Es gibt keine Terroristen!

Das Konzept „Terrorismus“ wird zur Verfolgung Andersdenkender missbraucht.

Hat jemand eine Straftat begangen, gilt die angeklagte Person bis zu ihrer Verurteilung als unschuldig und darf nicht als Straftäter bezeichnet werden. Die Bezeichnung Terrorist bildet da keine Ausnahme. Die Medien verwenden den Begriff „Terrorist“ jedoch immer wieder, obwohl dies weder mit noch ohne den Zusatz „mutmaßlich“ erlaubt ist. Der Autor sieht in der Behauptung, der Terrorismus sei die schlimmste Bedrohung, den „größten Betrug der Menschheit“.

Wir bezeichnen jemanden als Schreiner, wenn er diesen Beruf nicht nur gelernt hat, sondern auch regelmäßig ausübt. Wir bezeichnen jemanden nur so lange als Minister, während er oder sie ein solches Amt ausübt. Wir bezeichnen jemanden als Urlauber für eine erheblich kürzere Zeit, nur während er oder sie sich im Urlaub befindet. Wir verwenden solche Begriffe um den Status, das Amt, den Beruf oder die Tätigkeit einer Person zu beschreiben.

Hat jemand eine Straftat begangen, egal welcher Art, sei es Diebstahl, Betrug oder Mord, vermeiden wir es, die angeklagte Person vor ihrer Verurteilung als Dieb, Betrüger oder Mörder zu bezeichnen. Bis zum Urteilsspruch gilt in diesen Fällen die Unschuldsvermutung. Auch Strafgerichte verwenden die Begriffe Dieb, Betrüger oder Mörder nicht für mutmaßliche Täter. Dies gilt genauso für die Bezeichnung „Terrorist“.

Sprache als Waffe der Entmenschlichung

Zu welcher Entmenschlichung die Bezeichnung „Terrorist“ führen kann, zeigen beispielhaft die US-amerikanischen Drohnenmorde. Die Ermordeten werden nicht wegen einer bestimmten Tat angeklagt oder verfolgt, sondern als „Terroristen“ bezeichnet und dann auf dieser Grundlage „entsorgt“.

Die Reduzierung eines Menschen auf einen Schädling, sei es als Schmarotzer, Ganove, Pädophiler oder Terrorist, geschweige denn auf seine mutmaßliche Gesinnung oder Veranlagung, verletzt Grundsätze der modernen Zivilisation. Die Bezeichnung „Terrorist“ verletzt übrigens auch die Unschuldsvermutung. Journalisten dürfen den Begriff „Terrorist“ weder mit noch ohne den Zusatz „mutmaßlich“ verwenden.

Was ist Terrorismus?

Der Begriff stammt aus der Zeit nach der französischen Revolution und bezog sich damals ausschließlich auf staatlichen Terror, das heißt auf die Einschüchterung der Bevölkerung durch den Staat. Staatlichen Terror kennen viele zum Beispiel aus dem Dritten Reich.

Allmählich begannen Ideologen, diesen Begriff für politische Gewalttaten von Einzelpersonen beziehungsweise Gruppen gegen die staatliche Macht zu verwenden. Mit diesem Begriff verbinden heute die meisten Menschen eine Gewalttat von Einzelpersonen oder Gruppen auf Zivilisten, die angeblich durch die Grausamkeit ihrer Tat der gesamten Bevölkerung eine politische oder ideologische Botschaft vermitteln wollen.

Solche Taten bezeichne ich hier als authentischen Terrorismus. Das klassische Beispiel des authentischen Terrorismus sind Anschläge von Palästinensern gegen Zivilisten in Israel, die damit versuchen, ihrer Forderung nach dem Abzug der israelischen Streitkräfte aus den besetzten Gebieten besonderes Gewicht zu verleihen. Terrorismus ist eigentlich eine Methode der psychologischen Kriegsführung. Als Verfechter der Menschenrechte verwerfe ich selbstverständlich jegliche Art des Terrorismus.

