Die Wurzeln der Hegemonie
Von heißen wie kalten Kriegen zwischen den Machtblöcken haben wenige elitäre Globalisten seit einem Jahrhundert profitiert — so auch heute.
Das geopolitische Monopoly ist in vollem Gange. NATO, China und Russland dominieren das globale Spiel um hegemoniale Vorherrschaft. Ein heißer Krieg an Europas Außengrenzen scheint denkbar. Das dauerhafte Säbelrasseln der drei Machtblöcke erzeugt eine Drohkulisse à la Orwell. Fragt sich: Cui bono? Es ist ja schon sprichwörtlich: Wo sich zwei streiten, freuen sich mitunter Dritte. Banken, die Kriegskredite vergeben, Rüstungskonzerne, die von Mord und Zerstörung profitieren, und Baufirmen, die „hinterher“ den Wiederaufbau organisieren. Freude kommt häufig auch bei den Führungseliten aller Kriegsparteien auf, da diese mit Verweis auf den „Feind“ ihr eigenes Volk disziplinieren und gleichschalten können. Der Autor verdeutlicht dieses Prinzip anhand einiger praktischer Beispiele. Hatten US-Kapitalisten ausgerechnet bei der russischen Revolution ihre Hand im Spiel? Solche Fragen sind auch relevant mit Blick auf den heutigen globalen Machtpoker.
„Revolution: das Feuer, an dem die einen verbrennen und die anderen ihre Suppe kochen“ (John Carrick).
Wie mein Text versuchte aufzuzeigen, ist China nicht der geopolitische Klassenfeind der westlichen Hegemonie, auch wenn das Reich der Mitte in den Medien gerne so charakterisiert wird. Im Gegenteil: Die Volksrepublik dient als Versuchslabor für das totalitäre Gesellschaftsmodell der Zukunft und als militärisch-industrieller Gegenpol zu den anderen Machtblöcken des globalen Monopoly-Spiels.
In diesem Kontext gleich die heutige Weltordnung kurioserweise den von George Orwell in „1984“ beschriebenen internationalen Machtstrukturen. In seiner Dystopie herrscht ein permanenter Krieg zwischen Ozeanien, Eurasien und Ostasien. Ein Konflikt, der die herrschende Weltordnung zementiert, einfriert, alternativlos macht.
Denn da die drei Blöcke militärisch absolut ebenbürtig sind, bestimmt und legitimiert ein nie enden wollender Konflikt das inhumane Handeln des totalitären Systems, das sich dank dieser Strategie auf unbestimmte Zeit an der Macht halten kann — auch wenn die verheerenden Schlachten fiktiver Natur sind und nur als bedrohliches Narrativ in den Nachrichten stattfinden. Das Set-up erzeugt einen selbsterhaltenden Kreislauf der Angst. Und es erinnert in verblüffender Art und Weise an die akute Krisenfokussierung, in der sich die moderne, digitalisierte Gesellschaft festgefahren hat.
Es braucht daher sicher nicht viel Fantasie, um eine gewisse Deckungsgleiche in Bezug auf die aktuellen machtpolitischen Konstellationen auf dem Planeten auszumachen. Meine Analyse der geostrategischen Rolle Chinas wurde im eingangs referenzierten Text bereits erläutert. Offen blieb, wie die Position Russlands auf dem internationalen Spielbrett einzuordnen ist. Dies vor allem unter dem Gesichtspunkt, dass die NATO es derzeit scheinbar auf einen heißen Krieg mit Putin abgesehen hat.
Derzeit lässt sich schwer einschätzen, ob das illegal gen Osten expandierende westliche Militärbündnis wirklich eine bewaffnete Auseinandersetzung mit der ehemaligen Sowjetunion anstrebt oder ob es sich wie bei George Orwell nur um die Aufrechterhaltung eines geostrategischen Status quo mittels entsprechender Narrative handelt. Zu undurchsichtig und widersprüchlich sind die kurzfristigen Entwicklungen, als dass man eine seriöse Einschätzung dazu abgeben könnte.
Was man aber historisch nachvollziehen und anhand verlässlicher Quellen belegen kann, ist, dass Russland seine heutige Position auf dem geostrategischen Monopoly-Brett nicht primär aufgrund organischer politischer oder historischer Entwicklungen eingenommen hat, sondern dem Land diese vielmehr durch massives Zutun der angelsächsischen Finanzoligarchie des angehenden 20. Jahrhunderts zugewiesen wurde.
