Endlich hinschauen

Rituelle Gewalt und Menschenhandel sind so schlimm, dass sich die meisten nicht gern damit beschäftigen — dies ist aber nötig, wollen wir den Opfern helfen.

Ist etwas schlimm, bemühen sich viele Menschen, das betreffende Übel aufzudecken und zu bekämpfen; bei etwas über die Maßen Schrecklichem dagegen schauen die meisten lieber weg. Einmal, weil sie es selbst nur schwer ertragen können, und dann auch, weil sie dergleichen für nicht menschenmöglich halten. Auch die Traumatisierten selbst haben diese furchtbaren Ereignisse oft von sich abgespalten, die Erinnerungen daran sind ihrem Bewusstsein nicht mehr zugänglich. Diese Dynamik hilft den Tätern, diese schlimmste Art der „Schattenwirtschaft“ weiter aufrechtzuerhalten. Systematischer und ritueller Kindesmissbrauch beziehungsweise die Misshandlung von Minderjährigen finden in weitaus größerem Stil statt, als den meisten von uns bewusst sein dürfte. Noch unbequemer ist die Tatsache, dass dieselben Methoden der Abrichtung und Angsterzeugung, die in diesem „Milieu“ üblich sind, auch im größeren Stil zur Kontrolle der Bevölkerung zur Anwendung kommen. Es gibt Hilfe für Betroffene und die Chance, das Übel durch gemeinschaftliche Anstrengung zu begrenzen — allerdings nur, wenn wir bereit sind, uns der Wahrheit zu stellen.

„Weißt Du noch, was ich mal gesagt habe. Dass wir den Menschen die Augen öffnen müssen, und was, wenn das gar nicht möglich ist?“ (1).

Mittlerweile kennt die breite Öffentlichkeit die Methoden Massen zu manipulieren und zu kontrollieren und kaum jemand stellt Propaganda und andere mehr oder minder subtile Einflussnahmen auf die Psyche einer Gesellschaft noch ernsthaft in Frage. Mit der Akzeptanz beziehungsweise Kenntnis systematischer Manipulation Einzelner, vornehmlich von Kindern, um sie unter Anwendung erprobter körperlicher wie seelischer Foltermethoden auszubeuten, sieht es schon ganz anders aus. Begriffe wie Mind Control, rituelle Gewalt, Kindersexsklaven und Kannibalismus klingen fremd, überzogen und passen nicht in das Weltbild der meisten.

Und so ging es auch mir, als ich im Jahr 2019 mit der Ausbildung zur Traumafachberaterin begann. Ich wollte aus meinem beruflichen Kontext heraus mehr über kindliche Bindungs- und Entwicklungstraumata erfahren. Doch was ich darüber hinaus lernte, veränderte mein Weltbild in sehr verschiedener Hinsicht tiefgreifend.

Aufbruch in die Schattenwelt

Nach Vermittlung der Grundlagen über die Entstehung von Traumata, deren Folgen und die Möglichkeiten der Behandlung sollten gegen Ende der Ausbildung in einem Seminar Fälle aus der Praxis besprochen werden.

Eine der Teilnehmerinnen berichtete von einem 10-jährigen Kind, das in dem Heim, in dem sie arbeitet, betreut wird. Das Kind bringe regelmäßig verletzte Tiere mit ins Heim, zum Beispiel Vögel, deren Flügel gebrochen waren. Es habe die Tiere so gefunden und mitgenommen, war seine knappe Erklärung. Noch rechtzeitig wurde das Kind dabei ertappt, als es sich anschickte, eines der Tiere lebendig in einen stark beheizten Backofen zu stecken. In einem anderen Fall hatte dieses Kind die Türklinke zu seinem Zimmer unter Strom gesetzt, um eine Betreuungsperson zu verletzen.

Nach dieser für mich haarsträubenden Schilderung fragte die Dozentin in die Teilnehmerrunde, welche Ideen wir zu dem Gehörten hätten?

Bei meinem damaligen Weltverständnis konnte ich nur aus dem Fundus meiner bislang gesammelten Fachkenntnisse schöpfen, da ich mit Ähnlichem noch nie in Berührung gekommen war und so bot ich die Erklärung eines symbolhaften Handels an, in dem das Kind seinem eigenen Empfinden von Hilflosigkeit und Verletzbarkeit Ausdruck verlieh. Ich werde den Blick der Dozentin, bevor sie mir und uns allen antwortete, niemals vergessen. Sie schaute ruhig und fest in die Runde und betonte jedes Wort, das sie nun an uns richtete:

„Kinder denken sich so etwas niemals selbst aus. Das sind Hinweise auf Dinge, die sie tatsächlich so gesehen und erfahren haben. Das sollten Sie sehr ernst nehmen.“

Wo sollte ein Kind so etwas erlebt haben? Bei wem? Wer tut so etwas? Die Eltern? Wozu?

Ich konnte die Aussage der Dozentin kaum akzeptieren, weil ich nicht verstehen konnte, worauf sie ansprach. Die Ungeheuerlichkeit, dass Eltern ihrem Kind so etwas bewusst zumuteten, traf bei mir auf keinen Kontext, in den diese Information hineingepasst hätte. Die Dozentin gab uns Hinweise auf Literatur, Interviews und Dokumentationen zum Nachbearbeiten des Seminars. Zuhause begann ich sofort mit der Recherche.

Das Trauma

Im Folgenden möchte ich die Entstehung eines Traumas genauer beschreiben, da das Wissen um die Möglichkeiten unserer Psyche, unser Überleben zu sichern, Zweierlei aufzeigt: Zum einen ermöglichen diese Mechanismen uns den Selbsterhalt und zum anderen machen sie uns aber auch gleichzeitig äußerst verletzbar. In eben diese Gabelung hinein geschehen gezielte Eingriffe von außen und hier wird das Geschehen dann zu Mind Control — dazu später mehr.

