Einmal Trans und zurück

Vielleicht hat die Transbewegung den Höhepunkt ihrer Macht bereits überschritten. Immer mehr Menschen bereuen ihre Entscheidung — „Detrans“ ist das neue Stichwort.

In der Schweiz ein Riesenthema und auch in Deutschland diskutiert: Nadia Brönimann, geboren als Christian und Schweizer Vorzeige-Transfrau, bereut die Geschlechtsumwandlung. Aber warum interessiert das die Leute — man kann doch nach neuester Rechtslage den Geschlechtseintrag jährlich wechseln, wie man will? Warum gratuliert die Translobby nicht zur Aussöhnung mit dem Geburtsgeschlecht? Wieso fühlt sich das alles an wie der Ausstieg aus einer Sekte? Und ist es nur Voyeurismus, der das Publikum lockt, oder bringen genau solche Geschichten einen großen Erkenntnisgewinn?

Christian Brönimann hat 26 Jahre — fast sein halbes Leben — als Frau gelebt, unter dem Namen Nadia, und mit viel Aufmerksamkeit in den Schweizer Medien. „Sex Change and Fun“ war einer der Kanäle, die Nadia betrieb, zwei Bücher hat Brönimann geschrieben — über das „Frausein“. Das Schweizer Fernsehen drehte 2004 eine große Doku, immer wieder folgten Interviews.

Auch wenn Brönimann nie damit hinter dem Berg hielt, wie brutal die Operationen waren (sechzehn an der Zahl) und dass letztlich ein künstlicher Darmausgang nötig wurde, die Botschaft war immer klar: Die Seele von Brönimann war weiblich, deshalb musste der männliche Körper weichen. Sie sei eine echte Frau.

Jetzt ist Nadia, wie der offizielle Name heute lautet, an die Öffentlichkeit gegangen mit der Botschaft, sie wolle zurück zu ihrem alten Ich. „Ich möchte wieder Ja sagen zu Christian, den ich jahrelang verdrängt und weggeschoben habe. Ich trauere darum, was ich ihm und seinem gesunden Körper angetan habe“, so Brönimann in einem Interview in der Basler Zeitung (BaZ) (1).

Letztlich habe die Geschlechtsanpassung nicht das ersehnte Glück gebracht. Das Problem, so Brönimann heute, war nicht der Körper, sondern die Seele. Aber statt sich mit ihrem Inneren auseinanderzusetzen, versuchte sie, die Hülle zu ändern.

Sie dachte, wenn sie nur den Körper gut genug anpassen würde, dann würde sich alles ändern und gut werden. Nach einem Vierteljahrhundert nun das Gefühl, in einer Sackgasse gelandet zu sein. Und von großer Trauer.

Warum aber ist das so ein großes Thema? Nach dem neuen Selbstbestimmungsgesetz darf man seinen Geschlechtseintrag jährlich ändern. Das hat die Translobby mit dem Ruf nach mehr Toleranz durchgefochten. Nun will Brönimann nach 26 Jahren zurück ins alte Ich. Wo ist da das Drama?

Für die Translobby ist der Schaden enorm. Ihr Mantra, wonach eine Transfrau eine komplett echte Frau sei und kein bisschen männlich, bekommt Risse. Aber nicht nur das: Immer wieder betonen Transaktivisten, wie wichtig es sei, im „richtigen“ Geschlecht zu leben. Dass jeder Mensch in seinem Inneren weiß, welches Geschlecht er wirklich hat. Und jetzt dieses abgrundtiefe Unglück. Von jemandem, der früher „Sex Change and Fun“ (etwa: Geschlechtsumwandlung und Spaß dabei) propagiert hat. Da kommen Fragen auf: Wie ist das denn bei den anderen Aktivisten, die heute das große Glück durch Operationen anpreisen?

Zudem berichtet Brönimann über die gesundheitlichen Folgen, die Hormone und Operationen mit sich bringen: Sterilität, Verlust der sexuellen Erlebnisfähigkeit sowie Inkontinenz sind Probleme, die er/sie im Interview besonders anspricht. Die große Mühe, immer gegen die Natur zu schwimmen. Und dass viele Transmenschen verschweigen würden, dass die Anpassungen große Schmerzen, aber wenig seelische Linderung bringen.

Nadia beschreibt, wie leicht es war (und immer noch ist), Hormone und Operationen verschrieben zu bekommen, wenn man nur weiß, was man den Ärzten erzählen muss.

Und dies alles mitten hinein in die Debatte, wie man mit der stark anwachsenden Zahl von Kindern und Jugendlichen umgehen soll, die sich selbst als trans diagnostizieren.

Die Haltung der Translobby ist klar: Jedes Kind, das sich als trans outet, muss in diesem Gefühl bestärkt werden. Kinder in der Schweiz und auch in Deutschland sollen ohne Altersbeschränkung Zugang zu Pubertätsblockern und Hormonen bekommen. Operationen wie Brustamputationen sollen dann ab sechzehn Jahren erlaubt sein, Kastrationen und Gebärmutterentfernungen ab achtzehn. Und wer sagt, er sei eine Frau, darf keinesfalls mehr als männlich benannt werden.

