Die Zertifizierung des Menschen

Derzeit etabliert sich eine Kultur der pauschalen „Unwillkommenheit“, in welcher wir erst beweisen müssen, dass wir in der Gesellschaft daseinsberechtigt sind.

Wir leben in einer Zeit, in der neue Maßstäbe des sozialen Lebens und neue soziale Kategorien wie „Geimpfte“ und „Ungeimpfte“ geschaffen werden. Diese Kriterien sind unter humanistischen Gesichtspunkten höchst fragwürdig, beherrschen jedoch trotzdem unsere öffentlichen und privaten Diskurse. Hatte man vor ein paar Monaten noch auf einen zumindest teilweise normalen Alltag gehofft, weil die Erlösung versprechenden Impfstoffe ausreichend verfügbar sind, so ist heute klar: Die Befreiung ist doch nicht so einfach zu bekommen. Die neuen, derzeit geltenden Maßnahmen lassen den Schluss zu, dass es für die Bevölkerung kein Zurück in die alte, sondern nur noch ein Vorwärts in die neue Normalität gibt.

Aus den unsäglichen sozialen Grußformeln „Ich bin negativ“ und „Ich bin geimpft“ ist nun eine gesetzliche Regelung geworden: Wir alle haben ab sofort eines der 3G, das heißt getestet, geimpft oder genesen, zu sein. Eine vierte Kategorie für gesund ist nicht angedacht, weil der gesunde Mensch als symptomfreier Infizierter dem Irrtum erliegen könnte, sich für gesund und für seine Umwelt unbedenklich zu halten. Wer bis vor einem Jahr mit Husten und Schnupfen über der Tastatur schnäuzend gearbeitet hat, um ein Projekt fertigzustellen oder um die leistungsfordernden Vorgesetzten nicht zu enttäuschen, darf von nun an nur dann arbeiten, wenn er oder sie mit einem digitalen Zertifikat nachweisen kann, behördlich geprüft und zur Arbeit zugelassen zu sein.

Natürlich gibt es keine allgemeine Impfpflicht und es ist nichts erzwungen, die Gesundheit ist schließlich eine sehr private und individuelle Sache, und jeder Mensch entscheidet über seinen Körper selbst. Wer sich nicht täglich durch PCR-Tests, dreimonatlich durch Antikörpertests oder alljährlich durch die Impfung mit einem von der EMA ausgewählten „Booster“ zertifizieren lassen möchte, der muss es nicht!

Der nicht zertifizierte Mensch muss nur akzeptieren, dass er oder sie ohne die „grüner Pass“ genannte digitale Unbedenklichkeitsbescheinigung nicht mehr einer Arbeit nachgehen und kein öffentliches Amtsgebäude betreten darf, keine Bildung bekommt, je nach Lage den Wohnbezirk nicht verlassen darf und sich in Geschäften des nicht täglichen Bedarfs durch das Tragen einer FFP2-Maske erkennbar machen muss.

Die digitale, zeitlich limitierte Zertifizierung des Menschen ist unsere neue Normalität, und die Zertifizierungsanforderungen werden wohl von den zuständigen Regierungsorganen je nach epidemiologischen Statistiken festgelegt. Aus den 3G ist bereits 2,5G geworden, weil nur noch PCR-Tests eine Gültigkeit haben, in bestimmten Bereichen der Gastronomie gilt 2G und für bestimmte Berufsgruppen besteht bei Neueintritt eine 1G-Regelung, d.h. eine Impfpflicht.

Wir als demokratische Gesellschaft haben uns offenbar darauf geeinigt, dass wir alle von nun an ausnahmslos immer wieder aufs Neue nach behördlich auferlegten und jederzeit veränderbaren Kriterien zertifiziert werden wollen und unsere Rechte und Pflichten von der Gültigkeit des jeweiligen Zertifikats abhängig sein sollen.

Es sind wohl nur Randgruppen von Schwachköpfen, die an dieser Entwicklung etwas auszusetzen haben könnten.


Redaktionelle Anmerkung: Dieser Beitrag erschien zuerst unter dem Titel „Die Zertifizierung des Menschen“ bei Kein Zustand.