Emanzipation und Glückseligkeit

Die Einkehr ist eine von mehreren Möglichkeiten, sich von dem uns umgebenden Machtsystem zu emanzipieren.

Der Philosoph Daniel Sandmann versteht das Netz der Corona-Maßnahmen als eine totalitäre Maschinerie, die grundsätzlich schon zuvor gegeben war. Er stellt die Beschaffenheit und insbesondere den Antrieb dieser kafkaesken Maschine und damit der Wirklichkeit einer Zivilisation heraus, die vollumfänglich von dieser Maschine geprägt ist, und spielt im Anschluss vier Varianten durch, mit dieser Maschine klarzukommen: Flucht, Einknicken, Glückseligkeit und Einkehr als Emanzipation. Während die ersten drei Verhaltensweisen sich im Grunde selber erklären — sie sind auch historisch nicht neu — und vielleicht lediglich in einzelnen Ausformungen ein erkenntnistheoretisches Ausrufezeichen zu erzeugen vermögen, wird die sonderbare vierte Form eingehender besprochen: Wie ist es möglich, die Einkehr ins System — sei es über Schweigen, sei es über die Übernahme von Mustern aus der Maschine — als eine Fortsetzung jener Emanzipation zu verstehen oder zumindest zu deklarieren, die bis Januar 2020 die Muster, über welche der Heimgang ins System und also in die Maschine nun vollzogen wird, noch als Muster der Herrschaft beziehungsweise der Macht aufgedeckt hat? Dass es sich bei diesem als Emanzipation begriffenen Heimgang um einen Weg handelt, den vor allem linke Systemkritikerinnen und -kritiker gegangen sind und weiter noch gehen, dürfte nicht nur eine Hannah Arendt und andere emanzipierte Geister des 20. Jahrhunderts ein paar Drehungen im Grabe kosten. Er ist wohl auch für manche Leserin und manchen Leser des Rubikon als eines im Selbstverständnis emanzipativen Mediums nicht leicht verdaubar.

Die Maschine

Eine Maschine, die keinerlei Halt hat und sich aus nichts ergibt und gleichzeitig so gefestigt ist, wie ewiger Fels: Eine solche Maschine wäre das achte Weltwunder. Und diese Maschine gibt es. Ihr Prinzip ist die Absenz von Sinn. Was in ihr als Sinn existiert, ist Wahn. Müll, so könnte man es ressourcentechnisch auch nennen. Und weil diese Welt viel Müll produziert, kann es am Ende nicht verwundern, dass diese Maschine daraus hervorgegangen ist.

Das Prinzip ist einfach. Der Wahn, indem er voranschreitet, lässt den vorangehenden und durch das Voranschreiten in einem fort zurückbleibenden Wahn ebenso in einem fort verblassen. Neue Schichten überlagern in einem fort das bereits Geschehene und verhindern, dass die Totalität des Ganzen jemals zur Perspektive käme. Schaut man zurück, oh Wunder, ist der Wahn weg, nein, genauer: Er hat sich, allein dadurch, dass er überschrieben wird, gesetzt und gefestigt und diese Festigung allein und einzig ist der Sinn. Aus Wahn ist Sinn geworden.

Die Qualität in schlechten Filmen geht aus dem Schnitt hervor. Das fortwährende Überschreiben und also Löschen eines Bildes durch das nächste, von Schrott durch nächsten Schrott erzeugt Stabilität. Es ist der einzige Bestand in einem billigen Film und einer unbeständigen Welt, zu der die unsere geworden ist exakt durch die Schnitttechnik, also durch das ständige Überschreiben. Dieser Bestand ist der Bestand der Maschine, von der ich rede. Es ist der Bestand der Selbstreferentialität, die Stabilität des Zirkelschlusses. Nichts dringt ein.

Und so baut sich die Maschinerie in einem stets selber fort. Sie speist sich dadurch, dass sie erkenntnistheoretisch ohne Basis ist. Die Grundlosigkeit in der Sache, die das dauernde Fortschreiten — ein ständiges Verlassen von Tatorten gewissermaßen — erzwingt, macht ihren Erfolg aus. Das immerwährende Wuchern — Reflexionspausen sind zu verhindern, Reflexion per se ist zur Verschwörung geraten, Verräter, Feind und Terrorist ist, wer sinniert, nicht wer handelt und die Welt in den Abgrund stürzt — dieses systemimmanente Wuchern garantiert, dass das Überwucherte, als solches in der Sache ohne jeden Grund, als Überwuchertes den Boden für das weitere Wuchern abgibt. Wahnsinn überschreibt sich selbst und wird, durch den Überschrieb vom Wahn befreit, zur Basis für den nächsten Wahn.

