Die Weltautopanne
Die Aktionäre bekamen in den letzten Jahren erhebliche Dividenden. Das Geld fehlt jetzt, die Beschäftigten müssen daher einen Rückgang ihres Reallohns in Kauf nehmen.
Die Krise bei Volkswagen bleibt in den Schlagzeilen. Laut einem Medienbericht vom 15. Januar 2025 soll es bei den Beschäftigten von VW Lohnkürzungen geben, wenn sich die Krise weiter zuspitzt (1). Oder werden vielleicht — laut Berliner Zeitung am 16. Januar — gar VW-Werke von Chinesen aufgekauft (2)? Im Dezember 2024 hatten sich die IG Metall und das Management von Volkswagen darauf geeinigt, dass es 2025 keine Lohn- und Gehaltserhöhungen geben würde. Im Gegenzug werde es aber auch keine Werksschließungen geben. Bis 2030 sollen demnach 35.000 Jobs wegfallen. Das entspricht gut 5 Prozent der konzernweit etwa 684.000 Beschäftigten im Jahr 2023 (3). Aber es werde keine betriebsbedingten Kündigungen geben (4).
Dividendenzahlungen von VW
Angesichts der ausbleibenden Lohnerhöhung 2025 oder der eventuell gar kommenden Lohnkürzungen bei weiterer Zuspitzung der Krise soll nun ein Blick auf die Dividendenzahlungen in der jüngeren Vergangenheit geworfen werden.
In den letzten vier Jahren, von 2020 bis 2023, wurden insgesamt 24,707 Milliarden Dividenden ausgeschüttet, inklusive einer Sonderdividende 2023 von 9,6 Milliarden Euro (5). Im Durchschnitt der letzten vier Jahre beschäftigte der VW-Konzern etwa 673.500 Mitarbeiter. Die Lohn- und Gehaltssumme betrug in diesen vier Jahren ungefähr 45,2 Milliarden Euro jährlich, der durchschnittliche Jahreslohn pro Beschäftigtem etwa 67.200 Euro (6).
Teilt man die durchschnittlichen jährlichen Dividendenzahlungen der letzten vier Jahre, das heißt 6,175 Milliarden Euro, durch die Zahl der durchschnittlichen Beschäftigten, das sind 673.500, erhält man etwa 9.170 Euro pro Jahr pro Mitarbeiter. Anders ausgedrückt: Wäre die Dividende an diejenigen gezahlt worden, die arbeiten, statt an die Aktionäre, die meist sehr weit weg wohnen und das Unternehmen selten oder nie betreten, hätte jeder Beschäftigte jedes Jahr 9.170 Euro oder 13,6 Prozent mehr verdient. Allen arbeitenden Menschen bei VW wurden in den letzten vier Jahren jedes Jahr etwa 9.170 Euro beziehungsweise 13 Prozent vom Lohn abgezogen, um ihn an die Aktionäre zu überweisen.
Dieses Geld — insgesamt knapp 25 Milliarden Euro — fehlt jetzt. Dividenden verlassen das Unternehmen und stehen nicht mehr als Reserve oder für Investitionszwecke zur Verfügung. Dafür müssen die Beschäftigten jetzt den Gürtel enger schnallen und auf eine Lohnerhöhung verzichten, weil es VW schlecht geht.
Wer bekommt die Dividenden? Wem gehört VW?
Damit stellt sich die Frage: Wer bekam eigentlich die knapp 25 Milliarden Euro Dividendenzahlungen in den letzten vier Jahren? Die Aktionäre. Wer sind die Aktionäre? Die Aktionärsstruktur bei VW sieht folgendermaßen aus (7): 31,9 Prozent Porsche Automobil Holding SE, 20 Prozent institutionelle Anleger Ausland, Qatar Holding 10 Prozent, Land Niedersachsen 11,8 Prozent, Privataktionäre/Weitere 24,1 Prozent, institutionelle Anleger Inland 2,3 Prozent. Da die Dividendenzahlungen für Stamm- beziehungsweise Vorzugsaktien in den letzten vier Jahren praktisch identisch waren, braucht man hier also kaum zu unterscheiden.
