Eine Brandmauer zur Tagesschau

An der AfD kann keine „etablierte“ Partei politisch mehr vorbei. Wer jetzt noch auf die Brandmauer setzt, hilft beim Scheitern der Demokratie gehörig mit.

Einbinden oder abgrenzen? Das fragt die Tagesschau am Osterwochenende auf ihrer Webpräsenz und meint damit den Umgang mit der Alternative für Deutschland (AfD). Ist die Brandmauer aufrechtzuerhalten? Eine richtige Antwort erhält der Leser freilich nicht — was auch an sich gar nicht die Aufgabe der Tagesschau ist. Sie sollte das Für und Wider konkretisieren und Stimmen für allerlei Betrachtungsweisen einfangen. Natürlich ist nichts davon in puncto Brandmauer geschehen. Das Nachrichtenformat befasst sich keine Sekunde damit, warum die Brandmauer tatsächlich ein schwerwiegendes Problem für die deutsche Gesellschaft ist, sondern salbadert lieber um den heißen Brei herum.

Bald ein Viertel derer, die sich noch vorstellen können, bei einer Bundestagswahl ein Wahllokal aufzusuchen, spricht sich vermutlich für die AfD aus. Das sagen die letzten Prognosen. Es fehlt nicht mehr viel, dann ist die Partei potenziell die stärkste Kraft im Bundestag. Jedenfalls gefühlt, denn wir sprechen immer noch von prognostizierten Mehrheitsverhältnissen. Über 10,3 Millionen Menschen haben im Februar 2025 für die AfD votiert – ein Fünftel aller abgegebenen Wählerstimmen vereinte sie damit auf sich. Dass der Wille dieser Menschen dennoch grundsätzlich ignoriert wird, thematisiert die Tagesschau in ihrem Bericht nicht. Und damit kommt der wesentliche Kritikpunkt dieser Diskussion auch gar nicht erst aufs Tapet.

Der Westen und der urbane Osten: Demokratisch?

Denn die Stimme von derart vielen Menschen per se zu exkludieren, indem deren Entscheidung hinter einer Brandmauer versteckt wird, rettet nicht die Demokratie, wie es so oft heißt — dieses Vorgehen sorgt dafür, dass die Demokratie sukzessive Schaden nimmt. Denn damit werden weite Teile des Souveräns entmündigt und sein Begehr zu einem Akt erklärt, der keinerlei Beachtung verdient. Natürlich dreht das Nachrichtenportal den Spieß aber um, erklärt, dass im Westen und „in den urbanen Zentren Ostdeutschlands“ noch alles intakt sei: Die „demokratische Kultur“ funktioniere dort – und damit die Brandmauer.

Kurz und gut: 10,3 Millionen Wählerstimmen auszuschließen, indem nicht einen Moment darüber nachgedacht wird, deren Wahlentscheidung zu berücksichtigen, ist angeblich eine funktionierende Demokratie — und nicht etwa Ausdruck von Demokratieverachtung.

Zur Klärung, damit jeder das richtig versteht: Es ist nicht so, dass Wähler einen Anspruch darauf hätten, dass ihre Entscheidung zwangsläufig in eine Regierungsbeteiligung der Partei ihrer Wahl münden muss. Es aber kategorisch abzulehnen: Das ist das Problem. Es kann ja sein, dass die Positionen nach einer Sondierung unüberbrückbar sind, wie es so oft heißt — aber nicht mal ein solches Abwägen gibt es. Und daraus folgt für ein Fünftel der Wähler — und unter Umständen bald sogar schon ein Viertel —, dass ihr Votum von Haus auf uninteressant ist und keine Berücksichtigung finden wird.

Gleichzeitig aber von einer funktionierenden Demokratie zu sprechen, weil in gewissen Landesteilen die AfD nicht so stark gewählt wird und die Brandmauer dort noch intakt sei: Ist das tatsächlich die Aufarbeitung der politischen Misere, wie das die Tagesschau suggeriert? Dabei steht das Nachrichtenformat des Ersten Programmes nur exemplarisch für die vermeintliche Analyse, die hierzulande zum Thema der AfD an allerlei Stellen betrieben wird. Die Demokratie wird in diesen Betrachtungen und Einschätzungen immer dort für leistungsfähig erachtet, wo sie einen Großteil der Wähler ausschließt und „brandeinmauert“.

Dass gerade dieser Ausschluss besorgniserregend ist und das Demokratische für lässlich erklärt, scheint dort niemand zu sehen — oder man sieht es und schert sich einen Dreck darum.

Wieder 1933 als Beispiel

Denn letztlich geht es bei der Brandmauer gar nicht um die Rettung der Demokratie — zumal die Retter alles tun, um dieses Gesellschaftssystem zu entschärfen und die Zustände zu entdemokratisieren. Am Ende geht es ihnen lediglich um die Sicherung ihrer Pfründe, die sie mit dem Aufkommen einer neuen Massen- und ja Volkspartei in Gefahr sehen. Besonders die Sozialdemokraten gerieren sich als „Demokratieretter“, denn sie verlieren nun seit mehr als zwei Dekaden immer mehr Plätze an den Trögen der Macht. Wenn die Brandmauer fiele, mag die Demokratie nicht mehr Schaden nehmen, als sie es jetzt — ohne AfD in Regierungsverantwortung — ohnehin schon tut. Aber damit fielen für die SPD-Spitzenkräfte etliche Verdienstmöglichkeiten weg.

