Freiheit für Julian Assange

Die Freilassung des Journalisten ist Anlass, auf seine Geschichte und die anderer Whistleblower zurückzublicken — ein Schicksal, das uns alle berühren muss.

Kein Mann, kein Mensch prägt die globale Friedensbewegung wie Julian Assange. Nachdem er der Öffentlichkeit Zugang zu Kriegsgeheimnissen und Verbrechen von Regierungen weltweit verschafft hatte, wurde er von den einen wie ein Held gefeiert, von den anderen wie ein Schwerverbrecher gejagt. Nach sieben Jahren Rückzug in die enge Herberge der ecuadorianischen Botschaft wurde er unrechtmäßig für fünf weitere Jahre im Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh in London eingekerkert. Ohne Verurteilung und unter dem Einsatz von seelischer Folter, wie der UN-Sonderberichterstatter Nils Melzer zu berichten wusste. Das Martyrium scheint nun endlich ein Ende gefunden zu haben, denn am 26. Juni 2024 konnte Julian Assange als freier Mann australischen Boden betreten und seine Frau Stella Assange wie auch seinen Vater John Shipton vor den Augen der bewegten Öffentlichkeit in die Arme schließen. Der nachfolgende Text stammt aus dem Buch „Erzählungen von Krieg und Terror — 9/11 und seine Folgen“, einem dokumentarischen Bilderbuch, das voraussichtlich 2025 fertiggestellt werden wird. Dank der aktuellen Geschehnisse nun mit dem glücklicheren Fortgang des Kapitels Julian Assange.

Collateral Murder

In aller Frühe brachen sie zu ihrem Todesmarsch auf. Still und fast friedlich war dieser Morgen. Sie klopften an Türen, suchten nach Waffen, und wenn sie nicht anständig versorgt wurden, verwüsteten sie die Häuser der Bewohner Bagdads. Der voranschreitende Tag wurde immer heißer, so heiß, dass selbst das Wasser in ihren Flaschen, das sie sich über die Gesichter laufen ließen, keine Erlösung brachte. Aus Langeweile begannen einige herumzualbern und Fotos zu machen, als die Ereignisse anfingen, sich zu überschlagen.

Ethan Mc Cord war Soldat. Am 12. Juli 2007 war er als Mitglied der Kompanie Bravo in Bagdad. Apache-Kampfhubschrauber patrouillierten im Luftraum über der Stadt. Als sie das Feuer auf eine Gruppe Zivilisten auf einer Straße unter sich eröffneten, töteten sie mehr als ein Dutzend Iraker und verwundeten etliche weitere Menschen. Namir Noor-Eldeen und Saeed Chmagh, Mitarbeiter der internationalen Nachrichtenagentur Reuters, kamen ums Leben, da ihre Kameras für Waffen gehalten wurden. Zunächst überlebte einer der beiden und versuchte, sich schwer verwundet in Sicherheit zu bringen. Dann erschien ein Kleintransporter in der Wohnsiedlung, die innerhalb von Sekunden zu einem Kriegsschauplatz geworden war. Zwei Männer versuchten den Mann in das Fahrzeug zu retten. Daraufhin wurde erneut das Feuer eröffnet.

Mc Cord hörte ein Weinen, als er sich dem Transporter näherte. Nicht das Weinen vor Schmerz, sondern das eines Kindes, das gerade von einem furchtbaren Albtraum aufgewacht ist. Er und ein 20-jähriger Kollege schauten in das Fahrzeug und sahen ein kleines Mädchen, etwa 4 Jahre alt, mit einer schweren Bauchverletzung. Glas war in ihrem Haar und in ihren Augen. Neben ihr lag ein etwa 7-jähriger Junge auf dem Boden, den Kopf auf den Sitz gelegt. Da er sich nicht bewegte und eine schwere Kopfverletzung hatte, ging der Soldat zunächst davon aus, dass er tot sei. Der Vater hatte sich in einer beschützenden Haltung über die Kinder gekrümmt. Er hatte nicht überlebt.

Während Ethan Mc Cord Hilfe anforderte, übergab sich der Kollege und lief davon. Die Antwort, die Mc Cord auf seinen Funkspruch erhielt, war ernüchternd: „Es ist ihr Fehler, Kinder mit in eine Schlacht zu bringen.“ So kümmerte Mc Cord sich selbst gemeinsam mit einem verängstigten Iraker in einem Nebengebäude um die Kleine. Sie säuberten sie und versuchten, so viel Glas wie möglich aus ihrem Haar und ihren Augen zu entfernen, sodass sie wieder blinzeln konnte.

Einem inneren Impuls folgend ging Mc Cord dann noch einmal zu dem Transporter. Hatte der Junge sich gerade bewegt? Er hatte sich bewegt, und so holte er auch ihn aus dem Wagen und lief, ihn fest an sich gedrückt, zu seiner Einheit, um auch dieses Kind in Sicherheit bringen zu lassen.