Darüber hinaus ist, wie die Traumatherapeutin Birgit Assel in dem YouTube Video „Wir alle haben Traumata“ (2) sehr anschaulich beschreibt, die Auseinadersetzung mit dem Thema Angsterzeugung und Trauma — gerade in diesen Zeiten — für jeden sehr lohnenswert, da bewusstseinsbildend.

Ein seelisches Trauma entsteht unter existenziell bedrohlichen Umständen. Nicht das Ereignis selbst, sondern das Erleben des Ereignisses als Hochstress-Erfahrung und die Möglichkeit der Verarbeitung dieser Erfahrung bestimmen, ob aus einem Ereignis ein Trauma wird.

Ist die Erfahrung die, dass niemand zu Hilfe kommt, Kampf oder Flucht nicht möglich sind, kann es zur Abspaltung von Bewusstheitsanteilen kommen, sodass die Psyche diese Überforderung überleben kann. Das Gefühl von Hilflosigkeit und panischer Angst bleibt dann als existenzielles Grundgefühl jedoch bestehen, sofern diese überfordernde Erfahrung nicht zeitnah aufgearbeitet wird oder werden kann.

Im Alltagsmodus versieht unser Gehirn alles, was wir erleben, mit einer Markierung, die Erinnerung möglich macht. Jedes Ereignis wird mit einem Zeitpunkt des Beginns und des Endes und dem bestimmten Ort, an dem es stattgefunden hat, versehen und abgelegt. Im Laufe der Zeit entsteht eine wachsende Bibliothek von Ereignissen und Erlebtem, sodass wir zu einem späteren Zeitpunkt in der Lage sind, diese Informationen abzurufen und in einen zeitlichen und örtlichen Rahmen einzuordnen, zu erinnern. Das Ergebnis ist eine Erzählung über unser Leben, unser Narrativ, das unseren persönlichen Bezugsrahmen zur Welt bildet. Dies verschafft uns Orientierung, Bezug, Sinn und Perspektive.

Überwältigende Angst, das Gefühl der Isolation, lange andauernde Unsicherheit, unsichere Bindungen oder Reizüberflutung sind jedoch Dekonstrukteure beziehungsweise Verhinderer dessen, dass sich im Inneren wie im Äußeren stabile, kooperative und als sinnvoll erlebte Strukturen und Narrative bilden können.

Das Überleben wird also nur durch Abspaltung vom Unerträglichen möglich. Das Ereignis ist dann zwar als fragmentiertes Bild in uns vorhanden, wurde jedoch nicht markiert, nicht abgelegt und kann somit nicht gezielt erinnert werden.

Es gibt keine Markierung für den Beginn und insbesondere keine für das Ende. Das schmerzhafte Ereignis kann hierdurch aber auch nicht bewusst als beendet verstanden und erfahren werden.

So bleibt es als Erinnerungsfetzen oder eine Art Erinnerungskonfetti, als Gefühl im System erhalten und ebenfalls die damit verbundenen Körperempfindungen.

Dieser Vorgang geschieht nicht willentlich und bewusst, sondern ist Teil unseres Notfall- und Überlebensprogramms und wird von Tätern bewusst herbeigeführt, um in die Psyche eines Menschen einzudringen und somit Persönlichkeitsanteile gestalten und diese mit besonderen Aufgaben versehen zu können. Obwohl es dem Betroffenen nicht mehr bewusst ist, reagiert er auch später, zum Beispiel im Erwachsenenalter gefühlsmäßig entsprechend auf sogenannte Auslöser, also Reize, die an die traumatische Situation erinnern.

Rührt eine Situation an einen der nicht mehr zuzuordnenden Erinnerungsfetzen, wird das ganze Empfinden aus dem längst Vergangenen in Bewegung gesetzt und der Betroffene hat keine Ahnung, warum er so handelt und so empfindet, und damit zunächst auch keinen Zugriff auf einen bewussten Umgang und eine bewusste Kontrolle über sich und die Situation. Je nach Zeitraum und Häufigkeit der als überfordernd erlebten Zustände, bilden sich verschiedene Bewusstseinsanteile, sogenannte Gefühls- und Ich-Zustände aus.

Das heißt, in einem Menschen leben unter Umständen Bewusstseinsanteile als zig einzelne Menschen verschiedener Altersstufen, die zum Teil noch nicht einmal voneinander wissen und auch nicht unbedingt miteinander kooperieren oder so programmiert wurden, dass sie sich gegenseitig kontrollieren, verraten oder in bestimmten Fällen mit der Selbsttötung beauftragt werden.

Im diagnostischen und statistischen Leitfaden psychischer Störungen, dem DSM, heißt dieses Persönlichkeitsbild Dissoziative Identitätsstörung, DIS. Um dem Umstand Rechnung zu tragen, dass es sich dabei nicht um eine Fehl- oder Mangelleistung eines Systems, sondern um die Überleben sichernde Strukturierung einer Persönlichkeit unter hochbelastenden Umständen handelt, wird DIS treffender als Dissoziative Persönlichkeitsstruktur bezeichnet.

Und an dieser Stelle kommen die Therapeuten und Facheinrichtungen dann ins Spiel. Wenn betroffene Menschen sie um Hilfe bittend aufsuchen, sind sie oft der erste Kontakt auf dem Weg heraus aus der abgeriegelten Täterwelt und auch hin zu dem eigenen, ihnen in großen Teilen unbekannten, Innenleben.

Ich hörte also während meiner Recherche in verschiedenen Dokumentationen zum ersten Mal Menschen mit einer sogenannter Dissoziativen Persönlichkeitsstruktur zu. Ihre Lebenswege, ihre Erfahrungen von Qual und Schmerz und die Sehnsucht danach, lebendig, angstfrei, selbstbestimmt, liebend und ganz sein zu wollen, rührte an meiner Seele.