Rückblickend lassen sich außerdem genau diese wohlhabenden Kreise als große Gewinner der beiden Weltkriege ausmachen. Organisierte Kriminalität, Betrug und Korruption, wohin man schaut. Beherzigt man ein altes Motto der Kriminalistik — Follow the Money —, wird schnell deutlich, warum bestimmte finanzdiplomatische Zirkel des „Empire“ es nach Anbruch des 20. Jahrhunderts durchaus gerne sahen, dass Europa im Krieg versank, Deutschland besiegt und Russland von der Revolution gebeutelt wurde.
So galten Großbritannien und seine angelsächsische Hegemonie — das Commonwealth, zu dem noch heute 54 Länder gehören, unter anderem Australien, Südafrika, Neuseeland und Kanada — zu Beginn des 20. Jahrhunderts als dominante Kraft auf dem Planeten. Deutlich macht dieses arrogante Selbstverständnis globaler Vorherrschaft ein Zitat von Queen Elizabeth II. aus dem Jahre 1959:
„Die (Gründung der) Konföderation von Kanada am 1. Juli 1867 war die Geburt des ersten unabhängigen Landes innerhalb des britischen Imperiums.“
Doch um die Jahrhundertwende hatte das Imperium, in dem die Sonne niemals untergeht, einige Probleme, seine Vormachtstellung auf dem globalen Monopoly-Brett und vor allem in Europa zu behaupten. Das prosperierende Deutsche Kaiserreich war den Briten ebenso ein Dorn im Auge wie das schwer einschätzbare Russland.
So setzten sich einflussreiche Kreise in London früh dafür ein, die angelsächsische Hegemonie in eine angloamerikanische Hegemonie zu überführen und den Einfluss Großbritanniens in Russland auszubauen. Man beabsichtigte, die Machtblöcke zu reorganisieren. Großbritannien sollte die Welt weiterhin finanziell dominieren — die mit Sonderrechten ausgestattete „City of London“ garantiert dies bis heute —, die militärische Drecksarbeit wollte man fortan aber den Amerikanern überantworten. Denn auch wenn die USA zu diesem Zeitpunkt bereits ein Global Player waren, hatten sie noch nicht die Rolle der vermeintlichen Weltpolizei inne, die das Land nach den beiden Weltkriegen bis heute spielt. Dieser Status wurde erst durch Kriegseintritt der Vereinigten Staaten hergestellt.
Dass die antidemokratische Einflussnahme von mächtigen Strippenziehern wie Cecil Rhodes, Alfred Milner, Arthur James Balfour oder Walter Rothschild, 2. Baron Rothschild, auf politische Prozesse schlussendlich erfolgreich war, zeigen uns die derzeitigen Machtverhältnisse. Denn historische Dokumente, wie zum Beispiel die verschiedenen Testamente, die Cecil Rhodes im Laufe seines kurzen Lebens verfasst hat, implizieren bereits kurz nach der Jahrhundertwende, dass die heutigen geopolitischen Konstellationen nicht von ungefähr kommen.
Die besagten Texte sind frei im Internet zugänglich — sogar beim Monopolisten Amazon ist eine kommentierte Edition der aufschlussreichen Schriften erhältlich. Und diese sind, trotz des belanglosen Titels, von größter Bedeutung, denn Cecil Rhodes galt vielen als der mächtigste und reichste Mensch seiner Zeit. Und seine hegemonialen Visionen wirken nachweislich weit über seinen Tod hinaus. Er war — mit anderen Mitteln — ein Laurence Douglas Fink seiner Zeit.
„Reine Philanthropie ist in ihrer Art sehr gut, aber Philanthropie plus fünf Prozent ist um einiges besser“ (Cecil Rhodes).
Daher ist die Tatsache, dass Rhodes schon vor 1902 in seinen Texten darum bittet, sein unvorstellbares Vermögen dem Zweck zuzuführen, eine Geheimgesellschaft aufzubauen, die seine Vision der Vereinigung der angloamerikanischen Welt vollenden möge, eben keine simple Verschwörungstheorie, wie Wikipedia es darstellt.
Es handelt sich um klare Handlungsanweisungen eines Mannes, der Willen, Macht und Mittel hatte, seine Visionen Realität werden zu lassen.
„Warum sollten wir nicht eine Geheimgesellschaft mit nur einem Ziel gründen, der Förderung des britischen Empire und der Unterwerfung der ganzen Welt unter britische Herrschaft, für die Wiederherstellung der Vereinigten Staaten, um die angelsächsische Rasse zu einem einzigen Imperium zu machen? Was für ein Traum — und doch ist er wahrscheinlich. Es ist möglich“ (Cecil Rhodes).
