Die Wahl-Farce
Die Demokratische Partei der USA ist nicht mehr zu retten.
In seinem Artikel zur Wahlstrategie „Das kleinere Übel wählen“ lässt uns Nick Pemberton an seinen Gedanken zu den Midterm-Wahlen in den USA teilhaben. Er zieht einen großen Bogen von Chomskys Wahlverhalten über Bernie Sanders' Verrat am Radikalen bis zum großen Problem der Democratic Party — sie vermag in ihrem kalten Intellektualismus nicht zu inspirieren. Halten Sie durch — zum Ende hin erfahren sie, in welches Haus aus der Harry-Potter-Serie die Democratic Party passen würde: Slytherin oder Ravenclaw?
Warum die Demokratische Partei nicht mehr zu retten ist
von Nick Pemberton
„Wir müssen uns zwei Fragen stellen. Die eine ist moralischer Art: Soll man seine Stimme gegen das „größere Übel“ trotzdem abgeben, auch wenn man den anderen Kandidaten nicht mag? Die Antwort darauf ist „ja“. Wenn man auch nur ein wenig Moralverständnis hat, möchte man das größere Übel vermeiden. Die zweite Frage ist sachlicher Art: Wie stehen Trump und Clinton im Vergleich da? Ich denke, sie unterscheiden sich sehr. Ich mochte Clinton gar nicht, aber ihre Positionen zu jedem erdenklichen Streitpunkt sind so viel besser als die Trumps.“ – Noam Chomsky
„Wenn nicht ich, wer denn? Wenn nicht jetzt, wann dann?“
– Emma Watson
Ja, es stimmt, das zweite Zitat stammt ursprünglich von Hillel dem Älteren, aber Watson machte es berühmt und wird später noch einmal zur Sprache kommen.
Zu klug, um zu hoffen?
Aber zuerst zu Noam Chomsky. Noam Chomsky ist zu klug, um jemals zu lügen. Vielleicht ist er aber ein kleines bisschen zu klug, um zu hoffen. Abgesehen davon ist er jedoch eine der großen Gestalten unserer Zeit.
Chomskys Meinung zum Wählen des geringeren Übels zu beurteilen ist schwierig, weil er in allem anderen Recht zu haben scheint. Ich gehöre nicht zu denen im linken Spektrum, die keinen Unterschied zwischen den beiden Parteien sehen. Trump ist besonders schlecht. Die beiden Parteien unterscheiden sich offensichtlich genug, um die Wahlnacht der Aufgabe zu widmen, die Republikaner nicht gewinnen zu lassen, egal wie sehr man mit den Demokraten nicht übereinstimmt.
Ausschluss von Wählern
Dennoch ist das Wählen in unserer so genannten Demokratie nicht immer so einfach. Greg Palast hat die neuesten „voter purges“ (das heißt die Entfernung von Wählern aus den Wählerverzeichnissen; Anmerkung der Übersetzerin) in den USA nachverfolgt. Besonders düster war die Lage in Georgia, wo die Grand Old Party (GOP, damit ist die Republikanische Partei gemeint; Anmerkung der Übersetzerin) einen von zehn Wählern ausgeschlossen hat!
Ungeheuerlich. Palast weist auf den Rassismus hin, der der Überprüfungsmethode innewohnt: Einer von sechs Latinos ist auf der Überprüfungsliste, während es einer von neun Schwarzen ist. Dies ist ein strategischer Schachzug. Republikaner wissen, dass sie sich – schlicht aufgrund von Rassenidentifikation – auf verblödete Weiße verlassen können, wenn es darum geht, ins Amt gewählt zu werden.
Wie sonst würde die fürchterliche GOP weiter gewinnen? Mitch McConnell machte gerade Medicare, die Sozialversicherung und Medicaid für das Staatsdefizit verantwortlich. Umfragen zeigen, dass die große Mehrheit der US-Amerikaner diese Maßnahmen beibehalten möchte – und trotzdem werden Trottel wie McConnell weiterhin gewählt.
Die Entrechtung von Wählern, absurd hohe Ausgaben für Wahlkampagnen, Massendesinformation und eine „beklagenswerte“, verblödete und bigotte Bevölkerung sind die einzigen Dinge, die den Republikanern einen Vorteil verschaffen — abgesehen von ihrer Geheimwaffe: eine angebliche „Widerstands“-Partei, die mehr auf Kompromisse und Konzernunterstützung bedacht ist als auf den Willen des Volkes.
Es gibt tatsächlich ein „geringeres Übel“…
Und doch gibt es Unterschiede zwischen den beiden Konzern-Parteien – ich stimme also mit der moralischen Frage überein, die Chomsky aufwirft. Dass man einen Demokraten nicht „mag“, ist kein Grund, ihn nicht zu wählen. Täte man das, würde man seine eigenen Gefühle über das Wohlergehen der Arbeiterklasse weltweit stellen.
Und ich gebe zu, dass dies manchmal ein Problem der Linken ist. Manchmal ist unsere stärkste Motivation der Hass auf die Demokraten– warum auch immer. Vielleicht geht es um eine Rebellion gegen den Liberalismus. Vielleicht wollen wir uns aber auch so anhören, als seien wir der Zeit voraus. Vielleicht setzen wir auch zu viel Hoffnung in die Demokraten und empfinden sie dann als Freunde, die uns enttäuscht haben.