Zersplitterte Psyche

Während meiner Ausbildung habe ich gelernt, dass unter anderem folgende Auslöser für kindliche Traumata infrage kommen: Verlust eines nahestehenden Menschen, unzureichende oder häufig wechselnde Bezugspersonen, schwere Erkrankungen oder medizinische Eingriffe, Krieg, Flucht, Naturkatastrophen und schwerwiegende Unfälle.

Das alles konnte ich noch soweit gut erfassen und nachvollziehen. Doch die Betroffenen, von denen ich las oder hörte, berichteten über ganz andere Auslöser. Sie schilderten gezielte gewalttätige Handlungen gegen sich seit frühester Kindheit mit oftmals rituellem Charakter und einem fast unvorstellbaren Ausmaß an Grausamkeit.

Diese Handlungen führten in fast allen Fällen nahestehende Bezugs- oder Vertrauenspersonen durch oder die Kinder wurden von diesen an andere weitergereicht. Die Gewalttaten waren meistens von Suggestionen begleitet, die einer Bindung an den Täter zu Kontrollzwecken dienten oder das Opfer zum Schweigen bringen sollten.

„Ein größerer Prozentsatz der sogenannten Kinderpornografie und Kinderprostitution sowie der Erwachsenen-Prostitution (meist von Frauen) enthält rituelle Gewalt, also systematische ‚Zurichtungsformen‘, sadistische Folter und ein ‚Training‘ für die Opfer, um sich widerstandslos (weiterhin) ausbeuten zu lassen.

Etliche Menschen berichten auch von Misshandlungserfahrungen im Zusammenhang mit angeblich ‚satanischen‘ oder anderen kultartigen Ritualen. Und wenn Kinder, Jugendliche beziehungsweise Erwachsene organisierten, sadistischen Formen von Ausbeutung ausgesetzt sind oder waren, besteht die größte Schwierigkeit für sie darin, sich über das in der Regel mit Todesdrohungen verbundene Schweigegebot hinwegzusetzen und sich wenigstens in Andeutungen Helferinnen anzuvertrauen“, so Michaela Huber, Psychologische Psychotherapeutin, Supervisorin, Ausbilderin in Traumatherapie und Autorin zahlreicher Fachbücher (3).

Im diesem Zusammenhang noch einmal zurück zur Entstehung einer Dissoziativen Persönlichkeitsstruktur:

„Zusätzlich gilt: bei organisiert ausgebeuteten Kindern werden dissoziative Prozesse durch die professionellen ‚Ausbilder‘ unter den Tätern gezielt ausgelöst, gesteuert und ‚kodiert‘ (mit Namen oder Zahlen und Funktionen versehen)“ (4).

Ich hörte und las bei der Expertin Michaela Huber und auch in den Aufzeichnungen der Überlebenden Cathy O‘Brian (5) von Mind Control, von Kulten und ritueller Gewalt, gezielter Zersplitterung der Psyche von Kindern zur Bildung von Anteilen, die dann für gewalttätige pornographische Zwecke kommerzialisiert werden können (6).

Mich erstaunte die Fülle an Informationen, die sich bei meiner Suche auftat. Wie hatte ich all das vorher übersehen oder eher gar nicht gesehen haben können? Über Wochen las, sah und hörte ich nichts anderes als Berichte von Betroffenen, Überlebenden und Helfern über das Erzeugen von Kontrolle durch Drogen, Hypnose, Suggestionen, durch das Zufügen von physischen und psychischen Schmerzen, über Vergewaltigung, Folter, Kannibalismus, erzwungener Beteiligung oder der suggerierten Beteiligung an (Baby)-Morden, Zwangsprostitution und eben auch über Tierquälerei und Tiertötungen zum Zweck der Angsterzeugung und des Gefügigmachens.

Völlig entsetzt rief ich die Dozentin aus dem Seminar an, die als Traumatherapeutin in eigener Praxis tätig ist, und wollte wissen, ob sie selbst auch mit Klienten, die dies erlebt hatten, in Kontakt gekommen sei? Und ich wollte ihre Einschätzung hören, für wie bedeutend und groß sie diese Sache hielt?

Sie bestätigte mir, was ich auf der Webseite von Michaela Huber bereits gelesen hatte:

„Es gibt Verbindungen zur Organisierten Kriminalität (Menschenhandel, Zwangsprostitution, Drogenhandel etc.) und ein Schweigegebot. Ausstiegswillige werden unter Druck gesetzt, erpresst und verfolgt. In manchen Gruppierungen … sind Familien generationenübergreifend eingebunden.

Es erfolgt eine frühkindliche Bindung an Täter, Kult und Ideologie. Funktionalität und Gehorsam werden durch lebenslange Konditionierung und Programmierung (Mind Control) erzwungen. Dabei wird in der Regel schon ab Geburt absichtlich eine Dissoziative Identitätsstruktur mit voneinander abgespaltenen Persönlichkeiten erzeugt. Ziel der systematischen Abrichtung ist es, eine innere Parallelwelt zu erschaffen, die durch die Täter jederzeit abrufbar und steuerbar ist und für die das Kind und später der Erwachsene im Alltag keine bewusste Erinnerung hat“ (7).

Auf der Webseite „Dissoziation und Trauma“ heißt es:

„Organisierte sexualisierte und rituelle Gewalt ist die aktuelle Bezeichnung spezieller schwerer Formen der Misshandlung von Menschen. Sie umfasst physische, sexuelle und psychische Verbrechen, die planmäßig und zielgerichtet, oft im Rahmen von Zeremonien (Ritualen) ausgeübt werden. Es geht auch um Folter, Zwangsprostitution (vor allem von Kindern) und mutmaßlich auch um zeremonielle Tötung von Menschen. Niemand von uns möchte glauben, dass es so etwas wirklich gibt“ (8).

