Es geht nur mit Menschlichkeit

Im Rubikon-Exklusivinterview erläutert Friendensforscher und Bestsellerautor Daniele Ganser, dass der Ukrainekonflikt nicht erst mit dem Einmarsch Russlands begann und jeder von uns etwas für die Menschheitsfamilie tun kann.

Für Friedensforscher herrscht Hochkonjunktur. Der Krieg in der Ukraine spitzt sich immer weiter zu und droht, sich zu einem globalen Flächenbrand auszuweiten. Diese Krise reiht sich nahtlos an die noch nicht abgeschlossene Coronakrise. Die Bevölkerung wird noch weiter veränstigt und verunsichert, anstatt nach zwei Jahren endlich aufatmen zu können. Inmitten dieses geopolitischen Sturms führte Jens Lehrich ein Gespräch mit dem Schweizer Historiker und Friedensforscher Daniele Ganser über die Konfliktlinien und darüber, wie Friedensarbeit selbst in kriegerischen Zeiten wie diesen möglich ist.

Gestern noch Viren und heute wieder der Russe. Das primäre Feindbild ist mittlerweile wechselhafter als das April-Wetter.

Das Thema „Corona“ war noch nicht beendet, da brach der Ukrainekrieg über die Welt herein. So zumindest in der Berichterstattung der Leitmedien. Völlig unter den Tisch fällt die Tatsache, dass der Krieg in der Ukraine nicht am 24. Februar 2022 begann, sondern seine Vorgeschichte mindestens acht Jahre zurückgreift. Seit dem Maidan-Putsch im Februar 2014 herrscht in der Ukraine ein erbitterter Bürgerkrieg. Erst mit dem völkerrechtswidrigen Einmarsch der russischen Armee erhielt der Krieg eine länderübergreifende Dimension.

Diese wichtige historische Einordnung nimmt der Friedensforscher Daniele Ganser im Interview mit Jens Lehrich vor. Daneben wird die Frage erörtert, die in den Alternativmedien etliche Macher wie Rezipienten umtreibt: War Putins völkerrechtswidriger Einmarsch wirklich alternativlos?

In diesem Kontext verurteilt Ganser die Doppelzüngigkeit des Westens. Die dort massenmedial verbreitete Empörung über den Völkerrechtsbruch sowie den Verstoß gegen das UNO-Gewaltverbot erweckt den Eindruck, als hätte der Westen selbst derlei nie getan. Dabei ist das Gegenteil der Fall, wie der Historiker in seinen Büchern ausführlich dargelegt hat.

Abseits der ganzen geopolitischen Gemengelagen kommen beide Gesprächspartner auf den Aspekt der Menschlichkeit zu sprechen. Kugelhagel und Bombenregen in der Ukraine und anderorts dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass über diesen Kriegswolken immer noch die Sonne der Menschheitsfamilie scheint. Auch wenn sie derzeit verdeckt ist und damit wie abwesend erscheint. Die Friedensarbeit im Kleinen — also die Friedensstiftung bei sich selbst und im unmittelbaren Umfeld — kann bewirken, dass die Sonnenstrahlen der Menschheitsfamilie mehr und mehr die finstere Wolkendecke dieser Tage durchbrechen.

Ganser ist nicht nur in der Theorie ein Friedensforscher. Zum Ende des Gesprächs beschreibt er die Methoden und Techniken praktischer Friedensarbeit.


Daniele Ganser im Gespräch mit Jens Lehrich