Konkret beziehungsweise diskursiv funktioniert das, indem immer neuer Wahn-Sinn medial propagiert und aufgewirbelt wird, der dazu führt, dass der alte, obgleich noch nicht „verkraftet“, geschweige denn demokratisch in irgendeiner Weise aufgearbeitet, stillschweigend als Schicht sich setzt. So etwa verankert sich der Impfzwang für Erwachsene dadurch, dass der Impfzwang für Kinder neu in die Maschinerie eingeführt wird, sozusagen selber. Oder: Durch die Lancierung der Schnelltests wird der PCR unversehens zum Fundament, zur Verifizierungsgröße, obgleich als Indikator selbst vollkommen fraglich. Durch die Öffnung der Schulen — im Sinne eines Entgegenkommens an die „Normalitätswünsche“ der Menschen — ist die Verwandlung der Schulen in Testlabors stillschweigend geschluckt. Schulen sind Testlabors: Das ist die Wirklichkeit des vom Wahn befreiten neuen Sinns.

Wird medizinisch gegen Covid-Impfungen argumentiert, so kann, allein schon aus didaktischen beziehungsweise gehirntechnischen Gründen, nicht stets die ganze Struktur der Wucherung, von der die Impfung essentieller Teil ist, ständig mit in den Fokus genommen werden. Ebenso wenig die stets apodiktisch gesetzten Begleit-Parameter — wie beispielsweise: keine Tote untersuchen, Zoonose ohne jede Untersuchung vorausgesetzt und vieles mehr. Der Fokus auf die Impfung selbst, auf die verkürzte Testphase, auf Gefahren, die durch Spike-Proteine entstehen, impliziert, dass das zuvor Angelegte plötzlich zum Boden des Diskurses wird. Notgedrungen. Wahllos.

Das Prinzip selbst wuchert in alle Richtungen. Es ist wahrlich ein System der unbeschränkten Ausweitung und damit der radikalsten Ent-Ankerung des Menschen im allergrundsätzlichsten Sinne, was die Pandemie herbeigeführt beziehungsweise auf eine neue Stufe gehoben hat. Das letzte und erste Prinzip des Kapitals ist zur Vollendung gebracht: Wuchern ist am Ende alles, was Kapital kann. Wuchern ist die einzig mögliche Logik. Ihm ist alles unterstellt. Im Rahmen dieser Logik vollziehen sich alle Vorgänge innerhalb des Spiels bis in die Krankenhauslogistik und Todesstatistiken hinein.

Ist das Prinzip des Wucherns als Wirklichkeitskonstruktion gesetzt, so ist der Ablauf simpel. Die Impfung — das wurde früh so explizit ausgegeben — ist Ziel, ein Ziel indes, das kein Ziel sein kann in dem Sinn, als es darum ginge, einen Zustand zu erreichen. Vielmehr ist das Impfen selbst Wuchern, impliziert das Impfen — auch das ist mehrfach explizit ausgeführt worden — doch das stetige Wieder-Impfen. Auffrischungen, bis die Immunsysteme kollabieren. Aber auch dann geht es weiter. Zum Wuchern braucht es am Ende keine Menschheit. Insofern ist diese Pandemie keine zufällige letzte Etappe des Kapitalismus, sondern ein in sich stimmiges und insofern naturgemäßes endloses Ende. Die Voraussetzung dafür ist der erkenntnistheoretische Super-GAU, basierend auf einem Zellenabbau in den Gehirnen. Ich habe das hier und hier und hier aufzuzeigen versucht. Vor allem Brodmann 44 und 45 sind betroffen, Werbesprache, Branding, Marketing die passgenauen Einäscherungsinstrumente hierfür.

Die logistische Handhabung ist, wie gesagt, simpel und es bedarf im Grunde keiner Manipulation, hat man sich einmal erkenntnistheoretisch genügend flach eingenistet. Der Inzidenzwert, weil unabhängig von einer medizinischen Krankheitslage, ist über die Anzahl der Tests zu steuern. Braucht man Höhe, wird viel getestet, braucht man Baisse, wird zurückgefahren. Die gut vorbereiteten, anspruchslosen und weltweit verbreiteten Grafiken der John Hopkins-Universität hämmern in die Hirne, was hineingehämmert sein muss. Angstpapiere lehren die Menschen das Fürchten.

Für das Wuchern im jetzigen Stadium erforderlich: Viel Tests unter den Ungeimpften, wenig Tests unter den Geimpften — ja, auch das Weniger wuchert mit, alles wuchert. Der Wert für die Ungeimpften muss hoch sein: das ist essentiell für den maximalen Druck, sich impfen zu lassen. Danach aber müssen die Testungen vorerst mal enden, damit die Pandemie weg ist. Weg muss sie sein, damit das Wegsein als Folge des Impfens erscheint. Sollte aber wieder Covid unter den Geimpften ausbrechen — und das Wuchern verlangt das zwingend —, so liegt der Grund hierfür zum Vornherein nicht bei der Impfung, sondern beim Zu-wenig-an-Impfung. Dann wird wieder gelten, was das RKI schon einmal ausgegeben hat: Untersucht keine Toten! So sieht wissenschaftliche Neugier im Zeitalter der Pandemie aus.

