Fake oder News?
Der Kampf um die Deutungshoheit.
Der Begriff „Fake News“ ist heute aus der medienpolitischen Debatte nicht mehr wegzudenken und trübt zunehmend unseren Blick auf Informationen. Was ist wahr und was falsch – und wer entscheidet darüber? In diesem Zusammenhang kritisieren staatliche Akteure und etablierte Medien oft mangelnde Medienkompetenz und fehlendes politisches Bewusstsein der Konsumenten. Doch anstatt beides zu fördern, nutzen bestimmte Kräfte die allgemeine Verunsicherung, um die Deutungshoheit über den Wahrheitsgehalt von Nachrichten für sich zu beanspruchen.
Schon wieder ein Artikel zu Fake News?
Ja, denn sie sind kein kurzer Hype und auch nach über zwei Jahren immer noch aktuell. Mit "Alternative Fakten" wurde soeben die kleine Schwester der Fake News zum Unwort des Jahres 2017 gewählt. Das Ringen um Sprache und den zulässigen Rahmen des Sagbaren bestimmt unsere Zeit und spiegelt sich in den aktuellen Debatten wider. Politische Gegner werfen sich gegenseitig vor Lügen zu verbreiten. Der groteske Schlagabtausch zu den "Fake News Awards" zwischen Trump und CNN ist hierfür nur ein besonders irritierendes Beispiel (1).
Die Liste an omnipräsenten Schlagworten wie Wahrheit, Lüge, Objektivität, Verschwörungstheorie, Hassrede, Fakten oder Falschmeldung ist lang. Sie sind, wie der Begriff Fake News, letztlich zwar emotional stark aufgeladen, inhaltlich wiederum nur sehr schwer zu fassen. Nachrichten und deren Wahrheitsgehalt können nämlich ganz unterschiedlich interpretiert und aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet werden.
Doch was sind Fake News eigentlich ganz ‚offiziell‘? Die Bundeszentrale für politische Bildung ist mit folgender Definition behilflich:
Fake News „[..] sind also gefälschte Nachrichten. Mit reißerischen Schlagzeilen, gefälschten Bildern und Behauptungen werden so Lügen und Propaganda verbreitet.“(2)
Ob und inwiefern diese Definition trägt, soll nachfolgend geprüft werden.
Die Frage ist dabei nicht, ob falsche Nachrichten grundsätzlich verurteilt gehören. Das ist größtenteils unstrittig. Sie werden von nahezu jedem abgelehnt. Der Knackpunkt liegt in der Beurteilung und der Nutzung des Begriffs. Versucht man damit abwägend, differenziert und vorsichtig umzugehen? Oder wird er inflationär und als Kampfbegriff gegen unliebsame Sichtweisen verwendet?
Fake News aus ganz unterschiedlichen Blickwinkeln
Hält man Ausschau nach den beiden Polen, die sich in dieser unversöhnlichen Debatte gegenüber stehen, zeigt sich folgendes Narrativ: Fake News werden vor allem von alternativen Medienportalen und in sozialen Medien veröffentlicht. Demgegenüber steht ein weiterer Kampfbegriff: die Lügenpresse. Legt man nun jedoch die offiziellen Maßstäbe für Fake News an, stellt man schnell fest, dass überall und zu jeder Zeit gefälschte Nachrichten existieren.
Natürlich gibt es in den sozialen Netzwerken bewusste Falschmeldungen, die viele Menschen erreichen. In den vergangenen Jahren waren bspw. 7 der 10 erfolgreichsten Artikel über Angela Merkel auf Facebook falsch (3). Derartige Falschmeldungen häufen sich und dürfen nicht leichtsinnig abgetan werden. Denn sie stiften gezielt Verwirrung und können ganze Medienumfelder diskreditieren. Besonders wenn der Fokus von medialer Seite auf diese Art Fake News gelegt wird.
