Erschütternde Bilanz

Über das Thema Migration wird oft moralisch und emotional geredet. Die nüchternen Zahlen zeigen, dass eine Debatte über die Folgen von Einwanderung überfällig ist.

Als „Täternation“ im Zweiten Weltkrieg sieht sich Deutschland gern in der Pflicht, Einwanderung im großen Stil zuzulassen. Besonders konservative Kräfte sehen unser Land andererseits gern in der Opferrolle, klagen darüber, dass niemand stärker unter Migration zu leiden habe als gerade wir Deutschen. Das stimmt so nicht, da speziell in den USA gravierende Konflikte betreffend die Masseneinwanderung aus Lateinamerika ausgebrochen sind. In Deutschland wird das Thema in für das Land typischer Weise als moralischer Konflikt und als Auseinandersetzung innerhalb des Links-Rechts-Spektrums ausgetragen. Während wir gern in Kategorien von Pflicht, Schuld und Kampf gegen den Rassismus argumentieren, gehen andere Länder nüchterner vor. Zuwanderung bringt in manchen Bereichen gesellschaftlichen und auch wirtschaftlichen Nutzen; andererseits sind die Kosten für die Versorgung und Integration von Migranten nicht zu übersehen. Eine Bilanz, die ohne ideologische Scheuklappen gezogen wird, zeigt dabei deutlich, dass die Nachteile für die Gastgeberländer überwiegen.

In diesen Tagen, während Deutschland mit Massendemonstrationen gegen Rechts beschäftigt ist, gehen vor allem an der texanisch-mexikanischen Grenze aufgebrachte Einwohner gegen die wachsende Flut von illegalen Migranten auf die Straßen. Die New York Times vom 4. Februar 2024 beschreibt, wie Texas die Abschreckung von Migranten und ihr Eindringen in amerikanisches Staatsgebiet verhindern will und wie es die lasche Politik der Biden-Administration bekämpft.

Die amerikanische Anti-Immigrantenbewegung und die Bilder vom täglichen Drama am Grenzzaun sind in den deutschen Medien noch kaum zu sehen, aber auch in deutschen Brennpunkten wie Gera protestieren die Bürger massiver denn je gegen die Einrichtung neuer Flüchtlingsunterkünfte.

Die Kostenfrage, finanziell wie organisatorisch, rückt auf einmal in den Fokus, was offenbar damit zusammenhängt, dass sie bisher nicht ausreichend beleuchtet wurde. Dazu einige Vergleiche mit der internationalen Migrationsszene.

Australien, USA und Europa als Einwanderungsländer

Australien hat gerade seine ohnehin restriktiven Einwanderungsbestimmungen aktualisiert, weil es einmal durchgerechnet hat, in welchem Verhältnis der durchschnittliche finanzielle Nutzen durch eingewanderte Arbeitskräfte im Vergleich zu den anfallenden Kosten für den Steuerzahler steht. Diese Kosten-Nutzen-Rechnung dürfte Europäer wie Amerikaner gleichermaßen überraschen, weil beide ihre Migrationspolitik auf humanitäre Grundsätze und den nach dem Zweiten Weltkrieg definierten und weitgehend politischen Asylbegriff stützen und die Kosten weitgehend aus der Diskussion herausgehalten haben.

Fluchtursachen und ihre politische Interpretation

Unter den vielen Flüchtlingen auf dieser Welt, nach aktuellen Schätzungen bis zu 110 Millionen, gibt es erhebliche Unterschiede bei den Fluchtgründen und den persönlichen Umständen, nicht zuletzt den finanziellen. Armut gehört sicher nur teilweise dazu, denn die Ärmsten können sich die Reise in eins der gelobten Länder ohnehin nicht leisten. Die entscheidenden Dienste der Schleuser für den allzu oft lebensgefährlichen Transfer von Afrika oder Mittelost nach Europa sind offenbar unter 10.000 Euro kaum zu haben. Die Reisekosten für die lateinamerikanischen Migranten bis zur amerikanischen Südgrenze mögen im Vergleich niedriger liegen, auch dort machen sich Hunderttausende immer wieder neu auf den Weg.

