Die Würde des Menschen
Artikel 1 des Grundgesetzes wird bei der Einführung neuer Corona-Maßnahmen kaum noch beachtet.
In der Debatte um die Corona-Maßnahmen wird viel über das Grundgesetz gesprochen. Die Maßnahmen werden an den Grundrechten gemessen, und es wird darüber diskutiert, inwieweit sie in diese eingreifen. Dabei lassen jedoch vor allem die Verteidiger der Maßnahmen meistens ein Grundrecht außer Acht: Artikel 1. Die Würde des Menschen erfährt in der Debatte keinerlei Rücksichtnahme, und das hat einen Grund. Denn ein Eingriff in Artikel 1 Absatz 1 lässt sich verfassungsrechtlich nicht rechtfertigen. Alle anderen Grundrechte hingegen sind einschränkbar — und bilden wohl auch deshalb den Fokus der Debatte. Was aber, wenn mehrere Einschränkungen zusammengenommen eben doch die Würde bestimmter Menschen verletzen?
Nach dem Ende des Nationalsozialismus gab Deutschland sich ein Grundgesetz, das solche Barbarei, wie die Deutschen sie über große Teile der Welt gebracht hatten, für alle Zeit verunmöglichen sollte. Die tragenden Pfeiler dieses Grundgesetzes sind Artikel 1 und Artikel 20. Nicht umsonst genießen beide die Ewigkeitsgarantie des Artikel 79 Absatz 3 — das heißt, eine Änderung dieser beiden Artikel ist unzulässig; ein Gesetz, das eine solche Änderung beschließen würde, nichtig. Artikel 1 legt dabei die Grundlage für die individuellen Grundrechte, welche Abwehrrechte gegen Übergriffe des Staates darstellen, Artikel 20 bestimmt die Grundlagen staatlichen Handelns.
Grundrechte sind dabei prinzipiell durch den Staat einschränkbar, und zwar durch Gesetz oder auf Grundlage eines Gesetzes. Dieser Eingriff muss jedoch verhältnismäßig sein und darf nicht den Kern des jeweiligen Grundrechtes antasten. Dass in diesem Sinne alle Corona-Maßnahmen unbedenklich sind, darf erheblich bezweifelt werden. Doch in der ganzen Debatte beziehen sich diejenigen, welche die Maßnahmen rechtfertigen, nie auf Artikel 1. Ganz einfach deshalb: Ein Eingriff in die Würde des Menschen ist niemals zu rechtfertigen.
Artikel 1 des Grundgesetzes lautet wie folgt:
(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.
(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.
(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.
Sind andere Grundrechte mit sogenannten Schranken ausgestattet, also Halbsätzen, die eine Einschränkung rechtfertigen, so ist das bei Artikel 1 nicht der Fall. Artikel 1 normiert dabei die Würde des Menschen als unantastbar und legt ein Bekenntnis zu den Menschenrechten ab. Zudem bindet er staatliche Gewalt an die Grundrechte. Schauen wir uns dies in Bezug auf die derzeitigen Maßnahmen im Detail an.
Die Würde des Menschen
Absatz 1 normiert die Würde des Menschen als unantastbar. Da eine Einschränkung von Artikel 1 nicht möglich ist, wird diese Unantastbarkeit auch rigoros als solche verstanden. Die Würde des Menschen gilt dann als angetastet, wenn der Mensch zum reinen Objekt staatlichen Handelns degradiert, also seiner Menschlichkeit beraubt wird. Dies lässt sich angesichts der seit über einem Jahr verhängten sogenannten Corona-Maßnahmen durchaus annehmen. Seien es Masken, Abstandspflicht, Kontaktbeschränkungen oder Tests und Impfung: überall wird der Mensch auf einen reinen Krankheitsüberträger reduziert.
Der Mensch ist nicht mehr in erster Linie Mensch, sondern Keimschleuder, Infektionsherd und damit eine Gefahrenquelle, vor welcher der Staat andere Menschen schützen muss.