Wie auch immer — ich denke, das Vernünftigste ist, ehrlich zu sein. Die Demokraten sind wirklich schlecht und der Liberalismus bringt es meist nicht, aber sie bleiben trotzdem bei Weitem besser als die Republikaner.
…aber muss man es auch wählen?
Aber hier beginne ich nun, nicht mehr einer Meinung mit Chomsky zu sein. Für ihn scheint nur ein kleiner Teil des Landes so zu empfinden – selbst wenn jeder einzelne von ihnen einen Blog betreibt.
Die Annahme, dass die meisten Nichtwähler oder Wähler von Drittparteien ohne moralische oder sachliche Orientierung handeln, ist schlicht nicht richtig. Die Demokraten nicht zu wählen, kann pragmatische Gründe haben. Jeder, einschließlich Chomsky, würde zugeben, dass beide Parteien viel schlimmer geworden sind und dass die Strategie, das geringere Übel zu wählen, daran nichts geändert hat. Wenn diese Strategie unser einziges Wahlprinzip ist, verlassen wir uns ausschließlich auf Relativität. Zwischen dem, was wir als richtig oder falsch empfinden, gibt es keine roten Linien.
Chomsky hat jedoch auch hierfür eine gut nachvollziehbare Antwort. Ich bin mir sicher, dass er mir darin zustimmen würde, dass Radikalismus meist vernünftig und moralisch ist. Auch könnte er mit mir darin übereinstimmen, dass die Radikalen die einzigen vernünftigen und moralischen Menschen in unserem politischen System sind.
Er argumentiert jedoch, dass Wahlkampfpolitik meist nicht der Ort ist, an dem radikale Veränderungen stattfinden. Ähnlich verstand es W.E.B. Du Bois, als er das Wählen als einen Akt der Selbstverteidigung bezeichnete. Der Ausgang von Wahlen kann gesteuert werden. Und Chomsky glaubt, man sollte diese Ergebnisse steuern. Um eine berühmte Aussage von Reinhold Niebuhr zu zitieren: „Gott gebe mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann, den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann, und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.“
Protestwählen und Nichtwählen
Seine Stimme für eine dritte Partei abzugeben ist fast überall in diesem Land einfach eine Protestwahl, mit der der Wähler seinen Einfluss auf die wahrscheinlichen Ergebnisse dieser Wahl verwirkt — was schwer zu widerlegen ist. Für niemanden zu stimmen ist ein noch stärkerer Protest mit gleichzeitig noch weniger Chancen, die Wahlergebnisse irgendwie positiv beeinflussen zu können.
Das Wahlsystem ist so aufgezogen, dass jeder anständige Kandidat einfach aus dem Prozess herausfällt oder sabotiert würde, wenn er sich doch durchsetzen könnte – siehe Bernie Sanders, für den ich weiter unten ein paar harte Worte übrig habe.
Chomsky argumentiert, dass wir uns nicht so sehr auf die Wahlkampfpolitik fokussieren sollten. Es sei viel wichtiger, den Rest des Jahres über engagierte Bürger zu sein. Da stimmen wir voll überein. Ich möchte auch zustimmen, dass uns das Wählen des geringeren Übels, wenngleich es auch keine der Parteien irgendwie verbessert hat, uns doch vor so manchem Republikaner gerettet hat – was ein Segen ist.
Ich denke also, dass Noam Chomsky teilweise Recht hat. Radikale Politik ist notwendig.
Wahlkampfpolitik bringt uns derzeit keine radikalen Ergebnisse. Indem man das geringere Übel wählt, können bei bestimmten Wahlen bessere Ergebnisse erzielt werden.
Vom Untergraben des Radikalen
Aber hier hört bereits meine Übereinstimmung mit Chomsky auf. Er meint, dass Wählen und Radikal-Sein in den heutigen dunklen Zeiten voneinander getrennt werden könnten und sollten. Die Wahlen bleiben jedoch – was auch immer geschieht – ein wichtiger Teil unserer politischen Kultur. Indem man das Wählen des geringeren Übels befürwortet, untergräbt man schlicht und einfach radikale Kandidaten. Man untergräbt damit sogar nicht ganz so radikale Kandidaten, die die USA ganz wesentlich zum Besseren verändern könnten.
Bernie Sanders´ Kapitulation
Ich spreche hier von der Kampagne des Bernie Sanders. Bernie und Chomsky hatten letztendlich dieselbe Haltung gegenüber den Wahlen – große und aufregende Ideen zu präsentieren ist schon in Ordnung, aber man kann sie durch Wahlpolitik nicht verwirklichen.
Als Bernie Sanders Hillary Clinton unterstützte, untergrub er die gesamte Bewegung, die er geschaffen hatte. Man könnte nun behaupten, dass diese zynische Unterstützung Donald Trump besiegen hätte können — ups.
Bernies Kapitulation hatte aber abgesehen davon, möglicherweise das weit größere Übel Donald Trump vom Weißen Haus fernzuhalten, weitere Konsequenzen. Eine davon war, dass die Sanders-Bewegung im Keim erstickt wurde – eine Konsequenz, die zweifellos den Unterschied zwischen Clinton und Trump überwog.