Der renommierte US-Historiker Caroll Quigley hatte darüber schon in seinem über 1.000 Seiten umfassenden Klassiker „Tragedy and Hope“ berichtet, welcher im Jahre 1966 erschien. Und noch heute gewährt der Rhodes-Trust jährlich 200 Studenten ein Rhodes-Stipendium, mit dem die auserwählten Nachwuchs-Etatisten Zugang zur Elite-Universität Oxford erhalten, obwohl der einst verehrte Gönner mittlerweile etwas in Misskredit geraten ist.
Denn über 100 Jahre nach Rhodes‘ Ableben wurde sich eine größere Anzahl von Menschen gewahr, wes Geistes Kind der Round-Table-Gründer war und dass der vermeintliche Philanthrop nicht nur ein skrupelloser Imperialist, sondern auch ein erklärter Rassist und Anhänger der Eugenik, also der Rassenlehre, gewesen ist. So formierte sich im März 2015 an der Universität Kapstadt die Bewegung „Rhodes Must Fall“ und sorgte unter anderem dafür, dass ein riesiges Monument des Namensgebers vom Campus der südafrikanischen Bildungsstätte entfernt wurde.
„Ich behaupte, dass wir die beste Rasse der Welt sind. Und dass es für die menschliche Rasse umso besser ist, je mehr von der Welt wir bewohnen. Stellen Sie sich nur vor, die Gegenden, die gegenwärtig von den verabscheuungswürdigsten Exemplaren menschlicher Wesen bewohnt werden, was für eine Veränderung es wäre, wenn sie unter angelsächsischen Einfluss gebracht würden. Sehen Sie sich doch einmal die zusätzliche Beschäftigung an, die ein neues Land unseren Herrschaftsgebieten hinzufügt“ (Cecil Rhodes).
Die einflussreichen Komplizen von Rhodes positionierten sich im Verlauf der 1900er- bis 1920er-Jahre an den Schaltzentralen der Macht des Commonwealth. So war Alfred Milner, engster Vertrauter von Cecil Rhodes, maßgeblich für den innen- und außenpolitischen Kurs Großbritanniens von Mitte der 1890er-Jahre bis in die frühen 1920er-Jahre verantwortlich und galt als wichtigstes Mitglied im Kriegskabinett des damaligen Premierministers David Lloyd George — der höchstselbst in mehreren Schreiben sein Wohlgefallen hinsichtlich des Abdankens des letzten russischen Zaren artikulierte.
Zudem war David Lloyd George ein glühender Befürworter von Adolf Hitler, den er als den „George Washington Deutschlands“ bezeichnete — womit er nach dem Ende des Ersten Weltkriegs jener dunklen Macht zum Aufstieg verhalf, die mit der Provokation eines zweiten Weltkrieges die Voraussetzungen für die Strukturen der heutigen Weltordnung schaffen würde.
Alfred Milner gilt zudem als offizieller Gründer der „Round-Table-Bewegung“, einem undurchsichtigen Zusammenschluss einflussreicher Personen, der sich für eine internationale Dominanz angloamerikanischer Hegemonie engagiert. Tatsächlich war es jedoch Rhodes, der den Imperialistenklub ins Leben rief. Seit 1910 publiziert die Bewegung vierteljährlich das Round Table Journal, dessen Artikel bis ins Jahr 1966 gänzlich ohne Angabe eines Verfassers veröffentlicht wurden. Wie eng das vermeintlich britische Philanthropie-Journal mit dem US-Imperium verbandelt ist, zeigt ein kurzer Blick auf die Liste der ehemaligen Chefredakteure.
Sinnbildlich für das Wirken der Round-Table-Bewegung und ihrer einflussreichen Mitglieder ist die Balfour-Erklärung, die maßgeblich für die heutige Struktur des Nahen Ostens und das Ende des Osmanischen Reiches verantwortlich ist. Denn es war nicht der damalige britische Außenminister Arthur James Balfour selbst, der das folgenschwere Dokument verfasste, sondern der Finanzmagnat Walther Rothschild. Dieser definierte in enger Abstimmung mit Lord Alfred Milner, wie die arabische Welt in Zukunft auszusehen hat.
Und erst als Rothschild und Milner sich einig über Inhalt und Wortlaut waren, erhielt die britische Regierung das Dokument, um es anschließend als Balfour-Erklärung zu veröffentlichen. Nachvollziehbar ist dieser anmaßend elitäre Prozess globaler Neuordnung auf einer eigens zum 100-jährigen Jubiläum der Balfour-Erklärung eingerichteten Webseite, auf der die originalen Briefwechsel, die Änderungen des Wortlautes und die enge Abstimmung zwischen Alfred Milner und Walther Rothschild für jedermann ersichtlich sind. Mit der Geschichte, die der breiten Öffentlichkeit zur Balfour-Erklärung erzählt wird, hat das alles wenig zu tun.
