Die Wiederentdeckung der Würde

Erst wenn wir uns selbst respektieren und wertschätzen, kann eine Welt entstehen, in der die Würde aller gewahrt bleibt.

Wer kann von sich selbst ehrlicherweise sagen, ein gesundes Selbstbewusstsein zu besitzen? Wohl nur die wenigsten. Die gesellschaftlichen Probleme stehen jedoch in engem Zusammenhang mit unserer Vorstellung von uns selbst und dem, was wir unter Würde verstehen. In einer Welt, in der Leistung, Selbstoptimierung und die Regeln eines Wettbewerbsmarktes gelten, können Zufriedenheit und Glück nicht gut gedeihen. Warum aber führt ein tiefsitzender Mangel an Vertrauen in uns selbst zu einer Welt, wie wir sie auf keinen Fall wollen? Der folgende Artikel soll Licht auf mögliche Zusammenhänge werfen.

Es ist doch seltsam: Den allermeisten Menschen fällt es sehr schwer, sich selbst die Würde und damit den Respekt zuzugestehen, die sie von anderen zugestanden bekommen möchten. Wir glauben unbewusst nicht daran, es wert zu sein, wirklich gewürdigt zu werden, weil wir uns nicht als vollständig und wertvoll betrachten. Während der Kindheit, vor allem Zuhause und in der Schule, haben wir feststellen müssen, dass wir der „Optimierung“ bedürfen. So, wie wir waren, genügten wir nicht; wir sollten lernen, üben, uns zurückhalten, anpassen, brav und lieb sein, uns nicht „so anstellen“ und so weiter. Dabei gingen Erwachsene und auch Gleichaltrige tausende Male über uns beziehungsweise unsere Gefühle und Wahrnehmungen — und damit über unsere Würde — hinweg.

Wer kann heute sagen, dass er davon ausgenommen war? Wessen Eltern waren derart sensibel, reflektiert und einfühlsam, dass sie diese Lebens-/Lern-Prozesse ihrem Kind transparent machen konnten?

Wohl die Wenigsten.

Der Minderwertigkeitskomplex

Das führt bei Erwachsenen schließlich zu gigantischen Kompensationsmanövern. Der Minderwertigkeitskomplex lässt Masken entstehen, die der Träger nicht mehr von seiner natürlichen Person, seinem Wesenskern, unterscheiden kann. Funktion und Rolle werden überhöht. Im Resultat glauben wir, unseren Wert beweisen und nach außen nachweisen zu müssen, beispielsweise durch Status, Besitz oder Kompetenzen. Form und Inhalt werden vertauscht; das Außen, das Messbare, das Sichtbare, tritt an die Stelle des natur-(gott-)gegebenen Menschen-Wertes. Tiefe geht verloren, denn sie wird nicht mehr erlebt und gefühlt, weil Tiefe nur aus dem Sein, niemals aus dem Haben, inbegriffen Stellung, Status, Alter, erlerntes Wissen et cetera, kommen kann.

Besonders der westliche Mensch sieht sich dauerhaften seichten Vergnügungsangeboten gegenüber ebenso wie der Anforderung, seiner Rolle im System gerecht zu werden. Die Gegenwart, also die Summe der Bedingungen des Augenblicks wird dadurch abgewertet, dass sie oft nur der Optimierung einer vorweggenommenen Zukunft dient. Wir sind immer unterwegs, dorthin, wo es dann endlich besser sein soll.

Dabei sind alle Statussymbole fragile Größen, denn sie können ständig übertroffen werden. Das ist sogar inhärentes Ziel aller technischen Entwicklungen: Der Markt wird schon lange nicht mehr vom tatsächlichen Bedarf bestimmt, sondern ein künstlich geschaffener Bedarf ernährt den Markt, dessen tatsächliches Ziel nicht mehr in der Bedürfnisstillung des Individuums besteht, sondern in der Generierung von Kapital. Aber das wissen wir im Grunde genommen ja. Der Markt ist zu einem „Golem“ geworden, einem unersättlichen Monster, welches alles zu steuern scheint. Das verstärkt den Selbstzweifel des Menschen ständig — und damit seine Angst. Wieso die Angst?

