Endsieg des Materialismus
Das Corona-Geschehen ist Gipfelpunkt eines schulmedizinischen Rollbacks, das alternative Heilweisen wie die Homöopathie wieder auszugrenzen versucht.
Sie war bereits lange Zeit die dominante Medizin-Ideologie gewesen: die Schulmedizin und ihre auf dem materialistischen Paradigma beruhende Lehre vom menschlichen Körper als einer komplexen, gelegentlich reparaturbedürftigen Maschine. Doch das genügt ihr jetzt nicht mehr. Sie will nicht die meisten medizinischen Eingriffe bestimmen, sondern alle. „Du sollst keine anderen Halbgötter (in Weiß) neben mir haben!“ So wie es auch nicht genügt, dass eine satte Mehrheit von 60 oder 70 Prozent der Menschen geimpft ist. Ja, selbst bei 90 Prozent bestünde noch verschärfter Manipulationsbedarf, bis auch die letzte Bastion des Andersseins gefallen ist. Man nennt das in anderem Zusammenhang auch Totalitarismus. Die Angriffe auf die Homöopathie, die Anthroposophie, auf Heilpraktiker und „Esoteriker“ nehmen zu. Ebenso die Aggressivität, mit der die Kampagne betrieben wird. Klar, es geht um viel Geld, gerade die „Vorsorgemedizin“ – gipfelnd im Vorgang des Impfens – hat Blut geleckt. Da muss die professionelle Nahrungskonkurrenz ausgeschaltet werden. Das Imperium fährt eine Zero-Alternativmedizin-Strategie. Und offensichtlich geht das Kalkül auf …
„Scheißt ihnen in die Klangschalen.“ Dieser geschmackvolle Spruch – erstmals von „Antifaschisten“ gegen die Corona-Opposition ins Feld geführt, brachte es zu Kultstatus. Damit war vor allem „die Esoterik“ angesprochen, Inbegriff des Unseriösen und somit Verachtenswerten. Klangschalen sind eigentlich therapeutisch wirksame Requisiten, die den Körper von damit Behandelten sanft in Schwingung versetzen. Auf den Bauch gelegt und mit einem Klöppel angeschlagen, kitzeln sie angenehm. Sie klingen gut und entführen in „exotische“ Gefilde. Wunder darf man sich davon nicht erwarten. Aber warum dieser Hass, diese Verachtung, warum diese grobschlächtige Beschimpfungslust?
Gern wurden in der Mainstream-Presse in den vergangenen zwei Jahren Assoziationsketten in folgender Art gebildet: „Unter den Demonstrationsteilnehmern“ befanden sich Querdenker, Coronaleugner, Verschwörungstheoretiker, Esoteriker, Reichsbürger und Rechtsradikale. Die innere Nähe zwischen all diesen Gruppen musste von den Autoren nicht einmal seriös bewiesen werden – es genügte, sie vage in einen Zusammenhang zu bringen, nach dem Motto „Ein bisschen Schmutz bleibt immer hängen“.
Würde man als Medienkonsument hundertmal die Wortkombination „Floristen, Stalinisten und Pädophile“ hören, so verfestigte sich wohl unbewusst der Eindruck, dass es sich bei den Blumenbindern um ganz fürchterliche Menschen handeln müsse.
Dabei ist wirkliche Kenntnis des Wesens und der unterschiedlichen Spielarten von „Esoterik“ längst nicht so weit verbreitet, wie die inflationäre Verwendung des Begriffs vermuten ließe.
Alle genannten Verkörperungen des Bösen – vom Impfgegner über die Tarot-Kartenlegerin bis hin zum UFO-Gläubigen – haben natürlich vor allem eines gemeinsam: den Faktor Irrationalität. Alle sprechen sie dem Prinzip des Vernünftigen und Beweisbaren Hohn, in dem der anständige Bürger seine Komfortzone gefunden und aus der er sein unerschütterliches Überlegenheitsgefühl zu saugen gewohnt ist. Der Vernünftelnde steht vor allem, was nicht greifbar scheint und in einem Nebel von Spekulation, Glauben und Ahnung verschwimmt, mit zugehaltener Nase da. „Unsinn!“, stößt er apodiktisch hervor, während sich seine Augenbraue missbilligend hebt. Er liest „Psiram“, ist geboostert, spült durch seinen Arzneimittelkonsum viel Geld in die Kassen der Pharmakonzerne und fordert eine Art Glaubensdiktatur der Ungläubigen – Ketzerverfolgung inbegriffen.