Nehmen wir zur Illustration den größten, einflussreichsten und daher wichtigsten Hauptaktionär, die Porsche Automobil Holding SE. Sie besitzt 31,9 Prozent aller Aktien des Volkswagen-Konzerns. Da sie aber einen Großteil der Vorzugsaktien innehat, hat die Holding 53,3 Prozent der Stimmrechte bei Volkswagen. Das Land Niedersachsen hat 20 Prozent der Stimmrechte, Qatar Holding 17 Prozent.
Wem gehört die Porsche Automobil Holding SE?
Wem gehört die Porsche Automobil Holding SE? Laut Geschäftsbericht 2023 (8) gehören 50 Prozent aller Aktien den Familien Porsche und Piech, und zwar alle Stammaktien, die allein stimmberechtigt sind. Die beiden Familien haben also das alleinige Sagen bei der Porsche Holding und sie erhalten normalerweise 50 Prozent aller Dividenden.
An die Porsche Holding flossen in den letzten vier Jahren von VW etwa 7,9 Milliarden Euro Dividenden, circa 31,9 Prozent der 24,707 Milliarden Euro Dividendenzahlungen. Davon die Hälfte, also gut 3,9 Milliarden Euro, gingen letztlich an die beiden in Österreich wohnenden Familien Porsche und Piech.
Von 2020 bis 2023 wurden also den etwa 673.000 Beschäftigten bei Volkswagen im Durchschnitt jedes Jahr etwa 9.170 Euro oder 13 Prozent vom Lohn abgezogen, um den beiden Familien Porsche und Piech 3,9 Milliarden Euro zukommen zu lassen, sowie den übrigen, normalerweise sehr wohlhabenden Aktionären (9) 20,8 Milliarden Euro Dividenden auszuzahlen — Ausnahme Land Niedersachsen, die davon knapp drei Milliarden bekamen.
Für 2025 ist geplant, eine Dividende auf Vorzugsaktien in Höhe von 9,06 Euro, dasselbe wie für 2024, auszuschütten (10). Das wären etwa 1,868 Milliarden Euro. Die Vorzugsaktionäre brauchen also nicht auf ihre erwerbslosen, Nicht-Arbeits- oder leistungslosen Einkommen zu verzichten. Die Beschäftigten hingegen bekommen trotz anziehender Inflation — in Deutschland im Dezember 2024 2,6 Prozent (11) — keine Lohnerhöhung, verdienen somit real weniger als im Vorjahr.
Fazit
VW gehört von den Stimmrechten her zu 53,1 Prozent der Porsche Automobil Holding. Die Holding gehört von den Stimmrechten her zu 100 Prozent den beiden Familien Porsche und Piech. Die beiden Familien Porsche und Piech sind daher die wahren Chefs von Volkswagen. Sie haben das Sagen, sie haben die absolute Mehrheit auf der Hauptversammlung von VW (12).
Von der Kapitalseite her gehören der Porsche Automobil Holding 31,9 Prozent aller Aktien von VW. Sie bekommt daher in der Regel knapp ein Drittel aller VW-Dividenden. Die Porsche Holding gehört von der Kapitalseite her zu 50 Prozent den beiden in Österreich wohnenden Familien Porsche und Piech. Die beiden Familien bekamen daher in den letzten vier Jahren knapp 16 Prozent aller VW-Dividendenzahlungen. Das waren etwa 3,9 Milliarden Euro.
Von 2020 bis 2023 wurden den etwa 673.000 Beschäftigten bei Volkswagen im Durchschnitt jedes Jahr etwa 9.170 Euro oder 13 Prozent vom Lohn abgezogen, um den beiden Familien Porsche und Piech 3,9 Milliarden Euro und den übrigen, in der Regel sehr wohlhabenden Aktionären — Ausnahme Land Niedersachsen, die davon knapp drei Milliarden bekamen — etwa 20,8 Milliarden Euro zukommen zu lassen.
Das Geld fehlt jetzt im Unternehmen. Daher müssen die Beschäftigten nun auf Lohnerhöhungen verzichten, einen Reallohnrückgang auf sich nehmen und den Gürtel ein wenig enger schnallen.
Ist das gerecht? Macht das ökonomisch Sinn? Wollen wir das wirklich?