Die Grundlage des Zivilstrafrechts

Das Zivilstrafrecht beruht auf der Bestrafung von Menschen nach bereits begangenen Straftaten. Vor Festsetzung der Strafe muss der Staatsanwalt nachweisen, dass der Beschuldigte die Tat vorsätzlich begangen hat. Nach dem Zivilstrafrecht darf niemand wegen hypothetischer Straftaten verurteilt und bestraft werden.

Gesinnung und Motiv spielen im herkömmlichen Recht bei der Feststellung der Schuld keine Rolle. Diese kann nur zur Abwägung des Strafmaßes herangezogen werden. Nach dem traditionellen Strafrecht ist die Polizei nicht befugt, Gesinnung oder Motiv als hinreichende Gründe für vorbeugende Maßnahmen heranzuziehen, zum Beispiel eine Überwachung oder Festnahme. Für solche Maßnahmen müssen konkrete Umstände vorliegen, wie Bedrohungen oder konkrete Vorbereitungen einer Straftat.

Gesinnungsstrafrecht

Mit der Ergänzung des Strafrechts durch den Terrorismusbegriff wurde das Zivilstrafrecht aufgeweicht. Inzwischen reicht die mutmaßliche Gesinnung einer Person für deren Überwachung beziehungsweise Festnahme. Diese Aufhebung des Zivilstrafrechts wurde durch die politische Konstruktion „terroristische Vereinigung“ ermöglicht.

Es sind aber nicht Gerichte, die eine Organisation als „terroristisch“ klassifizieren, sondern die Exekutive, das heißt die Regierung, die dabei nach politischem Ermessen vorgeht. Organisationen, die westliche Staaten einst als “terroristisch“ bezeichneten, werden — sobald sie an die Macht gelangen — plötzlich als legitime Vertreter ihrer Bevölkerung anerkannt.

Zwei bekannte Beispiele: Frühere zionistische Führer, wie Schamir und Begin, wurden in den 1940er Jahren als Terroristen bezeichnet, weil sie terroristische Anschläge verübten. Sie wurden später von westlichen Staaten als legitime Staatsführer erkannt und geehrt. Keiner von ihnen wurde jemals wegen ihrer terroristischen Vergangenheit zur Rechenschaft gezogen. Nelson Mandela wurde jahrelang als Führer einer terroristischen Vereinigung, des African National Congress, vom Apartheid-Regime und von westlichen Staaten bezeichnet, bis er zum Präsidenten des neuen Süd-Afrika gewählt und weltweit geehrt wurde.

Nachdem Politiker eine Organisation oder eine Gruppe als eine „terroristische Vereinigung“ bezeichnet haben, darf die Polizei „Mitglieder“ oder „Unterstützer“ dieser Vereinigung überwachen und verhaften. Diese werden dann gerichtlich in der Regel nicht wegen der Begehung einer Straftat verfolgt, sondern wegen ihrer vermeintlichen Gesinnung. Es soll hier beiläufig erwähnt werden, dass der Begriff „terroristische Vereinigung“ selbst falsch und eine Täuschung ist, weil sich keine Organisation zum Ziel setzt, „terroristische Anschläge“ zu begehen, auch wenn sie solche Handlungen gelegentlich organisiert oder duldet.

Mit der Einführung des Begriffs „terroristische Vereinigung“ ins deutsche Strafrecht wurden neue Straftatbestände eingeführt, darunter die Mitgliedschaft und die Unterstützung solcher Vereinigungen. Heute kann sogar der Besitz oder die Vermittlung von Materialien, in Schrift- oder Bildform bestraft werden, wenn Behörden diese einer mutmaßlichen „terroristischen Vereinigung“ zuordnen.

Die Staatsanwaltschaft muss weder die Echtheit der Materialien überprüfen, noch die Urheber der Materialien eindeutig identifizieren. Die Strafbarkeit dreht sich vielmehr um die Frage, was der Verdächtige mit seinen Schriftsätzen bezwecken wollte und inwieweit er oder sie die Inhalte der Materialien befürwortete. Dem Richter wird damit zunehmend die Aufgabe aufgebürdet, das innere, geistige, Leben des Beschuldigten als Grundlage für eine Bestrafung heranzuziehen, wofür er weder geeignet noch fähig ist. Mir ist allerdings kein Richter bekannt, der sich geweigert hat, diese Aufgabe brav zu erfüllen.