Unsere Angst als Versteck für Folter

Nein, niemand möchte glauben, dass es so etwas wirklich gibt. Nachdem ich mich schon schwer tat, die neuen Informationen in mein Weltbild zu integrieren, durfte ich erfahren, wie schwer es erst werden sollte, von dieser Form und dem Ausmaß der Misshandlung von Kindern inmitten einer Gesellschaft zu sprechen und zu schreiben — welche mit sich selbst in Angst beschäftigt und zudem ebenfalls in einer Spaltungsideologie steckte. Nach dem Gespräch mit der Therapeutin dachte ich, wie schon so oft in den letzten Jahren: „Das muss man doch wissen! Darüber muss man sprechen! Das müssen alle wissen!“

Ich schickte mich an, einen Text zu verfassen. Wo immer ich konnte, berichtete ich engagiert, woran ich gerade arbeitete. Die Reaktion meiner Gesprächspartner ist durchweg im Kern wie folgt: Entsetzen, zunehmende Verschlossenheit, Rückzug begleitet von verärgerten Fragen wie: Was ich mir davon verspräche? Hätte ich Beweise? Woher wolle ich das alles wissen? Seien die Berichte überhaupt glaubhaft? Hätte ich vielleicht eine abartige Lust an solchen Geschichten? Mit der Aufforderung, das Thema zu wechseln, da das alles viel zu belastend sei, war jegliches Gespräch dann endgültig beendet.

In der Einleitung zu seinem Buch „Dunkle neue Weltordnung Teil 1“ spricht mir Marcel Polte aus dem Herzen:

„Manchmal ist es wichtig, einem Menschen Zeit zu geben, Erfahrungen und Erkenntnisse sowohl kognitiv als auch emotional zu verarbeiten. Das ist in diesem Fall besonders wichtig, denn wir stoßen hier an die Grenzen des nach menschlichen Maßstäben Vorstellbaren und Ertragbaren. (...)

Das gesamte Phänomen lässt sich nämlich nur dann verstehen, wenn wir dem Grauen, das sich so geschickt vor uns verborgen hält, in seine hässliche Fratze schauen. Und dazu haben wir alle — ausnahmslos — eine moralische Verpflichtung. Andernfalls würde die Folter der Kinder und die systematische Zerstörung ihrer unschuldigen Seelen niemals enden. Gemeinsam haben wir die Macht, dies nicht länger hinzunehmen“ (9).

Angst — unser aller wunder Punkt

Ich verstehe, dass in der Berührung mit den genannten Inhalten ein übergroßes Bedrohungsgefühl entstehen kann. Unser Weltbild sowie unser Bedürfnis nach Sicherheit und nach Ordnung, die Hoffnung auf das Gute im Menschen, der Glaube an eine liebende höhere Macht fühlen sich bedroht. Die Ungeheuerlichkeit und die Unmenge an erschreckenden Informationen löst zudem noch ein übles Gefühl absoluter Hilflosigkeit dem „Bösen“ gegenüber aus. Daher ist es nicht Anliegen dieses Textes, die mittlerweile große Masse an Informationen aufzurollen und den Leser damit zu konfrontieren. Im Quellenverzeichnis finden sich etliche Hinweise.

Ich möchte dafür werben, sich dem Gedanken zu öffnen, dass die betroffenen Menschen und wir als eine Gemeinschaft im selben Boot sitzen und durch die gleichen Methoden der Angsterzeugung, der Verunsicherung, der Unglaubwürdigmachung und durch Erpressung erzeugte Abhängigkeiten kontrolliert werden.

Mondrian Graf von Lüttichau stellt in seinem Text über die Betroffene Merle Müller „Zeugnisse aus der Organisierten Rituellen Gewalt — Der Fall Merle Müller — Wieso viele Opfer keine Hilfe suchen“, in der Zeitschrift „Trauma — Zeitschrift für Psychotraumatologie und ihre Anwendungen“ folgende Frage:

„Was tun also? Die Augen zumachen, Merle Müller (und andere Opfer in vergleichbarer Situation) ihrem Schicksal überlassen — mit Verweis auf die Beschränktheit der sozialen, staatlichen, finanziellen, politischen, individuellen Hilfsmöglichkeiten? Gehen die Interessen der Täter und unsere (diejenigen der ganz normalen Bürger) hier konform?“ (10).

Wenn manchem die zuletzt gestellte Frage auch recht provokant erscheinen mag, so beinhaltet sie dennoch die Tatsache, dass bewusst ein für die Allgemeinheit fast unsichtbarer und kognitiv wie emotional schwer zu erfassender Raum geschaffen wurde, der die Betroffenen wie auch jeden Helfer oder Investigativen durch Unglaubwürdigmachung und viele weitere Hürden ausschaltet.

Mondrian von Lüttichau schreibt auf seiner Webseite zur Veröffentlichung des Mailaustauschs mit Merle Müller:

„Anlass dieser Veröffentlichung ist es, Merle Müllers Hilfeschrei einer weiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen, — den Menschen die Augen zu öffnen, wie Doris (Anm.: eine der Innenpersonen Merle Müllers) mehrfach betont hat. Ist es möglich, dass in einem der reichsten Länder der Erde die öffentlichen, staatlichen Stellen solche Opfer ihrem Schicksal überlassen — oder der zufälligen und unzureichenden Unterstützung einzelner TherapeutInnen und Angehöriger? Dass das staatliche Gewaltmonopol hier nicht tätig wird? Dass die polizeiliche Aufgabe der Gefahrenabwehr hier nicht trägt? Die Mails von Merle & Co. stehen für ungeschriebene Zeugnisse hunderter Opfer“ (11).