Wenn man sich weigert zu glauben, dass Wahlpolitik ein Ort für radikale Politik sein kann und sollte, ignoriert man Volksbewegungen weltweit und besonders in Südamerika – Bewegungen, die der Imperialist Bernie Sanders natürlich untergraben würde. Chomsky merkte an, Bernie Sanders´ Erfolg sei bei Weitem das bemerkenswerteste Ereignis der Wahlen 2016 gewesen – er hatte Recht. Ein griesgrämiger, unbekannter Alter beflügelte die Vorstellungskraft einer ganzen Nation – ohne Geld, ohne Hilfe durch die Presse, ohne Unterstützung seiner eigenen Partei und wirklich ohne Verbündete in der Volkskultur oder im öffentlichen Diskurs. Wie Chomsky sagen würde – bemerkenswert.
Dann ist also die US-amerikanische Öffentlichkeit radikaler als wir denken. Und ganz klar ist dieser Teil oft von der Wahlpolitik abgekoppelt.
Indem er seine Bewegung aufgab, bevor sie richtig ins Laufen kam, stellte Bernie Sanders sicher, dass ein radikales Ergebnis bei den Wahlen nicht mehr möglich war. Er hätte es versuchen und abwarten können, was passiert – aber das tat er nicht.
Altmodische Ritterlichkeit oder radikal und revolutionär?
Ich erinnere mich an ein Interview mit Noam Chomsky auf Democracy Now! während der Vorwahlen der Democratic Party. Amy Goodman fragte ihn, wen er bevorzuge und er sagte, er zöge Bernie Sanders in den Vorwahlen vor. Er merkte aber auch an, dass er Clinton in den Parlamentswahlen unterstützen würde, wenn sie Sanders in den Vorwahlen besiegte. Dies schien eine unnötige frühe Zustimmung zu sein. Sanders gab sich auch Mühe, das Feuer schon im Keim zu ersticken, als er sich dafür entschied, Clinton während der Vorwahlen niemals zu kritisieren. War es altmodische Ritterlichkeit, die diese beiden Männer zurückhielt oder war es etwas viel Ernsteres?
Man muss wirklich Mr. Chomsky – der sich selbst radikal nennt – und Mr. Sanders, der sich selbst als Revolutionär betitelt, fragen, was genau die Ziele des Wahlkampfes von Sanders gewesen sind. War das Ziel jemals gewesen, wirklich an die Macht zu kommen? Wir sehen jetzt nämlich, wie die von Sanders unterstützten Kandidaten in den Midterms von 2018 größtenteils vernichtet werden. Sie werden überboten. Und Sanders wird jammern – so wie auch Chomsky jammern wird –, aber warum soll dies dem einen Prozent etwas ausmachen?
Es herrscht hier der Glaube, dass radikale Politik in den USA nie möglich sein werde. Sanders war nicht einmal ein Radikaler! Er war ein tollwütiger Imperialist mit ein wenig Reformkapitalismus im Hirn. Aber offensichtlich dachten Chomsky und Sanders, das sei viel zu links für den durchschnittlichen US-Amerikaner!
Frische Brise, vom Sturm verschreckt
Dass in den USA niemand wählt, liegt nicht darin begründet, dass wir alle Snobs sind. Es liegt daran, dass Menschen in die Politik oder irgendetwas anderes investieren, wenn etwas Gutes dabei herauskommen kann. Sanders, ein relativ vernünftiger, aber mitschuldiger Demokrat, war eine solche frische Brise, dass Millionen loszogen, um zu organisieren, zu wählen und Türen einzurennen.
Mr. Sanders war jedoch offenbar ein ungläubiger Prediger. Abend für Abend erklärte er seiner Gemeinde, wie Gott sie alle retten würde. Als jedoch der erste Sturm aufzog, brachte sich Sanders in Sicherheit.
Dahinter steckt eine Strategie – eine Strategie, die davon ausgeht, dass im besten Fall die Demokraten gewinnen. Wenn dies nur ein strategischer Schachzug ist – so sei es. Es zeigt jedoch, dass die Sanders-Bewegung weit hinter – und nicht an der Spitze – der US-Bevölkerung stand, die bereit für eine radikale Veränderung und des Duopol-Zustandes überdrüssig ist.
Das Volk sollte regieren - nicht das eine Prozent
Ja, man kann davon überzeugt sein, dass alle Regierungsvertreter von Natur aus repressiv sein werden und dass der Wandel vom Volk ausgehen muss – obwohl auch dies von der Zahl der progressiven Regierungen in Südamerika widerlegt wird. Und doch müssen wir bei der Entscheidung, wer regiert, mitreden können, wenn wir Macht gewinnen wollen. Wie wahrscheinlich ist es, dass ein Trump oder eine Clinton dem progressiven Teil der Bevölkerung zuhören, wenn das eine Prozent den Weg ins Weiße Haus finanziert?
Damit ein Politiker wirklich für die Menschen verantwortlich sein kann, muss er vom Volk gewählt werden – und nicht von dem einen Prozent. Es ist sonnenklar, dass die Duopol-Parteien, wie sie sich heute darstellen, den Bedürfnissen der Menschen nicht dienen. Und doch glaubt Sanders irgendwie, die beste Strategie, dies zu ändern, bestehe in einer Art kulturellem Wandel der Gesprächsthemen, der auch den Sozialismus einschließt.
Der Großteil meiner Generation ist vom Sozialismus überzeugt – deswegen wird er aber noch lange nicht realisiert.
Sanders konnte sich populärer Stimmungen bedienen und eine fantastische, wenngleich letztendlich selbst-sabotierende Wahlkampagne führen. Er scheuchte diese Stimmungen schnell in das „große Zelt“ der Demokraten zurück.
