Die Würde der Waschlappen
Indem die Politik sich nun gezwungen sieht, kommenden Herbst in die intimste Sphäre der Menschen vorzudringen, hat sie ihre absolute Bankrotterklärung abgegeben.
Ein Waschlappen. Ein Waschhandschuh. Ein Utensil, welches man zur Körperhygiene benutzen kann. Der Begriff Waschlappen wird allerdings auch gerne als Schimpfwort für einen Menschen gebraucht, der sozial oder moralisch wenig standhaft ist. Die gleichen Menschen, die uns noch vor ein paar Monaten dazu aufforderten, die Hände mindestens 30 Sekunden und circa 20-mal täglich unter fließendem warmen Wasser zu reinigen, und die dazu aufforderten, Türen und Fenster am besten permanent geöffnet zu lassen, sind sich nun nicht zu schade, zweifelhafte Tipps zur Privatsache der persönlichen Körperhygiene zu geben und geöffnete Ladentüren am besten ganz zu verbieten. Waschlappen eben.
Über 20 Jahre her
Es gibt Themen, über die muss man nicht unbedingt reden. Welche Themen das sind, das liegt im Auge derer, die meinen, über diese sprechen zu müssen. Es ist über 20 Jahre her, als eine Bekannte beim gemeinsamen Essen über die Unterschiede der Windelinhalte gestillter und nicht gestillter Kinder philosophieren wollte. Ich wollte das nicht.
Meine Entgegnung war, dass nicht alles thematisiert werden müsse und dass ich über diese Themen nicht sprechen wolle, schon gar nicht beim Essen. Sie verstand es nicht, weil sie das Thema für erörterungswürdig und sehr interessant hielt. Mütter — darf man das noch sagen? —, deren Thema die Exkremente ihrer Kinder sind oder waren, waren für mich schon immer der Inbegriff des weiblichen Würdeverlusts. Für Karl — Lagerfeld, nicht Lauterbach — waren es Menschen, die in der Öffentlichkeit Jogginghosen tragen.
Geschmäcker sind verschieden.
Tipps zur Körperhygiene
Es ist weder geistreich noch lustig, wenn man dramatischen Entwicklungen mit Waschlappen trotzen möchte. Doppeldeutigkeit beabsichtigt. Politiker (m, w, d), die sich nicht zu schade sind, Menschen Tipps für ihre Körperhygiene zu geben, haben spätestens dann für mich ihre Würde verloren. Wie bedauerlich, wie erbärmlich, wie bemitleidenswert.
Ernsthaft? Der Ratschlag gegen drohenden Existenzverlust, Pleitewellen, frierende Menschen und gegen Krieg soll ein Waschlappen sein?
Selbsternannte Gutmenschen
Kein Verbrenner, sondern ein E-Auto. Kein Fleisch, aber Quinoa. Keine Plastikzahnbürste, aber Sushi von der Selbstbedienungstheke — verschweißt in Plastik. Kein Pelz, sondern Kunstfaser. Kein Supermarktessen, aber Erdbeeren im Winter.
Allein aus dieser Gegenüberstellung ließen sich 20 Grundsatzdiskussionen beginnen. Die Batterien der E-Autos, die mehr Trinkwasser vernichten, als es in den Herstellungsländern oftmals gibt. Warum muss es Quinoa sein, wo es Buchweizen als glutenfreies Pseudogetreide auch tun würde? Der Fisch, der nur bedingt gesund ist — ich mag Sushi! —, weil die Meere mit Plastikmüll übersät sind. Der Pelz, der eigentlich klimaneutral verrotten würde, während Kunstfasern aus Erdöl hergestellt werden und nicht verrotten, die Avocados und Ananas, die ja so gesund sind. Superfood mit „Super“-Energiebilanz.
Geschenkt.
Weitreichende Übergriffigkeit
Es ist für mich kein Zeichen von Kompetenz, kein Zeichen von Souveränität und kein Zeichen von Würde und Anstand, Empathie und Respekt, Fürsorglichkeit und Verantwortungsbewusstsein, wenn man von den Menschen, für die diese Eigenschaften eigentlich zum untrennbaren Berufsethos gehören sollten, Tipps bekommt, die mehr als übergriffig sind.
Die Ladentüren dürfen nicht mehr offenstehen. Bei körperlich anstrengender Tätigkeit reichen 12 °C Raumtemperatur. Geduscht wird, wenn überhaupt nur noch kalt — wie war das noch mit dem Händewaschen mit warmen Wasser, was zur Pandemiebekämpfung unvermeidbar war?
Würde ich diese Temperaturen im Sportstudio einhalten, riskierte ich die Sicherheit der Teilnehmer. Gelenke und Muskulatur, die nicht ordentlich warm wird, sind verletzungsanfälliger.
Um 22:00 Uhr ist Schluss. Licht aus. Ja Papa, Ja Mama. Ich mache das Licht dann aus und gehe schlafen. Nein, ich lese nicht mehr unter der Bettdecke. Beleuchtete Werbung soll ab 22:00 Uhr verboten werden. Da werden sich aber die Menschen freuen, die für die ein oder andere kriminelle Machenschaft das Dunkel, in dem gut munkeln ist, bevorzugen. Am besten gleich noch die Beleuchtung in Tiefgaragen, an Bushaltestellen und Parkplätzen sowie an wenig frequentierten Fußwegen ausschalten.
Damit zeigen wir uns solidarisch. Leider nicht gegenüber den Menschen, die dann Angst haben, aber das sind ja auch die Menschen, die hier leben. Die sind nicht so wichtig. Da muss man Opfer bringen. Vergewaltigungsopfer, Raubüberfallsopfer et cetera. Opferbereitschaft eben.
Alternativlos
Nichts ist alternativlos. Nicht einmal der Untergang. Ich bedanke mich für die Alternativen, die mir offeriert werden.
Entweder, ich heize mein Studio so, wie ich es für richtig und für die Teilnehmenden als gesundheitsfördernd erachte und gehe dann aufgrund der nicht mehr zu bezahlenden Heizkosten bankrott, oder ich stürze bei zu niedrigen Temperaturen ab und breche mir das Genick. Es gibt auch noch die Möglichkeit, dass ich im Dunkeln auf dem Fahrrad, — weil ich mir das Benzin für das Auto nicht mehr leisten kann —, überfallen und ermordet werde. Oder aber ich werde zum Staatsfeind deklariert, weil ich am Samstag auf die Straße gehe, um meiner Kritik Ausdruck zu verleihen. Verhungern steht auch noch zur Auswahl, wenn das Einkommen nicht mehr reicht, Lebensmittel zu besorgen. Wie wäre es mit einer Panikattacke mit anschließendem Herzinfarkt? Panik ausgelöst durch die ständig geschürten Ängste vor Hitze, vor Kälte, vor Krankheiten, vor Sturmfluten. Oder Nebenwirkungswahrscheinlichkeiten, die sich mit jeder Injektion potenzieren könnten? Oder Long C...
Stimmt. Alternativlos ist gar nichts. Und manchmal hat man halt nur die Wahl zwischen Pest und Cholera! Immerhin besser als zwischen Corona und Affenpocken.