Nun entstand Entwurf um Entwurf eines Textes, in dem ich versuchte das Grausame, welches kleinen Kindern und damit unserer Gemeinschaft angetan wird, in Worte zu fassen und aus dem Ungesehenen ins Licht zu schreiben. In dem Wissen um die breite Abwehr und Ablehnung — bei jedem geschriebenen Satz hörte ich das aber meiner Gesprächspartner, sah ich die sich verschließenden Gesichter — gestaltete sich mein Vorhaben jedoch in etwa so erfolgreich, wie einen Pudding an die Wand nageln zu wollen.

Mein Enthusiasmus schwand, ich gab auf. Doch zurück blieb bei mir das Gefühl, dass hier wieder jemand, der sich an der vermeintlichen Unmöglichkeit versuchte, das Unfassbare in Worte zu fassen und es zu übermitteln, grandios gescheitert war — ich!

Wer sind die Täter?

In diesem durch Angst kontrollierten Raum, mitten in unserer Realität agiert ungestört, weil ungesehen, das riesige Netzwerk einer globalen Schattenwirtschaft bestehend vornehmlich aus Institutionen des Finanzsektors, Unternehmern, diversen Politikern, Geheimdiensten, mafiösen Verbänden, Waffen-, Drogen-, Organ- und Menschenhändlern.

Hierbei sind die sogenannten humanen Ressourcen ein sehr wichtiger Faktor, denn Menschen sind kurioser Weise kostengünstig zu beschaffen — siehe zum Beispiel die Babyfarmen, die Ukraine gilt derzeit als weltweit führend (12) —, sie sind früh formbar durch den gezielten Einsatz von psychischer und physischer Gewalt und während ein Händler eine Waffe nur einmal verkaufen kann, kann die erzwungene konditionierte Leistung eines versklavten Menschen sogar kundengerecht mehrmals am Tag verkauft werden.

Es liegt im Wesen des Schattens, im Verborgenen zu agieren und damit nicht messbar, also durch Statistiken und Zahlen in Größe und Ausmaß quantitativ erfassbar zu sein. Doch heißt dies, dass das, was nicht zu fassen, zu ermessen ist, auch nicht existiert?

Bei einem Sturm kann man den Wind auch nicht sehen, doch man sieht die Zerstörung, die er angerichtet hat, und niemand wird den Wind als Ursache in Frage stellen. Die große Menge an verwundeten Menschen, die nach und nach an der Oberfläche sichtbar wird, macht deutlich, über welche Größenordnung wir reden, mit welchen Folgen wir für unser Zusammenleben zu rechnen haben.

Nur so viel sei gesagt, dass in informierten Kreisen mittlerweile der Zusammenbruch der Schattenwirtschaft ökonomisch als die weitaus größere Katastrophe angesehen wird als der Zusammenbruch der sichtbaren Ökonomie.

Im Kern geht es sicher, wie bei jedem Geschäft, um Profit, Macht und Kontrolle, um erzeugte Nachfrage und Angebot. Die Akteure sind hierarchisch, in Abhängigkeiten und in verschiedenen Teilnetzen, das heißt in Gruppen, Institutionen, religiösen Gemeinschaften, Kulten und Familien, organisiert und arbeiten unabhängig voneinander und doch letztendlich aufeinander bezogen an unterschiedlichen Stellen, wie Produktion, Beschaffung, Programmierung, Training, Verteilung, Verkauf und Beseitigung.

Manche der Strukturen sind unter den Tätern bekannt, doch andere wiederum nicht und so gibt es unter den Ausführenden nur wenige, die in größere Zusammenhänge eingeweiht wären, und kaum jemand könnte, falls sie entdeckt werden, umfassende Informationen preisgeben.

Wenn man sich mit den Tätern beschäftigt, greift es aber zu kurz, diese speziellen Formen menschlicher, im besonderen kindlicher Ausbeutung, nur mit einem pervertierten Kapitalismus zu erklären. Diese Netze von Kinderhandel und Kindersklaverei werden hauptsächlich betrieben von Menschen, die selbst Erfahrungen mit Ausbeutung, Gewalt und Konditionierung haben machen müssen und aus mehrere Generationen lang dysfunktionalen Familien oder ähnlichen Bezügen stammen. Es sind Menschen, die selbst niemals eine sichere und respektvolle Bindung erleben durften.

Anneke Lucas ist Autorin, Rednerin, Anwältin für Opfer von Kindersexhandel, Gründerin der gemeinnützigen Organisation Liberation Prison Yoga und Entwicklerin des Unconditional Model. Ihre Arbeit basiert auf der persönlichen Erfahrung, von ihrer Familie als Kindersexsklavin an ein pädophiles Netzwerk verkauft worden zu sein — im Zusammenhang mit dem Fall Dutroux — und einer 30-jährigen Heilungsreise. Über die Täter schreibt sie auf ihrem Blog:

„Macht basiert auf Wut und bietet eine Plattform, von der aus man sich unaufhörlich an allen rangniedrigeren Personen rächen kann. Und da Macht oder jede andere Sucht nicht heilt und niemals die zugrundeliegende Frustration und Wut über vergangene Misshandlungen und Demütigungen beseitigen kann, wird das Bedürfnis, die Wut zu kanalisieren, eher größer als kleiner. … Ihr Motto „Tu, was du willst“ erzeugt den Sturm, (…) der alle erlittenen Demütigungen rückgängig macht, frei, der Sadist zu sein, der die Opfer lächerlich macht, während er sie abschlachtet.

Die Mächtigen gehören alle zu Geheimgesellschaften, die nur auf den höchsten Ebenen offenbaren, warum die Geheimhaltung so wichtig ist. Wenn wir verstehen würden, wie enttäuschend, wie lächerlich und banal ihre Geheimnisse sind, wenn wir einen Blick hinter die Lügen und die enorme Maschinerie werfen könnten, die sie kontrollieren, um uns glauben zu lassen, dass wir sie brauchen, um uns zu führen, würden wir sofort die Verantwortung übernehmen“ (13).