Schluck die Scheiße oder werde ein mutiger Mann

„Was zur Hölle machst du, Mc Cord?“ Taten wie diese wurden von seinem Vorgesetzten nicht gerne gesehen. Das Militär lehrt seine Untergebenen, jegliche Form der Menschlichkeit zu unterdrücken. Nach Hilfe suchend, um mit den Erlebnissen umgehen zu können, wurde dem tapferen Soldaten dann geraten, diese Scheiße zu schlucken und den Sand aus seiner Vagina zu wischen.

Während er zunächst noch versuchte, dem Rat zu folgen, wurde aus dem Soldaten ein wütender junger Mann, der nicht weiter die Augen vor dem Unrecht verschließen wollte, das der Krieg unweigerlich mit sich bringt. Mit den Tränen kämpfend und sichtlich bewegt berichtete Ethan McCord vor Zuschauern der United National Peace Conference in Albany 2010 von der Verwüstung, die er und seine Kollegen, oftmals selbst noch halbe Kinder, täglich anrichteten, indem sie nicht davor zurückschrecken durften, auch Zivilisten und Kinder zu töten, um unter dem Druck von Vorgesetzten nicht selbst zerstört zu werden.

Dass Ethan Mc Cord den Mut aufbrachte, mit seinen Erlebnissen an die Öffentlichkeit zu treten, zum Beispiel indem er mit seinem Kollegen Josh Stieber einen „Offenen Brief zur Versöhnung und Verantwortung an das irakische Volk“ schrieb, haben wir weiteren mutigen Männern zu verdanken.

Intelligence Analyst Manning

Einer davon ist Bradley Manning, der später zu Chelsea Manning wurde. Ein Mann, der Männer liebt und sich eigentlich wie eine Frau im falschen Körper fühlt, sollte sich beim Militär in Acht nehmen, dass sein Geheimnis nicht entdeckt wird. Als „Intelligence Analyst“ hatte er auf der anderen Seite Zugang zu Informationen mit der Geheimhaltungsstufe „Top Secret“. Das beinhaltete eine schier endlose Menge an geheimen Dokumenten, Fotos und Videos des Pentagon und des amerikanischen Außenministeriums.

Stationiert auf dem irakischen Militärstützpunkt Hammer fasste er einen Entschluss, der die öffentliche Wahrnehmung dieses Krieges entscheidend prägen würde. Auf der Suche nach interessanten Informationen, die nichts mit seiner direkten Arbeit zu tun hatten, stieß er auf das Video, das die geschilderten Ereignisse am 12. Juli in Bagdad dokumentierte und der Welt später durch die Enthüllungsplattform WikiLeaks als 27-minütiges „Collateral Murder“-Video bekannt wurde. Collateral Murder: Das Video deckte Morde auf, die im Sinne eines Kollateralschadens mit bagatellisierendem Vokabular verharmlost wurden. Eine Praxis, die das Militär nur allzu gerne nutzt, um Taten zu rechtfertigen, die sich nicht rechtfertigen lassen. Schon gar nicht, wenn der Welt verkauft werden soll, dass es sich um sogenannte gerechte oder humanitäre Kriege handelt. Ein Euphemismus, bei dem sich jedem fühlenden Wesen die Nackenhaare aufstellen sollten.

Wenn wir das Video anschauen, können wir den Soldaten dabei zuhören, wie sie wie in einem Videospiel die Erfolge ihrer Treffer feiern, sich gegenseitig ermutigen, „sie alle abzufackeln“, getötete Zivilisten als „Bastarde“ und „Arschlöcher“ degradieren und Raketen als „hübsch“ und „süß“ verniedlichen oder die Tatsache, dass ein Militärfahrzeug anscheinend über eine Leiche gefahren ist, damit zum Witz machen, dass dieser Mensch ja eh schon tot sei.

Vermutlich gibt es allerdings kaum eine andere Möglichkeit, damit umgehen zu können, andere Menschen töten zu müssen, als sich von seinen eigenen Empfindungen abzutrennen und sich von jeglichem Mitgefühl zu distanzieren. Was zurückbleibt, ist ein zerstörtes Land — und traumatisierte Soldaten.

Der Soldat und Militär-Analyst Manning allerdings ging zum Handeln über, statt sich der Diktatur des Militärs zu unterwerfen. Er nutzte die Sicherheitslücke einer speziell gesicherten Netzwerkumgebung und konnte mittels eines CD- und DVD-Laufwerks über eine als „Lady Gaga“ gekennzeichnete CD den wahrscheinlich bis dahin größten Datendiebstahl in der Geschichte der USA vornehmen, während er nach Gagas Song „Telephone“ die Lippen bewegte.