Gänzlich zu unterbinden und in die Unsicht- und Unhörbarkeit zu verschieben sind Argumentationen, die medizinisch konkret auf den Wuchermechanismus aufmerksam machen, indem sie darauf verweisen, dass Neu-Ausbrüche von Covid-, aber auch weitere Auto-Immunerkrankungen erfolgen könnten. Und zwar gerade durch die Produktion von Spike-Proteinen, zu welcher das Immunsystem durch die „Impfung“ stimuliert wird. Rückkopplungen jeglicher Art — egal, ob intendiert oder nicht — entsprechen gänzlich dem Prinzip des Wucherns. Nur darf es eben nicht ausgesprochen sein. Nichts darf als Wuchern ausgesprochen werden. Keine Meta-Ebene. Das ist eine heilige Regel des erfolgreichen Wucherns.

Vorweggenommen wird das bereits in der narrativgemäßen Deutung bisher bekannt gewordener Fälle von Covid-Erkrankungen nach zweifacher Impfung: Die Impfung hätte eine noch stärkeren Verlauf verhindert. Eine Mail aus München vom 25. Mai: „Freund von uns, Ende 70, leidet unter Gürtelrose. Bekommt nach 1. Impfung Covid-19. Intensivstation. Sie sagen ihm: Wie gut, dass er geimpft war, sonst wäre er gestorben.“ Stirbt dann aber einer, so spricht das Narrativ von Vorerkrankungen, wohingegen zuvor, als es darum ging die Wucherung anzutreiben und hierfür möglichst viele Covid-Opfer zu verbuchen, man von diesen Vorerkrankungen nichts wissen wollte, Obduktionen zu unterbinden suchte und Ärzte für das Ausstellen eines Totenscheins mit dem Stempel „Coronatod“ honorierte.

Eine medizinisch nicht ausgeschlossene mögliche Ursache eines Problems wird als Lösung verkauft: Das ist die konkrete Seite des Wucherns. Das Muster gilt auch finanz- und gesellschaftpolitisch: So erscheinen Instanzen, die den Wucherkapitalismus über Jahrzehnte und bald Jahrhunderte betrieben und dadurch die ökologischen Grundlagen der Erde, aber auch das Finanzsystem an die Wand gefahren haben, unversehens als Instanzen der Problemlösung in gleißendem Licht. Leute wie Bill Gates und Klaus Schwab wuchern auf allen Seiten. Sie sollen die Welt aus dem Kapitalismus hinausführen und retten. Dem kommt keine Satire bei. Und auch sonst nichts. Nur das Wuchern selbst.

Das Spiel ist endlos. Steigt in zwei Jahren die Anzahl von Thrombosen und Autoimmunreaktionen signifikant und sinkt die Fruchtbarkeit — Optionen, die aufgrund des gegenwärtigen Stands des medizinischen Wissens über die Folgen der „Impfungen“ nicht auszuschließen sind, einen Vernichtungswillen muss man dabei nicht unterstellen —, dann ist für die Maschinerie und ihren gesicherten Fortbestand wesentlich, dass keine Kontrollgruppen von Ungeimpften zur Verfügung stehen, die hinsichtlich Thrombosen, Autoimmunreaktionen und Unfruchtbarkeit signifikant sich unterscheiden könnten. Deshalb muss um jeden Preis die Nadel auch bei Kindern rein. Deshalb der historisch beispiellose Druck auf Menschen, sich dieser Impfung unterziehen, ein Druck, der längst inquisitorische Züge angenommen hat. Deutschland geht auch hier voran.

Und so lässt es sich kaum verhindern, die Wirklichkeit, die mit dieser Implementierung geschaffen worden ist und weiterhin geschaffen wird, Schritt für Schritt anzuerkennen. Das gilt selbst für jene, die von Anfang an auf die erkenntnistheoretischen Unstimmigkeiten aufmerksam gemacht haben, und äußert sich im aktuellen Stadium der Inszenierung darin, dass ein kritisches Bewusstsein sich längst der Wirklichkeit der Impfungen ergeben muss, gerade indem es kritisch gegen diese Impfungen angeht. Logisch und kritisch gegen die Impfungen argumentieren bedeutet gleichzeitig, alle erkenntnistheoretischen Abstrusitäten, die diese Impfungen herbeigeführt haben, in gewisser Weise zu akzeptieren. Mit anderen Worten: Dem Aufzeigen der Widersprüche des Impfens ist die Anerkennung der Impfung als Wirklichkeit eingeschrieben. Schlicht einfach deshalb ist das so, weil man sich auf einen Wahn konzentrieren muss. Die Paradoxien und erkenntnistheoretischen Mängel bei der „Vermittlung“ der Pandemie, die medizinischen Fragezeichen, die politischen Entscheidungen und Vorarbeiten — so unter anderem der totalitäre Diskurs als Grundlage für die Implementierung der Pandemie, die Umschreibung der Pandemie-Definition, medientechnische Anpassungen et cetera —, kurz: alle Faktoren, die beim Ausrollen der Pandemie entscheidend waren, sind per se durch den aufgenötigten und gleichsam zwangsläufig gegebenen Fokus auf die Impfung abgedrängt. Wer nicht mit der Zeit geht — und die Zeit ist ein Wuchern —, der wird sehr bald gar nicht mehr verstanden. Arendt, Kafka, Shakespeare und formale Logik: Was soll das? Wir haben die ARD-Faktenchecker. Und die wuchern bestens.