Diese Aussage ist höchst interessant, da Anneke Lucas als junges Kind speziell darauf trainiert wurde, die Schwachstellen von Männern gezielt und sicher zu erkennen. Ihren Blogbeitrag „Sweet Revenge“ schließt Anneke Lucas mit der beeindruckenden Aussage:

„Die Macht kann sich nur selbst schützen; ihre Sklaven geben vor, einen Wandel herbeizuführen, während sie nichts anderes als eine Welt nach dem Bild ihres furchtbaren inneren Chaos schaffen“ (14).

Sehr aufschlussreich ist ebenfalls Heinz Michael Vilsmeiers Buch „Mann ohne Kindheit — Vom Opfer zum Täter. (15)“, in dem ein anonymer Insider offen über seinen Werdegang zum Täter spricht. Die Täter sind weitgehend Überlebende, die früh in die Strukturen von Macht und Ausbeutung hinein sozialisiert und durch Gewalt zugerichtet wurden.

Oder jene, die durch die Aussicht auf gesellschaftlichen Aufstieg und Machtpositionen in prekäre Situationen gebracht wurden, um erpressbar und zum Beispiel als Arzt, im Justizsystem, als Politiker oder an anderer systemrelevanter Stelle den menschenausbeutenden Strukturen dienlich zu sein. Ihre Beteiligung an den kriminellen Handlungen schweißt sie an diese Netzwerke und garantiert deren Schutz und Fortbestehen. Einen Teil dessen bebildern uns deutlich, doch nicht annähernd in Gänze, die Aufdeckungen über die Netzwerke und ihre dort verfangenen Mittäter in den Fällen Epstein und Dutroux.

In der Zusammenfassung der Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs vom 22. April 2021 steht Folgendes:

„Weiterhin spielte die gesellschaftliche Positionierung der Täter:innen eine wichtige Rolle in den Berichten, welche generell als angepasst bis angesehen beschrieben wurde. Täter:innen bekleiden demnach oft einflussreiche Machtpositionen in Politik, Wirtschaft oder Gesellschaft und sichern sich durch finanzielle Ressourcen aus Zwangsprostitution oder der Erstellung von Missbrauchsabbildungen ab“ (16).

Carine Hutsebaut, Therapeutin und beim FBI ausgebildete Profilerin, hat sich als eine der äußerst raren Fachkräfte mit der Therapie von Opfern und Kindermördern befasst. Sie stellt ihre Erfahrungen in dem einmaligen und wertvollen Buch „Childhunters — Requiem of a childkiller“ zur Verfügung. Hutsebaut fordert:

„Wie jedes Jahr werden auch in diesem Jahr Hunderttausende von kleinen Jungen in den Vereinigten Staaten, in Europa und auf der ganzen Welt sexuell missbraucht. Sie werden körperlich, seelisch, geistig und spirituell verletzt werden. Jeder Aspekt ihres Lebens wird darunter leiden. Das Gleiche gilt natürlich auch für Frauen. (…) Es ist unerlässlich, das Opfer im Täter zu behandeln, um einen Rückfall zu verhindern“ (17).

Es geht mir nicht darum, die Täter ihrer Schuld entlastend als arme Opfer darzustellen. Sie bleiben Täter und tragen Verantwortung für ihre Taten, doch sie sind zum allergrößten Teil tatsächlich auch in ihrer Kindheit Opfer von gewalttätigen Erwachsenen geworden und im Netzwerk einer hermetischen Täterwelt sozialisiert.

Mir geht es vielmehr darum darzustellen, dass unsere heutige Gesellschaft es mit einer über mehrere Generationen bestehenden und in allen gesellschaftlichen Schichten stattfindenden Weitergabe von einerseits erfahrener und andererseits ausgeführter Kindesfolter und Kindesmisshandlung, von Konditionierung durch Angst, Kontrolle durch Erpressung und Schmerz und dem Erzeugen von Misstrauen durch unsichere und an Bedingungen geknüpfte Bindungen zu tun hat.

Manchmal wird sogar das Zufügen von größten Schmerzen unter Folterung als Liebesbezeugung verankert.

Für Außenstehende ist es dann unfassbar und wirkt unglaubwürdig, wenn ein ausstiegswilliger Mensch immer wieder zu seinem Peiniger zurückkehren möchte und beteuert, diesen doch auch zu lieben.

Die Aufgabe

Ein noch nicht genau bezifferbarer, doch allmählich sichtbar werdender Teil der Menschen, national und global, ist durch Erzeugung von Todesangst und Einschüchterung vom Anschluss an die Welt außerhalb ausbeutender Strukturen abgetrennt sowie in sich selbst gespalten worden.

Das System, in dem wir leben, befördert diese Strukturen auch noch, indem es falsch verstandene Fach- und Wissenschaftlichkeit als distanzierendes Bollwerk einem individuellen und kollektiven Empfinden von Ethik, Emotion und unmittelbarem Berührtsein gegenüberstellt.

Persönliches Engagement wird mit dem Hinweis darauf, dass die Systeme sich schon kümmern, abgeblockt. Und was hat das System dann diesen Menschen zu bieten, wenn sie wagen, Hilfe zu suchen? Zurzeit oftmals nicht mehr als eine Diagnose, eine Medikation, untergebracht oder weitergereicht zu werden.

Unserer Gesellschaft, und im Moment vor allem den vielen therapeutisch Tätigen, wächst eine große Aufgabe zu, den Bann der Angst und damit die Kontrolle von unterschiedlich mächtigen Opfertätern über weitere Opfertäter zu brechen. Nur dadurch können nicht immer mehr dieser Opfertäter entstehen, die keine Welt der Liebe, des Vertrauens und der Selbstbestimmung kennen und denen abgezwungen wird, die Strukturen der hermetischen Täterwelt ihrerseits immer wieder in einer sich zahlenmäßig ausweitenden Kaskade weiterzugeben.