Allgäu in Schwurblerhänden
In jüngster Zeit hat vor allem der alternativmedizinische Zweig „der Esoterik“ für Furore gesorgt. In einer dem Autor wohl nicht zufällig sehr sympathischen Region, dem bayerischen Allgäu, scheint sich ein wahres Schwurblernest gebildet zu haben. So interviewte die Webseite des Radiosenders Allgäuhit den Sektenbeauftragten der evangelischen Landeskirche, Matthias Pöhlmann. Dieser sehe „einen klaren Zusammenhang von esoterischen Gruppierungen und Impfgegnern“. In einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung habe Pöhlmann behauptet: „Wir haben in Bayern und vor allem im Allgäu ein richtiges Eldorado von Esoterik und Reichsbürgertum.“ Häufig werde Esoterik als „Form der spirituellen Kreativität“ verstanden. „Aber dass sich die Esoterik mischen kann mit antidemokratischen und antisemitischen Tendenzen, da ist das Allgäu leider ein Beispiel für.“ Belege für diese ungesunde Vermischung von spirituellem Irrationalismus und Antisemitismus bleibt der Sektenbeauftragte schuldig. Die These „Wenn man das Immunsystem stärkt, braucht man keine Impfung“ verabscheut er besonders. Dies hält Pöhlmann für einen „anthroposophischen Gedanken“, als sei das Immunsystem eine sektiererische Erfindung Rudolf Steiners.
Die Zurückdrängung des „Irrationalen“ in der öffentlichen Debatte geht teilweise Hand in Hand mit offener Demokratie- und Freiheitsfeindlichkeit.
Die Wissenschaftsjournalistin Mai Thi Nguyen-Kim kann mit ihrem prägnanten Satz „Wissenschaft ist keine Demokratie“ für diesen neuerlichen Angriff auf liberale Werte stehen. Wir können schließlich nicht darüber abstimmen lassen, ob die Gleichung 2 + 2 = 4 stimmt oder nicht, scheint die Influencerin damit ausdrücken zu wollen. Fakten sind Fakten. Und was Fakten sind, bestimmt nicht der persönliche Geschmack des Einzelnen, bestimmen auch nicht Mehrheitsentscheidungen, darüber befinden wissenschaftliche Forschungsergebnisse. Wissenschaft ist zwar bekanntermaßen „im Fluss“. Das dominierende Weltbild ändert sich ständig, und die unumstößliche Wahrheit von heute ist der belächelte Irrtum von morgen. Auch gibt es „die Wissenschaft“ eigentlich gar nicht. Es gibt auch auf der Basis von empirischer Forschung einander widerstreitenden Meinungen.
Glaubenskrieg gegen Globuli
An einem aber kann kein Zweifel mehr bestehen: Das Imperium schlägt derzeit ganz massiv zurück. Jahrzehntelang sah es so aus, als ob die Zeit für Alternativtherapien arbeiten würde. Ein neues Denken, geschult an Ganzheitlichkeit, Spiritualität und Quantenphysik, schien der Homöopathie und anderen Formen der Energiemedizin entgegenzukommen. Die Nachfrage nach „sanften“ Heilmethoden wuchs, Krankenkassen erweiterten ihr Angebot entsprechend. Vor gute zehn Jahren jedoch schlug das Pendel um: Von England ausgehend, führten „Skeptiker“, Politiker und Wissenschaftler einen Vernichtungskrieg gegen die Homöopathie. Die Argumente waren die alten: In Homöopathie sei ja „nichts drin“, ihre Wirksamkeit sei nicht bewiesen. Hinzu kamen ökonomische Argumente: In Zeiten knapper Kassen bleibe kein Geld für „Scharlatane“. Volle Kraft zurück zur schulmedizinischen Monokultur?