Die Integration in die amerikanische Gesellschaft, wenn sie den Grenzzaun überwinden oder einen legalen Weg finden, ist in vielen Fällen relativ leicht, denn Spanisch ist schon länger eine zweite Landessprache geworden. Nach den neuesten Erhebungen sprechen inzwischen 57 Millionen Amerikaner Spanisch, davon 42 Millionen als Muttersprachler. Wie die New York Times in den letzten Tagen berichtete, kommen inzwischen immer mehr Asylsuchende aus anderen Kontinenten, auch aus Afrika und sogar China. Die Lateinamerikaner werden allerdings schneller deportiert, weil das mit ihnen leichter zu organisieren ist. In der Hoffnung, dass sie sich nicht gleich wieder auf den Weg machen, werden sie so weit südlich geflogen, wie nur irgend möglich. Die Erfolge bleiben gering.

In Europa sind bereits die Sprachhürden in der Regel höher als in den USA, in Großbritannien und Frankreich wegen der noch nicht so lange zurückliegenden kolonialen Vergangenheit deutlich weniger. Ob USA oder Europa, der Migrationsdruck wächst, weil durch bereits eingewanderte Migranten und den medialen Informationszugang die Träume von einem besseren Leben immer neue Gruppen erfassen und zum Aufbruch animieren. Ein vermutlich nicht mehr überall tragfähiger Asylbegriff, der 1951 von den Vereinten Nationen kodifiziert wurde, definiert das Recht auf Asyl, wie auch Artikel 14 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1948, als Schutz vor Verfolgung. Aber eine konkrete politische Verfolgung im Heimatland dürfte heute nur noch bei einem Bruchteil der Migranten nachzuweisen sein.

Wirtschaft und Lebensumstände in den meisten Herkunftsländern stehen als Ursache ganz oben, was die von Politikern gern beschworene Bekämpfung der Fluchtursachen als reine innenpolitische Beschwichtigungsformel erkennen lässt.

Ein Vergleich deutscher Entwicklungspolitik mit den Erfolgen des Marshallplans in Europa war von Anfang an abwegig, wurde aber als Schlagwort über viele Jahre wiederholt und steht so bis heute im Haushaltsplan des Bundes. Mit der zunehmenden Überforderung der Kommunen bei Unterbringung und Finanzierung der Migranten fliegt dieses acht Milliarden schwere Entwicklungshilfebudget der Ampelkoalitionen gerade bei zahlreichen Demonstrationen um die Ohren.

Reichtumsmigration?

Neben den Armuts- und Hoffnungsmigranten, sozusagen am anderen Ende des Spektrums, gibt es die nicht unbedeutende Gruppe reicher Migranten, oft genug Steuerflüchtlinge oder Steueroptimierer und alle Schattierungen von Kriminellen. Zu den letzteren gehört zum Beispiel eine Gruppe von „Geschäftsleuten“, die in Singapur versucht hatten, ihr Schwarzgeld zu waschen. Die Zoll- und Finanzbehörden konnten Vermögenswerte von über zwei Milliarden Euro konfiszieren, die in extrem teure Immobilien, Autos und die üblichen Luxusartikel investiert waren.

Die zehn Verhafteten, alle chinesischer Herkunft, aber mit verschiedenen Pässen, darunter aus Kambodscha und Vanuatu, hatten das Geld vor allem aus illegalen Glücksspielen in der Region abgezogen und wollten es ausgerechnet in Singapur legalisieren, wo Zoll und Finanzaufsicht aus guten Gründen besonders wachsam sind. Die zehn sitzen seit August in Untersuchungshaft und werden mit Sicherheit nach dem Absitzen einer längeren Haftstrafe abgeschoben. In Europa kämpft die Schweiz gegen das alte Image als Geldversteck, aber weltweit gibt es noch mehr als genug diskrete Finanzplätze zum Verbergen unversteuerter Gewinne und Vermögen.