Carine Hutsebaut beschreibt, wie viele Kinderopfer auf einen pädophilen Täter erfahrungsgemäß entfallen, bevor er gefasst werden kann. Die meisten dieser Opfer verarbeiten die traumatisierende Erfahrung dadurch, dass sie selbst zum Täter werden. Dies ist mit kaskadenartiger Weitergabe gemeint. Welch eine erschreckende Zahl! Dabei werden Männer und auch Frauen Opfer und damit selbst zum Täter. Carine Hutsebaut:

„Sowohl Frauen als auch Männer wurden und werden als Kinder missbraucht, und nur Männer und Frauen können aus einer geheilten Position heraus eine sicherere Welt für Kinder aufbauen. Die vereinten Kräfte beider sind unerlässlich, um den epidemischen Formen des sexuellen Kindesmissbrauchs endlich ein Ende zu setzen“ (18).

Des Weiteren ist es meiner Meinung nach im Interesse eines jeden von uns, diejenigen zu unterstützen, die bereits an der Aufdeckung, Befreiung, Begleitung und Heilung arbeiten. Die Versorgung von Menschen mit organisierten Gewalterfahrungen gilt unter Betroffenen sowie Fachexperten seit Langem als unzureichend. Es fehlen tausende Therapeuten und den sozialpädagogischen, medizinischen, pflegerischen, lehrenden, betreuenden und in der Justiz tätigen Fachkräften fehlt das nötige Wissen und Verständnis, um adäquat handeln zu können. Hier ist viel Aufklärung nötig und das Angebot an Aufklärung und Weiterbildung wächst (19).

Hilfe

Viele Betroffene wagen etwas, wenn sie sich an Helfer oder an die Öffentlichkeit wenden. Sie gehen Risiken ein, da die Täter aus dem Netz, das Menschen als Eigentum betrachtet, mit Drohungen und Manipulationen antworten. Ebenso werden die Helfer bedroht und eingeschüchtert. Hoffnung erweckt, dass mittlerweile immer mehr Berichte und Erfahrungen zur Verfügung stehen, die Einblick in die Methoden der Täter erlauben, und dass engagierte therapeutische Fachleute ihre Erfahrungen publizieren.

Durch mutige Betroffene, die sich an Helfer und an die Öffentlichkeit wenden, durch mutige investigativ tätige Menschen und durch die Mutigen, die sich mit ihrem Herzen an diesen Teil unserer Realität heranwagen, werden immer mehr Teilstücke dessen, was uns verborgen bleiben soll, an die Oberfläche befördert, um dort endlich wahrgenommen zu werden.

Es ist zur Zeit noch nicht möglich, ein detailliertes, gesichertes Gesamtbild über die Struktur und das Ausmaß zu erstellen. Doch finden sich hinweiskräftige Spuren auf die globale kriminelle DNA des Menschenhandels, weil Betroffene den Mut haben, sich mitzuteilen, den Mut sich anzuvertrauen, auch wenn es noch nie jemanden gab, dem sie je hätten vertrauen können. Es gilt, die Aussagen der Betroffenen und der Insider ernst zu nehmen und zu überprüfen. Das Puzzle ergibt mit jedem hinzugewonnen Teil ein immer deutlicheres Bild und das ist gut so.

Jeder ist betroffen

Eine Überlebende von ritueller Gewalt stellte die Frage in den Raum, ob wir anderen denn dächten, dass wir nicht von dem, was ihr passiert sei, ebenso betroffen seien? Und sie beantwortet diese Frage dann selbst, indem sie feststellt, dass genau diese Annahme, nämlich auf der anderen Seite zu stehen, Teil dessen sei, was wir denken sollen!

„Ihr werdet ebenso durch eure Angst kontrolliert und manipuliert wie wir.“

Chantal Frei (Pseudonym) ist eine Überlebende, die am Schluss ihres Buches „ICH REDE!“ schreibt:

„Indem ich angefangen habe, darüber zu reden, habe ich mein Streichholz angezündet. Wenn in einem großen finsteren Raum auch nur ein Streichholz angezündet wird, ist die Finsternis nicht mehr so dunkel. Ein solches Streichholz habe ich angezündet. Und mein Streichholz heißt: „ICH REDE!" Ich bin nicht die Einzige.“

Chantal Frei wünscht sich „... Menschen, die aufstehen, sich auf den Weg machen, selbst nach Informationen suchen, bevor sie über Betroffene urteilen. (…) Wer bereit ist, das unbekannte Feld von ritueller, organisierter, satanischer Gewalt und Gedankenkontrolle anzuschauen, wird es auch sehen. Und so kann Betroffenen geholfen werden“ (20).

„Wie hältst du das nur aus, dich mit diesem belastenden Thema so intensiv zu beschäftigen?“, werde ich mit einer spür- und sichtbaren Mischung aus Abwehr und Misstrauen gefragt. Ich bin ehrlich gesagt selbst erstaunt über das, was sich da im Laufe meiner längst noch nicht beendeten Recherchen in meinem Herzen geformt hat. Es ist eine große Achtung vor unserem innersten Kern und es ist Hoffnung.

Viele der mutigen Überlebenden sprechen davon, dass sie unter all der Folter und den unterschiedlichen Arten, gequält und verletzt zu werden, zwar Anteile ihrer Psyche haben hergeben müssen, doch an die Doktrin des Bösen hat ihr integrer Kern sich nie angeschlossen.

Marcel Polte beschreibt dies sehr treffend:

„Dennoch hat dieses perfide ausgeklügelte System eine Schwachstelle: Die Täter unterschätzen offenbar die Stärke des menschlichen Geistes“ (21).