Verrat in den eigenen Reihen

Doch er musste teuer für seinen Mut bezahlen, denn mit Adriano Lamo war es ausgerechnet ein anderer Hacker, der ihn in einem amerikanischen Starbucks Café an die Sicherheitsbehörden verpfiff. Manning hatte Lamos Rat über einen Chat gesucht, um seiner Seele Luft über den Entfremdungsprozess zu verschaffen, den er beim Militär erlebte. Erst mal „rein hypothetisch“ wollte er hören, was dieser machen würde, wenn er Zugang zu militärischen Informationen hätte, die so brisant und kriminell seien, dass die Öffentlichkeit ein Anrecht darauf hätte, von diesen ungeschminkten Versionen der Weltereignisse und Krisen zu erfahren. Später berichtete er ihm ziemlich detailliert, welche Art von Informationen er an WikiLeaks weitergegeben hatte. 750.000 geheime US-Militärdokumente über die Kriege im Irak und in Afghanistan, die offiziellen Akten von 765 Guantánamo-Insassen sowie 250.000 vertrauliche Diplomatendepeschen, die später unter dem Namen Cablegate von WikiLeaks veröffentlicht wurden.

Im August 2013 wurde Bradley Manning, der nun offiziell zu Chelsea geworden war, im Alter von 25 Jahren in Fort Meade bei Washington wegen Geheimnisverrats, Spionage, Computerbetrugs und Diebstahls zu 35 Jahren Haft verurteilt. Damals hatte Manning unter zum Teil entwürdigenden Haftbedingungen schon drei Jahre in Untersuchungshaft in Kuwait, Quantico, Virginia und dem Militärgefängnis in Fort Leavenworth in Kansas verbracht. Durch einen Gnadenerlass von US-Präsident Barack Obama kam Chelsea Manning 2017 vorzeitig frei. Da sie vor einer Grand Jury keine Aussagen über WikiLeaks machen wollte, kam sie aber im März 2019 für knapp einen Monat in Isolationshaft. Mitte Mai wurde sie erneut inhaftiert. Unter unmenschlichen Bedingungen, die sie beenden wollte, indem sie ihrem eigenen Leben ein Ende zu setzen gedachte. Nach einem Suizidversuch im März 2020 und der offensichtlichen Unwirksamkeit der Beugehaft wurde sie endlich entlassen. Mit einer Beugestrafe von 256.000 US-Dollar, derer sich eine Crowdfunding-Initiative annahm.

Für Julian Assange, den Mann, der mit WikiLeaks überhaupt erst die Grundlage für so viele Enthüllungen rings um den Globus geschaffen hatte, entwickelte sich die Geschichte leider nicht so günstig.

WikiLeaks

… for the sake of every man, woman and child on earth: we need to save Julian Assange from the machine that‘s trying to grind him into mincemeat“ (Roger Waters, Musiker, 2021).

Julian Assange wurde 1971 in Queensland/Australien geboren. Bereits in seiner Jugend entwickelte er Fähigkeiten am Computer, die ihm über seinen Commodore 64 aus „intellektueller Wissbegierde“ den Zugang zu Welten verschafften, für die sich die meisten seiner Altersgenossen nicht einmal interessierten. Sein Eintritt in das Computernetzwerk der NASA, des US-Militärs und in viele andere schlecht gesicherte Einrichtungen von sicherheitsrelevanter Bedeutung blieb allerdings nicht unbemerkt. Während er damals noch mit einer kleinen Geldstrafe davonkam, wurde dem Nomadenleben des Freigeistes mit der Veröffentlichung von sogenannten Leaks, „die nicht autorisierte Veröffentlichung von Informationen“, die besonders die US Regierung lieber geheim gehalten hätte, ein jähes Ende gesetzt.

Mit WikiLeaks stellte Julian Assange 2006 eine Plattform ins Netz, die es sich zur Aufgabe machte, der Öffentlichkeit einen Blick hinter den Vorhang weltpolitischer Aktivitäten zu verschaffen, der unverfälscht und ungekürzt gewährleistet sein sollte. Zudem sollte die Anonymität des Informanten oder auch Whistleblowers über einen speziellen Weg der Datenübermittlung geschützt sein. Dass dies im Fall von Chelsea Manning nicht gelang, war für Julian Assange der Anfang vom Ende seiner körperlichen Freiheit.

Dabei waren es nicht nur interne Dokumente der USA, die Assange und seine Mitstreiter öffentlich zugänglich machten. Es ging von Anfang an vielmehr darum, große Datenmengen an zensiertem Material zu analysieren und zu publizieren, das von Krieg, Spionage und Korruption handelt. Egal von welcher Nation ausgehend. Für den Geschmack amerikanischer Behörden ging Julian Assange offensichtlich einen Schritt zu weit. So war es unvermeidbar, diesen Rebellen dingfest zu machen.

Doch da es zunächst überhaupt nicht möglich gewesen wäre, ihn wegen seiner journalistischen Tätigkeit hinter Gitter zu bringen, mussten ein absurder Vorwand und eine stark konstruiert wirkende Geschichte herhalten, um durch das Schicksal Assanges ein Exempel zu statuieren.

Ein Exempel, das fortan künftigen Generationen von Freigeistern und Investigativjournalisten aufzeigen sollte, welche Wahrheiten besser nicht mit der Öffentlichkeit geteilt werden und mit wem man sich auf keinen Fall anlegen durfte.

