Ein abgekartetes Spiel
Der UN-Sondergesandte für Libyen reichte seinen Rücktritt ein — die USA setzten auch auf internationaler Bühne wieder ihre Wunschkandidatin durch.
Am 16. April gab der UN-Sondergesandte für Libyen, Abdoulaye Bathily, während einer Pressekonferenz in New York offiziell seinen Rücktritt bekannt. Nachfolgerin wird seine bisherige Stellvertreterin, die US-Amerikanerin Stephanie Khoury. Dies ist typisch für eine breit angelegte Politik der Einflussnahme seitens der USA. 13 Jahre nach der NATO-Intervention hat sich die wirtschaftliche sowie die Sicherheitslage in dem nordafrikanischen Land weiter verschlechtert. Die damals verantwortlichen Kräfte versuchen, Libyen weiter am Gängelband zu führen.
Der senegalesische Politiker und Diplomat Abdoulaye Bathily war seit dem 3. September 2022 Leiter der UN-Sondermission in Libyen (UNSMIL). Er hatte die Nachfolge des Slowaken Ján Kubiš angetreten, der seinerseits im November 2021 überraschend zurückgetreten war. Von November 2021 bis zum Amtsantritt von Bathily bestimmte die US-Amerikanerin Stephanie Williams den UN-Kurs in Libyen. Die US-Amerikanerin Stephanie Khoury wurde nun zur neuen UN-Sondergesandten für Libyen ernannt.
Die Nachfolge
Vor dem Amtsantritt Bathilys war die Stelle des UNSMIL-Leiters lange unbesetzt geblieben, da im UN-Sicherheitsrat keine Einigung über den Nachfolger von Kubiš erzielt werden konnte. Die Ernennung des Afrikaners Abdoulaye Bathily im September 2022 wurde weithin positiv aufgenommen. Den Stellvertreterposten bekam im März 2024 die US-Amerikanerin Stephanie Khoury. Und so wiederholt sich auch jetzt bei Bathilys Rücktritt das Spiel, das die Vereinten Nationen bereits mit Stephanie Williams betrieben hatten, nämlich dass in kritischen Zeiten wiederum eine US-Amerikanerin den Posten des UN-Sondergesandten für Libyen besetzt.
Dieses gängige Muster ist immer wieder zu beobachten. Die USA stimmen zwar einer Stellenbesetzung zu, drücken dafür aber als Stellvertretung eigene Wunschkandidaten durch. Bei Bedarf entledigt man sich des Chefs und setzt seinen Stellenvertreter an dessen Stelle. Jetzt also eine Stephanie Khoury in Libyen.
Bathilys Scheitern
Bathily hatte sich kurz vor seiner Rücktrittsankündigung bezüglich der libyschen Politiker dahingehend geäußert, dass „es mit einem tiefen Gefühl der Enttäuschung einhergeht und entmutigend ist, Personen in Machtpositionen zu sehen, die ihre persönlichen Interessen über die Bedürfnisse ihres Landes stellen“. Es sei hartnäckiger Widerstand geleistet worden, um die Wahlen zu verzögern. Die Wünsche von 2,8 Millionen registrierter libyscher Wähler würden missachtet. Die Schuld daran gab Bathily dem Präsidenten des Hohen Staatsrats, Mohamed Takala, dem Premier der Tripolis-Regierung, Abdul Hamid Dabaiba, dem Parlamentspräsidenten Agila Saleh, dem Kommandeur der Libyschen Nationalarmee (LNA) General Khalifa Haftar und dem Präsidialratspräsidenten Mohamed al-Menfi.
Hinzuzufügen bleibt, dass es sich bei den genannten libyschen Politikern um von ausländischen Mächten gesteuerte Marionetten handelt, die sich zumindest Teile Libyens unter den Nagel reißen wollen.
Laut Bathily verschlechtert sich in Libyen die wirtschaftliche Situation zusehends, und es droht eine Liquiditätskrise. Bathily hob auch die angespannte Sicherheitslage in mehreren Teilen des Landes hervor, darunter in großen Städten wie Tripolis und Misrata. Migranten befänden sich nach wie vor in einer großen Notlage.
Entführungen, Verschwindenlassen und willkürlichen Verhaftungen seien im Ansteigen und würden straffrei bleiben.
So weit die düstere Einschätzung der aktuellen Situation in Libyen 13 Jahre nach der NATO-Intervention.
Wie bereits abzusehen, hat sich damit auch die für den 28. April in Sirte angesetzte Nationale Versöhnungskonferenz erledigt. Sie wurde auf unbestimmte Zeit verschoben. Der Scherbenhaufen, in den sich Libyen seit dem NATO-Krieg 2011 verwandelt hat, wird immer größer.
Seit 2011 sind acht UN-Sondergesandte an Libyen gescheitert, denen gemeinsam war, dass ihnen Voreingenommenheit und Bevorzugung einer Seite vorgeworfen wurde:
Ian Martin (Großbritannien/2011 bis 2012), Tarek Mitri (Libanon/2012 bis 2014), Bernardino León (Spanien/2014/2015), Martin Kobler (Deutschland/2015 bis 2017), Ghassan Salamé (Libanon/Juni 2017 bis März 2020), Stephanie Turco Williams (USA/2020 bis 2021, kommissarisch), Ján Kubiš (Slowakei/Januar 2021 bis November 2021).
Von November 2021 bis September 2022 war die Stelle vakant. In dieser Zeit nahm Stephanie Williams bis August 2022 den extra für sie geschaffenen Posten einer Sonderberaterin des UN-Generalsekretärs für Libyen ein und bestimmte den UN-Kurs des Landes. Sie war verantwortlich für die mittels Korruption durchgedrückte Einsetzung der sogenannten Einheitsregierung von Abdel Hamid Dabaiba in Tripolis, eine „Regierung der Schande“.
Abdoulaye Bathily (Senegal/September 2022 bis April 2024). Und nun also Stephanie Khoury.
Die UN-Sondermission verwies auf Khourys frühere Funktionen bei den Vereinten Nationen, darunter die Position der Direktorin für politische Angelegenheiten bei der Integrierten UN-Übergangsunterstützungsmission im Sudan 2022 sowie die Position der Geschäftsträgerin der Integrierten UN-Hilfsmission im Sudan (UNMISS) 2021, einer Stellvertreterin im Büros des UN-Sonderberaters in Sanaa, der Direktorin des Büros des UN-Sonderkoordinators in Beirut und eines Vertreters des UN-Gesandten für Syrien.