Ich möchte diese Aussage von Marcel Polte gerne noch weiter fassen und nicht nur auf den menschlichen Geist, sondern auf die tiefe Liebesfähigkeit in uns abzielen und dazu folgendes Beispiel anführen.

Wendy Hoffmann beschreibt in ihrem Buch „The enslaved Queen“ (22), wie ihr im Alter von drei Jahren ein zehnjähriger Spielkamerad zugewiesen wurde und dann regelmäßig zu Besuch kam. Sie freute sich jedes Mal darauf, sich in dem Schoß des sanften Jungen einkuscheln zu dürfen und dort seine Wärme zu spüren, ihr Ohr an seinen Brustkorb zu drücken und seinem Herzschlag lauschen zu können. Momente des Friedens für Wendy. Als der Junge zwölf Jahre alt war, so beschreibt es Wendy Hoffmann, wurde er bei einem Ritual vor ihren Augen getötet. Das war der Plan. Geplant war, dass die kleine Wendy nie wieder Liebe wagen sollte, da Liebe nun Schmerz bedeutete.

Die tiefe und innige Liebe zu diesem Menschen hat Wendy Hoffmann jedoch bis ins fortgeschrittene Alter hinein nie verlassen. Die Tatsache, dass sie als kleines Kind einmal lieben durfte, war die viel größere Energie in ihrem Leben, als all das Grausame, das ihr angetan wurde. Sie sollte an das Böse glauben und ihm folgen, doch stattdessen ist sie, wie viele andere Überlebende auch, eine Botschafterin der Liebe geworden.

Dies ist für mich Beweis und Hoffnung, dass die Liebe die stärkere Kraft im Universum ist — wenn Menschen, in deren Psyche man grausam einzudringen vermochte, dennoch ihren wahren, liebenden Kern zu erhalten vermögen. Wenn die Liebe zum Leben sich einer solch harten Prüfung unterziehen muss und unzerstört daraus hervorgeht, ist dies ein Beweis dessen, was wir alle als Wesenskern in uns tragen und dass wir stark genug sind, aus dem Bannkreis von psychisch kranken Machthabern herauszutreten.

Diese Liebe, dieser Mut, dieses Wissen um unsere angeborene innere Freiheit trägt mich und gibt mir eine Stimme, die das auszusprechen wagt, was ist — damit Traumen der Täter und ihrer Opfer heilen dürfen und Kinder unversehrt, frei von Machtwahn und daraus resultierender Gewalt ihr eigenes Leben leben dürfen. Zu Beginn des Textes steht das Zitat einer der Innenpersonen von Merle Müller, Doris. Sie wünscht sich, dass sie den Menschen die Augen öffnen könne und fragt, ob das überhaupt möglich sei. Ist es das?


Quellen und Anmerlungen:

(1) https://autonomie-und-chaos.de/images/pdf/auc-116-merle-mueller-helfen.pdf
(Anm.: Doris ist eine der Innenpersonen von Merle Müller)
(2) https://www.youtube.com/watch?v=Bv3EzFlERZ8
(3) (11) https://michaela-huber.com/wp-content/uploads/2021/09/3-teilige-Fortbildung-Huber-Flyer-Anmeldung-Agb-2021-2022-1.pdf
(4) ebenda
(5) Trance Formation of America“, Cathy O’Brien, Ebook
(6) https://michaela-huber.com/wp-content/uploads/2021/09/3-teilige-Fortbildung-Huber-Flyer-Anmeldung-Agb-2021-2022-1.pdf
(7) ttps://michaela-huber.com/wp-content/uploads/2021/03/michaela-huber_extreme_gewalt_extreme_dissoziation_2014-03.pdf
(8) https://dissoziation-und-trauma.de/sachinfos/rituelle-gewalt-ritual-abuse
(9) Marcel Polte „Dunkle neue Weltordnung Teil 1“, Ebook, S.12
(10) https://dissoziation-und-trauma.de/pdf/trauma-3-2019-von-luettichau.pdf
(11) https://dissoziation-und-trauma.de/unsere-buecher/680-merle-mueller-zeugnisse-aus-der-rituellen-gewalt-erster-und-zweiter-teil
(12) https://www.die-tagespost.de/politik/in-der-ukraine-werde-babys-zur-abholware-art-208527
(13) https://annekelucas.com/writing/2021/8/22/sweet-revenge (Übersetzung mit deepL)
(14) ebenda
(15) Heinz Michael Vilsmeier, Mann ohne Kindheit — Vom Opfer zum Täter, Ebook
(16) https://www.aufarbeitungskommission.de/wp-content/uploads/Zusammenfassungen-_Forschungsprojekt-Organisierte-Rituelle-Gewalt.pdf, Das Projektteam bestand aus Dr. Johanna Schröder, Susanne Nick, Pia Behrendt, AnnKathrin Kraus, Prof. Dr. Hertha Richter-Appelt und Prof. Dr. Peer Briken
(17) https://timetotalkaboutit.org/training-program-sex-offenders/ (Übersetzt)
(18) ebenda
(19) https://dissoziation-und-trauma.de/links/beratung-therapie-und-selbsthilfeorientierte-angebote
(20) Chantal Frei, „ICH REDE! Mein Leben und Ausstieg aus satanisch ritueller Gewalt“, S.190, Ebook
(21) ebenda, S. 8
(22) Wendy Hoffmann, THE ENSLAVED QUEEN — A Memoir About Electricity and Mind Control, Ebook
Lesenswert:
Liane Dirks, „Die liebe Angst“, KiWi Taschenbuch, Ausgabe 2015 (besonders das Nachwort von 2006, 21 Jahre nach Erstveröffentlichung)
Weiterbildungen für Profis:
https://dissoziation-und-trauma.de/links/fachgesellschaften-forschung-und-kommerzielle-fortbildungen-fuer-profis