einzelne eingepfercht in einem engmaschigen Netz aus Verboten und Geboten, entfremdet er. Und zwar in einer Art und Weise, dass aus seinem Inneren nicht mehr die Motivation erwächst, sich für seine Umwelt einzusetzen. Die soziale Gerechtigkeit sowie die Beseitigung prekärer Lebensverhältnisse — für die viele gutsituierte Klimaschützer blind zu sein scheinen — ist eng mit dem Klimaschutz verwoben.
Greta ist zurück. Das Thema Klimawandel findet wieder Beachtung. Bis neulich war es in Pandemiepause. Sehr zur Zufriedenheit der Aktivisten: Während der Lockdowns wurde weniger geflogen und weniger produziert; die Emissionen waren geringer — so hätte es für sie ewig weitergehen können. Recht schnell forderten sie daher einen Klimalockdown. Als sei das Einstampfen von Lebensentwürfen und Existenzen nichts, was einem Sorgen bereiten müsste. Nun hat man aber den Coronalockdown nicht unmittelbar in den Klimalockdown überführt: Also muss weiter demonstriert werden.
Vielen stieß schon vor der Pandemie die Radikalität junger Menschen auf, die aus besserem Hause stammten und erklärten, wie ökologisches Bewusstsein gehe. Luisa Neubauer jettete um den Erdball und rief dazu auf, das Klima zu schützen. Und mancher Schüler stolperte am schulfreien Freitag aus dem Starbucks direkt zur Demo, um am Zielort von seiner SUV-Glucke behütet nach Hause zurückgeleitet zu werden. Gemeinhin nennt man ja Menschen, die diese Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit so skizzieren wie ich eben, auf skurrile Weise einen „Klimaleugner“. Dabei leugne ich nichts. Nicht das Klima und nicht den Klimawandel.
Erst das Fressen — dann die Moral
Natürlich habe ich auch in den letzten Sätzen überspitzt. Ich bin nun mal Polemiker, daher wird aus mir nie ein anständiger Chronist. Aber in meiner Übertreibung steckt ja auch etwas, was wir mal der Einfachheit halber Wahrheit nennen könnten: Ökologisches Bewusstsein — heute auch gerne mal Klimaschutz genannt — muss man sich leisten können. Die soziale Gerechtigkeit ist daher der Rohstoff, aus dem der Umwelt- und der Klimaschutz gegossen sind.
Es war von jeher wohlfeil, gerade unter Grünen, den Bürgerinnen und Bürgern im Lande eine neue Einkaufskultur nahezulegen. Man solle doch in den Bioladen gehen, erklärten sie. Schließlich tun sie es auch. Dass grüne Wähler die wohlständigsten sind, muss man sich bei solchen Ratschlägen immer wieder ins Gedächtnis zurückrufen. Vor Jahren las ich irgendwo einen Artikel, in dem es hieß, dass der klassische Grüne die meisten Flugmeilen auf sein Konto bringt — mehr als Wähler der CDU oder der FDP. Wahrscheinlich kam Luisa Neubauer auf einem dieser Flüge irgendwie zu den Grünen. Die trifft man dort ja offenbar nicht so selten.
Der Bioladen ist für einen Großteil der Menschen in diesem Lande nicht erschwinglich. Aktuell rechnet der Soziologe Oliver Nachtwey im Spiegel mit der scheidenden Kanzlerin ab: Sie habe die Unterklasse im Stich gelassen. Acht Millionen Menschen, die im Niedriglohnsektor arbeiteten, seien vergessen worden von der Klimakanzlerin. Nachtwey nennt sie „die wahren Leistungsträger“ in unserer Gesellschaft. Im Bioladen findet man sie eher selten. Das heißt, sie gehen schon auch in den Bioladen: zum Regale Einräumen oder um an der Kasse Waren einzuscannen. Vielleicht dürfen sie dann auch mal umweltbewusst bald ablaufende Waren mitnehmen — wer weiß?
Ohne Teilhabe am öffentlichen Leben, ohne ein gesundes Rentenniveau, ohne faire Löhne und Lohnersatzleistungen, die eben genau das sind, nämlich Ersatz für einen fairen Lohn, ohne all diese Facetten von sozialer Gerechtigkeit ist der Klimaschutz schlicht nicht umsetzbar. Das, was ich hier ein bisschen lax an der Binnennachfrage skizziere, muss man dann noch auf eine globale Ebene hieven: Ohne Gerechtigkeit im Welthandel wird ein ökologisches Weltethos einfach nur ein Hirngespinst bleiben müssen.
Kauf dir doch einen Tesla von deiner Grundsicherung!
Menschen, die in ihrem Leben darben, sich von schlecht bezahltem zu schlecht bezahltem Job hangeln und damit von der Hand im Mund leben müssen, haben im Regelfall keinen Sinn für große Menschheitsziele. Ihnen anzuraten, sie mögen sich einen Tesla zulegen, um dem Klima einen Dienst zu erweisen, ist von einer fatalen sozialen Blindheit geschlagen. Wer prekär beschäftigt ist, ist froh, wenn sein alter Diesel noch anspringt, um die 30 Kilometer zum Arbeitsplatz runterzureißen. Soll er Bus oder Bahn fahren? Das ist viel zu teuer für jemanden, der gerade mal auf Mindestlohnniveau schuftet — und der Nahverkehr fährt ja überallhin, aber meist ausgerechnet nicht dorthin, wo für wenig Geld viel gearbeitet werden muss.