Gefährliche Liebschaften

So wurde dem „Cyberpopstar“ seine Attraktivität zum Verhängnis. Bei einem Schwedenbesuch im Sommer 2010 ließ sich der berühmte Investigativjournalist zu ungeschütztem Geschlechtsverkehr mit zwei verschiedenen Frauen hinreißen. Dass er im Nachhinein keinen Aidstest machen wollte, besorgte die beiden Frauen so sehr, dass sie sich schließlich bei der Polizei meldeten. Aus ungeschütztem Geschlechtsverkehr wurden schließlich Vergewaltigungsvorwürfe konstruiert, zu denen Stellung zu beziehen dem Vorverurteilten in keinster Weise die Gelegenheit gegeben wurde. Obwohl Assange mehrfach versuchte, sich verhören zu lassen, um zur Klärung der Vorwürfe beizutragen.

Ende September 2010 wollte er von Schweden nach Berlin reisen, wo er sich mit verschiedenen Journalisten treffen wollte, um die Bekanntgabe brisanter Informationen zu besprechen. Die Geheimdienste wussten von diesem Treffen mit Holger Stark und Marcel Rosenbach vom Spiegel und Stefania Maurizi von L‘Espresso. Die geplante Verhandlung zu den Vergewaltigungsvorwürfen wurde bewusst um sechs Wochen verzögert, und man brachte Assange weiter in Bedrängnis. Schließlich entschied er sich, einfach abzureisen, was man ihm dann als Flucht auslegte. Nachdem er ein Flugticket nach Berlin-Tegel gekauft hatte, ließen die USA seine Kreditkarten sperren, und er musste bei Bekannten unterkommen. Da auch sein Handy kein Guthaben mehr hatte, erreichte sein Anwalt ihn nicht, um ihm kurz vor dem geplanten Abflug mitzuteilen, dass nun das Verhör stattfinden sollte. Einen Tag vor der Abreise erließ die Staatsanwaltschaft dann einen Haftbefehl. Der Gerichtstermin sollte einen Tag nach seinem Abflug stattfinden. Aber warum nahm man ihn nicht einfach fest? Die Geheimdienste wussten jederzeit, wo der Gesuchte sich befand.

Am 27. September reiste Julian endlich von Arlanda nach Berlin. Dort angekommen, wartete der Enthüllungsjournalist dann als Einziger vergeblich auf sein Gepäck. Darin befanden sich unter anderem drei verschlüsselte Laptops und Festplatten mit sensiblen Daten, die Kriegsverbrechen bewiesen. Diese Elektronikgeräte sind auch später nie wieder aufgetaucht.

Björn Hurtig, der schwedische Anwalt von Julian Assange bemühte sich weiterhin um Vermittlung mit den Behörden und schlug vor, dass sein Mandant im Oktober 2010 zur Vernehmung nach Schweden komme. Der Vorschlag wurde abgelehnt, ebenso wie eine Garantie dafür, dass er nicht an die USA ausgeliefert würde. Dies machte Assange berechtigterweise misstrauisch, während seine Ängste von Behörden und Gegnern als Paranoia ins Lächerliche gezogen wurden.

Statt nach Schweden zurückzureisen, machte sich Julian Assange dann auf den Weg nach London, um sich hier mit Pressevertretern zu Dokumenten auszutauschen, die verdeutlichten, dass im Irak im Namen von Menschenrechten ein Blutbad veranstaltet wurde.

Im Sumpf der Macht wühlen

Die Oberstaatsanwältin Marianne Nye erließ kurzerhand einen Haftbefehl, der in London zum Einsatz kommen sollte. Versehen war das Ganze mit der „Red Notice“ von Interpol, einer Alarmstufe, die sonst nur für verurteilte Straftäter erlassen wird. Julian Assange war bis dahin weder angeklagt noch ein verurteilter Straftäter. Es gab noch nicht einmal wirklich eine Anzeige wegen Vergewaltigung. Lediglich hatten sich zwei Frauen bei der Polizei gemeldet, weil ihr Sexualpartner kein Kondom benutzt hatte und im Anschluss keinen HIV-Test vorlegen wollte. Ohne die Sorgen der beiden Frauen herunterspielen zu wollen, müsste ein derartiges Vergehen doch eine Lappalie für eine Polizeiorganisation wie Interpol sein, die sonst Mörder, Steuerhinterzieher, Betrüger in großem Ausmaß oder Anführer krimineller Vereinigungen sucht. Wir erinnern uns: Julian Assange war ein Verleger, der Insidern die Chance gab, ihre Kenntnisse über wirkliche Verbrechen der Welt zugänglich zu machen, und der kein Kondom benutzen wollte.

Am 22. Oktober veröffentlichte WikiLeaks dann die „Iraq War Logs“. In fast 400.000 Dokumenten wurden die Grausamkeiten des Krieges und amerikanische Kriegsverbrechen aufgedeckt. Sie berichten von 15.000 unbekannten zivilen Opfern, davon, wie es die US-Behörden versäumten, Hunderten Berichten der irakischen Polizei und irakischen Soldaten von Missbrauch, Folter, Vergewaltigungen und sogar Morden auch nur Beachtung zu schenken. Oder wie amerikanische Hubschrauberkämpfer irakische Aufständische töteten, als sie sich bereits ergeben hatten.