Im Februar 2010 konnten Passanten in mehreren englischen Städten ein groteskes Schauspiel bestaunen: Etwa 400 Aktivisten schütteten den gesamten Inhalt kleiner Medikamentengläschen in ihren Rachen — homöopathische Globuli des Mittels „Arsenicum album“. Sie trugen Hemden mit der Aufschrift „Homeopathy – there is nothing in it“ und kündigten ihre Aktion als „Globuli-Selbstmord“ an. Mit der drastischen Vorführung wollten britische Anhänger der Skeptiker-Bewegung den Beweis erbringen, dass homöopathische Mittel keinerlei Wirkung auf den Organismus hätten. Sie bezeichneten die Heilmethode als „unseriöse und absurde Pseudowissenschaft“.
Die Behauptungen der Homöopathie-Gegner haben sogar einen wahren Kern: In Mitteln ab der Verdünnung 10²³ aufwärts findet sich kein einziges Molekül des Wirkstoffs mehr. Homöopathen behaupten jedoch auch nichts anderes. Sie betrachten ihre Heilkunst als Energie- beziehungsweise Informationstherapie. Elektromagnetische Informationen machen die Globuli gemäß der Lehre Samuel Hahnemanns wirksam. Einen „Beweis“ für die Unwirksamkeit der Homöopathie haben die launigen Aktivisten ohnehin nicht erbracht. Zwar können Hochpotenzen nach homöopathischer Lehre bei Personen, die nicht dem zum Mittel passenden Konstitutionstyp angehören, bestimmte Symptome hervorrufen; der „Globuli-Selbstmord“ beweist jedoch nur, dass die Versuchspersonen solche Symptome nicht sofort spürten – oder dies nicht zugaben.
„Die große Illusion“
So durchschaubar die Aktion in England auch gewesen sein mag – sie erwies sich als gefährlicher Teil einer koordinierten Kampagne, die nichts anderes als die Vernichtung der Homöopathie beabsichtigte. Es begann 2005 in England mit einer Medienhetze, die von der internationalen medizinischen Fachzeitschrift The Lancet angeführt wurde. Man berief sich dabei auf die sogenannte Egger-Studie aus der Schweiz, eine Auswertung von 108 Doppelblindstudien zur Homöopathie. Rund 100 Ärzte unterschrieben eine Resolution, die die vor 200 Jahren von Samuel Hahnemann begründete Methode als „Hexenzauber“ diffamierte. 2010 folgte die zweite Welle, als der Wissenschaftsausschuss des britischen Unterhauses die Streichung aller staatlichen Gelder für Homöopathie forderte. Unterstützung erhielt die Kampagne von einflussreichen Skeptiker-Organisationen, die generell gegen Religion, Esoterik und alles „Unbewiesene“ agitieren.
In Deutschland kam die Kampagne erst 2010 in Schwung, als der gesundheitspolitische Sprecher der SPD, Karl Lauterbach, forderte, Homöopathie als Kassenleistung zu verbieten. Der Name jagt einem heute ein (un-)wohliges Gruseln über den Rücken. Es war zugleich das erste Mal, als mir der heutige Chefapokalyptiker der Bundesregierung unangenehm auffiel.
Die CDU griff Lauterbachs Vorschlag nur allzu gern auf. Man habe den Wahltarif für Homöopathie seinerzeit ohnehin nur eingeführt, um SPD und Grünen entgegenzukommen. Der Spiegel schlug in die gleiche Kerbe und veröffentlichte eine umfangreiche Titelgeschichte: „Homöopathie, die große Illusion“. Obwohl es gegen die Egger-Studie auch aus wissenschaftlicher Sicht erhebliche Einwände gab, wiederholten auch in Deutschland viele Blätter kritiklos deren Resümee, die Homöopathie sei definitiv widerlegt. Anderslautende Studien wie der „Health Technology Assessment Report“, der der Homöopathie ein gutes Zeugnis ausstellte, bekamen kaum Medienaufmerksamkeit.