Ohnehin sind Elektrofahrzeuge wohl keine massentaugliche Lösung. Sie werden den Strombedarf unsäglich in die Höhe treiben. Und die Herstellung von Akkus ist mit massivem Raubbau seltener Erden verbunden. Diese Diskussion soll hier gar nicht aufgemacht werden.
Aber ich persönlich glaube in aller Offenheit, dass der Klimawandel nicht gestoppt werden kann.
Dieser Zug scheint mir lange abgefahren zu sein. Die gutsituierten jungen Leute der westlichen Welt, die den Wandel jetzt herbeireden, werden daran wohl nichts mehr ändern können.
Ich sage übrigens nicht, dass man sich gleichgültig zurücklehnen kann, weil alles gelaufen ist. Aber wir sollten uns eben auch mit der Perspektive auseinandersetzen, die Dystopie vorbereitend so zu gestalten, dass sie halbwegs erträglich bleibt für uns Menschen. Denn wenn wir auf die Lebensqualität, die wir im reichen Teil der Welt kennen, nicht grundlegend verzichten wollen und wenn diese Lebensqualität auch eines Tages jene auf dem Planeten erreicht, die sie heute noch nicht für sich in Anspruch nehmen können, wird ein Wandel zu mehr Nachhaltigkeit und Verträglichkeit wohl kaum zu bewerkstelligen sein.
Wie aber leben wir auf einem verkarsteten, heißer werdenden Planeten? Davon wird eigentlich nie gesprochen, weil es nur eine Option zu geben scheint: Wir retten das Ding! Was aber, wenn nicht? Wie essen, wie wohnen wir? Wo wohnen wir? Wie mit der Hitze umgehen? Klimatisierung und damit noch mehr Strombedarf? Also dann doch ein Lockdown, ein jahrelanges Zusperren und Runterfahren, um die einzige Chance auf eine Rettung einzuleiten? Entmündigung als letzte Möglichkeit? Dabei ist es wie bei der sozialen Gerechtigkeit auch: Ökologisches Bewusstsein und Lebensstandard bedingen sich. Und auch Grundrechte sind eine Bedingung dazu, sich Ökologie bewusst zu machen.
Nur Mündigkeit kann Bewusstsein schaffen
Der entmündigte Mensch, dem es an Rechten mangelt, die er qua seines Menschseins verinnerlicht haben sollte, ist keiner, der auf Dauer in einem speziellen Bewusstsein lebt, selbst die Dinge anpacken zu können. Wenn ein starker Staat für ihn die Angelegenheiten so regelt, dass er nur noch als Befehlsempfänger fungieren kann, deaktiviert man damit auch seinen Drang, sich mündig um seine Umwelt zu sorgen. Man bringt ihm bei, dass er nur warten muss, man wird ihm dann schon sagen, wie er was zu tun hat. Und viele werden es dann widerwillig so tun — oder es sabotieren.
In Sachen Klimaschutz ist es letztlich so, dass nur ein Mensch, der naturgegebene Rechte innehat, sich als Produkt innerhalb der Natur begreifen kann.
Wer dauerhaft Grundrechte entzieht, entfremdet den Menschen auch seiner Natur — und damit auch von der Natur. Er wird zu einem Rädchen im Staatsgetriebe: ein unnatürlicher Zustand, in dem man den Bezug zur Umwelt nach und nach verliert. Ob unfreie Menschen als größte Sorge den Klimawandel haben können, muss man überdies bezweifeln.
Natürlich werden nun viele einwenden, dass wir vor der Pandemie unsere Grundrechte in einer ungeregelten Freiheit genossen haben. Aber großes Umweltbewusstsein gab es deswegen noch lange nicht. Eher im Gegenteil. Was könnte man dagegen sagen? Das stimmt ja durchaus. Aber wenn ökologisches Bewusstsein nur den Hauch einer Chance haben will, dann nur dort, wo mündige Wesen am Werk sind, und nicht, wo man entmündigten Kreaturen Aufträge erteilt. Im letzteren Falle ist man schon gescheitert, bevor man es auch nur angeht. Wer eine Minichance haben möchte, dass man die Situation auf diesem Planeten wenigstens ein bisschen verbessert, braucht freie Bürger, die tun, aber eben auch lassen können, was sie wollen.
Gibt es denn gar keine Hoffnung für uns? Aber natürlich gibt es die: Menschen leben im ewigen Eis und in Wüsten, sie leben mit weniger Sauerstoff weit über dem Meeresspiegel und in schwülem Dschungelklima. Der Mensch passt sich also an alle Gegebenheiten an. So wird es auch mit dem Klimawandel sein. Irgendwie geht es weiter. Ob das besonders attraktive Aussichten sind, wage ich zu bezweifeln. Aber wir sterben nicht aus. Wir machen es uns auf diesem Planeten so gut es geht heimelig. Das kostet Mühen und wird die Ausbeutung der Erde verstetigen. Und, wer weiß, vielleicht finden wir ja dann doch noch mal einen anderen Planeten, den wir dann ganz frisch ausschlachten dürfen.