So soll der Mensch sich von anderen Menschen fernhalten, sich verhüllen, sich eine experimentelle Genspritze verabreichen lassen, um die potenzielle Gefahr, die nun stets von ihm ausgeht, zu verringern. Interessant ist dabei, dass dies für jeden Menschen gilt, also auch für jene, die ein Einzelner angeblich gefährdet.
Der Mensch wird nicht mehr in seiner gesamten Menschlichkeit wahrgenommen, sondern auf einige wenige, biologische Faktoren reduziert, nämlich dass er Keime in sich trägt und diese manchmal auch verbreitet. Dies indes ist kein neues Phänomen, sondern immer schon so gewesen und immer sogar Evolutionstreiber des menschlichen Immunsystems, seiner DNS und damit auch der menschlichen Existenz. Der reduktionistische Ansatz der derzeitigen ideologisch geprägten „Staatsräson“, den Menschen nur noch als Gefahrenquelle zu sehen, ignoriert den größten Teil menschlichen Daseins und beraubt diesen damit seiner Menschlichkeit.
Objekt staatlichen Handelns
Der Mensch wird demzufolge reines Objekt staatlichen Handelns, zur reinen Verfügungsmasse staatlicher Willkür. Er wird dabei herabgesetzt auf die Stufe eines Gegenstandes, von dem eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Man kennt das aus dem Polizei- und Ordnungsrecht. Dieses gibt Behörden bestimmte Handlungsbefugnisse, wenn eine Gefahrenquelle die öffentliche Sicherheit und Ordnung bedroht. Lehrbuchbeispiel dabei ist das falsch geparkte Auto, das den Straßen- oder Schienenverkehr behindert. Die Ordnungsbehörden sind dann befugt, das Auto abschleppen zu lassen. Ein anderes Beispiel wäre der tollwütige Hund, der zur Not auch erschossen beziehungsweise eingeschläfert werden darf.
Als eine solche Gefahrenquelle, die zu Gegenmaßnahmen berechtigt, wird der Mensch derzeit ebenfalls betrachtet, seine sozialen, geistigen und spirituellen Eigenschaften vollkommen außer Acht gelassen. Er wird einem Auto oder tollwütigen Hund gleichgestellt, von denen eine Bedrohung ausgeht. Dank erfolgreicher Propaganda über hochbezahlte Medienkanäle wurde ihm diese Idee zudem erfolgreich eingetrichtert.
Heutzutage soll der Mensch sich selbst und auch seine Mitmenschen hauptsächlich als Gefahrenquelle sehen, als Virenüberträger, die eine Bedrohung darstellen. So distanziert er sich freiwillig von anderen, fühlt sich bedroht, wenn jemand in geschlossenen Räumen keine Maske trägt, oder fühlt sich verpflichtet, sich „die Genspritze“ verabreichen zu lassen. Von daher ist es wenig verwunderlich, dass sich so viele Menschen widerspruchslos zu einem Objekt reduzieren lassen und die staatlichen Maßnahmen nicht nur hinnehmen, sondern oft auch noch begrüßen oder sogar ihre Verschärfung fordern.
Eine besondere Brisanz birgt die Überlegung einer Impfpflicht. Denn berücksichtigt man, dass diese sogenannte „Impfung“ noch immer experimentell ist, die Langzeitfolgen unbekannt, die kurzfristigen Nebenwirkungen aber verheerend sind, und die gewollte Wirkung nur über einen kurzen Zeitraum vorhanden ist, dann liegt hier der wohl krasseste Verstoß gegen die Menschenwürde vor, der in der Bundesrepublik jemals begangen wurde. Der Mensch wird nicht nur zu einer zu impfenden Gefahrenquelle, die man zwangsbehandeln kann und muss, sondern auch noch genauso respekt- und würdelos behandelt wie ein Versuchstier im Labor. Denn die Testverfahren, die man sich aus „Zeitgründen“ gespart hat, werden nun im Feldversuch am Menschen selbst durchgeführt.