Weitere Hintergründe und allerhand minutiös recherchierte Details zum Wirken der internationalen Finanzoligarchie finden sich in dem 1974 publizierten Buch „Wall Street und die bolschewistische Revolution“, welches sich speziell mit dem Einfluss westlichen Kapitals in Russland befasst. Verfasst wurde das umfangreiche Werk von Professor Anthony C. Sutton, einem renommierter Forscher, Ökonom und Autor aus England, der sich für seine Arbeit Zugriff auf offizielle Dokumente der kanadischen Regierung verschaffte und so den Themenkomplex en détail analysieren konnte. Nach Gründen oder Motiven für elitäre und augenscheinlich undemokratische, illegale und folgenreiche Absprachen dieser Couleur befragt, antwortete Anthony C. Sutton bei einem TV-Interview:
„Wieso? Das findet man nicht in den Lehrbüchern. Ich vermute, es soll eine zentral geplante, kontrollierte Weltgesellschaft geschaffen werden, in der Sie und ich nicht die Freiheit finden werden, zu glauben, zu denken und zu tun, was wir glauben.“
Dass die kolonialistische, angelsächsische beziehungsweise angloamerikanische Hochfinanz ihren massiven geopolitischen Einfluss nicht nur im asiatischen Raum, in China, Afrika und der arabischen Welt geltend machte, um die von Sutton erwähnte, kontrollierte Weltgesellschaft Realität werden zu lassen, sondern auch in Russland, zeigt sich beispielhaft an zwei tragenden und oft verklärt skizzierten Figuren der russischen Geschichte: Wladimir Iljitsch Lenin und Leo Trotzki.
Trotzki genoss es sichtlich, von einer komfortablen Limousine abgeholt zu werden. Und obwohl er vorgab, für die benachteiligte Arbeiterklasse einzutreten, sah er es nicht unbedingt gerne, wenn der für ihn arbeitende Chauffeur kurz mit ins Haus kam.
„Wenn sie in eine Teestube gingen, fragten die Jungen verwirrt ihre Mutter: „Warum kommt der Chauffeur nicht rein?“ (1).
Geldprobleme schien er demnach keine zu haben. Denn er lebte mit seiner Frau und den zwei Kindern weit über seine Verhältnisse und nannte sogar einen Kühlschrank sein Eigen. Im Februar 1917 war das auch im fortschrittlichen New York noch ein Statussymbol, das der Oberschicht vorbehalten war. Dass er diesen Lebenswandel mit seinem vorgeblichen Haupterwerb als Kolumnist für die Zeitungen Novy Mir und The Forward finanzieren konnte, erscheint wenig plausibel. Und ein Blick hinter die Fassade des späteren Gründers der Roten Armee gibt allen Grund zur Annahme, dass er nicht ganz unabhängig gehandelt hat. Denn wie so oft in der jüngeren Geschichte, trat kurz vor einem Regimewechsel, vor einem Krieg oder einer disruptiven Krise die internationale Hochfinanz auf den Plan, um den weiteren Entwicklungen ihren eigenen Spin zu verpassen.
Trotzki selbst schreibt mehrfach von seinem reichen Freund „Dr. M.“ und dessen Frau. Der mysteriöse Gönner schien ihm den Limousinen-Service angedeihen zu lassen und auch die sonstigen Kosten für den Verfasser des „Zimmerwalder Manifests“ im „Big Apple“ zu tragen.
„Die Frau des Doktors nahm meine Frau und die Jungs mit zum Autofahren und war sehr nett zu ihnen. Aber sie war nur eine Sterbliche, während der Chauffeur ein Zauberer, ein Titan, ein Übermensch war. Mit einer Handbewegung ließ er die Maschine seinem kleinsten Befehl gehorchen“ (2).
Auch wenn es wenig belastbares Beweismaterial für die Behauptung gibt, deuten diverse Quellen darauf hin, dass es sich bei dem unbekannten Finanzier um Jacob Schiff gehandelt haben könnte, den einflussreichen Chef von Kuhn, Loeb & Co. — einer der mächtigsten Wall-Street-Banken jener Zeit, der bei Machtübernahme durch die bolschewistischen Revolutionäre in Russland lukrative Geschäftsmöglichkeiten in Aussicht standen. Wie der offizielle Wikipedia-Eintrag von Lev Davidovich Bronstein, so der eigentliche Name von Trotzki, zu berichten weiß, wurde der aus Frankreich nach Spanien abgeschobene linke Aufrührer dort festgenommen und in die USA deportiert. Das klingt schlimmer, als es schlussendlich war. Denn wie die N.Y. Volkszeitung vom 14. Januar 1917 in einem kurzen Artikel berichtete, kam der spätere Volkskommissar des Auswärtigen, für Kriegswesen, Ernährung, Transport und Verlagswesen der Sowjetunion gut gelaunt und wohlbehalten an Bord des spanischen Dampfschiffes „Montserrat“ in der amerikanischen Metropole an.