Diese materialistische Einordnung des Kampfes gegen rechts und für die Demokratie, findet allerdings in den staatstragenden Analysen und im Mainstream ganz generell keine Verwendung. Auch nicht im aktuellen Tagesschau-Beitrag, der eine seriöse Einschätzung simuliert. Dort versucht man, die beliebte These zu entkräften, wonach die AfD sich entzaubern würde, ließe man die Brandmauer erstmal fallen und nähme sie mit in eine Regierungskoalition. Die Einbindung würde nicht gelingen — weil sie noch nie gelungen sei. So zitiert die Tagesschau einen Historiker. Dieses Nie bezieht sich freilich nicht auf die AfD, sondern auf die NSDAP. Das „sogenannte deutschnationale Zähmungskonzept“ sei 1933 gescheitert. Und wieder stellt man die AfD in eine Kontinuität zur Hitler-Partei von einst.

Geht es eine Spur weniger geschichtsheischend? Muss denn immer das Dritte Reich als Referenz herhalten?

Nehmen wir nur die Fratelli d’Italia, jene Partei der italienischen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni. Hat sie Italien zu einer Diktatur gemacht? Italien zerstört und dort Lager errichtet? Oder hat die Zähmung nicht etwa doch gegriffen, die Europäische Union sie nicht für sich eingerahmt? Ihre Partei hat sich als Systempartei entzaubert. Gebraucht wurde diese Partei nun wirklich nicht, um die Welt zu einem schlechteren Ort werden zu lassen.

Übrigens wurde die AfD bislang auch nicht in Deutschland benötigt, um dieses Land zunehmend zu einem Platz zu transformieren, von dem aus der Wahnsinn, der intellektuelle und wirtschaftliche Niedergang und die Abschaffung demokratischer Verhältnisse um sich greifen.

Brauchte man bislang etwa die AfD, um an einem Dritten Weltkrieg zu zündeln?

Um das gleich richtigzustellen: Diese Partei wäre sicherlich keine Friedenstaube — aber so zu tun, als ruiniere sie das Land, nachdem sie Teil einer Bundesregierung würde, ist gelebte Realitätsverweigerung: Das Land wird gerade ohne Hilfe der AfD ruiniert. Es taumelt in einen Krieg — und dies trotz Brandmauer nach rechts.

Pseudo-Aufarbeitung: Die Kompetenz der Öffentlich-Rechtlichen

Der Clou an dieser vermeintlichen Erkenntnis, dass das Entzaubern nicht funktionieren würde, ist ja an sich folgender:

Wenn sich die AfD wirklich entzauberte, dann wäre sie von einem Moment auf den anderen regierungsfähig, denn dann hätte sie bewiesen, dass sie eine Systempartei ist, die gut ins Konzept der gewollten Alternativlosigkeit passt.

Ein Blick nach Italien genügt, um eine gewisse Wahrscheinlichkeit für einen solchen Kurs für realistisch zu erachten. Womöglich fürchten die etablierten Parteien dies mehr als das Gegenteil: Denn dann wäre die AfD ein etablierter Mitbewerber um Staatsposten, von denen es zwar mehr gibt als je zuvor, die aber immer noch zu wenig sind für die anbrandenden Massen, die sich in der Politik schadlos halten möchten.

Zu Ostern beschäftigte sich also die Tagesschau scheinbar objektiv — wie sie es ja immer ist, immer vorgibt — mit der AfD und dem Konzept der Brandmauer. Arbeitete diese Taktik der anderen politischen Parteien auf, wagte aber natürlich keine offene Analyse. So ist man das gewohnt vom Staatsmedienbetrieb. Öffentlich-rechtlich bedeutet diese Tage: Pseudo-Aufarbeitung, So-als-ob-Einordnung und vermeintliche Betrachtung. Simulation als Auftrag: Damit glänzen die öffentlich-rechtlichen Anstalten in dieser Zeit. Das kann jeder bei Corona ebenso betrachten, wie beim Umgang mit Russland oder der Kriegstüchtigkeit. Hin und wieder wird behauptet, dass man diese Themen sachlich und nüchtern und fundiert einordnet, bemüht aber lediglich einseitig „Experten“ und blendet leidige Thesen aus, wenn sie sich nicht ins Lächerliche ziehen lassen.

Insofern wäre es vielleicht ganz gut, wenn kritische Medien — oft Alternativmedien genannt — eine Brandmauer zu ARD, ZDF, Dritten Programmen und beitragsfinanzierten Internetangeboten errichteten.

Denn zu viel Rekurrieren auf deren Treiben gefährdet unter Umständen die demokratische Grundierung der Alternativen. Eine Brandmauer zur Tagesschau täte ihnen vermutlich gut, um sich von so viel moralischer Verkommenheit und demokratischer Instinktlosigkeit nicht anstecken zu lassen.