Flucht

Nicht allen behagt die Maschine. Manch eine, manch einer sucht Wege, ihr zu entkommen. Das ist bei einer Wucherung auf alle Seiten hin nicht einfach. Und bestimmt ist niemandem ein Vorwurf zu machen, knickt er oder sie ein. Um dieser Maschine zu widerstehen, braucht es Kräfte, die längst nicht jeder und jedem gegeben sind. Ja, es gab physisch brutalere Maschinerien, grausamere Vernichtungsmethoden — indes, sie schlagen ganz schön kräftig auf Menschen ein, die NRW-Polizeibeamten in Dresden —, aber eine größere Ausweglosigkeit war nie. Dabei steht nicht die Angst vor dem Tod im Fokus — diese treibt die Lämmer ins Narrativ —, vielmehr geht es um Einsicht: Bei Nichtanerkennung der neuen Wirklichkeit, also des erkenntnistheoretischen SuperGAUs als neue Normalität, schwinden die Möglichkeiten, den Lebensunterhalt bestreiten zu können. Banal. Und gar das wiederum würde manch eine oder einer auf sich nehmen, nicht aber, wenn ein Kind dabei ist.

Dass mit einem Einknicken massivste Widersprüche gesetzt sind, ist evident, doch es gibt eben Grenzen des Körpers und des Geistes: Wo ist der Ort, wo nochmals zu beginnen wäre? Es scheint so, als ob Europa wieder zu einem besonderen Wucherfall wird, angetrieben vom deutschen Ordnungsgeist, Migranten inbegriffen. Kleinere Länder wie die Schweiz, die bislang etwas moderater agiert haben, — das Wuchern indes auch da —, dürften trotz etwaig vorhandener noch stärkerer traditioneller Strukturen der neuen Wirklichkeit nicht widerstehen können. Und so dreht man verzweifelt am alten Globus auf dem Nachttischchen und sucht und mit jeder Drehung wird die Welt kleiner.

Was wäre mit Lateinamerika? War da der Zugriff der Westmächte nicht immer schon gegeben? Und Afrika? Scheren Länder, scheren Politiker da aus, so wird kurzerhand korrigiert, sei‘s im Großen wie in Libyen, sei‘s im Kleinen wie in Tansania, wo der Austausch des Präsidenten vorerst mal hinreicht. China? Da kann man wohl gleich bleiben. Russland dürfte aus ihm geopolitisch aufgenötigten Gründen coronamäßig vielleicht etwas anders „ticken“, so deutet man hin und her, wie auch paradoxerweise in den USA selbst etwa Florida, Texas, Montana und ein paar weitere konservative Waffennarrenstaaten — diese Waffen erscheinen inzwischen in etwas anderem Licht, zugegeben.

Ein leichtes Hingelangen dahin gibt es allerdings nicht, die Hürden sind massiv, in Russland kommt die Sprache dazu. Und dann ist da noch die Müdigkeit, über die Byung-chul Han ein gar nicht so schlechtes Buch geschrieben hat (1), welche einen solchen Aufbruch erschwert. Zumal die Aussichten unklar sind: Wie lange halten Florida, Texas, Montana? Können sich diese sperrigen Bundesstaaten gegen Silicon Valley behaupten, oder ist es doch China, gegen das sie sich behaupten müssten, egal? Immerhin, Impfzwang und Impfausweis sind in diesen Staaten per Dekret vorerst verhindert und auch in Russland — so meine Kenntnis — steht das nicht zur Diskussion. Doch eben: Hält das? Und wie spielen die eugenischen Interessen an diesen Orten hinein, Interessen, die von globalen Konzernfiguren und als Führern wie Gates mehrfach ausdrücklich betont worden sind?

Einknicken

Bereits angedeutet: das Einknicken. Wie lebt es sich fort mit gebrochenem Genick? Die Frage gegenüber 1933 verschärft, greifen die digitalen Geräte doch tief ins Innere, ins Intime. Es reicht nicht eine Fahne zum Geburtstag des Führers auf dem Balkon zu hieven und dann die Läden zu schließen. Das innere Exil scheint kaum mehr möglich. Ich lese: Ein paar Freunde um sich scharen, die Geräte wegsperren und dann für Stunden Mensch simulieren. Ja, das kann man. Immerhin, dem Einknicken bleibt der Widerstand trotz Bruch doch irgendwie eingeschrieben, als Idee zumindest und dies auch dann, wenn keiner mehr ist, der diese Schrift noch lesen könnte. Sich an ein Ende retten und darauf setzen: Die Wirklichkeit möge doch einen Bogen noch schlagen, einen, der mit rationalen Kriterien nicht herzuleiten ist. Erkenntnis bleibt gefangen in ihren Instrumenten. Das belässt Hoffnung. Oh ja, mögen diese Instrumente eine Wendung übersehen. Stromausfall.