Vier Wochen später folgte mit „Cablegate“ der letzte Teil der aufbereiteten Dokumente, die durch Chelsea Manning bei WikiLeaks gelandet waren. Durch die Veröffentlichung der Botschaftsdepeschen bekam die Öffentlichkeit plötzlich mit, dass die USA nur allzu oft ihre Finger mit im Spiel hatten, wenn es darum ging, zum eigenen Vorteil eine Regierung zu stürzen. Vertreter der amerikanischen Regierung billigten zum Beispiel 2006 einen bevorstehenden Militärputsch in Thailand und diskutierten mit dem obersten General von Pakistan 2009 eine ähnliche Lösung. Im selben Jahr unterstützten sie einen Putsch auf Honduras.

Die US-Regierung — also die Regierung, die sich auf die Fahnen geschrieben hatte, ihre Werte in der ganzen Welt zu verbreiten — wusste von den Folterungen, willkürlichen Verhaftungen und außergerichtlichen Tötungen ihres Verbündeten Hosni Mubarak in Ägypten oder der staatlichen Korruption in Tunesien. Ja, ihr waren auch die unmenschlichen Methoden in ihrem eigenen Gefangenenlager auf dem kubanischen Militärstützpunkt Guantánamo Bay bekannt. Und durch Cablegate wurde bekannt, dass Regierungen in Pakistan und im Jemen in die Drohnenoperationen des US-Militärs gegen ihre eigene Zivilbevölkerung involviert waren.

Nicht zuletzt konnten politische Würdenträger rund um den Globus plötzlich lesen, wie im „Land of the Free“ wirklich über sie gedacht wurde und dass Hillary Clinton als US-Außenministerin von den Vertretern ausländischer Regierungen private Informationen wie Kreditkarten- und Vielflieger-Kontonummern, Internet-Passwörter, Arbeitspläne und sogar DNA-Proben sammeln ließ. Höchstwahrscheinlich, um sie erpressen zu können.

Gefangener Botschaftsgast

Am 7. Dezember meldete Julian Assange sich freiwillig auf einem Londoner Polizeirevier in Kentish Town, was zu einer 9-tägigen Inhaftierung im Wandsworth Prison führte. Am 16. Dezember wurde er auf Kaution freigelassen. Die Auflage war, dass er elektronische Fußfesseln tragen und sich von nun an täglich bei der Polizei melden musste.

Am 19. Juni 2012 suchte Julian Assange schließlich die ecuadorianische Botschaft auf, um politisches Asyl zu erbitten, das ihm nach zweiwöchiger Prüfung gewährt wurde. Von da an bewachten britische Polizisten rund um die Uhr die Botschaft, um zu verhindern, dass der Verfolgte unbemerkt sein Refugium verlassen könnte. Die Überwachungskosten betrugen mehr als 16 Millionen Pfund.

Infolge der Beharrlichkeit seiner Anwälte wurde Julian Assange endlich doch in der ecuadorianischen Botschaft zu den Vergewaltigungsvorwürfen befragt. Am 19. Mai 2017 wurde das Verfahren dann aufgrund des Drucks der Anwälte zum zweiten Mal eingestellt. Statt endlich zuzugeben, dass man keine ausreichenden Beweise für eine derartige Anklage hatte, behauptete die Staatsanwältin Nye einfach, man könne die Voruntersuchung nicht abschließen, da der Beschuldigte sich in der Botschaft versteckt hielte.

Das hieß aber leider alles andere, als dass Julian Assange nun ein freier Mann war. Statt einer schwedischen Voruntersuchung zu unhaltbaren Vergewaltigungsvorwürfen musste er nun eine Verhaftung von britischer Seite wegen Verletzung von Kautionsauflagen fürchten.

Als im Mai 2017 Lenín Moreno als neuer Präsident in Ecuador gewählt wurde, änderte sich die bis dahin gastfreundliche Haltung des Landes gegenüber dem ungewöhnlichen Botschaftsgast. Als Entgegenkommen für den Erlass der Staatsschulden Ecuadors und weitere Zugeständnisse verlangten die USA unter Donald Trump die Auslieferung von Julian Assange. Mitarbeiter der Botschaft, die sich mit Assange angefreundet hatten, wurden kurzerhand ausgetauscht. Schließlich wurde ihm das Internet gesperrt und sein Recht auf private Besuche stark eingeschränkt. Treffen waren nur noch unter Videoüberwachung möglich, ein installierter Störsender machte Telefonate unmöglich. Assange wurde rund um die Uhr ausspioniert, und selbst seine Gäste waren nicht davor sicher, dass ihre Handys durchsucht wurden.

Während Assange in seinem noch verbliebenen privaten Wirkungskreis mit der permanenten Verletzung seiner Privatsphäre zu kämpfen hatte, hatte er es in der Weltöffentlichkeit mit der Verleumdung, Entwürdigung und Dämonisierung seiner Person zu tun. Die Medien stürzten sich auf Geschichten, nach denen er seine Katze misshandeln und die Wände mit Kot beschmieren würde.