Die politische Nützlichkeit des Gesinnungsstrafrechts

Durch Erweiterung des Strafrechts auf den Tatbestand der Gesinnung erhält die Polizei erweiterte Befugnisse zur sogenannten Strafvorbeugung durch Überwachung und Festnahmen. Polizeiliche Razzien in Salafistenkreisen veranschaulichen diese Erweiterung. Da Salafisten in der Bevölkerung nicht besonders beliebt sind, werden solche Razzien stillschweigend geduldet.

Sobald sich die Idee des Gesinnungsstrafrechts als Strafnorm festigt, können die Behörden mit kleinen Gesetzesänderungen diese Norm auf andere vom Staat definierte Gefährder ausdehnen, zum Beispiel auf gewerkschaftliche, demokratische, anti-kapitalistische oder anti-imperialistische Aktivisten. Dafür bräuchten sie nur einen geeigneten Anlass, der unter Umständen zur Förderung der Sache inszeniert werden kann.

Die terroristische Rolle der Medien

Terrorismus unterscheidet sich von herkömmlichen Straftaten, wie Diebstahl und Mord, durch seine politischen oder ideologischen Ziele und besonders durch die mutmaßliche Absicht der Täter, der gesamten Bevölkerung durch die Gräueltat eine Botschaft zu übermitteln. Eine Botschaft an ein Millionenpublikum zu vermitteln können aber nur die Besitzer von Massenmedien. Der mutmaßliche Bombenleger, der „Terrorist“, und seine Hintermänner verfügen in der Regel über keine Massenmedien. Es hängt völlig vom guten Willen der Chefredakteure ab, ob ihre Botschaft an ein Millionenpublikum vermittelt oder totgeschwiegen wird.

Es sind also die Massenmedien, die eine zeitlich und örtlich beschränkte Gewalttat zu einem öffentlichen Ereignis erheben und damit die Bevölkerung verängstigen. Dabei ist es zunächst unerheblich, warum die Redakteure der Massenmedien solche Nachrichten hervorheben: Indem sie die Informationen über die Straftat verbreiten, erfüllen sie den Wunsch des mutmaßlichen Täters, die Bevölkerung zu verängstigen, einzuschüchtern oder zu traumatisieren. Die Medien schenken dem Täter ohne jeglichen Zwang eine Stimme, die er sonst nicht hätte. Ihre Handlung ist — streng genommen — Beihilfe zu seiner kriminellen Tat. Eigentlich sollten Redakteure der Massenmedien, die Terrorangst verbreiten, strafrechtlich zur Rechenschaft gezogen werden. Allerdings würde die Kriminalisierung der Berichterstattung über Anschläge das Recht der Bevölkerung auf Information verletzen.

Fazit

Die internationale Gemeinschaft tut sich schwer, Terrorismus zu definieren. Ein Grund dafür ist die Befürchtung vieler Staatsmänner, selbst als Terroristen bezeichnet zu werden. In internationalen Foren besteht zum Beispiel Deutschland darauf, dass die Straftat Terrorismus nicht einem Staat oder einer internationalen Organisation zugeordnet werden darf. Die Gefahr bestünde auch, dass Massenmedien als Terrorgehilfen zur Rechenschaft gezogen würden.

Der Begriff richtet im Strafrecht nachweislich Unheil an. Er sollte nach meiner Meinung aus dem Strafrecht, wenn nicht gar komplett aus der Sprache, gestrichen werden. Die Behauptung, Terrorismus bedrohe die Öffentlichkeit erheblich und müsste daher mit besonderen strafrechtlichen Mitteln bekämpft werden, ist nicht nur juristisch widersinnig, sondern empirisch unbegründet. Die Behauptung des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen, internationaler Terrorismus sei „eine der größten Bedrohungen für den Frieden und die Sicherheit“, ist keine Übertreibung sondern ein Betrug der Menschheit. Die Belege dafür finden Sie in meinem Buch „Psychologische Kriegsführung und gesellschaftliche Leugnung“ (Zambon Verlag, 2017).