Glückseligkeit

Perspektivenwechsel. Das Wuchern ist natürlich nur von außen besehen ein Wuchern. Überlässt man sich ihm ganz, gibt sich den Wellen hin, geht mit der Zeit, so erlebt man die Maschine nicht als Karzinom, sondern vielmehr als höchste Verheißung. Wer mitwuchert, erfährt keine Reibung. Wer selbst zum Karzinom wird, stirbt nicht. So der Glaube. Und wo das kranke Reflektieren aufhört, bleibt der hygienische Frieden, mag dies für Gläubige im alten Sinne auch die absolute Blasphemie bedeuten, denn ihr Gott ist jenseits. Ist Utopie. Ein solches Jenseits aber spielt in einem System des Wucherns auf alle Seiten keine Rolle. Innen und Außen sind aufgehoben, es gibt nur das Driften, das Floaten. Die Medien aber, ihrer alten und aufklärerischen und lästigen Aufgabe, Diskurse abzubilden und anzustoßen, endgültig entbunden, werden zu Verkündigern der Offenbarung, welche Finn Canonica, Chefredaktor von Das Magazin so vollzieht:

„Es überwältigt mich ein unerwartet starkes Glücksgefühl, nach dem Nadelstich in den Oberarm. Nicht nur mich, inzwischen kenne ich immer mehr Leute, die bereits wenigstens einmal geimpft wurden. Alle erzählen dasselbe: Sie seien danach wie auf Flügeln unterwegs gewesen; viele sagten, sie hätten die Impfung als einen der schönsten Momente seit langem empfunden. Nicht wenige haben den Augenblick, als sie ihre Dosis Moderna oder Pfizer-Biontech erhalten haben, mit einem Selfie festgehalten. Das ist sehr verständlich, schliesslich hat man auf diesen Tag monatelang gewartet. Die Lebenserfahrung aber, diese Spielverderberin, flüstert einem sofort ins Ohr, dass solche Glücksmomente nicht lange währen. Tatsächlich ändert sich mit der Impfung im Alltag erst einmal gar nicht viel, auch wenn ich mir das unerklärlicherweise so vorgestellt habe. Ausser eben, dass man sich nicht mehr fürchten muss vor einer Erkrankung — was ja wiederum auch nicht wenig ist.

Wer also noch nicht geimpft ist, darf sich auf die Impfung freuen, sollte die Impfung sogar feiern, eben gerade weil es bloß ein Moment ist (Carpe diem, Anm. DS). Im Tagebuch des Philosophen Peter Sloterdijk habe ich mal den schönen Satz gelesen: „Man muss an das Versprechen glauben, das der glückliche Moment in sich trägt: Es werde für uns noch unzählige seiner Art geben.“ Das Coverbild dieser Ausgabe symbolisiert diesen Moment des Glücks durch die Impfung sowie Dankbarkeit gegenüber der Wissenschaft, die das schier Unmögliche geschafft hat: Unter dem Einstich auf ihrem Arm hat sich eine Frau ein rotes Herzchen gemalt. Absolut nachahmbar.“ (2)

Das ist kein weiterer Clip aus „allesdichtmachen“, das ist die Sonntagspredigt der Corona-Religion. Oder beides zugleich. Eine Sekte ist es nicht, weil sie nicht der Ausschnitt ist, sondern das Ganze. Sekten sind die wenigen, die nicht mit der Zeit gehen. Etwa der ehemalige oberste Katholikenchef in den USA, Erzbischof Vigano, der im Wuchern eine Agenda erkannt hat. In sich betrachtet und erkenntnistheoretisch aufgefächert ist Corona allerdings selbstverständlich die Sekte, die sich über die Welt gelegt hat. Die Hymne des Chefredaktors nicht an die Nacht, sondern an die Macht aus der Spritze macht es deutlich. Und sein Schreiben qua religiöse Bekundung hat den Vorteil, dass es sich vollständig erklärt. Die Abschaffung von Rationalität und Kritik muss man da nicht erst herausklauben, sie wird zelebriert und als Litanei dargereicht. Und im Grunde hat dieser Text „Recht“. Er weist dem Menschen den Platz zu, der ihm in der Maschine des Wucherns zukommt. Als Gabenempfänger glückselig floatend. Und Gott kommt aus der Spritze qua Selfie-Emanation. Erguss und Dankbarkeit. Tiefe, tiefe Dankbarkeit. Mehr gibt es nicht zu sagen. Die Zeichen der Zeit hat dieser Text jedenfalls verstanden. Ich habe nichts gegen Sekten. Wenn es Sekten sind und nicht das Ganze.

Schweigen als neue Emanzipation

Neben dem Fluchtversuch, dem Einknicken, dem eine verlorene Würde eingeschrieben bleibt, und der Jüngerwerdung in der Coronasekte, die deshalb keine Sekte ist, weil sie das Ganze fasst, gibt es — und das ist für Rubikon-Leser und Leserinnen nicht uninteressant — noch einen Sonderweg, mit der Maschine klarkommen. Es handelt sich um eine bemerkenswerte Form der Emanzipation. Schauen wir sie genauer an.