Ohne dabei wahrzunehmen, wo die eigentlichen Verbrechen stattfanden.

Belmarsh — der härteste Knast Englands

Am 11. April 2019 sollte Julian Assange wegen „schlechten Benehmens“ innerhalb einer Stunde die Botschaft verlassen, die ihm fast sieben Jahre als immer unsicherer werdendes Refugium gedient hatte und eher einem Gefängnis als einem Zuhause glich. Als er sich weigerte, nahm die britische Polizei ihn fest. Daraufhin übergaben die USA Großbritannien ihr Auslieferungsgesuch. Die ecuadorianische Regierung hatte davon angeblich nichts gewusst. Die Botschaft reichte alle Habseligkeiten von Assange sowie Computer und Dokumente an die US-Behörden weiter.

In einem weiteren Akt der Unmenschlichkeit wurde er wegen Kautionsverletzungen ins Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh verbracht, in den „härtesten Knast“ Englands, das „britische Guantánamo Bay“.

Immer wieder kam er hier in Isolationshaft. Das hieß, für 23 Stunden am Tag weggesperrt zu werden. Für lediglich 45 Minuten gab es Ausgang im Innenhof, während alle anderen Insassen aus „Sicherheitsgründen“ nicht in Sichtweite sein durften. In die Isolationshaft kommen Häftlinge, die gewalttätig geworden sind, sich und andere gefährden. Menschen, die versuchen, sich das Leben zu nehmen, weil sie ihre Situation nicht mehr ertragen, werden unter noch unmenschlicheren Bedingungen als ohnehin schon weggesperrt, statt dass sie wirklich Hilfe dabei bekommen, den Weg zurück ins Leben zu finden. Dass Menschen derartige Maßnahmen anderen Menschen zufügen, ist in jedem Fall unerträglich. Dass Vollstreckungsbeamte einer Behörde, die dafür stehen soll, in der westlichen Welt für Recht und Ordnung zu sorgen, derartige Maßnahmen an einem Menschen wie Julian Assange durchführen, ist ein widerwärtiger Akt der Unmenschlichkeit und mit nichts zu rechtfertigen. Eine Isolationshaft von mehr als 15 Tagen fällt unter das Folter- und Misshandlungsverbot.

Hinzu kommt, dass das alles getan wurde, um es Julian Assange unmöglich zu machen, sich in einem fairen Prozess gut vorbereitet verteidigen zu können. Der Angeklagte konnte sich bis dahin faktisch gar nicht auf seine Verhandlungen vorbereiten. Im Vorfeld waren ihm bereits sämtliche Gerichtsdokumente weggenommen worden, auch vertrauliches Material von seinen Anwälten. Technische Möglichkeiten zur Verteidigung wurden ihm vorenthalten, während die Treffen mit seinen Anwälten nur unter erschwerten Bedingungen stattfinden konnten. Entweder wurde er zu spät zu diesen gebracht oder zu früh abgeholt, sodass ein für zwei Stunden geplantes Treffen schon mal auf nur eine Viertelstunde reduziert wurde.

Vorsintflutliche Methoden in Zeiten von KI und Co.

Am 13. Mai 2019 wurde das schwedische Verfahren zum dritten Mal als Voruntersuchung eröffnet. Zehn Tage später legten die Amerikaner nach und erweiterten ihre Hackinganklage um 17 weitere Anklagepunkte. Unter dem „Espionage Act“ von 1917, einem Gesetz, das bereits im Ersten Weltkrieg erlassen wurde, erhöhten sie ihre drohende Maximalstrafe auf 175 Jahre Haft.

Der Espionage Act enthält unter anderem das Verbot, Informationen zu erhalten, Bilder aufzunehmen, Beschreibungen von jedweder Information zu kopieren, die mit der nationalen Verteidigung der USA zusammenhängt, mit der Absicht, dass diese Informationen zum Schaden der Vereinigten Staaten oder zum Vorteil einer fremden Nation verwendet werden könnten. Dabei wird völlig außer Acht gelassen, dass die Bürger eines Landes sehr wohl das Recht darauf haben, über die Machenschaften ihrer Regierungen, die ja ihre Repräsentanten sein sollten, informiert zu sein. Allein dies ist der Auftrag von WikiLeaks, die sich auf die Fahnen geschrieben haben, Licht in das undurchsichtige Agieren jedes beliebigen Landes zu bringen, statt lediglich den USA zu schaden.

Am 19. November wurde das schwedische Verfahren zum dritten Mal eingestellt.

Am 25. September 2019 hatte Julian Assange bereits die Hälfte der 50 Wochen wegen „Kautionsverletzungen“ abgesessen. Er hätte aufgrund guter Führung entlassen werden müssen. Die Richterin entschied sich aber dagegen. Wegen seiner vorangegangenen Flucht in die ecuadorianische Botschaft könne er nicht entlassen werden, da man weitere Fluchtversuche zu befürchten habe.