Die Angst, morgen nicht mehr den Ansprüchen anderer zu genügen, mithalten zu können, eben minderwertig gegenüber den Anforderungen dieser Welt und seiner Mitmenschen zu sein. Das Diktat des Monsters heißt Wachstum und es erzeugt einen latenten Druck auf den Einzelnen, der fürchten muss, in irgendeiner Weise den Anschluss zu verlieren.

Gegenwärtig wird dieser Druck durch einen Gesundheitsabsolutismus verstärkt. Die Selbstbestimmung über meinen Körper steht auf einmal in einem Zusammenhang mit meiner beruflichen und gesellschaftlichen Validität.

Das nagt am Vertrauen; nicht nur am Vertrauen in mich selbst, also an meiner Natur mit all ihren Eigenheiten, das Vertrauen, so, wie ich bin, richtig und damit auch eine Bereicherung für die Gesellschaft zu sein, für mich in jeder Hinsicht sorgen zu können. Es fehlt auch das Vertrauen in meinen Nächsten, in seine Loyalität und Integrität und letztlich in das Leben selbst. Und jetzt entsteht ein Teufelskreis: Fehlendes Vertrauen führt notwendig zu Angst. Diese Angst wird „sublimiert“, das heißt, sie nimmt gesellschaftlich akzeptable und scheinbar den Bedingungen angepasste Formen an wie Arbeitseifer, Zielstrebigkeit, Ehrgeiz, Sparsamkeit, Angepasstheit und vieles mehr.

Alles unter Kontrolle?

Der Kreis schließt sich und erzeugt die größte Krankheit der Menschheit: die Kontrollsucht. Kontrolle ist bei näherem Hinsehen fast immer der Versuch, der Angst Herr zu werden. Die Kontrolle ist der Versuch, das Unwägbare abzuschaffen, das nicht Verstandene zu eliminieren, dem Fremden die Bedrohlichkeit zu nehmen, die Unsicherheit der eigenen Existenz gegen Kalkulierbarkeit zu tauschen. Wir kontrollieren eine nicht kontrollierbare, sich ständig wandelnde Wirklichkeit und ersticken in der selbstgemachten Zwangsjacke.

Wir verlieren den Kontakt zu unserer inneren Wahrheit, zu unserer Intuition, unserer Lust, zu dem, was wir wirklich sind und wollen. Wir legen über alles Leben ein „Müssen“, denn sonst ist es nicht mit dem Regelwerk unserer Kontrollsysteme kompatibel.

Ich betone, dass es mir hier nicht um die Fähigkeit des Menschen geht, seine Umwelt in gesundem Maße den eigenen Bedürfnissen dienlich und nutzbar zu machen, also seinen anthropologischen Ausdruck zu negieren. Ich meine das Übermaß und das Diktat dessen, was sich zu einem Golem, zur „Mega- Maschine” entwickelt hat und allumfassend und daher unsichtbar geworden ist.

Allerdings bringt Kontrolle alles Lebendige zum Stillstand. Alles Existierende ist einem beständigen Wandel unterworfen; selbst die atomare Struktur eines Granitfelsens verändert sich dauernd. Umso mehr ist Veränderung ein Merkmal alles Lebendigen: Entstehung, Geburt, Wachstum, Reife und Zerfall, also Tod, sind die universellen zyklischen Eigenschaften alles Lebendigen. Vor „Einführung“ des monotheistischen Gottesbildes — also in der mystisch-animistischen Phase vor Bildung des Patriarchats — fühlte sich der Mensch als Teil der Welt und als ihr integraler Bestandteil.

Das Kommen und Gehen der Jahreszeiten, Geburt und Tod, alles war schicksalhaft mit dem eigenen Leben verknüpft. Darin lag nicht etwa ein hilfloses Ausgeliefertsein, als welches wir das heute gerne interpretieren. Auch ist das kein naiv-animistisches Weltbild. Vielmehr überhöhte der Mensch sein Dasein in diesen Jahrtausenden nicht über seine Umwelt. Er besaß die nötige Demut, seine leibliche Sterblichkeit anzuerkennen und sich in das große organische Gefüge „Welt“ einzufügen, was möglicherweise auch das Problem der Überbevölkerung des Planeten nie aufkommen ließ: Der Zuwachs orientierte sich an dem Maß, welches die Sippe als gesund und tragfähig erkannte. Er nahm sich nicht als getrennt oder gar als Opfer der Rahmenbedingungen seiner Existenz wahr.