Man ist vielleicht geneigt, das von Finn Canonica eindrücklich, wenngleich etwas unbeholfen schweizerisch beschriebene Verheißungsbewusstsein als höchste Form des Eingangs ins System des Wucherns anzusehen. Und doch gibt es einen noch gewaltigeren Heimgang. Konfessionssoziologisch und gleichsam übertragen gesprochen zelebriert der Chefredaktor dieses Schweizer Magazins — das größte seiner Art im Land — durchaus die katholische Variante. Er türmt Kitsch auf, malt Gold und Silber und Engel und klagt: Es sei ja doch so kurz, das Glück, das durch die Gabe von oben einfährt. Bei katholischen Varianten — sie geben künstlerisch in der Regel mehr her — sind Brechungen auf alle Seiten möglich. So auch bei Canonicas Spritzenerguss. Nicht aber bei der protestantischen, der calvinistischen Version: Der Ein- oder Heimgang in die Megamaschine erhält hier einen rationalen Überstrich. Und für einmal ist es nicht Hitler aus Brechts Gedicht (3), der pinselt, es sind Linke.

Erkenntnistheoretisch gesehen, wie mir scheint, ist es ausgeschlossen, Chomskys Dekonstruktion der Herrschaftsmechanismen einsichtig nachzuvollziehen und dann die Wuchermaschine nicht zu erkennen als das, was sie ist. Aber nein, aber doch: Es ist möglich. Möglich, Herrschaftsmechanismen bis Januar 2020 durchschaut zu haben und dann den systematischen und von allem Anfang mit gänzlicher Transparenz betriebenen Ausschluss kritischer Stimmen aus dem medizinischen Diskurs, ja die offensichtlichste Verhinderung eines solches Diskurses überhaupt — untersucht keine Toten! — zu „übersehen“. Zu übersehen, dass abweichende Positionen ad personam diskreditiert wurden mittels Stempelungstechniken der gröberen Sorte, zu übersehen, dass die Pandemie vollumfänglich mittels Flutung von Wahrnehmungsräumen ausgerollt worden ist — das Wort „Fluten“ wird in Vorbereitungen explizit erwähnt. Es ist möglich, die Planungsspiele und die dabei verwendete totalitäre Sprache zu übersehen, systematisch und nicht lediglich beiläufig brutale Polizeigewalt gegen Menschen ebenso, zu übersehen, dass Debattenräume bei Corona wie nie zuvor verengt und Grundrechte abgeschafft worden sind wie niemals seit 1933, zu übersehen, dass Arbeitende in Pflegeberufen instrumentalisiert werden unter Aufbietung von Kitsch und Klischees zwecks Mundtotmachung von Kritikerinnen und Kritikern.

Mir wollte das zuerst nicht in den Kopf, denn ich spreche hier nicht vom Linkssein einer Katja Kipping oder Anetta Kahane, ich spreche von klugen Köpfen, welche Macht bis Januar 2020 präzise durchleuchtet haben. Und dann musste ich erkennen: Es ist möglich, die Apparatur bis Januar 2020 dekonstruiert zu haben und dann zu Manipulationstechniken inklusive Framing, Denunziation und Kontaktschuld zu schweigen. Es ist möglich, Kapitalumverteilungen bis in feinste Verästelungen bis Januar 2020 aufgezeigt zu haben und dann bei dem größten Kapitalverschiebungsevent zu schweigen. Und ja, man kann über Jahre Entdemokratisierungsmechanismen herausgestellt haben und die Verschiebung der Rechtsprechung zugunsten des Kapitals dazu und dann zur vollständigen Streichung letzter demokratischer Kontrollinstanzen und zur Verwendung der Justiz als Unterdrückungs- und Einschüchterungsorgan schweigen. Das geht alles und das ist eine Botschaft, die, liest man das Wunder am Ausmaß der Unmöglichkeit ab, die Glückseligkeit eines Finn Canonica an Zauber übertrifft.

Es lässt sich mit der Megamaschine leben. Besser als zuvor. Und genauer noch: Plötzlich lässt sich mit ihr leben. Jetzt, da sie alle Fassaden abgeworfen hat und offen totalitär geworden ist, fühlt man sich wohl. Das ist die Lektion, die ich gelernt habe. Leben lässt sich mit ihr, indem man einfach in sie hineinschlüpft. Zur Hauptsache geht das mit Schweigen, ab und an nickt man so leicht Richtung des Widerstands und sagt die schweren Wörter: neoliberal, sozialdarwinistisch, vielleicht auch mal Nazi. So geht dieses Schlüpfen. Dass andere, zuvor systemkonforme Konservative — auch Liberale — neu zu Systemkritischen geworden sind, auch Unpolitische, hilft dabei ungemein, reicht es den Hineinschlüpfenden — ganz im Sinne der Kontaktschuld — doch ein Argument in die Hände. Die Heimschlüpfenden müssen nämlich nur auf diese Neu-Systemkritischen verweisen und schwuppdiwupp erstrahlt das Heimschlüpfen im Lichte der Emanzipation. Die Neu-Kritischen tragen nämlich das falsche, nicht linke, nicht emanzipative Bewusstsein ins richtige, linke, emanzipative Bewusstsein hinein und verunreinigen es. Um da selber nicht unrein zu werden, bleibt nur eines: Ab ins System.