Am 24. Februar war dann der erste Verhandlungstag im Prozess um die Auslieferung an die USA. Assange wurde für die Verhandlung in einer Box aus schusssicherem Glas untergebracht, weit entfernt von seinen Anwälten. Pressevertreter durften sich nur im Nebenraum aufhalten, bei technisch extrem schlechter Übertragung aus dem Gerichtssaal. Die Richterin war gar nicht zu hören, der Prozessvertreter der USA, James Lewis, nur teilweise oder gar nicht.

Die Vertreidigung brachte vor allem vier Punkte vor:

  1. Das Auslieferungsabkommen zwischen den USA und Großbritannien verbietet eine Auslieferung aufgrund politischer Delikte.
  2. Die Überwachung von Assange und das Abhören vertraulicher Gespräche mit seinen Anwälten ist eine schwerwiegende Verletzung der Waffengleichheit.
  3. Die Auslieferung an Staaten, in denen Folter droht, ist untersagt. Assange stehen 175 Jahre Haft und entwürdigende Haftbedingungen bevor.
  4. Ein Gefangener kann nur ausgeliefert werden, wenn das Vergehen auch in Großbritannien eine Straftat ist. Empfangen und Publizieren geheimer Informationen, die für die Öffentlichkeit von Interesse sind, sind von der Meinungs- und Pressefreiheit gedeckt.

Nach vier Verhandlungstagen wurde die Beweisverhandlung vertagt und zögerte sich „wegen Corona“ hinaus.

Am 24. Juni wurde dann überraschend eine neue Anklage erhoben. 18 bekannte Anklagepunkte blieben bestehen, der zugrunde liegende Anklagepunkt wurde anders akzentuiert und erweitert. Nun sollte der Kontakt zu bestimmten Hackergruppen im Mittelpunkt der Anklage stehen. Assange soll diese zum Diebstahl und zur Auslieferung von geheimem Regierungsmaterial angestiftet haben.

Die Anwälte von Assange bekamen diese Informationen erst eine Woche, nachdem die Frist abgelaufen war, in der sie neue Beweismittel hätten hervorbringen können, vorgelegt. Die Richterin lehnte eine erneute Verhandlungspause ab.

Die nächste Verhandlung fand im Strafgerichtshof „Old Bailey“ statt. Wegen der Pandemie durften nur fünf Personen in der Besuchergalerie teilnehmen. Die Übertragung in den Besucherraum funktionierte erneut nur schlecht. 40 Prozessbeobachtern wurde am ersten Verhandlungstag die Genehmigung entzogen, per Videolink teilzunehmen. Dazu gehörten das Europäische Parlament, Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International oder Reporter ohne Grenzen. Ihre Teilnahme sei nicht „im Interesse der Justiz“.

Zudem funktionierte die Zeugenvernehmung der Verteidigung per Videoschaltung nicht, da das Bild ausfiel und es Probleme mit dem Ton gab. Der Zeitplan geriet aus den Fugen. Schriftlich eingereichte Zeugenaussagen durften nicht mündlich wiederholt werden. Zeugen aus der Verteidigung durften von der Anklage ins Kreuzverhör genommen werden, nicht aber umgekehrt. Angestellte der US-Regierung durften von vornherein nicht einmal befragt werden. Der Angeklagte selbst durfte sich gar nicht äußern. Der Beweis, inwiefern WikiLeaks Menschenleben gefährdet habe, blieb aus.

Schließlich wurde die Auslieferung von Julian Assange für den 4. Januar 2021 angesetzt. Doch obwohl die Richterin Baraiter alle Anklagepunkte unterstützte, kam es wider Erwarten doch nicht zu einer Auslieferung. Als Grund dafür wurde nicht etwa die Unhaltbarkeit der Anklagepunkte angeführt, sondern einzig und allein die Tatsache, dass der Angeklagte unter einem desolaten Gesundheitszustand litt und Suizidgefahr bestünde.

Free Julian

„(…) jedem Mann, jeder Frau und jedem Kind auf der Erde zuliebe: Wir müssen Julian Assange vor der Maschinerie retten, die versucht, ihn zu Hackfleisch zu machen.“

Denn die Geschichte von Julian Assange steht für mehr als nur für das tragische Einzelschicksal eines mutigen Verlegers. Sie steht für die Freiheit der Rede. Sie steht für die demokratischen Rechte eines jeden einzelnen Menschen auf unserem Planeten.

Das Schicksal von Julian Assange ist ganz eng mit unser aller Leben verbunden, denn von ihrem Ausgang hängt es ab, ob wir, die Menschen dieser Erde, immer tiefer in das Netz der Willkür von Regierungen und Geheimdiensten gezogen werden — Organisationen, die Recht und Unrecht nach ihren jeweiligen Interessen auslegen können und dabei nicht davor zurückschrecken, zu lügen, zu töten und zu foltern, und die keine Skrupel dabei empfinden, wenn es das Leben von unzähligen unschuldigen Menschen kostet. Von Männern, Frauen und Kindern.

