Die vierte Gefahr
Die Medienwelt muss sich grundlegend ändern, damit Journalismus wieder zu einem kritischen Korrektiv wird, anstatt beim Demokratieabbau zu assistieren.
„Qualitätsjournalismus“ ist ein Wort, das erst einmal Vertrauen erweckt. Es sollte uns jedoch eher misstrauisch machen. Denn wer bestimmt eigentlich, was Qualität ist? Immer diejenigen, die in der Medienlandschaft bereits etabliert sind und in einem verschulten Ausbildungssystem die Neulinge instruieren. In regierungsnahen Medien — und das sind die meisten — kommt dann eben regierungsaffine „Qualität“ dabei heraus. Duckmäusertum und betreute Meinungsbildung dominieren in den Redaktionsstuben. Es gibt aber auch Entwicklungen, die hoffnungsvoll stimmen. Etwa, dass immer mehr Leute die Rundfunkgebühr nicht mehr bezahlen wollen. Oder dass sich eine eigenständige und selbstbewusste Gegenöffentlichkeit etabliert hat. Es ist deutlich geworden: Das Mediensystem muss sich grundlegend ändern, kosmetische Korrekturen oder ein paar Lichtblicke werden nicht ausreichen. So, wie es ist, kann es nicht weitergehen. In welche Richtung diese Umwälzung gehen sollte, dazu gibt der Autor in seinem Beitrag einige Anregungen.
In der Zeit der größten politischen Krise der Zweiten Republik, in der sich die Politik zur autoritären Machtergreifung mittels Seuchenpolitik aufgeschwungen hat, hatten die großen Medienhäuser der Regierung Applaus geklatscht. Nun ist es so, dass der Journalismus nie neutral oder objektiv war. Doch so deutlich wie seit 2020 konnte dieser Umstand von breiten Teilen der österreichischen Bevölkerung noch nicht beobachtet werden.
Aber ich will hier keine Problemanalyse betreiben. Ich will eine Perspektive geben, wie eine demokratische Medienlandschaft aussehen könnte.
Kleine Redaktionen statt großer Medienhäuser
Die Ära von Kronen Zeitung, Styria Media Group und anderen medialen Großkonzernen neigt sich dem Ende zu. Es zeichnet sich Licht am Ende des Tunnels ab. Viele werden sich den Betrieb nicht mehr leisten können, wenn der Staat, um Kosten zu senken, zu sparen beginnt. Private Investoren — Bill Gates vielleicht? — werden natürlich versuchen, das Loch zu stopfen.
Allerdings wäre es für die Öffentlichkeit enorm wichtig, wenn die wenigen großen Medienhäuser von vielen kleinen Redaktionen im ganzen Land abgelöst würden. Denn aktuell stecken sie den Diskurs ab und geben ihn im Doppelpass mit der Politik vor. Gäbe es echte Medienvielfalt mit vielen kleinen Redaktionen im ganzen Land, würde das die Öffentlichkeit und die Wirklichkeit demokratisieren. Was die Medienwelt braucht, ist Vielfalt.
Bürgerjournalisten statt Profijournalisten
Der Journalismus leidet unter seiner Verschulung. Während es noch bis in die 2000er üblich war, als Quereinsteiger den Beruf des Journalisten zu ergreifen, wird man heute zum Journalisten ausgebildet. Die Fachhochschule bildet „in drei Jahren zu qualifizierten Qualitätsjournalisten“ aus, schreibt sie selbst.
Das hat schwerwiegende Folgen:
Der geistige Horizont vieler junger Redakteure erstreckt sich kaum über die Kaffeemaschine der eigenen Redaktion hinaus. Man wird zum Fisch im Aquarium und glaubt, die ganze Welt zu kennen, ist aber in Wahrheit besonders eng beschränkt.