Die Teilhabe an Mustern, die bis Januar 2020 noch im kritischen Sinne und also emanzipativ als Machtmuster herausgestellt worden sind, geht über das Schweigen und das Einstimmen in und gelegentliche Anstimmen des Diffamierungsgesangs allerdings hinaus. So verändert ein im Jahre 2021 geführter Diskurs über das Ende der DDR und deren „Aufnahme“ in den bundesrepublikanischen Gesamtverband ohne Verweis auf die Verwandtschaft der Übernahme von damals mit dem Ausrollen der Pandemie von heute seinen Charakter gänzlich. Durch diese Weglassung nämlich wird der DDR-Diskurs neu zu einem Systemstabilisator. Ganz im Sinne von Chomskys Analyse verschiebt er sich weg von Aufklärung hin zu einem heftigen Streit innerhalb eines zugelassenen Themenspektrums. Die Lebhaftigkeit, mit der das erlaubte Thema behandelt wird, nährt die Suggestion, es fände Demokratie statt, und wirkt insofern sedativ. Wer die DDR-Thematik in diesem Sinne unter Ausblendung der Pandemie-Ausrollung aufspannt, ist im Sinne von stabilen Machtverhältnissen unterwegs.

Ebenso subtil und eindrücklich findet der gelungene Eingang von linken Kritikern ins System seinen Ausdruck, wenn diese mit der neoliberalen Schablone der Umstrittenheit begründen, weshalb man sich lieber um das Thema Corona drückt. Umstrittenheit oder Umkämpftheit ist ein neoliberales Kampfkonzept schlechthin. Alle, die nicht auf der Mainstream-Linie liegen, sind grundsätzlich umstritten. Das ist keine Deutung, sondern eine Erfahrung aus den letzten zehn Jahren. Gar etwas Ekliges ist dem Terminus „einkonditioniert“ worden, etwas Unsauberes. Was umstritten, umkämpft ist, ist zu meiden. Das Fernbleiben ein impliziertes moralisches Postulat. Der Hinweis auf die postulierte „Umkämpftheit“ allein erledigt das Thema, schiebt es aus dem zulässigen Spektrum weg. Wird diese Umstrittenheit oder Umkämpftheit aber von ehemals linken Systemkritikern als „Argument“ geführt, so liegt aus der Sicht der Macht eine besonders wertvolle Einkehr ins System vor. Solche Lämmer in der Maschine begrüßen zu können, bedeutet für deren Bestand am Ende mehr als ein an der Nadel hängender glückseliger Finn Canonica, hat ein solcher mit Reflexion doch schon vor Jahren aufgehört. Für das Wuchern — ließe es sich personalisieren — bestünde also besonderer Grund zur Freude, wenn ein emanzipierter Kritiker mit seinem Schweigen die Emanzipation ins System zurückträgt. Auch das eine Prozession, die protestantische eben.

Indes, die Figur ist komplexer noch. Präzise gefasst ist Corona kein ideologisches Thema. Und die Tatsache, dass Menschen aus unterschiedlichsten Weltanschauungen und Lebensentwürfen heraus im Widerstand gegen die Pandemiemaßnahmen zusammenfinden, mag hierfür ein Beleg sein. Es waren zu Beginn Medizinerinnen und Mediziner, die mit Verweis auf ihr medizinisches Fachwissen Kritik anmeldeten. Wie sie sehr bald merken mussten: Unter Inkaufnahme von Repressionen. Persönliche Vorteile standen keine in Aussicht. Explizit hielten sie sich aus politischen Spekulationen heraus. Exakt dieser Diskurs, kein ideologischer, wurde als allererster abgeklemmt. Keiner dieser Medizinerinnen oder Mediziner wurde in die sogenannten Leitmedien eingeladen, der Dialog mit ihnen wurde systematisch geblockt. Das Postulat, aus linken Kreisen zu hören, es handle sich bei Corona um ein ideologisch umstrittenes Thema, bedeutet also nicht nur Teilhabe an Diffamierungsbegriffen der Maschine, darüber hinaus wird die Inverse-Semantik des Neoliberalismus mit bedient.

Wolfgang Wodarg, John Ionnadis, Sucharit Bhkadi, Luc Montagnier und wie sie alle heißen haben keinen ideologischen Kampf gesucht. Sie wollten diesen vielmehr vermeiden und stattdessen fachlich argumentieren. Bhkadi hat unzählige Male explizit betont, dass er nicht mit dem Anspruch Recht zu haben argumentiere, sondern einen Fachdiskurs eröffnen möchte. Folglich konnten sie es kaum fassen, dass ihre Argumente auf medizinischer Ebene abgewürgt wurden. Nicht Corona war und ist ideologisch, die Verweigerung des Diskurses ist es, die Maßnahmen, das Ausrollen der Pandemie und dazu gehört im Detail: die Bezeichnung von Corona als ideologisch umkämpftes Thema.