Leere Kassen – die Homöopathie ist schuld
In allen genannten Kampagnen kam das Totschlagargument der „leeren Kassen“ zum Einsatz. „In Zeiten wachsender Geldknappheit ist es unverantwortlich, den Gesundheitsetat mit Ausgaben für Quacksalberei zu belasten“, hieß es in der Resolution der britischen Ärzte. Jahrzehntelang waren Gesundheitspolitiker vor der Pharmaindustrie und ihrer an Rendite orientierten Preispolitik bei Medikamenten in die Knie gegangen. Die Folgen sollten nun auch Homöopathen und Menschen tragen, die diese Behandlungsform schätzten. Wenn es eine Kostenexplosion im Gesundheitswesen gibt, dann liegt dies gewiss nicht an der Homöopathie. Globuli sind so billig, dass Homöopathen sie ihren Patienten gewöhnlich schenken. Die meisten Behandlungen werden noch immer von den Kranken selbst bezahlt. Homöopathie hat dadurch wie viele Alternativtherapien noch immer den Status einer Ober- und Mittelklassen-Medizin. Für die wachsende Unterschicht bleibt es schwierig, zum Beispiel eine Erstanamnese für 150 Euro zu bezahlen. Würden nun auch noch die Wahltarife verboten, die einige Kassen für Homöopathie anbieten, käme das einer Zwangsbekehrung breiter Bevölkerungsschichten zur Schulmedizin gleich.
Wenig überzeugend scheint auch das Argument, bis heute sei kein allgemein anerkannter Nachweis für die Wirksamkeit der Homöopathie gelungen. Ist es denn zu erwarten, dass etwas „allgemein anerkannt“ wird, was die Konkurrenz und den Futterneid einflussreicher Machtgruppen auf sich zieht? Beim Kampf verschiedener Heilkonzepte gegeneinander geht es um Pfründe und das größte Stück vom Kuchen des milliardenschweren Gesundheitsmarkts. Der Homöopath Carl Classen, der sich besonders für die Rehabilitierung seiner Kunst engagiert, fragt deshalb zu Recht: „Wem dient das gesundheitspolitische Ablenkungsmanöver der SPD?“ Er vermutet Schattengefechte der angeblich so unantastbar seriösen Schulmedizin: „Die Pharmabranche leidet darunter, dass immer weniger neu entwickelte Arzneien den für die Zulassung erforderlichen Test ‚Placebo gegen Verum’ überstehen. Selbst Blockbuster-Arzneien wie Valium oder Prozac versagen in heutigen Doppelblindstudien.“
Glaubenskrieg der Methoden
Von Geldinteressen abgesehen, geht es im Konflikt zwischen den medizinischen Konzepten aber auch um eine Glaubensfrage. Carl Classen: „Hinter den Kulissen handelt es sich nicht alleine um wirtschaftliche Interessen der Pharmaindustrie, sondern ebenso um das Aufbäumen einer materialistischen Weltanschauung, die an ihre Grenzen kommt und doch alles unter ihre Kontrolle bringen möchte.“ Classen untersucht die Psychodynamik der Skeptikerbewegung. „Einigen Menschen bereitet die Existenz einer größeren Wirklichkeit offenbar Angst.“ Ist der Mensch also ein spirituelles Wesen, das eben diesen spirituellen Anteil in sich verleugnet und verdrängt? Für einige Zeitgenossen scheint dies zuzutreffen. Der homöopathische Ansatz bietet sich als Prügelknabe geradezu an, als Verkörperung all dessen, was der „vernünftige“ Mensch der Neuzeit verabscheut. „Die Homöopathie hat durch ihre hohen Verdünnungen offenbar die unbequeme gesellschaftliche Rolle inne, herrschende Weltanschauungen und Paradigmen frontal und offensiv herauszufordern“ (Classen).