Wer schon Tierversuche unethisch findet, der sollte gegen Experimente am Menschen laut die Stimme erheben, erst recht, wenn diese zwangsverordnet werden. Wo der Mensch mit einem Tier in Versuchslaboren gleichgesetzt wird, da ist die Würde des Menschen nicht nur angetastet. Sie ist abgeschafft.
Ein solches Vorgehen verstößt zudem gegen den Nürnberger Kodex, den sich die Ärzteschaft infolge der Ärzteprozesse nach Ende des Nationalsozialismus gegeben hat. Er schreibt vor, dass für medizinische, psychologische und andere Experimente die Zustimmung des Versuchsteilnehmers unbedingt erforderlich ist. Diese Zustimmung muss zudem freiwillig und nicht unter Zwang oder sonstigem Druck erfolgen. Gerade dieser zweite Aspekt ist schon lange nicht mehr gegeben. Nicht wenige Menschen haben sich dem Experiment unterzogen aus Angst, ihren Arbeitsplatz zu verlieren, aus sozialem Druck, oder weil sie wieder am gesellschaftlichen Leben teilhaben wollten. Das hat mit Freiwilligkeit nichts zu tun, sondern ist eine empfindliche Verletzung des Nürnberger Kodex.
Menschenrechte
Absatz 2 des Artikels 1 im Grundgesetz bestimmt, dass die Menschenrechte nicht nur Grundlage jedes menschlichen Zusammenlebens, sondern auch unveräußerlich und unverletzlich sind. Menschenrechte kommen dem Menschen allein aufgrund seines Menschseins zu. Menschenrechtsabkommen wurden auf internationaler Ebene in verschiedenen Kontexten geschlossen.
So gibt es die „Allgemeine Erklärung der Menschenrechte“, die von der UN-Generalversammlung verabschiedet wurde und damit wohl für die meisten Staaten gilt. Sie ist zwar für die Staaten nicht bindend, gibt aber einen guten Überblick darüber, was unter Menschenrechten zu verstehen ist. Bindend für das Handeln des deutschen Staates sind die Menschenrechte wiederum über Artikel 1 Absatz 2 und 3 des Grundgesetzes. Man kann daher als Orientierung durchaus die „Allgemeine Erklärung der Menschenrechte“ heranziehen.
Hier sind viele Rechte normiert, die auch das Grundgesetz schon festschreibt. So findet sich in Artikel 2 das Diskriminierungsverbot wieder, das im Grundgesetz in Artikel 3 normiert wird. Artikel 18 bezieht sich auf die Religions- und Gewissensfreiheit. Viele dieser Aspekte sind durch die Corona-Maßnahmen eingeschränkt. So stellt der Ausschluss von Ungeimpften aus dem öffentlichen Leben einen Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot dar.
Besonders interessant auf dem Gebiet des Völkerrechts ist aber eine Resolution des Europarates, der mit dem Rat der Europäischen Union nicht verwechselt werden darf. Der Europarat ist eine eigenständige internationale Organisation, in der beispielsweise auch Russland Mitglied ist. Zentrale Zuständigkeit dieser Organisation ist der Schutz der Menschenrechte, die, wir erinnern uns, über Artikel 1 Absatz 2 des Grundgesetzes staatliche Gewalt binden. Diese können über den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte eingeklagt werden.
In der Resolution 2361 vom Anfang des Jahres 2021 hat der Europarat in Absatz 7.3 und folgenden erklärt, dass eine Impfung nicht verpflichtend sein darf, und Druck oder Zwang unzulässig sind. Eine Diskriminierung von Menschen, die eine Impfung verweigern, darf nicht stattfinden.
Die Resolutionen des Europarates sind zwar rechtlich nicht bindend, können jedoch sehr wohl als Verständnishilfe für Artikel 1 Absatz 2 des Grundgesetzes angesehen werden. Somit kann diese Resolution als Teil der in Artikel 1 Absatz 2 genannten Menschenrechte gelten.