Solange wir wegschauen und so tun, als ginge uns das alles nichts an, machen wir uns mitschuldig an den Kriegsverbrechen die weltweit im Namen der Demokratie verübt werden. Wir machen uns mitschuldig an Verbrechen, die begangen werden, damit wir in Sicherheit und Wohlstand die Privilegien der westlichen Welt genießen können. Doch auch unsere Fesseln werden enger, und das Beispiel von Julian Assange zeigt uns sehr deutlich, wie fest die Hydra uns schon im Würgegriff hat. Denn wir sind schon lange nicht mehr nur frei zu sagen, was wir wollen, ohne dass es etwas ändert. Nein: Wenn wir mit unseren Worten und Taten an der Autorität derer kratzen, die auch weiterhin die (Un-)Geschicke unserer Welt lenken wollen, sollten wir schleunigst dafür sorgen, dass unsere Worte nicht zu viel Gewicht oder Einfluss haben könnten, denn sonst kann es sehr gefährlich für uns werden.

Weitere dreieinhalb Jahre gingen ins Land, ohne dass sich etwas wesentlich bewegte. Der besorgniserregende Gesundheitszustandes Assanges und der Eindruck, dass sich die Ankläger und das Gericht keinen Milimeter bewegen wollten, ließ in der Öffentlichkeit wenig Raum für Hoffnung.

Unerwartete Freiheit

Und plötzlich war es vorbei. Plötzlich war er frei — der Mann, der seine eigene Freiheit mehr als ein Jahrzehnt lang für Presse- und Redefreiheit hergegeben hatte. Plötzlich ging alles so schnell. Mithilfe der australischen Regierung unter Premierministers Albanese, der in Verhandlungen mit der amerikanischen Regierung gegangen war, mussten der Oberste Gerichtshof in London und auch die Ankläger der Vereinigten Staaten von Amerika der Tatsache Tribut zollen, dass durch die Veröffentlichungen auf WikiLeaks niemand zu Schaden gekommen war. Niemand — außer dem scheinheiligen Ansehen von Regierungen, die betrügen, lügen und morden lassen, um ihre eigene Stellung in einem brüchigen Weltgefüge weiter zu behaupten.

Doch dem war der jahrelange Einsatz seiner tapferen und mutigen Ehefrau Stella Assange und ihrem Anwaltsteam vorausgegangen. Einflussreiche Intellektuelle, Politiker, Philosophen und Anwälte neben Stella, der amerikanische Whistleblower Edward Snowden oder der griechische Politiker Yannis Varoufakis hielten zum Beispiel seit Oktober 2022 die sogenannten Belmarsh-Tribunale ab. Darüber hinaus gab es eine weltweite Bewegung, die für die Freilassung von Julian Assange auf die Straße ging, Konzerte spielte, Ausstellungen organisierte, Filme drehte, Kunstaktionen veranstaltete und vieles mehr.

Ohne diesen Einsatz wäre Julian Assange vermutlich für immer in einer dunklen Gefängniszelle verschwunden oder durch die CIA ermordet worden, was Ex-CIA-Chef Mike Pompeo ja durchaus erwogen hatte und was selbst die ehemalige Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton in Erwägung zog, indem sie sich wünschte, ihn einfach zu „drohnen“.

Julian Assange verließ am 24. Juni 2024 das Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh, in dem er fünf Jahre von einer westlichen Gerichtsbarkeit festgehalten worden war. Er wurde nach Salpan, der zweitgrößten Marianeninsel im Westpazifik, ausgeflogen, einem Herrschaftsgebiet der USA, weitab von deren bedrohlichem Festland. Hier sollte er sich wenigstens zu einem der 17 Anklagepunkte bekennen. Und schließlich bekannte er sich schuldig dafür, Informationen über Kriegsgeheimnisse beschafft und veröffentlicht zu haben, auf deren Kenntnisse die Öffentlichkeit ein Recht hat. Veröffentlichungen, für die er jedes Jahr für den Friedensnobelpreis nominiert worden war. Die fünf Jahre Haft, zu denen er dafür verurteilt wurde, hat er bereits in Belmarsh abgesessen — und weitere sieben Jahre Botschaftshaft in London.

Doch die seelischen Wunden, die diesem Mann beigebracht wurden, werden länger währen. Es bleibt zu hoffen, dass sein Bewusstsein darüber, welchen Dienst er mit seinem Mut und seinem sensiblen Sinn für Recht und Gerechtigkeit der Welt erwiesen hat, ihm dabei helfen werden, den Weg in ein selbstbestimmtes Leben zurückzufinden.

Was er als Erstes tun wollen? Jeden Tag im Meer schwimmen. Und seinen beiden Söhnen beibringen, wie man Krabben fängt.

„Julian braucht Zeit um sich zu erholen, um sich an die Freiheit zu gewöhnen. Jemand, der etwas Ähnliches erlebt hat, sagte mir gestern, dass Freiheit langsam kommt. Und ich möchte, dass Julian diesen Raum hat, um die Freiheit langsam wieder zu entdecken … und schnell!“

(Stella Assange, family hold press conference in Canberra, 26. Juni 2024)