Es ist, was es ist
Der Weg der Akzeptanz macht unser Leben leichter.
Es sind die inneren Widerstände, die aus einem Problem — welcher Art auch immer — Schmerz und Leid entstehen lassen. Erst durch das Annehmen dessen, was ist, kann es sich schließlich auflösen.
Es regnet. Seit Wochen, und nur mit ein paar Unterbrechungen. Frühling in Südfrankreich sieht eigentlich anders aus. Ich bin missmutig und fühle mich eingeschlossen. Nach einem späten Wintereinbruch Anfang März sind die Mimose und der Pampelmusenbaum im Garten ohne Blätter und mein „Büro“ im Garten bleibt unbeziehbar.
Es ist, was es ist. Mit diesen Worten der tiefen Akzeptanz begann vor sechs Jahren mein Weg aus dem Krebs heraus. Die Diagnose fiel eine Woche vor meiner Hochzeit. Ich habe „Ja“ gesagt. Zu meinem Mann und zum Leben. Dieses Ja hat für mich etwas eingeleitet, was heilt. Auch Krebs. Selbst den schlimmsten Schmerz, die zerreißendste Trennung, den größten Verlust.
Ich sehe dich und ich nehme dich an, wie du bist. Was oder wer auch immer du bist.
Im eigenen Körper habe ich erfahren, dass Widerstand gegen das, was ist, vor allem zu Schmerz und Leid führt und die Lage nicht besser macht. Daraus resultiert für mich keine Resignation. Es bedeutet nicht, keinen Protest zu zeigen. Annehmen bedeutet, die Verantwortung für etwas zu übernehmen. Ich versuche nicht, den schwarzen Peter an andere weiter zu schieben. Ich nehme ihn in die Hand und decke ihn auf.
Vampire im Sonnenlicht
So fällt Licht auf das Problem. Damit verliert das Dunkle seinen Schrecken. Dämonen überleben ja nur in Kellern und unter dem Bett. Bringt man sie ans Licht, verflüchtigen sie sich wie die Vampire in den ersten Sonnenstrahlen des aufgehenden Tages.
Ich muss gar nichts Besonderes tun, um mein Problem zu lösen, wie auch immer es sich gestaltet, ob es Tumor heißt oder anders. Ich muss nicht daran herum hämmern und sägen und bohren. Es reicht, wenn ich es ins Licht schicke, indem ich mir bewusst mache, welche Saiten es in mir anschlägt.
Körpersprache
Wie fühlt es sich an? Was macht es mit mir? Wo genau in meinem Körper brennt es, kneift, drückt oder zieht es? Was schlägt mir auf den Magen, geht mir an die Nieren oder liegt mir auf der Seele? Das hat mich der Krebs gelehrt: Fühl’ genau hin. Nimm wahr, was du vorher versucht hast zu unterdrücken, zu fliehen oder wegzuschieben.
In dieser Art innerem Dialog konnte ich spüren, dass mein Körper mir nichts Böses wollte. Er kommunizierte auf seine Art mit mir. Das Problem war nicht gegen mich gerichtet. Selbst wenn mich der Tumor töten konnte, er war kein Todesschrei. Ich nahm ihn als Appell des Lebens, von nun an besser hinzuschauen und achtsamer mit mir umzugehen.
Eine Frage der Kommunikation
Indem ich mein Problem nicht als Monster, sondern als Boten annahm und ihm nicht die Etiketten des Bösartigen, Hinterhältigen aufklebte, wurde das Problem zu dem, was es war: zu ein paar Zellen, die durch einen Kopierfehler verlernt hatten, mit ihrer Umgebung zu kommunizieren. Es ging hier nicht um Angriff und Krieg. Es ging nicht darum, gegen den Feind in die Schlacht zu ziehen, sondern um Kommunikation, Präsenz und Achtsamkeit.
Heute erfahre ich es immer wieder: Wenn es mir gelingt, ein Ereignis – ob außerhalb oder innerhalb von mir – ganz und gar anzunehmen, indem ich den Gefühlen, die es in mir auslöst, keinen Widerstand entgegen setze, dann löst sich das Unangenehme und Schmerzhafte nach und nach auf. Von ganz alleine, ohne, dass ich dazu etwas Besonderes tun muss.
Aktives Mitspielen
So, wie ich meinen Tumor ins Licht geschickt habe, so versuche ich es mit allem, das mir begegnet. Schmerz, Unlust, Traurigkeit, Schmollen, Grübelei, das Gefühl, dies oder jenes schon wieder nicht geschafft zu haben... alles, was vorstellig wird, versuche ich zu nehmen, wie es ist. Alles ist okay. Alles sagt mir etwas über mich. Und alles bekommt damit Sinn.
Damit bin ich nicht mehr hilfloses Opfer dessen, was mir widerfährt, das anderen oder den Umständen die Schuld für sein Übel gibt und verzweifelt auf einen Retter wartet. Ich spiele mit.
Ich übernehme Verantwortung für mein Spiel, dieses große Spiel, in dem es im Grunde um nichts anderes geht, als sich selbst ein Stück besser kennenzulernen und sich anzunehmen, so, wie man ist.
Es regnet immer noch. Mein Unmut ist verflogen. Dank dir, lieber Leser, konnte er sich verwandeln. Oft gelingt mir das nicht und häufig stecke ich fest in meinen Gefühlen und mag sie nicht loslassen. Aber wenn es mir gelingt, dann ist es wie Fliegen.
Mehr zu meinem Umgang mit Krebs in meinem Buch Krankheit heilt. Vom kreativen Denken und dem Gespräch mit sich selbst. Omega 2014