Christian Brönimann war Mitte zwanzig, als er sich kastrieren ließ. In diesem Alter weiß man, was das ist, ein Orgasmus. Bei erwachsenen Männern kann zudem oft ein Teil der sexuellen Erlebnisfähigkeit erhalten werden: Die Eichel wird bei dieser Prozedur abgeschnitten und dort implantiert, wo bei Frauen die Klitoris sitzt; verbinden sich die Nervenbahnen gut, kann da noch ein Gefühl bleiben. Sicher hofft jeder Mann, der sich unters Messer legt, zu denen zu gehören, bei denen „die Elektrik“ hinterher noch funktioniert.

Kinder hingegen wissen nicht, worauf sie verzichten, wenn sie mit zwölf Jahren ihr „informiertes Einverständnis“ dazu geben, dass Ärzte ihre sexuelle Erlebnisfähigkeit durch Pubertätsblocker und Gegenhormone lebenslang auf null setzen. Sie verstehen nicht, dass man eine Sterilisierung durch Hormongaben im Alter von vierzehn Jahren noch viele Jahrzehnte bereuen kann.

Wenn Brönimann seine Entscheidung mit Mitte zwanzig als einen Fehler wertet, wie ist das dann mit all den Kindern und ihrer vermeintlichen Einverständnisfähigkeit?

Daher ist es nicht erstaunlich, dass die Translobby für diese spezielle Form von sexueller Selbstbestimmung wenig Begeisterung aufbringen kann. Brönimann würde sich wünschen, jetzt von der Trans-Community in den Arm genommen zu werden — ein wohl ziemlich vergeblicher Wunsch. Stattdessen wird er/sie als „Verräterin“ und sogar als „transphob“ gesehen. Nadia meint, auch wenn er/sie sich das Leben sehr viel einfacher machen könne, wenn sie zum Thema Detransition einfach schweigen würde, es sei zu wichtig aufzuklären, vor allem junge Menschen.

Ist Nadia/Christian — selbst ein Transmensch — jetzt wirklich als transphob zu bezeichnen? Das kommt sehr auf die Definition an. Geht es um Toleranz gegenüber anderen Lebensentwürfen, geht es darum, Menschen zuzugestehen, so zu leben, wie sie wollen, dann ist der Vorwurf der Transphobie gegenüber Brönimann geradezu grotesk. Doch hier wird die „neuartige“ Definition von transphob deutlich sichtbar:

Als transphob gilt heute nicht nur, wer intolerant gegenüber Transmenschen auftritt, sondern jeder, der infrage stellt, ob Kinder freien Zugang zu Hormonen haben sollen, die sie lebenslänglich sterilisieren und ihre sexuelle Erlebnisfähigkeit auslöschen.

Als transphob gelten Menschen, die biologischen Männern nicht sämtliche Frauenrechte einräumen möchten. Als transphob gelten Menschen, die eine therapeutische Begleitung für Transmenschen als notwendig erachten. Für all diese Punkte steht Nadia/Christian nun öffentlich ein. Wer sich gegen Forderungen der Translobby stellt, wird als transphob gebrandmarkt, und das kann durchaus auch Transmenschen treffen, die sich eine eigene Meinung leisten. Frei nach dem Motto der Transaktivisten „Ein Mensch, der mir die Stirne bot — ach, den nenne ich transphob“.

Ein weiterer Vorwurf gegenüber Brönimann ist, er/sie würde „das feindliche Lager“ bedienen und sei schuld daran, wenn die Bevölkerung das Transthema negativ wahrnehme. Und da ist natürlich etwas dran. Nicht im Hinblick darauf, dass Transmenschen abgelehnt werden — die Berichterstattung ist sehr emphatisch —, aber die Forderungen der Translobby werden durch die Geschichte von Nadia/Christian in ein sehr fragwürdiges Licht getaucht.

All die Studien, die Inkontinenz, Sterilität oder erzwungene Asexualität nachweisen, bekommen ein Gesicht und man beginnt zu verstehen, was dem Körper angetan wird. Es wird klar, dass niemand wirklich sein Geschlecht ändern kann, niemals.

Dass es ein lebenslanger Leidensweg ist, es zu versuchen. Der nicht immer glücklich macht. Natürlich verleihen Detrans-Menschen der Forderung nach Kinder- und Jugendschutz mehr Gewicht. Und es gibt mehr und mehr Menschen, die öffentlich auftreten — in den USA, in England, in Deutschland und jetzt auch in der Schweiz — und sagen: „Ich habe mich getäuscht.“ Oder wie die Engländerin Keira Bell und die Amerikanerin Chloe Cole, die ihre Ärzte verklagen und sagen: „Ich wurde getäuscht. Ich hatte keine Ahnung, wozu ich mein Einverständnis gebe. Ich war viel zu jung.“