Die berühmten Worte von Karl Kraus treffen heute noch deutlicher zu als damals:
„Der Journalismus dient nur scheinbar dem Tage. In Wahrheit zerstört er die geistige Empfänglichkeit der Nachwelt.“
Guter oder schlechter Journalismus wird nicht von der Ausbildung bestimmt. Wer die richtigen Fragen kennt und diese den richtigen Personen stellt, liegt richtig. Quereinsteiger und Menschen aus dem echten Leben haben aufgrund ihrer lebensweltlichen Erfahrung dafür oft ein besseres Gespür. Wer dann noch einen Sinn fürs Erzählen hat und auch weiß, was der Leser ohnehin schon gedacht hat, kann den publizistischen Olymp eigentlich schon erklimmen. Den Bürgerredaktionen kann man durchaus erfahrene Leute zur Seite stellen, die man für Kritik und Feedback anrufen kann. Interventionen von oben darf es aber keine geben.
Eine Demokratisierung der Medien kann also nur gelingen, wenn sich die aktuell fast abgeschottete Medienbranche dem einfachen Bürger öffnet. Und zwar nicht, um sozialchauvinistische Reportagen zu machen, sondern damit diese die Redaktionen übernehmen.
Finanzierung
Medien machen kostet Geld. Kaum eines der Medienhäuser könnte ohne Steuergeld seine riesigen, oft sehr ineffizienten Redaktionen erhalten. Umso lustiger, dass man Alternativmedien dann oft vorwirft, sie würden von ihren Lesern „Spenden keilen“. Der Staat finanziert die Medien aktuell über zwei Stränge: erstens durch Inserate, zweitens durch Förderungen.
Regierungsinserate müssen verboten werden. Spätestens seit der unsäglichen Corona- und Impfpropaganda gibt es da nichts mehr zu diskutieren.
Die Förderungen strukturieren sich aktuell nach der Höhe der Auflage. Prinzipiell gilt: Je mehr Zeitungen gedruckt werden, umso mehr Geld gibt es vom Staat. Sie sehen: Das aktuelle System fördert die Medienhäuser und nicht kleine Redaktionen. Für reine Onlinemedien gibt es aktuell sowieso noch gar nichts. Ein böser Geist könnte denken, dass dann auch Medien in den Genuss von Staatsgeldern kommen, die so gar nicht politisch auf Linie sind. Denn diese finden sich aktuell meist ausschließlich online.
Eine neue Medienlandschaft könnte so funktionieren: Jedes neue Medienprojekt erhält eine gewisse Summe als Anschubfinanzierung, diese ist natürlich vom Aufwand abhängig. Ein Onlinemedium braucht weniger Geld als beispielsweise ein TV-Sender. Damit kann in den ersten Jahren ohne wirtschaftliche Not gearbeitet werden. Doch dann hat sich das Medium auf eigene Beine zu stellen. Es muss sich in der Öffentlichkeit und unter der Konkurrenz behaupten. Und zwar indem seine Konsumenten gewillt sind, für die Beiträge zu zahlen. So bestimmt die Öffentlichkeit, das Volk, welche Medien es braucht und haben will und welche nicht.
Kontrolle
Auch kleine Redaktionen sollen keine Falschinformationen verbreiten, zugleich aber natürlich über alles berichten können, was sie für relevant halten.
Im Mainstream gibt es aktuell die Debatte, die Presseförderung an eine „Qualitätskontrolle“ zu knüpfen. Das öffnet politischem Missbrauch jede Tür — unpassender Berichterstattung wird dann einfach die Qualität abgesprochen.
Trotzdem kann ein System, wie ich es in oben beschrieben habe, nur funktionieren, wenn es auch Kontrolle gibt. Konsequent demokratisch — und wirklich herausfordernd — wäre ein Medienrat, der per Los bestimmt wird. Doch nicht nur Akademiker, Profijournalisten und „Medienexperten“ sollten über die Qualität des Journalismus urteilen. Der Kassierer vom Supermarkt, der Pensionär, der jugendliche Erwerbslose, sie alle machen ebenfalls die Gesellschaft aus und hätten in diesem demokratischen Gedankenspiel ebenso das Recht, die Medien zu kontrollieren.
Ein zufällig gewählter Medienrat, der halbwegs die Demografie der Gesellschaft widerspiegelt, könnte eine demokratische Medienlandschaft kontrollieren. Wer Demokratie will, muss es auch ernst meinen. Mit allen Konsequenzen.
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Redaktionelle Anmerkung: Der Text erschien zuerst unter dem Titel „Demokratisiert die Medien“ auf tkp.