An ihre Grenzen kam vor allem die Auffassung, die Materie sei eine Ansammlung winziger, aber fester Teilchen. Das ist durch die Quantenphysik längst widerlegt. Der Physiker Hans-Peter Dürr sagte deshalb: „Wir haben die Materie abgeschafft.“ Untersuchte man Atome und Elektronen näher, so verschwimmt alles zu einem Nebel von Wahrscheinlichkeiten, Schwingung und Energie. Auch den Menschen kann man als „Schwingungsfeld“ betrachten, das mit anderen Schwingungsfeldern – zum Beispiel dem eines homöopathischen Heilmittels – interagiert.
„Die Welt ist Information“ – eine solche Auffassung scheint eher zeitgemäß als die materialistische Vorstellung, das Universum bestehe aus größeren oder kleineren „Dingen“.
Die Informationstherapie der Homöopathen hat also etwas für sich. Ist es nicht vorstellbar, dass mit der Einnahme des Mittels heilende Informationen in das Schwingungsfeld Mensch eingespeist werden, dass also „Schwingungsangleichung“ stattfindet?
Ein Virologe „beweist“ die Homöopathie
Der französische Nobelpreisträger und Virologe Luc Montagnier behauptete auf einer Konferenz im Juni 2010, vielleicht den Beweis für die Wirksamkeit der Homöopathie gefunden zu haben. Dabei hatten seine Forschungsarbeiten ursprünglich gar nichts mit Homöopathie zu tun. Vielmehr ging es Montagnier um ein Nachweisverfahren für Viren und Bakterien. Der Forscher entdeckte dabei, dass Lösungen, die die DNA eines Virus oder Bakteriums enthalten, „Radiowellen im Niedrigfrequenzbereich“ ausstrahlen. Dadurch werden die Wassermoleküle beeinflusst, sodass sie sich zu einer besonderen „Nanostruktur“ anordnen. Auch wenn der ursprüngliche Auslöser, die DNA, entfernt würde, so Montagnier, behielten die Wassermoleküle ihre Frequenzsignatur bei. Auch in der Homöopathie lautet das Erklärungsmodell bekanntlich, dass Wasser die Information eines Stoffes speichert, mit dem es in Berührung gekommen ist. Auch wenn der Ursprungsstoff chemisch nicht mehr nachweisbar ist, bleibt die Information im Wasser erhalten.
Dieser Erklärungsansatz mag nicht als „endgültiger Beweis zugunsten der Homöopathie“ durchgehen, er macht aber klar, dass seriöse Forschungsergebnisse zu völlig unterschiedlichen Ergebnissen kommen können. Es ist also nicht wahr, was Anti-Homöopathie-Eiferer behaupten: dass nämlich das Ende der Homöopathie unvermeidlich sei, weil wissenschaftliche Vernunft am Ende immer gegen Lüge und Scharlatanerie siege. Eher trifft folgende Feststellung zu: Was als „vernünftig“ gilt, hängt vom Zeitgeist und vom Erkenntnisstand der Zeitgenossen ab. Und der verändert sich mit einem sich erweiternden Bewusstsein. Auch wenn manche gern auf ewig an der Schulmedizin-Monokultur der Nachkriegszeit festhalten wollen.
Bei Studien wird getrickst
In unserer immer noch vom rational-materialistischen Paradigma beherrschten Zeit hat die wissenschaftliche Studie Fetisch-Funktion. Wird sie noch von Statistiken und Zahlenkolonnen untermauert, macht der staunende Laie ergriffen das Kreuzzeichen. Wie raffiniert sich das Unseriöse oft als Seriosität tarnt, wurde an der sogenannten Chang-Studie (Chang et Al., 2005) deutlich. Sie verglich zunächst 110 homöopathische und 110 schulmedizinische Studien. Das Ergebnis: Beide Methoden sind gleich wirksam. Da aber nicht sein konnte, was nicht sein durfte, modifizierte man die Studie noch einmal. Man entschloss sich, nur noch „große“ Studien gelten zu lassen, also solche mit einer ausreichenden Teilnehmerzahl. Als Grenzwert wählte man merkwürdigerweise die Zahl 88. Homöopathie-Befürworter Dr. Volker Schmiedel entlarvte dies als durchsichtiges Manöver. Es existiert eine Kopfschmerzstudie mit 88 Versuchspersonen, bei der die Homöopathie sehr schlecht wegkam. Die wollten Chang und seine Kollegen unbedingt noch mit auswerten. Hätte man stattdessen den Grenzwert bei 100 oder auch bei 80 Teilnehmern angesetzt, hätte die Homöopathie ebenso gut abgeschnitten wie die Schulmedizin.