Im Umkehrschluss gibt es aber auch unzählige andere Beispiele für berichtete Falschinformationen. Eines der bekanntesten war natürlich der legendäre Auftritt von US-Außenminister Powell im Vorfeld des Zweiten Irakkriegs. Heute weiß jeder, dass die vermeintlichen Beweise für Massenvernichtungswaffen gelogen waren. Ein Musterbeispiel für gefälschte Bilder und Behauptungen um Lügen und Propaganda zu verbreiten. Als Steinbrück und Merkel auf der Höhe der Finanzkrise 2008 alle deutschen Spareinlagen für sicher erklärten, war das schlichtweg nicht wahr. Später als Notlüge etikettiert, war das Ganze plötzlich nur noch eine politische, keine rechtliche Zusage mehr (4). Wenn die Bild-Zeitung reißerisch suggeriert, dass Flüchtlinge in Hamburg schwarzfahren dürfen, dann sind das Fake News (5).
„Das Drama der Desinformation“
Die Liste könnte an dieser Stelle endlos fortgesetzt werden. Festzuhalten bleibt: Falsche Informationen lassen sich nicht auf einen bestimmten Raum oder eine bestimmte Zeit festlegen. Auch außerhalb der sozialen und alternativen Medien gibt es sie. Auch hier werden sie größtenteils unkritisch übernommen. Immer vorausgesetzt, sie passen gerade ins Bild.
Letztlich geht es immer auch um die Deutungshoheit. Denn in der Nutzung des Begriffs liegt bereits eine Machtasymmetrie. Derjenige, der alternativen Portalen Fake News vorwirft, muss das selten detailliert begründen. Der Vorwurf allein ist meist legitim. Der Angegriffene wiederum ist stigmatisiert und muss sich direkt verteidigen. Wer wiederum den etablierten Medien Fake News vorwirft, muss das sehr wohl fundiert belegen. Gelingt das nicht lückenlos, wird der Vorwurf in diesem Fall direkt zum Boomerang.
Ohne über die Intention der jüngsten Aussagen von Papst Franziskus spekulieren zu wollen, kann man seiner Einschätzung zum Thema soweit nur zustimmen:
"Das Drama der Desinformation ist die Diskreditierung des anderen, seine Stilisierung zum Feindbild bis hin zu einer Dämonisierung, die Konflikte schüren kann"(6).
Deswegen darf es auch keine Pauschalisierungen geben. Man muss idealerweise jede Nachricht einzeln beurteilen und sein Urteil durch Quellenanalyse argumentativ festigen. Dafür fehlt jedoch oft die Zeit oder aber das Interesse. Damit werden unter anderem auch die erheblichen Anstrengungen dagegen vorzugehen gerechtfertigt. Das geschieht verstärkt von etablierten Kräften. Allerdings ist der Feldzug gegen falsche Nachrichten äußerst selektiv und beschränkt sich auf das „Neuland“ Internet.
Der Kampf ums Netz
Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) soll Hassrede und Fake News auf den großen sozialen Plattformen, wie Facebook und Twitter, bekämpfen. In der Konsequenz wurde die Rechtsdurchsetzung von ordentlichen Gerichten an private Unternehmen mit Sitz in den USA ausgelagert. Diese tendieren angesichts exorbitant hoher Strafen zu übereifrigem Löschen von Inhalten (7). Dem sogenannten "Overblocking". Dabei richten sich die meisten Zensurmaßnahmen gegen freie Meinungsäußerungen und nicht gegen falsche Informationen oder Hassreden. Eine ähnliche Gesetzesinitiative für Print- oder Rundfunkmedien gibt es jedoch nicht.
In Zeiten von sogenannten "Clickbaiting" zur Reichweitensteigerung werden die Überschriften ganz bewusst immer plakativer. Sie spielen mit Intuitionen, Halbwissen, Unterstellungen sowie Wunschdenken und suggerieren oft genug andere Inhalte. Auch hier können die reißerischen Schlagzeilen, gemäß der oben genannten Definition, getrost als gefälschte Nachrichten abgestempelt werden.
Darüber hinaus gibt es Initiativen wie den ARD-Faktenfinder oder das Netzwerk Correctiv, die es sich zur Aufgabe gemacht haben Falschmeldungen im Internet entgegenzuwirken. Laut Bericht des Europarats sind aber auch sie wirkungslos im Angesicht der herrschenden „Information Disorder“ (8). Ein neuer Begriff, den es noch aufzuladen gilt.