Insofern wird mit dem Topos der ideologischen Umstrittenheit die Ideologie, die mit der Pandemie durchgreift, gerade verdeckt und jede Erkenntnis prophylaktisch überwuchert, denn mit einer Formulierung wie „Corona ist ideologisch umkämpft“ wird die Ideologie der Pandemie beziehungsweise die Pandemie als Ideologie aus der Perspektive gelöscht, ganz wie vom System gewünscht. Nicht die Viren, ihre Instrumentierung ist ideologisch: Diese Erkenntnis darf nicht sein. Denn würde dies in den Fokus rücken, wäre man auf der Meta-Ebene und das Wuchern qua totalitäre Bewegung würde zum Thema. Das wäre die erste Bedingung, um das Wuchern zu stoppen. Das aber ist naturgemäß auszuschließen und deshalb Erkenntnis verpönt und Erkenntnistheorie zur Verschwörungstheorie geworden. Und wenn dieser Ausschluss von ehemaligen Machtkritikern betrieben wird, dann ist die Maschine gut unterwegs. Sehr gut.

Haben die, die über das Schweigen der Lämmer berichtet und Bücher darüber geschrieben haben, Angst bekommen? Angst vor dem Tod? Ist das der Grund für die Heimkehr? Werk und Person sind zwei verschiedene Größen. Vielleicht war Klaus Kinski ein Verbrecher. Das ändert an seiner schauspielerischen Leistung nichts. Es würde mir jedenfalls nicht einfallen, Aguirre — Der Zorn Gottes deswegen nicht mehr zu schauen. Ich bilde das eine auf das andere nicht ab. Haben nicht alle Autobahnen benutzt, obgleich von Hitler gebaut? Es ist jedenfalls wahrscheinlich nicht das Befahren dieser Autobahnen, was sie zu Faschisten werden ließ.

Und doch stellt sich die Frage: Ist der Heimgang in die Maschine am Ende nicht doch bereits in der linken Maschinenkritik vor Januar 2020 drin? Und man hätte das ständig übersehen? Lebte die Analyse vor Januar 2020 bereits davon, dass die Lämmer stetig weiter Lämmer bleiben und schweigen, auf dass die Verhältnisse ebenso bleiben und einer emanzipativ sich vor die anderen hinstellen kann: Aufklärung als Vortrag? Sind Lämmer aber laut, denken sie laut und quer, stört das den Vortrag und seine Emanzipation. Versteht sich. Vorträge brauchen Ruhe. Brauchen stabile Verhältnisse. Um es auf den Punkt zu bringen: Begehren die Lämmer ganz im Sinne der Aufklärung gegen die Macht auf und zeigen sie sich also emanzipiert, indem sie dem verordneten Gehorsam widerstehen, und zwar weil sie den Vortrag begriffen hätten, so möchte man meinen, so ist exakt diesem Emanzipierungsvorgang, der notgedrungen auch eine Emanzipierung vom Vortragenden, von seinem Vortragen bedeutet, das Label „Emanzipation“ zu entziehen, damit die Anlage bleibt: Hier ein Vortragender, der über das Schweigen der Lämmer berichtet, dort die Lämmer, die schweigen.

Insofern wäre der Herrschaftskritik vor Januar 2020 das Interesse an stabilen Verhältnissen eingeschrieben gewesen und die als Instanz beschworene Emanzipation in der Tat eine Emanzipationsfeier. Ein Anlass. Im Rahmen der Ordnung. Hierbei allerdings genügte die Todesangst als Erklärung für die Heimkehr nicht. Es änderte sich der Film. Der Film mit Klaus Kinski, Der Zorn Gottes, würde nicht nur zu einem Stabilisator, er wäre es vielmehr schon immer gewesen.

Emanzipation geht nicht mit der Macht. Sie hat eine zur Macht gegensätzliche Bewegung und ist, als Erkenntnisvorgang, dem Wuchern abgeneigt. Und Macht gibt es, nebenbei vermerkt. Dass die Würde, nicht mit der Macht zu gehen, in anderen Geisteskonstellationen aufblitzt, da, wo kein Bewusstsein gegeben ist, das sich jemals als links bezeichnet hätte, in Figuren wie einem Gunnar Kaiser oder einem Milosz Matuschek zum Beispiel, das kann aus der erkenntnistheoretischen und menschlichen Niedergeschlagenheit allerdings auch wieder hinausführen.

Und dass es linke Persönlichkeiten gibt, Susanne Bonath fällt mir ein, die sich weder auf ideologische „Umstrittenheiten“ berufen noch darauf, dass im Widerstand gegen die Maßnahmen neoliberales Denken anzutreffen sei, und stattdessen machtkritisch und hartnäckig medizinische und politische Fragen an die Pandemie stellen, Fragen, die geeignet sind aufzudecken, wie wenig Maßnahmen und Virus in der Sache miteinander zu tun haben, das ist meine Hoffnung. Eine Hoffnung, die nicht auf die Spritze baut, sondern auf jedes Bewusstsein, das sich zum Wuchern querstellt. Balsam für die Seele. Emanzipation.


Quellen und Anmerkungen:

(1) Byung-chul Han, Die Müdigkeitsgesellschaft, Berlin 2010
(2) Finn Canonica, Editorial des Chefredaktors, in: Das Magazin, Nr. 19, 15. Mai 2021
(3) Bertolt Brecht, Das Lied vom Anstreicher Hitler