Das Goldene Visum

Abgesehen von den kleinen und größeren Kriminellen, die versuchen, ihre Schäfchen ins Trockene zu bringen, gibt es noch eine diskrete Gruppe von Migranten, die neben steuerlich günstigen Bedingungen noch andere Annehmlichkeiten suchen. Die Liste der Länder, die dieser Gruppe entgegenkommen, umfasst mindestens 25 Staaten, die ein sogenanntes Goldenes Visum anbieten. Dazu gehören natürlich einige der als Steuerparadies berüchtigten Karibikinseln wie St. Kitts und die Cayman Islands, Länder in Europa mit Kapitalhunger wie Portugal, Russland oder Ungarn, aber auch die Schweiz, Kanada, die USA und sogar Deutschland. Eine Übersicht bietet die Informationsplattform Golden Visa Countries — Citizenship and Residency By Investment. Meist wird für eine Investition in unterschiedlicher Höhe — von einigen Hunderttausend bis mehrere Millionen — eine Aufenthaltsgenehmigung erteilt, zum Teil mit einer sofortigen Staatsbürgerschaft, bei anderen mit Aussicht auf einen Pass nach einer Wartezeit. Einige dieser Länder bieten sogar einen Pass an, wenn der Investor gar nicht dort lebt, eine Patentlösung für Kriminelle und Geldwäscher.

Für Deutschland erklärt Visaguide, dass eigentlich kein Goldenes Visum angeboten wird, sondern eine Aufenthaltsgenehmigung bei Eröffnung eines Gewerbes. Bekanntlich ist dieser Weg für Deutschland nicht gerade unproblematisch, aber gerade deshalb so beliebt. Nach wie vielen Jahren dann die Aussicht auf einen deutschen Pass besteht, sorgt gerade für eine heiße innenpolitische Debatte mit starken ideologischen Komponenten. Die weltanschaulichen Gräben in dieser sehr deutschen Debatte werden als geradezu unversöhnlicher Links-Rechts-Gegensatz interpretiert und blenden zumindest auf der nationalen Ebene wichtige Aspekte wie die praktische Umsetzung von Unterbringung und Integration der Migranten in den Arbeitsmarkt und ihre Finanzierung weitgehend aus.

Deutschland und die USA als Zielländer

Wer meint, dass Deutschland in Europa am meisten unter der Migrantenflut zu leiden habe, auch wenn man die Ukrainer nicht mitrechnet, sollte einmal intensiver in die Vereinigten Staaten schauen, wo die Asyldebatte ebenfalls den ideologischen Gräben zwischen rechts und links folgt, also den Dauerkontroversen zwischen Demokraten und Republikanern. Nachdem Trump den Grenzzaun zu Mexiko forciert hatte, und Biden ihn wieder stärker öffnen wollte, werden zur Zeit Migranten mit Bussen in die demokratischen Metropolen wie New York oder Chicago geschickt, um auf das Problem hinzuweisen und setzen deren Verwaltungen erfolgreich unter Druck.

Ein aktuelles Video auf YouTube zeigt drastisch, wie aufgebrachte Demonstranten vor dem Roosevelt Hotel, in dem Migranten untergebracht sind, in Sprechchören fordern, „send them back“ und „close the borders“. Und direkt an dem hohen Grenzzaun in Texas spielen sich beunruhigende Massenszenen ab, die zeigen, dass neben den vielen Latinos auch andere Migranten ihr Glück versuchen, sogar Vietnamesen und Chinesen.

Im Süden der USA wie an vielen Orten in Europa erzwingt die fast lawinenartige Ausweitung des Migrationsproblems notwendigerweise eine qualitative Diskussion darüber, wie es organisatorisch bewältigt und gesetzlich gesteuert werden könnte.

Die bereits erwähnten Floskeln wie Bekämpfung der Fluchtursachen sind schon dadurch nicht hilfreich, dass es sich überwiegend um Migration und nicht um Flucht und politische Verfolgung handelt.

Wie hoch sind die Folgekosten der Migration tatsächlich?