Dieser Gleichstand entspricht im Übrigen auch meinen persönlichen Erfahrungen. Sowohl bei homöopathischen Behandlungen als auch bei Einnahme von Antibiotika habe ich Erfolge wie Misserfolge erlebt. Für die homöopathische Behandlung spricht immerhin, dass sie mich nicht auch noch vergiftet hat – und dass sie, würde die Kasse sie bezahlen, billiger käme. Ärzte verkaufen eben oft keine Heilung, sondern nur die Hoffnung darauf. Leider messen mangelhaft aufgeklärte Patienten oft mit zweierlei Maß: Versagt die Homöopathie, kommt schnell der Vorwurf der Scharlatanerie ins Spiel; versagt die Schulmedizin, denkt man, die Krankheit sei eben besonders hartnäckig, oder man selbst habe etwas falsch gemacht.
Vielleicht hat die Homöopathie ja sogar Glück, dass sie manchmal nicht wirkt. Wäre sie unfehlbar, hätte man sie wahrscheinlich nicht nur als Kassenleistung, sondern gleich ganz verboten.
Barbara Rütting, die einmal Politikerin der Grünen war, sagte treffend: „Nur kranke Menschen bringen den Pharmariesen Gewinn, nicht die gesunden.“
Treibjagd auf Heilpraktiker
Auch diese Aussage ist natürlich mittlerweile historisch überholt. Noch mehr Gewinne bringen Millionen gesunde Menschen, die man zur pharmakologischen Vorsorge – sprich: „Impfung“ – verführt oder notfalls zwingt. Umgekehrt bedeutet das: Jeder „Verweigerer“ reißt ein kleines Loch in die prall gefüllten Bankkonten der Pharma-Profiteure. Als einen persönlichen Feind betrachten diese deshalb auch jeden, der als Arzt, Heilpraktiker, Wissenschaftler oder interessierter Laie vor der Spritze warnt oder auch nur Zweifel anmeldet. Bestimmte Berufsgruppen gelten gar als „Widerstandsnester“ im Kampf gegen alles nicht schulmedizinisch Abgesegnete. Markus Söder ließ im Dezember 2021 verlauten, speziell in Bayern gebe es sehr viele „esoterische und alternative Heilmethoden“. Er präzisierte: „Die Hälfte aller Heilpraktiker in Deutschland beispielsweise sind in Bayern.“ Einen Beleg hierfür blieb er schuldig.
Damit war die Jagdsaison auf Alternativ- und Komplementärheiler eröffnet, auf all jene, die synthetische Medikamente nach Möglichkeit vermeiden und auf die Selbstheilungskräfte der Patienten, auf Informationstherapie und natürliche Ingredienzien von Heilmitteln setzten.
Wegen des einrichtungsbezogenen Impfzwangs werden Heilpraktiker derzeit unter Druck gesetzt. Es drohen De-facto-Berufsverbote gerade für jene, für die die medizinphilosophischen Grundlagen ihrer Heilkunst nicht verhandelbar sind. Obwohl sich der Feldzug offiziell nicht gegen die Heilpraktikerkunst an sich, sondern gegen „Impfverweigerung“ richtet, könnten die schulmedizinischen Glaubenshüter mit ihrer Aktion zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Die Schnittmenge zwischen beiden Gruppierungen dürfte groß sein. Wenn die Staatsmacht mit der berufsbezogenen Impfpflicht Ernst macht, werden impfskeptische „Fanatiker“ wirksam aus dem Verkehr gezogen, während die Kooperierenden gnadenhalber immerhin noch ein bisschen massieren, Kräuter pflücken und Zuckerkügelchen verschreiben dürfen, solange sie den Profitabsichten der Pharmaindustrie damit nicht spürbar schaden.
