Die Virus-Angst
Der Kindheitsforscher Michael Hüter spricht im Rubikon-Exklusivinterview über die Gefahren der Corona-Krise für die Menschheit.
Seit Mitte März ist soziale Distanz das Gebot, an das sich alle verordnet halten sollen. Das Grundgesetz sichtbar vor sich herzutragen, wird von der Polizei untersagt, Spielplätze wurden gesperrt und Kindern wurde verboten, ihre Freunde zu treffen. Wir sind eindeutig auf dem Weg in einen neuen Totalitarismus, auch wenn das politische System weiterhin als Demokratie bezeichnet wird. Im Videointerview mit Jens Lehrich ordnet der Historiker Michael Hüter die aktuelle Corona-Krise historisch ein. Er warnt vor den Folgen der politischen Anti-Corona-Maßnahmen und davor, dass wir als Bürger die Ver- und Gebote zum Großteil widerstandslos hinnehmen.
Die Einschränkungen unserer Grundrechte, die Angstmache durch die Medien, das Verbot sozialer Kontakte: All dies soll dem Schutz der Bevölkerung vor dem Coronavirus dienen, was Kritiker dieser Maßnahmen anzweifeln. Dennoch lautet eine berechtigte Frage: Wie hätte es der Staat besser machen können? Michael Hüter antwortet darauf mit zwei weiteren interessanten Fragen:
„Wieso muss immer der Staat? Und wer ist der Staat?“
Laut Hüter ist unser Verhalten von der Bildungs- und Erziehungstradition geprägt. Denn der Staat sind nicht unsere Politiker, sondern wir. Und all die wichtigen Entscheidungen müssen wir aushandeln und uns einigen. Und inzwischen sei vor allem eines klar, betont er, nämlich, dass es sich bei Covid-19 um keine Pandemie handelt, wie immer mehr Forscher aus der ganzen Welt bestätigen. Was die Sterblichkeit anbelangt, sei das Coronavirus nicht gefährlicher als ein normales Influenzavirus. Das heißt in der logischen Konsequenz, dass wir ab jetzt jedes Jahr im Winter auch bei einem grassierenden Influenzavirus das gesellschaftliche Leben lahmlegen müssten, um gefährdete Personen zu schützen.
Alle Maßnahmen gehen an einem entscheidenden Punkt vorbei, so Hüter: der Eigenverantwortlichkeit.
„Wenn man sich in den vergangenen Jahrhunderten oder Jahrtausenden bei Krankheiten so verhalten hätte, wie man sich jetzt verhält, dann würde es, glaube ich, den Homo sapiens inzwischen gar nicht mehr geben.“
Wenn wir eines aus der Geschichte der Menschheit lernen können, folgert Hüter, dann ist es eines:
„Halte niemals das Rad des Lebens auf.“
Mit dem engen Blick auf das Virus, richten die Maßnahmen einen unglaublichen Schaden an, der nur jetzt noch nicht sichtbar ist. So war zum Beispiel von Anfang an durch öffentliche Quellen aus China und Japan sicher, dass Kinder durch das Virus nicht gefährdet sind. Also wieso schließt man Spielplätze? Wenn ältere Menschen sich dort aufhalten oder Großeltern mit ihren Enkeln in Kontakt treten möchten, dann müssen das die Menschen unter sich ausmachen, als mündige Bürger.
Stattdessen werden die Menschen ruhig gestellt: Alle — auch die Kinder — müssen zuhause bleiben, Versammlungen werden verboten und nun — zum Ende der „Pandemie“ — sollen auch noch alle an öffentlichen Orten wie Supermärkten und in öffentlichen Verkehrsmitteln Masken tragen, die Mund und Nase bedecken. Hüter sieht in diesen Verordnungen ein Zeichen der Unterdrückung.
Bereits seit der industriellen Revolution kündigte sich an, was Hannah Ahrend treffend formulierte: Das Arbeits- und Angestelltenverhältnis ist ein Unterdrückungsverhältnis. Der Mensch als Sklave im Hamsterrad des Systems. Schon in der Schule werden wir gleichgeschaltet und lernen, dass wir uns anzupassen haben und nur reden dürfen, wenn die Lehrerin oder der Lehrer uns aufruft. Die Lebendigkeit wird uns in diesem System sehr schnell ausgetrieben.
Damit sich Eltern derzeit überhaupt Kinder „leisten“ können, müssen in den meisten Familien beide arbeiten. Also überlassen sie ihr Kind sehr zeitig der Betreuung durch Fremde. Nach und nach wird die Familie auseinandergerissen. Und Hüter stellt klar: Eine Gesellschaft ohne gesunde Familien und ohne starke Persönlichkeiten ist leichter manipulierbar. Wir bräuchten dringend Be-ziehung statt Er-ziehung.
Doch das System der Manipulation funktioniert nur, solange die Mehrheit der Menschen mitmacht und an dessen Richtigkeit glaubt. Und das werden — auch dank der offensichtlich unverhältnismäßigen Maßnahmen und des engen Meinungskorridors im gesellschaftlichen Diskurs in dieser Krise — immer weniger.
Die wichtigste aller Fragen taucht allerdings überhaupt nicht auf: Was wollen wir für eine Zukunft?
Die traurige Antwort zeigt sich in den Bildungssystemen, die alle Kinder gleichmachen, in der Familienpolitik, die Eltern so gut wie keine Zeit mit ihren Kindern lässt und sie extrem unter Existenzdruck setzt, und zu guter Letzt auch in den geringen Geburtenraten in Europa. Eine Gesellschaft, der die Familien und Kinder gleichgültig sind, sagt eigentlich: „Ich will keine Zukunft.“
Laut Hüter geht mit der aktuellen Krise die Nachkriegsordnung zu Ende und wir schlittern in einen neuen Totalitarismus, wenn wir nicht den Fokus auf die zwei wichtigsten Fragen legen:
Was ist der Sinn des Lebens? Und wie wollen wir leben?