Die Grenze zu Mexiko ist 3.145 km lang und durchquert überwiegend unwegsames Gelände. Seit Präsident Trump im Januar 2017 mit der Executive Order 13767 den Bau des Grenzzauns einleitete, den „Trump Wall“, sind fast 1.100 km fertiggestellt worden, teilweise mehr als neun Meter hoch. Die Kosten liegen nach unterschiedlichen Schätzungen bei über 20 Milliarden US-Dollar, und unüberwindlich, wie Trump meinte, ist der Metallzaun keineswegs. Schmuggler und Migranten schneiden sich immer wieder mit simplen elektrischen Schleifmaschinen ausreichend große Schlupflöcher.

Ein Artikel der Heritage Foundation vom Februar 2023 beziffert die Kosten der illegalen Migranten, die im ganzen Land verteilt werden, allein für das weit im Norden liegende Illinois auf 4,6 Milliarden, 21,7 Milliarden für Kalifornien und 8,9 Milliarden für Texas. New York City rechnet mit 65,116 Dollar pro Migrant und Gesamtkosten von 2,8 Milliarden pro Jahr. Die Webseite Cost of Illegal Immigration by State 2024 berechnet die Kosten der illegalen Migranten und ihrer Kinder auf insgesamt 20,8 Milliarden Dollar und die Bürde für den Steuerzahler auf 5.126 Dollar pro Person. Die Federation for American Immigration Reform kommt auf einen weit höheren Betrag, insgesamt 50,2 Milliarden Dollar Gesamtkosten, wenn man die Steuern abzieht, die von arbeitenden illegalen Migranten gezahlt werden.

Und Deutschland?

Laut Statista hatte die Bundesrepublik im Jahr 2023 Ausgaben von 27,6 Milliarden Euro für den Bund angesetzt, nach tatsächlichen 28,4 Milliarden Im Jahr zuvor. Insofern klingen auch die für die Folgejahre sinkenden Haushaltsansätze bei weiter steigenden Ankunftszahlen zu optimistisch. Nach einem Bericht in Die Welt vom November sind wir 2023 auf rund 50 Milliarden Euro für Bund, Länder und Kommunen zusammengekommen, vergleichbar mit dem Verteidigungshaushalt und den amerikanischen Ausgaben für die Illegalen allein. In den vom Bund getragenen Kostenanteilen stecken auch rund 10 Milliarden Euro für die ineffiziente Bekämpfung der Fluchtursachen.

Sowohl die Kosten als auch die Unterbringungsmöglichkeiten in den Kommunen stoßen längst an ihre Grenzen und mehr und mehr auf Unverständnis und Protest bei den Bürgern, vor deren Haustüren, Ämtern und Schulen die Probleme immer sichtbarer werden. Für die Asyl- und Migrationsbefürworter in Deutschland dürfte es entsprechend schwieriger werden, das geltende System mit weit offenen Grenzen und sehr begrenzter Abschiebung illegaler und krimineller Zuwanderer zu verteidigen. Mit rechts und links hat die Debatte in der Sache immer weniger zu tun, es geht um handfeste praktische Probleme und die lange Kette von Folgeproblemen.

In der augenblicklichen Haushalts- und Finanzkrise - trotz der historisch höchsten Steuereinnahmen - sollte Deutschland offener diskutieren, wie viel die Einwanderung kostet und wann mit einer Dividende durch Integration der Migranten in den Arbeitsmarkt und entsprechenden Beiträge zu Steuern und Sozialabgaben zu rechnen ist.

Wie spitz man rechnen kann, zeigt gerade die Regierung Australiens. Sie hat festgestellt, dass selbst die reichen Migranten mit dem Goldenen Visum am Ende rund 120.000 Australische Dollar (72.000 Euro) mehr kosten, als sie einbringen, und hat folgerichtig das Programm im Januar eingestellt. Seit 2012 hatten 2.349 reiche Ausländer, davon 85 Prozent Chinesen, ein solches Visum bekommen und im gleichen Zeitraum 12 Milliarden Australische Dollar investiert. Stattdessen will man sich jetzt wieder mehr auf jüngere und qualifizierte Einwanderer konzentrieren, die langfristig dem Land mehr nutzen. In Europa und besonders Deutschland sind wir von solchen materialistischen Berechnungen und ihrer politischen Bewertung wohl noch ziemlich weit entfernt.