Im Februar 1917 dankte Zar Nikolaus II., letzter Alleinherrscher des Russischen Reiches, ab. Sein Ende besiegelte das Schicksal der Monarchie im Land. Die anschließend eingesetzte Doppelspitze aus Duma (Parlament) und Sowjet (Volks- und Soldaten-Räte) kämpfte im Frühling 1917 erbittert um die interne Vorherrschaft. Russland war ein Pulverfass. Die Duma hätte nach der Ernennung einer provisorischen Regierung im darauffolgenden Herbst wohl die Möglichkeit genutzt, eine verfassunggebende Versammlung einzuberufen, um den künftigen Kurs des riesigen Landes zu bestimmen.
Doch die nächste Revolution sollte dem von britischen Zirkeln unterwanderten Parlament zuvorkommen. Vorbereitet wurde die Oktoberrevolution allerdings nicht in Russland, sondern in den USA und der Schweiz. Erst durch logistische und finanzielle Unterstützung der vermeintlichen Klassenfeinde war es Lenin und Trotzki möglich, im Oktober des Jahres 1917 gewaltsam die Macht an sich zu reißen und damit Russlands Kurs bis in die Gegenwart hinein zu prägen.
Obwohl Trotzki bis zum Zeitpunkt seiner Ankunft in den USA eigentlich nur unter marxistischen Intellektuellen in Europa bekannt war, wurde er in den Tagen nach seiner Einreise in New York von verschiedensten Parteien hofiert. Reporter von mindestens sechs Zeitungen standen um drei Uhr nachts an Pier 8 in Manhattan, um über seine Ankunft auf dem spanischen Schiff zu berichten. Mehrfach wurde er von der jüdischen Zeitung The Forward, die es mit 200.000 gedruckten Exemplaren pro Tag in puncto Auflagenstärke mit der New York Times aufnehmen konnte, zum Interview gebeten und als „russischer Revolutionär par excellence“ in Szene gesetzt.
Er hielt Dutzende Vorträge in der US-Metropole und warb öffentlichkeitswirksam für seine politischen Ideen. Die Times of Israel besprach den Einfluss der USA-Reise Trotzkis auf die bolschewistische Revolution in einem Beitrag vom 19. September 2016. Der damalige US-Präsident, Woodrow Wilson, hatte Trotzki eigens einen Pass ausstellen lassen, damit er über Kanada nach Russland reisen konnte.
Als Trotzki auf dem Weg nach Russland in Kanada als russischer Revolutionär festgesetzt wurde, hatte er Gold im Wert von 10.000 US-Dollar bei sich. Ungewöhnlich für einen mittellosen Schreiberling. Als das Schiff, mit dem er unterwegs war, in Halifax ankam, wurde er gleichermaßen von Briten und Kanadiern empfangen. Eine ebenso unübliche Situation. Und als die Kanadier sich nicht sicher waren, ob sie Trotzki gewähren lassen sollten, intervenierte kurzerhand das britische Außenministerium und gab grünes Licht für die Weiterreise. Der Revolutionär durfte wieder an Bord und sich auf den Weg in seine alte Heimat machen, wo er offensichtlich einen geschichtsträchtigen Auftrag zu erfüllen hatte.
Man könnte behaupten, dass der Aufenthalt in New York den bis dahin nur Insidern bekannten Trotzki zur politischen Leitfigur auf internationaler Bühne machte — und dass er ohne die Unterstützung der US-Regierung sowie einflussreicher Kreise der angelsächsischen beziehungsweise angloamerikanischen Hochfinanz nie sein Ziel erreicht hätte.
Eine gute Zusammenfassung der angesprochenen Hintergründe bietet auch ein Artikel von „Justice 4 Poland“, dem Blog einer polnischen Bürgerrechtsseite, zu deren sonstigen Hintergründen mir allerdings keine Erkenntnisse vorliegen.
Auch Trotzkis Genosse Wladimir Iljitsch Lenin, der zu diesem Zeitpunkt im Schweizer Exil weilte, verdankt es schlussendlich ausländischen Kräften und Mitteln, dass er überhaupt nach Russland zurückkehren und die revolutionären Anstrengungen im Oktober 1917 finanzieren konnte. Denn neben der amerikanischen Hochfinanz sahen auch die Deutschen subjektive Vorteile in der potenziellen Machtübernahme durch die Bolschewiki.