Eine solche Strategie bremst positiven Wandel aus. Die Democratic Party behauptet sich nicht als ideologische Institution – da niemand ihrem Mist mehr Glauben schenkt –, sondern als eine Institution der Regierungsherrschaft. Deswegen ist die Strategie Chomskys, eine Ideologie durch positive Bewegungen zu verändern, die die Regierungsmacht nicht übernehmen – wie Sanders –, so rückwärts gewandt.
Zustimmungswerte im einstelligen Bereich
Das Problem besteht nicht darin, dass die Menschen nicht radikal sind. Die meisten werden so ausgebeutet, dass sie gerne schon vor Chomsky und Sanders die Chance für eine Revolution ergriffen hätten. Das Problem ist nicht die Ideologie – es ist die Macht. Und die Demokraten und Republikaner haben alle Macht in der Hand, obwohl niemand gutheißt, was sie tun.
Schauen wir uns doch mal die Zustimmungsrate für den Kongress an. In vielen Umfragen bewegt sie sich im einstelligen Bereich. Zu glauben, dass Sanders´ Bewegung ein Erfolg war, heißt auch anzunehmen, dass die Arbeitenden keine eigene Kritik am Kapitalismus hervorbringen würden – vielleicht würden sie dies nicht so formulieren, aber das halbe Land, das von der Hand in den Mund lebt, hat ganz sicher etwas gegen das System zu sagen.
Sanders einen Erfolg zuzuschreiben bedeutet auch, den Machtmechanismen gegenüber blind zu sein. Niemand gibt seine Macht auf, nur weil sich da Menschen beschweren.
In diesem Land verändert sich die Politik durch Wahlen. Revolutionen – wenn Sanders überhaupt weiß, was dieses Wort bedeutet – sind eine letzte und wahrscheinlich schmerzliche Hoffnung. Wenn dies notwendig ist, dann sei es so. Wir kamen jedoch niemals nahe genug, um es herauszufinden. Aber weinen wir Sanders´ Blindheit keine Träne nach. Seine Politik war nie revolutionär, warum sollte also seine Strategie revolutionär gewesen sein?
Es ist nun offensichtlich, dass nicht nur das Wählen des geringeren Übels uns dorthin gebracht hat, wo wir uns heute befinden. Demokraten und Republikaner werden nicht einfach dadurch schlimmer, wie wir wählen. Um Bernie Sanders zu zitieren: der Grund sind längere Arbeitszeiten für weniger Geld.
Die Menschen fühlen sich in ihren Arbeitsverhältnissen weniger sicher, sie haben weniger Zeit und Energie für Politik und sind im Zeitalter der Technologie weniger miteinander verbunden. Die Presse ist korrupt, der Reichtum hat sich konsolidiert und der Rückschritt in Richtung Sechzigerjahre ist echt. Egal, wen wir in den letzten fünfzig Jahren gewählt haben – wir hätten die Entwicklung wahrscheinlich sowieso nicht ändern können.
Ein Feuer entfachen!
Trotzdem – wenn Wahlpolitik auch nur eine geringe Wirkung zeigt, sollten wir uns ihr zuwenden. Mir selbst scheint es unmöglich, Wahlpolitik von radikaler Politik zu trennen.
Die wirkliche Frage lautet nämlich, worauf wir noch immer warten.
Ja, es scheint gerade unmöglich, irgendjemanden aus dem linken Spektrum zu wählen. Und ja, es scheint auch in der nahen Zukunft keinerlei Hoffnung zu geben. Dies kann sich aber schnell ändern. Eine Bewegung kann angefacht werden. Und wenn wir dann gerade damit beschäftigt sind, die Republikaner zu stoppen, während diese Bewegung an Fahrt aufnimmt, könnten wir den richtigen Zeitpunkt verpassen.
Wenn wir das Gefühl haben, wir müssten unsere Hoffnung auf etwas Besseres unterdrücken, weil wir etwas Schlechteres befürchten – was ist dann aus uns geworden?
Hier wird das Ganze etwas theoretisch und unpraktisch. Bleiben Sie bei mir! Gewiss, die Zeichen stehen gegen uns. Dies ist jedoch eine Kultur, die auf Gefühle statt auf vernünftige Argumente baut. Politik war schon immer so. Und darin besteht der Hauptfehler in der Strategie der Liberalen.
Arbeitende sind weitaus rationaler als Sanders, Chomsky und so weiter. Man erkennt ganz klar, dass Demokraten und Politiker und dergleichen uns keine konkreten Verbesserungen bieten. Nur eine übermäßige Rationalität, die sich völlig von der Realität abgespalten hat, kann der Lebenswirklichkeit der meisten Menschen gegenüber blind bleiben.
Es ist vernünftig, die Demokraten nun loszuwerden. Menschen als zu idealistisch zu tadeln, die von den Demokraten im Stich gelassen wurden, ist dagegen sentimental. Es ist idealistisch, an die Demokraten zu glauben, wenn sie uns alles andere als vorwärtsbringen. Eine weitaus besonnenere Entscheidung liegt darin, in etwas zu investieren, das dein Leben und das deiner Liebsten zum Besseren verändert. Auch wenn dieses Etwas noch nicht existiert, ist es eine bessere Investition.