Entsprechend definierte sich der Mensch nicht über bestimmte Fähigkeiten, die ihn subjektiv über andere stellten. Er war in der Lage, eine lokale Kultur zu etablieren, die ihn mit seinem Mikro- und Mesokosmos verband. Das heißt, er interpretierte die Welt also weniger, sondern akzeptierte sie. Seine Religion war Ausdruck und Symbol dessen — sie trennte ihn weder von der übrigen Schöpfung ab, noch überhöhte sie seine Rolle. Deshalb konnte er keine Bedrohung für diese Welt werden — nicht, weil er nicht die dazu nötigen technischen Mittel gehabt hätte, sondern weil die heutigen technischen Mittel eine Folge einer Bewusstseinshaltung ist, die sich getrennt von der Welt wahrnimmt.

Mit dem Segen von Oben geht alles

Der Monotheismus änderte das harmonische Eingefügtsein in der Welt. Insbesondere die männliche Spezies entwickelten den Wunsch, sich über die Welt zu stellen, sie zu kontrollieren. Dafür projizierten die ihren Wunsch nach Allmacht auf Gott, der nun Vater-Charakter bekam und diese Haltung nicht nur legitimierte, sondern ihm wurde zugeschrieben, dass er diese auch erwartete.

Intuitiv wusste der Mensch aber um diese Anmaßung. Er wusste, dass jede Überhöhung ihn aus der Einheit mit der Welt hinauskapitulieren würde. Er fiel aus der Einheit in das Getrenntsein: Der Sündenfall vertrieb ihn bildlich aus dem Garten Eden, in dem für ihn gesorgt war, wo er wie ein Kind vom Leben getragen worden war, wo er mit seinem Schöpfer vertraut und ohne hierarchisches Gefälle kommunizierte. Er fiel aus der Würde seiner Mensch-Natur. In der Entwicklung eines jeden Menschen scheint sich diese Geschichte verkleinert zu wiederholen:

Ein Kind möchte nicht herrschen, es möchte in Geborgenheit und Sicherheit leben. Das kleine Kind zweifelt nicht an der Richtigkeit seiner eigenen Natur und der Welt, in welcher es lebt. Das Kind vertraut, es lässt sich überraschen, es weiß, dass es in einer magischen Welt lebt, weil es diese selbst nicht kontrollieren und völlig verstehen kann — es kann staunen, ohne erklären und kontrollieren zu wollen.

Doch mit dem Monotheismus gab es ein neues Credo: „Macht euch die Erde untertan!“ Damit war das Sakrileg, kein Teil des göttlichen Ganzen mehr zu sein, sondern Gott selbst, legitimiert. Der Mensch stellte sich nun über die Welt, über die restliche Schöpfung. Nun konnte er Systeme etablieren, die alleine dem Menschen dienten. Von nun an litt die restliche Schöpfung, der ganze Planet unter dem Menschen. Er begann, seine Trennung vom Rest der Schöpfung auf die eigene Spezies auszuweiten, womit Rassendenken und gewaltigen Kriegen der Weg geebnet war.

Die Würde des Anderen durfte nun missachtet werden — der (Mit-)Mensch wurde zum Mittel. Er wurde nach künstlich und willkürlich gesellschaftlich/ideologisch festgelegtem Wert beurteilt. Seine Rasse, Stellung oder sein Glaube dienten als Bemessungsgrundlage. Als dann später wurde die Welt auch noch als vollständig erklärbar deklariert wurde, wurde alles Mystische, Göttliche und damit alles Heilige zur persönlichen Glaubenssache reduziert. Nun entstand eine unüberwindbare Trennung: der Mensch hier und die Natur dort. Das ebnete den Weg zur völligen „feindlichen Übernahme“ des Planeten durch den Menschen.