„Erst als die Bolschewiki von uns auf verschiedenen Kanälen und unter verschiedenen Labels stetig Gelder erhielten, waren sie in der Lage, ihr Hauptorgan Prawda aufzubauen, energische Propaganda zu betreiben und die ursprünglich schwache Basis ihrer Partei zu erweitern“ (Von Kühlmann, Minister des Auswärtigen, an den deutschen Kaiser, 3. Dezember 1917).
Neben den Briten und Amerikanern waren also auch das Deutsche Kaiserreich und die neutrale Schweiz am Gelingen der Oktoberrevolution in Russland beteiligt. Anthony C. Sutton schreibt dazu in seinem vorgängig erwähnten Buch zur bolschewistischen Revolution:
„Im April 1917 reisten Lenin und eine Gruppe von 32 russischen Revolutionären, hauptsächlich Bolschewiki, mit dem Zug von der Schweiz quer durch Deutschland über Schweden nach Petrograd, Russland. Sie waren auf dem Weg, sich Leo Trotzki anzuschließen, um die Revolution zu vollenden. Ihre transdeutsche Durchreise wurde genehmigt, ermöglicht und finanziert durch den deutschen Generalstab.
Lenins Transit nach Russland war Teil eines vom deutschen Oberkommando genehmigten Plans, der dem Kaiser jedoch scheinbar nicht sofort mitgeteilt wurde, um beim Zerfall der russischen Armee zu helfen und so Russland auszuschalten. Die Möglichkeit, dass sich die Bolschewiki gegen Deutschland und Europa wenden könnten, kam dem deutschen Generalstab nicht in den Sinn. Generalmajor Hoffman schrieb: ‚Wir sahen noch keine Gefahr für die Menschheit durch die Folgen dieser Reise der Bolschewiki nach Russland.‘
Der höchstrangige Vertreter der deutschen Politik, der Lenins Reise nach Russland genehmigte, war Bundeskanzler Theobald von Bethmann-Hollweg, ein Nachfahre der Frankfurter Bankiersfamilie Bethmann, die im 19. Jahrhundert großen Wohlstand erlangte. Bethmann-Hollweg war 1909 zum Kanzler ernannt worden und im November 1913 Gegenstand des ersten offiziellen Tadels, der jemals vom Deutschen Reichstag gegen einen amtierenden Kanzler ausgesprochen wurde.“
Eine weitere Schlüsselfigur, die entscheidend zum Gelingen der revolutionären Bestrebungen in Russland beitrug, war der kontroverse Olof Aschberg — damaliger Spitzname in der deutschen Presse „Bankier der Bolschewiken“. Aschberg war Inhaber der Nya Banken, die 1912 in Stockholm gegründet wurde.
Ab August 1922 leitete Aschberg die russische Roscombank, ein noch heute unter dem Namen VEB firmierendes Bank- und Entwicklungsvehikel, das über Vermögenswerte im Wert von über 50 Milliarden US-Dollar verfügt und über 300 individuelle Projekte finanziert hat. Im Jahre 1922 war es die erste internationale Bank Russlands. Dass Aschberg nicht nur ein kollaborativer Schwede mit einem Faible für die Bolschwiken war, belegen erneut die Recherchen von Anthony C. Sutton:
„Die Nya Bank änderte ihren Namen in Svensk Ekonomiebolaget. Die Bank blieb unter der Kontrolle von Aschberg und war hauptsächlich in seinem Besitz. Der Londoner Arm der Nya Bank war die British Bank of North Commerce, deren Vorsitzender, Earl Grey, ein ehemaliger Mitarbeiter und Vertrauter von Cecil Rhodes war.
Andere in Aschbergs illustrem Kreis von Geschäftsfreunden waren Leonid Krassin, der bis zur bolschewistischen Revolution russischer Manager von Siemens-Schukert in Petrograd war; sowie Carl Fürstenberg, Finanzminister der ersten bolschewistischen Regierung, und Max May, verantwortlicher Vizepräsident für Auslandsgeschäfte des Morgan Guaranty Trust Company of New York (JPMorgan). Olof Aschberg hielt so viel von Max May, dass ein Foto von May in Aschbergs Memoiren enthalten ist.“
Die Morgan Guaranty Trust Company of New York finanzierte zudem verdeckt deutsche Anstrengungen im Ersten Weltkrieg und half dabei, deutsche Geheimdienstoperationen auf amerikanischem Boden umzusetzen, obwohl sie damit eine nichtneutrale Rolle einnahm und gegen die USA arbeitete. Die finanziellen Mittel aus New York flossen über die 1869 gegründete Deutsche Bank an die deutsche Regierung. Eine wichtige Rolle spielte dabei vor allem Hugo Schmidt von der Deutschen Bank, wie auch ein Zeitungsartikel der New York Tribune vom 9. Mai 1918 dokumentiert.