Und sich vom Wandel abzuwenden, bevor er überhaupt in Gang kommt – wie vernünftig ist denn das?
Ohne Drittparteien kein Ende der Sklaverei
Apropos vernünftig – Chomsky täte gut daran, der einflussreichsten politischen Gestalt unserer Zeit zuzuhören: dem großen Ralph Nader. Mehr Ein-Mann-Revolution als Nader kann man gar nicht sein. Er hat sich jahrelang in echte Politik mit echter Macht eingemischt – und dabei nie Strategie und Ziel aus den Augen verloren. Nader ist so besonnen, dass man vor Freude am liebsten lachen würde, wenn man ihn anhört. Der Rest der politischen Klasse ist reaktionär und geschichtslos.
Als Nader also neulich in seiner Radiosendung zum Wählen einer Drittpartei befragt wurde, gab er eine weitaus weniger gefühlsgeladene Antwort als es Chomskys Geschimpfe war. Er wies einfach auf die historische Wirksamkeit von Drittparteien hin. Er sagte, wie dankbar er darüber sei, dass Menschen für Anti-Sklaverei-, Frauenrechts- und Industriearbeiter-Parteien gestimmt hatten, als diese nicht populär waren.
Franklin D. Roosevelt, der vielleicht progressivste Präsident der USA, wurde von Drittparteien nach links gedrängt, erklärt Nader. In fortschrittlichen Momenten gab es in unserem Land eine zukunftsfähige dritte Kraft, die den Demokraten Stimmen abzunehmen vermochte. Deswegen mussten die Demokraten manche der beabsichtigten Programme übernehmen.
Was für eine vernünftige Reaktion, verglichen mit der des Schäferhundes Bernie Sanders! Wenn Demokraten wissen, dass du umkippst, werden sie dich nie ernst nehmen! Genau dies ist der Grund dafür, dass Republikaner nie mit Demokraten verhandeln. Demokraten geben immer nach.
Es ist traurig, wenn Ralph wegen George W. Bush verantwortlich gemacht wird – ist er doch einer der Wenigen, die die Republikaner ernsthaft bekämpft haben. Manchmal habe ich das Gefühl, wir seien einberufen, die Demokraten zu repräsentieren – und nicht anders herum. Gerade jetzt sehe ich mehr Beschwerden über Angehörige von Drittparteien als über Demokraten. Wenn Demokraten gewählt werden wollen, sollten sie uns etwas anbieten. Warum müssen sich die Menschen den Demokraten gegenüber beweisen?
Bewegungen „von unten“
Ralph (…) Nader erkennt, dass es ein kleiner Teil der politisch engagierten Bevölkerung ist – nur ein Prozent –, der die Gesellschaft verändern wird. Er weiß, dass viele sich unter einer Propagandaglocke oder einem Zauberbann befinden, argumentiert aber, dass die Leute wissen, was los ist.
Drittparteien-Bewegungen sind schlicht Bewegungen von unten und repräsentieren deswegen einen großen Teil der Bevölkerungsinteressen.
Ob nun diese Drittparteien die finanziellen Mittel zur Teilnahme am Wahlkampf erhalten oder nicht – sie können den Demokraten beweisen, dass es im linken Spektrum Stimmen zu gewinnen gibt.
Es gibt eine überflüssige Debatte darüber, ob die Democratic Party von innen oder von außen gestürzt werden soll. Beides wird nötig sein. Es gibt noch immer, vor allem auf lokaler Ebene, gute Leute in der Democratic Party. Diese Menschen verdienen es, dass man sie unterstützt und die Werbetrommel für sie rührt –aber nicht wegen, sondern trotz ihrer Zugehörigkeit zu ihrer Partei. Wenn es einen Kandidaten mit ähnlichen Eigenschaften außerhalb der Democratic Party gibt, ist das auch klasse.
Ein Jeder braucht Sündenböcke
Zu oft verfällt die Linke in ihrer Besessenheit von der Democratic Party in eine sektenartigen Trance von Reinheit und Sündenbock-Denken. Es gibt anständige Leute in der Regierung und meiner Meinung nach sollten die Linken, was die Regierung anbelangt, nicht so zynisch sein.
Donald Trumps Säuberung der Regierungsbehörden zeigt, warum wir dem öffentlichen Sektor weitaus mehr als dem privaten Sektor trauen sollten. Donald Trump führte eine Kampagne des Inhalts „es ist alles korrupt“ und „den Sumpf austrocknen“. Solange wir nicht anerkennen, dass die Regierung eine Kraft des Guten sein kann, ist und sein wird, unterscheiden wir uns kein bisschen vom zynischen Kapitalisten Trump.
Abgesehen davon verfällt die Democratic Party ganz schnell der Konzernmacht und es besteht keine Hoffnung, sie zu retten. War die Democratic Party je von Bedeutung, ist Bill Clinton und nicht Donald Trump der schlechteste Präsident, den das Land je gesehen hat.
Sanders und die Demokraten
Bernie Sanders lag richtig damit, als Demokrat in den Wahlkampf einzusteigen. Diese Strategie bot ihm mehr Berichterstattung und Glaubwürdigkeit als andere unabhängige Stimmen – und diese Gelegenheit ergriff er. Natürlich berichteten die Mainstream-Medien kaum über Sanders – und wenn sie es doch taten, waren sie ihm gegenüber sehr unfair – aber das Etikett „Demokrat“ nützte ihm.