Er begann jetzt, die Erde als Ressourcenträger zu sehen, die ausgeschlachtet werden konnte und als Endlager seiner giftigen Hinterlassenschaften herhalten musste. Schließlich wurden alle Bereiche der Menschen verkünstlicht: die Produktion von Nahrung, die Fortbewegung, die Lebensgestaltung, die Unterhaltung, die Kommunikation, die Wohnkultur et cetera. Die natürlichen, kulturellen und geographischen Grenzen wurden aufgeweicht. Eine Pseudo-Weltgemeinschaft entstand ausschließlich auf Grundlage technischer Mittel und Möglichkeiten und einer künstlich geschaffenen und vereinheitlichten Leitkultur, einem illusorischem Ersatz von Verbundenheit. Die Fortführung dieser Entwicklung ist gerade insbesondere im Bereich der persönlichen Kommunikationselektronik zu beobachten: Die eigenen Geräte „kennen“ unsere Vorlieben und Gewohnheiten und binden uns entsprechend in die Cyberwelt ein.

Lost in Space

Nun ist der Einzelne als Individuum gar nicht mehr erkennbar in dieser globalisierten Weite. Er hat keinen Halt mehr in dem Eingebunden sein im Stamm oder der Sippe, welche wiederum eingebunden ist in seine jeweilige Lebenswelt und letztlich im Kosmos. Er ist aber auch nicht frei, denn seine ganze Existenz wird von einem erstarrten Korsett künstlicher Systeme begrenzt, in welchem er nur einen funktionellen und austauschbaren Part einnimmt. Er hat nur die Illusion einer Freiheit, denn sobald er sich außerhalb des Systems bewegt, und sei es nur ideologisch, wird er stigmatisiert; zumindest ist er suspekt. Allein schon der Verzicht auf die Inanspruchnahme der Angebote des künstlichen Systems führt zu Misstrauen ihm gegenüber.

Seine Individualität spielt sich innerhalb der künstlichen Schranken des vermittelten Wissens, des daraus folgenden  kollektiven Denkstils und der gesellschaftlich erlaubten Normen ab.

In einer solchen Welt der Kontrolle wird Glück zu Spaß degradiert und damit zur konsumierbaren Ware, alle Risiken werden maximal unterdrückt, Krankheit ihres Ausdrucks und ihrer Botschaft beraubt und Werte verflacht und standardisiert.

Es existiert ein großes „Nein“: Der große Teil des erstarrten, künstlichen Systems, welchem sich der Mensch unterwerfen und ihm angleichen muss, besteht aus Verboten oder Maßnahmen gegen etwas. Der Kontrollwahn kann nicht zulassen, dass unkalkulierbares geschieht oder gar einer höheren Ursache folgt. Kontrolle ent-spiritualisiert den Menschen, da er von der Prämisse ausgeht, alles folge dem Prinzip von Ursache und Wirkung — allerdings nur auf rein materiell-physischer Ebene, über welche hinaus er kaum eine weitere Wirklichkeit annimmt. Damit hat der Mensch auch vollständig die Verkleidung des Glaubens an einen übergeordneten Gott fallen lassen: Er selbst möchte allmächtig sein.

Allerdings erhält der Mensch im Gegenzug zu seiner Eingliederung in das System ein Surrogat von Sicherheit und Berechenbarkeit, ein kalkulierbares Leben mit einem Morgen, welches ihm bekannt ist, dem er keine kreative Lebendigkeit entgegensetzen muss. Dazu müsste er nämlich dem Leben, welches sich ja gerade durch ihn Selbst ausdrücken möchte, vertrauen. Dazu müsste er spontan sein, seinen Impulsen folgen können. Denn wenn wir ehrlich sind, erkennen wir, dass wir echte Spontaneität kaum kennen. Wir wählen lediglich zwischen bewährten Optionen. Unsere „Vernunft“ ist durch das System geschult und begrenzt unsere Fantasie, unsere Ideen und auch den Mut, diese umzusetzen.

