EU-Gesetz für Digitale Dienste in Kraft
Kritiker fürchten Zensur durch große Internet-Plattformen und EU-Kommission. Deutsches Gesetz zur Umsetzung wird derzeit beraten.
„Illegale Inhalte schneller entfernen“ — es ist klar, dass Regierungen und Behörden keine Freunde des Illegalen sind. Wie steht es aber mit „Hetze und Desinformation“? Der Digital Services Act (DSA) ist seit dem 17. Februar 2024 in Kraft. Nicht wenige fürchten verschärfte Zensur durch Digitalplattformen und EU-Kommission — und zwar auch von Inhalten unterhalb der Strafbarkeitsschwelle. Beim Thema „Corona“ haben wir gesehen, wie leicht man in den Verdacht der „Desinformation“ gerät, was faktisch das Gleiche bedeuten kann wie „Informationen, die der Auffassung der Regierung widersprechen“. Denn es ist für die Meinungsfreiheit verheerend, wenn von zwei Mannschaften auf dem Spielfeld eine gleichsam auch noch die Regeln macht, nach denen gespielt wird. Wir übernehmen hier einen Beitrag der neuen Kurzmeldungen-Rubrik unserer Kollegen von „multipolar“. Die Themen, um die es hier geht, könnten unsere Arbeit bei Manova bald schon ganz konkret betreffen. Was Gestalt annimmt, ist eine Medienlandschaft vielleicht ohne „Hetze“, aber auch ohne Biss, eine Meinungs-Monokultur, die selbst noch die bisher sehr kritischen Magazin weltanschaulich zu neutralisieren versucht.
Seit Sonnabend (17. Februar) gilt der Digital Services Act (DSA) der Europäischen Union, mit dem laut Bundesregierung „illegale Inhalte schneller entfernt werden“ können. Die EU-Kommission überwacht auf Grundlage des DSA große Online-Suchmaschinen und Plattformen, die von mehr als 45 Millionen EU-Bürgern genutzt werden, darunter Google, Facebook, Instagram, TikTok, LinkedIn, Wikipedia, Apple, Microsoft und Amazon. Das Gesetz für digitale Dienste soll nach Darstellung der EU „das Online-Umfeld sicherer“ machen. Es sieht Pflichten für Online-Plattformen und soziale Medien vor, insbesondere beim „Umgang mit rechtswidrigen Inhalten“ sowie „Hetze und Desinformation“. Kritiker prangern ungenaue Rechtsbegriffe im Gesetz an und sehen die Meinungsfreiheit in Gefahr.
Der Deutsche Bundestag berät derzeit flankierend das Digitale-Dienste-Gesetz, das die Zuständigkeiten für Deutschland regelt. Diesen Mittwoch (21. Februar) findet eine Expertenanhörung im Ausschuss für Digitales des Bundestages statt. Vorgesehen ist, die Bundesnetzagentur zur Aufsichtsbehörde über die Anbieter in Deutschland zu machen. Dort bereitet sich derzeit ein 20-köpfiger Aufbaustab auf die neuen Aufgaben vor.
Der deutsche EU-Abgeordnete der Piratenpartei Patrik Breyer, der bei der Gesetzgebung mitgewirkt hat, kritisiert, dass das Gesetz die „allgegenwärtige Online-Überwachung“ durch große Unternehmen nicht überwinde. Es seien keine Alternativen zu den „toxischen Algorithmen“ der Plattformen geschaffen worden, durch die die „kontroversesten und extremsten Inhalte“ bevorzugt angezeigt würden. Auch habe man es nicht geschafft, legale Inhalte, darunter Medienberichte, „davor zu schützen, dass sie durch fehleranfällige Upload-Filter oder willkürlich festgelegte Plattformregeln unterdrückt werden“.
Für den Richter im Ruhestand Manfred Kölsch ist der DSA ein „Angriff auf die verfassungsmäßige Ordnung“. Das Gesetz eröffne die Möglichkeit, auch nicht rechtswidrige Beiträge als löschungspflichtig zu deklarieren, schrieb er in einem Beitrag für die Berliner Zeitung. Mit dem Gesetz werde eine europaweite „Kommunikationsüberwachungsbürokratie“ installiert, die dem grundgesetzlich verankerten Föderalismus widerspräche: „Bisher war die Medienaufsicht Ländersache.“ Kölsch spricht von „indirekter Zensur“.
In Deutschland knüpft der DSA an das seit 2017 bestehende Netzwerkdurchsetzungsgesetz an, welches laut Medienrechts-Professor Wolfgang Schulz von mehreren autoritären Regierungen weltweit „kopiert“ wurde, um regierungskritische Äußerungen leichter löschen zu können. Was „Fehlinformationen“ sind, entscheide dort, so Schulz, „im Zweifel die Regierung“.
Redaktionelle Anmerkung: Dieser Text erschien zuerst unter dem Titel „EU-Gesetz für Digitale Dienste in Kraft“ auf multipolar.
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