Dies funktioniert jedoch nur bis zu einem gewissen Punkt. Wenn die Partei die eigenen Kandidaten völlig sabotiert, weil sie nicht zu den Konzerninteressen des Unternehmens passen, wird es Zeit, diese Kraft von außen zu vernichten. So zu tun, als sei nichts gewesen – und als sei man nicht betrogen worden – ist so unehrlich wie strategisch ungeschickt. Sanders machte einen armseligen Eindruck, als er das Einheitsvotum mit Hillary Clinton feierte. Es machte keinen Sinn und niemand kaufte es ihm ab.
Progressivität in der Democratic Party?
So stellt sich die Frage, ob es der Democratic Party überhaupt möglich ist, progressiv zu sein. Auf der Präsidentschaftsebene sicher nicht. Im ganzen Land wird die Antwort – nachdem eine kleine Chance auf progressive Politik bestanden hatte – zunehmend zu einem absoluten „nein“. Die Demokraten verschreiben sich immer weiter den Konzerninteressen und sie verdienen es alle nicht, dass man ihre Nähe sucht – ganz zu schwiegen davon, dass man sie unterstützen sollte. Und trotzdem gibt es auch gute Leute in der Democratic Party, es wird nur immer schwerer, in diesem Rahmen ein guter Mensch zu sein.
Wie also diesen Trend vereiteln? Sollte man einfach die Vorwahlen manipulieren und so die Partei nach links verschieben? Nicht nur werden die Progressiven von ihrer Partei sabotiert – ihr Verlust führt auch dazu, dass ihre Ideen ebenso wie ihre Stimmen, ihre Zeit, ihr Geld und die Mittel ihrer Unterstützer in der Partei verbleiben.
Wenn dies tatsächlich funktionieren würde, wäre es in Ordnung. Solange jedoch die Partei darauf vertraut, dass die Progressiven – was auch immer geschieht – bei ihr bleiben, hat sie keinen Grund, sich zu verändern. Erinnern wir uns daran, was der wunderbare Ralph Nader sagte – dass es nämlich der Druck der Drittparteien war, der den Demokraten über die Jahre zu den großen progressiven Taten verhalf – sei dies nun das Ende der Sklaverei, das Frauenwahlrecht oder der New Deal.
Protest von den Jüngeren
Diese unkluge Strategie, stets und immer zu den Demokraten zu halten, wird aber langsam fallengelassen. Und ich bin stolz darauf sagen zu können, dass dies hauptsächlich jüngere Menschen betrifft. Laut einer Umfrage von Vox gaben nur 28 Prozent der 18- bis 29-Jährigen an, sie würden bei diesen Midterms sicher ihre Stimme abgeben. Im Vergleich dazu gehen derselben Umfrage zufolge 74 Prozent der Älteren sicher zur Wahl. Natürlich wird dies Konsequenzen haben: Senioren wählen die Republikaner und sorgen dafür, dass diese im Amt bleiben.
Fühlten wir uns jedoch in Bezug auf unsere Zukunft sicherer, wenn die Jüngeren wählen würden? Ist es nicht wenigstens ein Zeichen der Hoffnung, dass junge Menschen so desillusioniert sind, dass sie keiner der Konzernparteien mehr ihr Vertrauen schenken?
Und wenn es den Demokraten wirklich wichtig wäre, würden sie versuchen, diese Zielgruppe für sich zu gewinnen. Aber junge Leute sind ihnen zu links, um überhaupt einen Versuch zu starten. Man denke hier an die Strategie des Clinton-Wahlkampfes – man bemühte sich um die Stimmen spießiger Republikaner, bevor man sich auch nur in die Nähe der Arbeiterklasse oder junger Demokraten à la Sanders wagte.
Alternativen bieten!
Nun ist das Nicht-Wählen ja ein gutes Zeichen, aber es reicht nicht. Wenn man die Demokraten boykottieren möchte – was ein absolut würdiges Unterfangen ist –, muss eine Alternative geboten werden. Ohne diese Alternative sind die einzigen politisch aktiven Menschen konservative Demokraten und noch konservativere Republikaner.
Die Gründe, sich von den Demokraten zu verabschieden, sind offensichtlich und sie sind auch ein Hoffnungsschimmer.
Die Demokraten sind weit davon entfernt, die Ungleichheit der Massen, die zu erwartende Apokalypse durch den Klimawandel, die permanente Kriegswirtschaft, das Zugrundegehen lokaler Unternehmen und Schulen, das teuflische Strafvollzugssystem oder jedes andere große Problem unserer Zeit zu lösen.
Die Sprachrohre in den Mainstream-Medien sehen die Abwendung von den Demokraten natürlich als Zeichen der Verzweiflung. Sie können gar nicht anders. Es ist ja schließlich ihre eigene Partei. Ich stimme dem nicht zu. Es ist ein Zeichen dafür, dass wir merken, wie wir belogen werden und dass wir dies nicht länger hinnehmen. Wie jedoch das Konzern-Duopol zu schlagen wäre, ist eine viel größere Herausforderung. Und wenn wir etwas aus dem Sanders-Wahlkampf gelernt haben, dann dies: Symbolismus und Unzufriedenheit mit dem Status Quo bewirken an sich noch gar nichts.