Fleischgewordene schulmedizinische Konterrevolution
Karl Lauterbach sieht als Gesundheitsminister offenbar seine Stunde gekommen, der unseriösen Kügelchen-Medizin den Garaus zu machen. Zumindest sollen Unbotmäßige finanziell ausgetrocknet werden. Im März 2022 twitterte er: „Mit der Wissenschaft werden Pandemien bekämpft und Krankheiten geheilt. Wir brauchen mehr Wissenschaft in der Behandlung, nicht weniger. Die Homöopathie hat keinen Platz in der modernen Medizin.“ Damit ist eine Verbindung hergestellt, die sonst wohl nicht unbedingt jedem sofort eingeleuchtet hätte: die Homöopathie als feindliche Kraft in der Pandemiebekämpfung.
Setze der Patient auf die „falsche“ Behandlungsmethode, so die Suggestion, gefährde das nicht nur den Behandlungserfolg im Einzelfall, das Virus könne sich auch ungebremst weiterverbreiten. Der Homöopathie-Patient als Volksgesundheitsschädling.
Und – Vorwurf aller Vorwürfe! – die Homöopathie sei nicht „modern“. Die Menschheit sei also von steinzeitlichen Methoden bis zur Moderne zu immer wirksameren, weil wissenschaftlicheren Behandlungsweisen fortgeschritten, die in der Lauterbach'schen mRNA-Impfung an ihren historischen Gipfelpunkt gelangt sei. Der Albtraum der Anhänger einer medizinischen Monokultur wäre somit eine Art Permakultur der Heilweisen: kreuz und quer wuchernde, einander jedoch ergänzende Methoden des Gesundheitsschutzes. Hier Holundertee und Vitamin D3 zur Immunstärkung, dort Pulsatilla vulgaris als Konstitutionsmittel. Dazu regelmäßige Yogaübungen, biologisch-vollwertige Ernährung entsprechend dem ayurvedischen Dosha-Typ und – Gott bewahre! – eine Klangschalenmassage. Zusätzlich, aber nur wenn es nicht anders geht, auch mal eine schulmedizinische Kopfschmerztablette oder Antibiotika.
Man nannte das früher auch „Komplementärmedizin“. Keine der medizinischen Richtungen bekämpft oder verachtet im Idealfall die andere. Das grundlegende Prinzip wäre gegenseitige Unterstützung und Ergänzung. Damit ist es jetzt allerdings vorbei. Analog zum Fantasy-Klassiker „Highlander – es kann nur einen geben“ lautet das Motto: Es kann nur eine alleinseligmachende Methode, nur eine herrschende Medizin-Philosophie geben. Und Karl Lauterbach ist ihr Prophet. Der hyperaktive Talkshow-Matador ist ja nicht – wie seine Berufsbezeichnung suggeriert – für die Gesundheit der Menschen ganz allgemein zuständig; er ist vielmehr ein fundamentalistischer Vertreter einer bestimmten heilerischen Richtung. Da diese aber im öffentlichen Raum seit vielen Jahrzehnten dominiert, wird sie nicht mehr als eine spezifische Wahl unter vielen betrachtet, sondern als pure Selbstverständlichkeit.
Und jetzt? Keine Permakultur mehr, hellgelbe, von Herbiziden besprühte Rapsfelder, wohin man blickt, bis zum Horizont. Die geringste Rolle spielen dabei offenbar die Wünsche und Prioritäten der Patienten selbst, deren Intuition und Körpergefühl. Jeder soll nach der Fasson der medizinischen Wahrheitsbesitzer selig werden. Dies ist nicht die Zeit für faule Kompromisse, die Schulmedizin marschiert stramm in Richtung Endsieg.