Was ist die Konsequenz?
All das hat zur Folge, dass notwendige Diskussionen bereits im Vorfeld erschwert oder wahlweise verunmöglicht werden. Es braucht jedoch ganz andere Formen um dem vermeintlichen Phänomen Fake News entgegenzutreten. Selbst Mathias Döpfner als Chef des Springer-Konzerns, der sonst ja doch eher selten eine Argumentationshilfe ist, sieht das so (9). Der Begriff ist schwammig und dient vor allem der Hysterie. Auch die CSU hält das NetzDG mittlerweile für verfassungswidrig (10).
Facebook ist kürzlich zu einem ähnlichen Entschluss gekommen und möchte die Glaubwürdigkeit von Medien wieder von seinen Nutzern, anstatt beauftragter Prüfstellen, evaluieren lassen (11). Dies wiederum mit einem schlichten Abstimmungstool zu verbinden, zeigt die Hilflosigkeit und den Hang zum Aktionismus. Auch die EU-Kommission setzt neben der neuen 39-köpfigen „High-Level Group“ zur Bekämpfung von Falschmeldungen im Netz wieder auf einfache Bürgerumfragen (12). Die Einsicht, dass am Ende jeder Mensch für sich selbst entscheidet was vertrauenswürdig ist, ist also noch da.
Was alle Beispiele eindrucksvoll zeigen, ist der Stellenwert der Selbstverantwortung.
Egal aus welcher Perspektive man auf Informationen blickt, die Schlussfolgerung bleibt dieselbe. Eine große Lösung ist nicht in Sicht und auch nicht wünschenswert. Auseinandersetzungen müssen immer inhaltlich geführt werden und nicht darauf abzielen nur den Absender vorzuverurteilen.
Nichtsdestotrotz gilt es die Bedeutung von transparenten Informationen hervorzuheben sowie für die Kraft der Sprache und die kritische Betrachtung von Themen zu sensibilisieren. In dieser Verantwortung steht aber jeder in erster Linie selbst. Egal ob Journalist, Politiker oder Privatperson. Ansonsten wird Glenn Greenwald Recht behalten und der offizielle Kampf gegen Fake News wird bloß der Türöffner zur Internetzensur sein (13).
Quellen und Anmerkungen:
(1) http://www.telegraph.co.uk/news/2018/01/18/fake-news-awardscnn-wins-taking-4-11-accolades-announced-donald/
(2) https://www.bpb.de/nachschlagen/lexika/das-junge-politik-lexikon/239951/fake-news
(3) https://www.buzzfeed.com/karstenschmehl/die-top-fake-news-ueber-angela-merkel?utm_term=.mj2MZANzoM#.fd9KXWAGlK
(4) http://www.tagesspiegel.de/medien/doku-luege-und-wahrheit-in-der-politik/8624446.html
(5) http://www.bildblog.de/68921/wie-bild-den-hass-gegen-fluechtlinge-schuert/
(6) http://www.spiegel.de/panorama/papst-franziskus-ruft-zum-kampf-gegen-fake-news-auf-a-1189632.html
(7) https://netzpolitik.org/2017/netzdg-fake-law-gegen-hate-speech/
(8) https://rm.coe.int/information-disorder-toward-an-interdisciplinary-framework-for-researc/168076277c
(9) https://www.heise.de/newsticker/meldung/Doepfner-Facebook-muss-Probleme-mit-Fake-News-selbst-loesen-3614579.html
(10) https://netzpolitik.org/2018/csunet-netzdg-verstoesst-gegen-die-verfassung/
(11) http://meedia.de/2018/01/24/glaubwuerdigkeit-von-medien-facebook-stellt-seinen-nutzern-lediglich-zwei-fragen-die-das-fake-news-problem-nicht-ansatzweise-loesen/
(12) https://ec.europa.eu/digital-single-market/en/news/public-consultation-fake-news-and-online-disinformation
(13) http://justicenow.de/2018-01-19/im-kampf-gegen-fake-news-wird-das-internet-zum-target-staatlicher-zensur/