Duopol-Farce
Vielleicht lasse ich die Demokraten zu gut dabei wegkommen, aber im besten Fall liefern sie einen Maßstab dafür, wie bösartig die Republikaner werden können. Damit die Duopol-Farce überhaupt funktioniert, müssen Unterschiede zwischen den beiden Parteien geschaffen werden. Wenn die Linke an Einfluss verliert und die Demokraten nicht das Gefühl haben, ihr Aufmerksamkeit schenken zu müssen, kann das Niveau gesenkt werden – womit die Republikaner nun ihr Niveau wiederum noch mehr senken dürfen, was sie natürlich auch tun werden. Deswegen habe ich immer die Vorstellung infrage gestellt, dass eine Stimme für einen rückschrittlichen Demokraten gleichzeitig eine Stimme gegen einen noch rückschrittlicheren Republikaner sein soll.
Kurz gesagt – der Grund dafür, dass das Duopol so konservativ bleibt, ist nicht, dass zu viele Menschen eine Drittpartei wählen. Genau das Gegenteil ist der Fall: Nicht annähernd genügend Menschen wählen eine Drittpartei. Zu viele Menschen zucken mit den Schultern und sagen „Es besteht kein Unterschied“, und zu viele zucken mit den Schultern und sagen „wir können es besser haben als mit einem Demokraten“. Genau diese Art des Defätismus führt dazu, dass es sich das Duopol gemütlich einrichten kann, um die politischen Entscheidungen untereinander und mit ihren Konzern-Herren auszuhandeln – anstatt mit den Menschen, die sie repräsentieren.
Das halbe Land wählt nicht mehr
Es ist ja auch nicht so, dass die Demokraten unsere Stimmen wirklich bräuchten. Nicht etwa, weil sie eine faire Auseinandersetzung mit den Republikanern wollen, betreiben sie die Unterdrückung von Wählerstimmen und Manipulation.
Sie wissen, dass die Republikaner betrügen müssen, um überhaupt eine Chance zu haben – und sie lassen dies zu.
Bereits heute wählt schon das halbe Land nicht mehr. Die Vorstellung, dass nun alles auf ein paar Linke ankommt, die sich gegen die Demokraten rüsten, ist völlig aufgesetzt.
Zehn Prozent der Nichtwähler könnten Großes bewirken
Es ist auch ein Kampf an den Rändern. Die Green Party ist momentan eine wirklich kleine Partei. Die weitaus größere Partei ist die Partei der Menschen, die nicht wählen, weil sie keinen Grund dafür sehen. Brächte man nur ein Zehntel dieser Zielgruppe dazu, sich aufzuraffen und für eine dritte Option zu stimmen, wäre das etwas, womit sich die großen Parteien auseinandersetzen müssten.
Im Moment hängen wir fest. Die Republikaner sprechen die Dummen, Fiesen und Reichen an, die Demokraten alle anderen. Die Republikaner können betrügen, um mitzukommen – sie müssen nur dranbleiben und noch schrecklicher als die Demokraten sein. Widerstand innerhalb der Demokratischen Partei wird höflich erstickt und erwähnt, aber niemals ernst genommen werden. Sie wissen ja, dass niemand die Partei verlassen wird – wo soll man auch hingehen? Und zwischenzeitlich werden beide Parteien noch zunehmend konzernorientierter, aber was kann man da schon machen?
Die Herausforderung besteht nun darin, ein Zelt außerhalb des Duopols aufzustellen, das die gemeinsame „Das-geringere-Übel-Vereinbarung“ der Demokraten, Republikaner und ihrer korporatistischen Herren bedroht. Falls erforderlich, wird dieses Zelt bereit sein müssen, zugunsten von Langzeiterfolgen kurzfristige Niederlagen zu opfern. Die Strategie eines defensiven kurzfristigen Verlustes nach dem anderen verhindert nicht sondern verursacht den Zusammenbruch der Zivilgesellschaft und die Geburt des Faschismus – alias des Widerlings, der, respektvoll, als Mr. Cheeto-in-Chief bekannt ist.
Abkoppelung von der Realität
Jetzt haben wir ihn – einen vernünftigen Grund für Drittparteien! Aber lassen Sie uns zu den Gefühlen zurückkehren. Es ist nicht so, dass Rationalität und Bildung und Wissenschaft nicht wichtig wären (Donald Trump beweist, dass unsere Gesellschaft all das bitter nötig hat). Wir sollten aber auch erkennen, dass unsere Akademiker den Bezug zur Realität komplett verloren haben.
Unsere Gesellschaft ist so geteilt und gespalten, dass die meisten Sprachrohre und Politiker gar nicht wissen, was im Land vor sich geht. Eingepackt in unsere eigenen bequemen Blasen, verliert die Akademiker-Klasse jeden Bezug zum Volk.
Deswegen scheint Nader, der durch sein tägliches Joggen die Bodenhaftung nicht verliert, in seiner Präzision und Effektivität fast einzigartig zu sein – zumindest unter den Mainstream-Gestalten. Lassen Sie uns vor diesem Hintergrund nun der Frage widmen, warum Trump funktioniert und die Demokraten, obwohl weitaus weniger abscheulich, trotzdem nicht attraktiv sind.
Liberale glauben, dass man das Wahlverhalten der Menschen ändern kann, wenn man die Menschen davon überzeugt, dass der Klimawandel tatsächlich existiert. Meine erste Frage dazu ist: Für wie blöd haltet ihr die Menschen? Sie haben Augen. Der Klimawandel geschieht. Wir werden auch nicht wegen der Mexikaner oder wegen Aliens oder sonstigem sterben. Und doch funktionieren diese Dinge, weil sie die Gefühle ansprechen. Trump lügt, das weiß jeder. Manche kümmert's, manche nicht.