Diese historischen Verbindungen und der Einfluss einzelner Charaktere wie Cecil Rhodes, von dem „Historic UK“ noch immer ein heroisches Portrait als Pionier für das Commonwealth zeichnet, verdeutlichen einmal mehr, wie intensiv und antidemokratisch internationale Finanzkonglomerate seit über einem Jahrhundert hinter den Kulissen zusammenarbeiten, um ihre wirtschaftlichen Einflusssphären auszubauen und die Weltordnung zu implementieren, die Cecil Rhodes einst vorschwebte. Heute bildet sich seine zentralistische Vision der globalisierten und totalitär kontrollierten Welt in der blumig formulierten „Agenda 2030“ ab, mit der die Organisation der Vereinten Nationen (UN) quasi vollends zur absoluten Global Governance — zur Weltregierung — avanciert.
Olof Aschberg sorgte im Namen seiner einflussreichen Mentoren dafür, dass Russland der westlichen Finanzoligarchie die Türen öffnete. Nur so konnten bereits kurz nach der Oktoberrevolution geostrategisch aktive Organisationen wie JPMorgan Chase, Kuhn, Loeb & Co. oder die Rockefeller-Dynastie damit beginnen, ihre elitären Interessen in Russland durchzusetzen. Politische Ideen waren für das internationale Großkapital dabei immer schon zweitrangig — man finanziert und instrumentalisiert, was den eigenen Zielvorgaben dienlich ist. Egal, ob es sich dabei um Nationalsozialismus, Kommunismus, Diktatur oder Demokratie handelt. Hauptsache, die Kasse stimmt.
Es liegt in der Natur der Sache, dass eine oberflächliche Analyse anhand ausgewählter historischer Ereignisse — und mehr kann das vorliegende Format bedauerlicherweise nicht leisten — der komplexen Entwicklung unserer Welt in den vergangenen 100 Jahren nur bedingt gerecht werden kann. Dennoch erlauben die referenzierten Quellen und Dokumente einen kurzen Einblick in folgenreiche, oft unterschlagene Sachverhalte und geben allen Grund zur Annahme, dass verschiedene Interessengruppen die geopolitischen Entwicklungen des zurückliegenden Jahrhunderts zu ihren Gunsten beeinflusst haben.
Die angeführten Indizien implizieren, dass die eingangs postulierte Parallele zu Orwells Dystopie von drei bewusst instrumentalisierten globalen Machtzentren eine belastbare Schlussfolgerung darstellt. Weiterhin besteht Grund zur Annahme, dass diese drei Blöcke nicht aus reinem Zufall oder organischen Wachstumsprozessen entstanden sind, sondern zumindest teilweise von ein und derselben Interessengruppe finanziert und installiert wurden.
Ein kruder Kreis von generationsübergreifend agierenden, kriminellen Banden, verankert in internationaler Konzernoligarchie und Hochfinanz, versucht seit einem Jahrhundert belegbar, außerparlamentarische, supranationale Organisationen zu installieren, um damit abseits demokratischer Prozesse immer mehr Macht an sich zu reißen. Denn das Geld haben sie schon lange.
So müssen die sozioökonomischen und geopolitischen Entwicklungen im Zuge der beiden Weltkriege, des Kalten Krieges oder des Kampfes gegen den Terrorismus im Zusammenhang gesehen werden. Die Hintergrundprozesse dieser historischen Meilensteine sind verbunden. Isoliert betrachtet, greifen Interpretationen der Einzelereignisse in Bezug auf ihre historischen Auswirkungen zu kurz. Daher lohnt es sich, als weiterführende Informationsquelle zu den Hintergründen des Ersten Weltkrieges und den daraus resultierenden geopolitischen Entwicklungen die ausführliche Dokumentation „The WWI Conspiracy“ von Investigativ-Journalist James Corbett vorzumerken (Englisch).
„Wenn Sie den Bürgerkrieg nicht wollen, müssen Sie Imperialisten werden“ (Cecil Rhodes).
Im Lichte dieser historischen Begebenheiten stellt sich auch die derzeitige Krise zwischen Russland und dem westlichen Militärbündnis NATO anders dar, als die offizielle Kommunikation vermuten lässt. Denn basierend auf den vorgängig erläuterten Zusammenhängen ist klar, dass die aktuelle geopolitische Situation keinesfalls zufällig entstanden ist, sondern dass die drei Machtblöcke in der Vergangenheit bewusst geschaffen, positioniert und gegeneinander ausgespielt wurden.