Dennoch findet genau das statt: Eine Impfpflicht wird derzeit in vielen Ländern diskutiert. Die Rechtfertigung, dass eine Pflicht kein Zwang sei, dient dabei lediglich als Feigenblatt. Denn wenn der Verweigerung dieser Pflicht empfindliche Strafen wie Bußgelder und Beugehaft folgen, dann wird aus der Pflicht ganz schnell ein ökonomischer, sozialer und psychologischer Zwang. Die Würde des Menschen und die Menschenrechte, die in Artikel 1 als unveräußerlich, unverletzlich und unantastbar zur Grundlage der deutschen Bundesrepublik erklärt wurden, sie finden lange schon keinerlei Beachtung mehr.
Wenn wir aber die Grundlagen, die unsere Väter und Großväter mit dem Grundgesetz nach Ende der Gewaltherrschaft des Nationalsozialismus etabliert haben, so bereitwillig aufgeben, ignorieren oder abschaffen, dann nehmen wir eine Wiederholung dessen billigend in Kauf. Eine solche Wiederholung findet in Teilen bereits statt. Staaten regieren mit Angst und Zwang, sie erpressen Teile ihrer Bevölkerung und nötigen sie ganz offen zu unethischen Verhaltensweisen und medizinischen Eingriffen, in die sie aus freien Stücken niemals eingewilligt hätten. Damit droht die Welt wieder einmal in Barbarei zu versinken.
Artikel 1, aber auch Artikel 20 können dank der Ewigkeitsgarantie nicht durch ein Gesetz geändert oder abgeschafft werden. Rein faktisch jedoch spielen beide schon lange keine Rolle mehr, finden auch medial kaum Beachtung. Sie sind de facto wenn nicht abgeschafft, so jedoch schwer eingeschränkt, und das, obwohl die Würde des Menschen unantastbar ist.
Daher muss an dieser Stelle auch ein Hinweis auf den, ebenfalls unter Ewigkeitsgarantie, nach Artikel 79 Absatz 3 stehenden Artikel 20 Absatz 4 des Grundgesetzes erfolgen. Dieser besagt:
„Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.“
Diesen Artikel haben die Väter und Mütter des Grundgesetzes eingeführt, damit dessen Beseitigung durch Widerstand verhindert werden kann. Einzige Bedingung: Andere Abhilfe darf nicht möglich sein.
Mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zur Bundesnotbremse sowie dem Beschluss, dass, wer nicht geimpft oder genesen ist, das Bundesverfassungsgericht nicht mehr betreten darf, hat die Gerichtsbarkeit bewiesen, dass sie nicht willens ist, sich für die Wahrung des Grundgesetzes einzusetzen, sondern sich zum Erfüllungsgehilfen der Zwangspolitik macht.
Das kommt indes nicht überraschend, denn der Vorsitzende des Bundesverfassungsgerichtes, Stephan Harbarth, ist treuer Parteisoldat der CDU, ein Lobbyist und unter fragwürdigen Umständen zum Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts ernannt worden. Wer zudem mit Kanzlerin Angela Merkel diniert, kurz bevor er über die Politik eben dieser Regierung zu urteilen hat, dessen Unabhängigkeit darf in Frage gestellt werden.
Daher ist es an der Zeit, dass wir Menschen uns unsere Grundrechte zurückholen. Grundrechte sind Abwehrrechte gegenüber dem Staat und stehen daher jedem Menschen von Natur aus zu. Sie können nicht von einem Staat gewährt oder gar an Bedingungen geknüpft werden. Man muss sie sich nicht „erimpfen“, sondern ist mit ihnen ausgestattet, ob der Staat mit seinen Behörden dies anerkennen will oder nicht. Wollen wir also, dass die Zukunft eine lebenswerte, freiheitliche und friedliche wird, dann müssen wir uns zuerst für unsere Grundrechte, insbesondere unsere Würde einsetzen. Denn ja: Die Würde des Menschen ist unantastbar.