Trump stellte, neben anderem, eine Rebellion gegen rationale Politik dar. Er war eine Rebellion gegen die Automatisierung des politischen Diskurses und des menschlichen Miteinanders. Er war eine Rebellion gegen die intellektuelle Härte der Demokraten und gegen die moralisch bankrotte intellektuelle Klasse.
Ich würde Noam Chomsky nie als dieser Klasse zugehörig betrachten. Er ist eine großartige Person und hat die Not der Menschen nie aus den Augen verloren. Ich glaube jedoch, dass er die Macht des rationalen Denkens überschätzt.
Die Inspiration ist es, die die Gemüter verwandelt. Jene Menschen, die die Welt zum Besseren verändert haben, waren nicht nur große Denker, sondern auch große Träumer.
Martin Luther King hat inspiriert, weil er eine Vision hatte. Die Vision hat sich nie erfüllt, aber wir haben Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt, um sie zu erreichen. Niemand wird sich je davon inspirieren lassen, dass „sie keine Republikaner sind“.
Letztendlich ist es die Bevorzugung des Geistigen, die diese Intellektuellen für einen radikalen Wandel blind macht. Man kann schon sagen, dass man Größe durch die Veränderung des Geistes inspirieren kann – aber wie hat das bisher für die Intellektuellen funktioniert? Der Kampf um die Macht wird dadurch gewonnen werden, dass man die Herzen gewinnt – denn kein Opfer für das Gemeinwohl war je rational, es war immer notwendig.
Was wird die Überarbeiteten und Unterbezahlten dazu inspirieren, ihre Existenz aufs Spiel zu setzen? Sicher kein intellektuelles Gefecht über den Kapitalismus, sondern eine echte Chance auf einen radikalen Wandel hin zum Besseren.
Deswegen bekommen die Demokraten keine Stimmen. Sie kommen einfach nicht durch. Warum sollte man also Zeit und Geld, das man gar nicht hat, hinauswerfen, um ihnen zur Macht zu verhelfen?
Was die liberale Akademikerklasse tun muss, ist, den Zauber wieder zu leben. Man kann gerne traditionelle Religionen hinter sich lassen. Aber man muss wieder ein Ziel, eine Vision finden, die die Menschen anfeuern werden. Wenn man an nichts Größeres glaubt als an das, was wir jetzt haben, wird man niemand anderen motivieren oder inspirieren können.
Gryffindor und Co.
Deswegen zitierte ich die politisch aktive Emma Watson, die für ihre Rolle als Zauberin Hermione Granger in der Harry-Potter-Reihe sehr berühmt geworden ist. In der ungemein beliebten Fantasy-Reihe gibt es vier Häuser, denen die Zauberinnen und Zauberer zugeteilt werden. Gryffindor ist für die Mutigen, Hufflepuff für die Netten, Ravenclaw für die Klugen und Slytherin für die Gerissenen. Diese vier Häuser können als nützliche Metaphern für unser Land verwendet werden. Demokraten und Republikaner stellen jeweils ein Viertel des Landes, während die Unabhängigen die Hälfte stellen.
Die Republikaner sind ganz klar Slytherin. Sie sind böse und egoistisch und moralisch bankrott. Dann sind die Liberalen Ravenclaw, weil sie glauben, dass all unsere Probleme durch Klugheit gelöst werden können. Letztendlich scheitert diese Bewegung, sobald die Republikaner die Sorgen und Ängste der Menschen ansprechen. Niemand außer den Intellektuellen mag es, betäubt und ohne Gefühle zu sein.
Die Bernie-Bewegung ist Hufflepuff, glauben sie doch an ein freundlicheres und sanfteres skandinavisches Modell. Letzten Endes hat diese Bewegung keinen Biss und kommt zum Stehen, wenn die großen Jungs zum Spielen rauskommen. Und dann gibt es noch die Gryffindors. Dies ist das einzige Haus, das die Slytherianer, die von Don Voldemort angeführt werden, tatsächlich besiegen kann. Man kann mit bösen Menschen diskutieren und ein paar Leben retten, man kann auch mit bösen Menschen verhandeln und ein paar Leben retten, aber Mut ist das Einzige, womit man das Böse besiegen kann.
Letztendlich liegt die Entscheidung bei Dir
Hermione Granger war eine faszinierende Figur, weil sie der klügste Mensch in dem Buch war. Ich würde sogar sagen, dass sie noch klüger als der Chomsky-ähnliche Albus Dumbledore war, aber darüber können wir später einmal diskutieren. Jeder war überrascht, als sie in Gryffindor landete, weil sie für Ravenclaw am besten geeignet schien. Aber der Sprechende Hut, der diese Dinge entscheidet, sagt, dass die Entscheidung letztendlich bei Dir liegt.
Nick Pemberton studiert am Gustavus Adolphus College.
Redaktionelle Anmerkung: Dieser Text erschien zuerst unter dem Titel „Reflections on Chomsky’s Voting Strategy: Why The Democratic Party Can’t Be Saved". Er wurde vom ehrenamtlichen Rubikon-Übersetzungsteam übersetzt und vom ehrenamtlichen Rubikon-Korrektoratsteam lektoriert.