Unklar bleibt jedoch, ob es sich beim Säbelrasseln im Zuge der Ukrainekrise tatsächlich um die Provokation einer bewaffneten Auseinandersetzung handelt — oder ob die supranationalen Zirkel lediglich das Bedrohungsszenario verschärfen wollen, nachdem die Coronakrise zwischenzeitlich an Momentum einbüßt. Wichtig ist für das herrschende System nämlich vor allem, dass die Bevölkerung Angst hat. Wovor ist nebensächlich.
Solange der Normalbürger sich von Krisen bedroht sieht, denen er persönlich nichts entgegensetzen kann, akzeptiert er die Führung durch repräsentative Organe, die vorgeben, in seinem Interesse zu handeln. Obwohl das Gegenteil der Fall ist.
Der Präsident der Ukraine, Volodymyr Zelensky, erklärt derzeit öffentlich, dass in seinen Augen keine akute Bedrohung von Russland ausgeht und die Ukraine nicht kurz vor einer Invasion durch Putins Truppen steht. Putin selbst äußert sich sachlich zur Situation und signalisiert Gesprächsbereitschaft — während die NATO jegliche Zusammenarbeit in Bezug auf die Ukraine kategorisch ablehnt und ein von Russland gesetztes Ultimatum zur diplomatischen Reaktion unbeantwortet verstreichen lässt.
Zeitgleich setzt die Europäische Union alles daran, die Ukraine zu vereinnahmen. Denn auch wenn das Land kein offizielles Mitglied der EU ist, werden unaufgefordert Waffenlieferungen von Mitgliedsstaaten autorisiert und Zelenskys Regierung Millionen von Dollar zu Verteidigungszwecken zur Verfügung gestellt.
Die deutsche Verteidigungsministerin Lambrecht verkündete, sie wolle 5.000 Stahlhelme liefern. Eine Blamage, wie der FOCUS das einordnet. Dass dieses Vorgehen vor der Haustüre Russlands keinen Freudentanz in der ehemaligen Sowjetunion auslöst, ist logisch. Außerdem zeigt das völkerrechtswidrige Prozedere der NATO, dass es nicht Russland ist, das die Rolle des Aggressors in diesem Konflikt einnimmt.
Es bleibt abzuwarten, wie sich diese Auseinandersetzung entwickelt. Zu hoffen ist, dass es sich bei den militärischen Provokationen der NATO um bloße Machtdemonstrationen und die Aufrechterhaltung der vermeintlichen geopolitischen Bedrohungslage handelt. Denn ein heißer Krieg an den europäischen Außengrenzen könnte sich rasch zu Weltkrieg Nummer drei entwickeln. Und den will sicher kein normaler Mensch erleben.
„Ich bin mir nicht sicher, mit welchen Waffen der dritte Weltkrieg ausgetragen wird, aber im vierten Weltkrieg werden sie mit Stöcken und Steinen kämpfen“ (Albert Einstein).
Leider hat das letzte Jahrhundert aber auch unter Beweis gestellt, dass militärische Auseinandersetzungen, wie vernichtend diese für die Menschheit auch sein mögen, für gewisse Kreise durchaus wünschenswert sind und supranationalen Plänen elitärer Globalisten und Imperialisten vom Schlag eines Cecil Rhodes zupasskommen. Nicht umsonst basiert der derzeitige geostrategische Status quo auf den Resultaten zweier Weltkriege, auf Nuklearwaffen und dem sogenannten Kalten Krieg.
Jetzt befindet sich die Welt — nach dem Krieg gegen den Terrorismus, der mit Corona übrigens plötzlich eingestellt worden zu sein scheint — im permanenten Kampf gegen gesundheitliche Risiken. Und der wird nicht enden. Genauso wenig wie der Kampf gegen den Klimawandel und die anderen Schreckensszenarien, mit denen man die Menschen gefügig hält. Nur die konstante Krise kann das herrschende System noch legitimieren. Denn dass es korrupt ist, ist eigentlich allen bewusst.
Daher ist es heutzutage wichtiger denn je, dass die Menschheitsfamilie sich als Einheit versteht, jenseits von Ideologie, Religion oder Hautfarbe, und sich in diesem Geiste für eine neue Weltordnung engagiert — eine humane Weltordnung, frei von gierigen Parasiten einer kriminellen, generationsübergreifenden Finanzoligarchie, die nationale Gesetze ebenso beflissentlich ignoriert wie die allgemeinen Menschenrechte. Wir sind die 99,9 Prozent — und wir sollten selbst bestimmen, wie wir unser Leben führen wollen!
„Wer in der Zukunft lesen will, muss in der Vergangenheit blättern“ (André Malraux).
Quellen und Anmerkungen:
(1) Leo Trotzki: My Life, New Yorker Publishing: Scribner, 1930, Seite 277
(2) Ebenda, Seite 277