Angekommen in der Gegenwart

So hat sich der Mensch festgefahren in einem Denken, welches die Gegenwart umfassend als Produkt des Fortschritts sieht. Da hat ein Basis-Zweifel keinen Platz. Die Gegenwart ist unserer Auffassung nach unumgängliches Produkt einsichtiger Vernunft und damit alternativlos. Alle Erfahrungen der Vergangenheiten bündeln sich scheinbar im Heute. Wir erschaffen aber lediglich die Reproduktion aller Gewohnheiten und interpretieren die entstehenden Phänomene als Axiome, als unveränderliche Grundwahrheiten. Wir verkennen, dass die uns umgebende Welt nur unser eigenes Spiegelbild, sprich das Spiegelbild unserer Überzeugungen ist. Diese Überzeugungen sind aber fatalerweise Kinder unseres Allmachtwahns und unserer Ängste.

Der Einzelne sieht sich als verlorenen, profillosen Teil einer riesigen Weltgemeinschaft, die nichts zusammenhält außer dem uneingeschränkten Zugriff auf virtuelle Information und dem Glauben an die Unveränderlichkeit und Beständigkeit unserer geschaffenen Welt. Das Leben an sich ist schon lange nicht mehr ausreichend. Wie beim Ausbruch aus dem „Paradies“ muss ein größeres Ziel, ein „besseres Morgen“ der unbewusste Motor sein: Wachstum der Wirtschaft als nicht zu hinterfragendes Paradigma, und damit auch ein ständiges Sich-selbst-Optimieren, um nicht den Anschluss zu verlieren.

Das Halten des Status quo genügt per se nicht aus, um Zufriedenheit zu erzeugen. Der Einzelne ist jetzt noch mangelhaft. Nicht, was ich bereits bin oder besitze zählt, sondern vielmehr das, wozu oder wohin ich noch unterwegs bin. Die höhere beziehungsweise „bessere“ Ausgabe von mir und meinem Leben wartet in der Zukunft. Das kann ein besser trainierter Körper sein, ein dickeres Konto oder auch die Rente. Damit stehe ich in ständiger Konkurrenz mit mir selbst und anderen — denn alle sind im Rennen zur „Optimierung ihrer Selbst“.

Und wo bleibt die Würde nun?

An dieser Stelle kehre ich zurück zum Anfang. All das wäre überflüssig, wenn ich mich selbst, so wie ich bin, akzeptiere und mir Würde zuschreibe. Das ist die Grundlage eines gegenseitigen Respekts auf der tiefsten Ebene des Daseins, der Ebene, auf der alle gleich sind. Es würde das Vertrauen entstehen, dass alles, was ist und geschieht, Ausdruck einer tieferen, komplexeren und kausalen Wirklichkeit ist, in der ich zwar wirke, aber gegen die ich nichts ausrichten kann, sondern deren integraler Bestandteil ich selbst bin. Es wäre wohl ein Vertrauen, das nichts verändern muss, um es den eigenen Vorstellungen anzupassen.

Die Würde verhindert, dass ich mich angegriffen fühle oder „mein“ Land, weil diese Würde tatsächlich unangreifbar ist. Sie ist prä-existent. Sie ist unveränderlicher Teil der göttlichen Ordnung des Ganzen, von welcher meine Existenz Teil ist. Niemand kann mir diese Würde nehmen.

Der erlebte Verlust der Würde ist ein rein innerpsychischer Vorgang. Wir sind im Kampf, weil wir um unsere Würde fürchten. Wir glauben, irgendjemand oder irgendetwas sei Schuld an den Nachteilen oder Mängeln unseres Lebens. Diese Verlagerung nach außen lässt uns auch dort die „Erlösung“ suchen: Status, Besitz, Beziehungen und selbst Gott sollen uns von den Mängeln befreien und uns die Würde zurückgeben, von der wir uns selbst abgekoppelt haben. Andere „schulden“ mir Respekt: Doch niemand ist „Schuld“ am Verlust meiner Würde außer ich selbst.

Gelange ich zu meiner vollen Würde, indem ich das erkenne, verschwindet Schulddenken und wandelt sich in echte Verantwortung. Unterhaltung, unsere Beziehungen zur Natur und zu Menschen, unser Umgang mit „der Natur“ — alles würde respektvoll werden. Wir würden uns wieder harmonisch in das „Große Ganze“ einfügen. Ich müsste nicht mehr maßlos kontrollieren, nicht vereinheitlichen, nicht verbieten, nicht vorschreiben, nicht erreichen, nicht bestehen. Wenn ich das begreife, sehe ich ab sofort da draußen eine andere Welt.


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