Die Verzögerungstaktik

Pandemie und Krieg könnten mehr mit dem befürchteten Kollaps des Welt-Finanzsystems zu tun haben, als bisher angenommen wurde.

Sechs Aufsätze von Fabio Vighi, entstanden im Zeitraum von Juni 2020 bis Oktober 2023, dokumentieren die Auswirkungen von Coronapandemie und Ukrainekrieg im Hinblick auf Kapital und Finanzsystem. Der „Kampf gegen Covid-19 und Putin“ wird darin aus erweiterter marxistischer Sicht analysiert und als Verzögerungstaktik entlarvt. Diese solle dazu dienen, den kapitalistischen Systemkollaps wenigstens zu verzögern, denn aufzuhalten sei er sowieso nicht mehr. Fabio Vighi bewies damit Mut, denn der Professor, der „Kritische Theorie“ an der Universität Cardiff in Großbritannien lehrt, hat seine ersten Schriften bereits zu Anfang der Coronazeit publiziert. Die in der pad-Schriftenreihe zusammengestellten Aufsätze zeigen, dass der Wahnsinn der Corona- und Kriegszeiten, mit hegelscher Philosophie und marxistischer Kapitalismuskritik durchleuchtet, aus der Perspektive des herrschenden Finanzsystems durchaus Sinn macht.

Im ersten Aufsatz mit dem Titel „Die fehlende Ursache: Zeit, Arbeit und Wert im Zeitalter des Coronavirus“ (Juni 2020) konstatiert Vighi, dass die „Krise des globalisierten zeitgenössischen Kapitalismus eine Krise der Mehrwertproduktion (ist), die ihren Ursprung in der allgegenwärtigen und beispiellosen Automatisierung seit den 1970er Jahren hat“. Der durch die Coronamaßnahmen erzwungene Stillstand sei der wohlfeile Versuch der herrschenden Politik, die Notbremse zu ziehen, damit der neoliberale Zug nicht gegen die Wand fährt. Corona als die Antwort des Kapitals auf die systemische Profitkrise. Immer weniger Lohnarbeit und der Beginn der vierten industriellen Revolution durch KI habe eine unverhältnismäßige Expansion der Finanzindustrie zur Folge, die durch „Taschenspielertricks“ auf magische Weise Geld durch Geld erzeugt und ohne den Umweg „Arbeit“ zum Kapital wird. Profit generiert sich immer weniger durch menschliche Arbeit.

Schon in der Einleitung des zweiten Aufsatzes „Eine sich selbst erfüllende Prophezeiung: Systemkollaps und Pandemiesimulation“ (August 2021) stellt der Autor klar: „Den großen Raubtieren von Öl, Waffen und Impfstoffen ist die Menschheit völlig egal“, im Gegensatz zum Finanzsystem. Um dieses nicht kollabieren zu lassen, sei es nötig gewesen, große Mengen an Zentralbankgeld in das System zu pumpen, das jedoch ohne Umwege in die Hände von Geldgebern im öffentlichen und privaten Sektor zu überführen sei, damit keine Hyperinflation entsteht. Vighi listet chronologisch ab Juni 2019 finanztechnische Vorgänge auf — vom Anstieg der Prozents—ätze für kurzfristig gesicherte Kredite (Repos) bis zur Executive Order von Donald Trump für die Einrichtung einer National Influenza Vaccine Task Force für die Impfstoffherstellungstechnologie — und setzt sie in Verbindung mit den der Pandemieinszenierung vorausgehenden Ereignissen wie Event 201 und Weltwirtschaftsforum, bis es zur Ausrufung einer Pandemie im März 2020 durch die WHO kommt.

Da die erwirtschafteten Gewinne nicht mehr ausreichten, um die Schuldentilgung zu decken, stiegen im September 2019 die Zinssätze stark an, was zu einem Panikausbruch an den Finanzmärkten führte. Um deren Zusammenbruch zu verhindern, musste so viel Liquidität wie irgend möglich ins Geldsystem gepumpt werden. Dieses Geld durfte aber nicht in die Realwirtschaft gelangen, da es dort eine Hyperinflation ausgelöst hätte. Aus diesem Grund wurde die Pandemie ausgerufen, Lockdowns verhängt und somit der Motor der Wirtschaft abgeschaltet.

Unter dem Deckmantel des Virus wurde ein riesiges Rettungspaket gestartet. Allein in der EU sei ein bis März 2022 laufendes, 1,85 Billionen Euro schweres „Pandemie-Notfallkaufprogramm“ aufgelegt worden.

Durch die grassierende Automatisierung und dem damit verbundenen Rückgang von Lohnarbeit und gleichzeitiger „Konsumutopie“ sei „der Kapitalismus zunehmend auf Staatsverschuldung, niedrige Löhne, Zentralisierung von Reichtum und Macht, einen permanenten Ausnahmezustand und Finanzakrobatik angewiesen“. Deshalb müsse „das wirtschaftliche Motiv des Covid-Krimis in einem breiteren Kontext des sozialen Wandels gesehen werden“, wobei „die Pandemie wie ein Wasserhahn auf- und zugedreht werden“ kann. Laut Vighi bestehe die einzige Überlebenschance eines „senilen Kapitalismus“ darin, „einen Paradigmenwechsel vom Liberalismus zum oligarchischen Autoritarismus herbeizuführen“. Allerdings ist Vighi der Auffassung, dass jede Macht, die auf Totalisierung setzt, letztendlich zum Scheitern verurteilt ist.

Im dritten Aufsatz mit dem Titel „Das lange Covid der Zentralbanker: Ein unheilbarer Zustand“ (Oktober 2021) wirft der Autor einen Blick in die Zukunft, in der mit Hilfe der Zentralbanken weiterhin die Finanzmärkte aufgebläht werden, „Ansteckungserzählungen“ immer noch große Bevölkerungsgruppen hypnotisieren und liberale Demokratien abgebaut und durch ein „Metaversum von Kontrolltechnologien“ ersetzt werden. Hoffnung gibt, dass sich in der Bevölkerung erheblicher Widerstand regt, dass die Eliten selbst nicht wissen, wie sie vorgehen sollen, und die Rezession den Politikern die Glaubwürdigkeit nimmt. Der einzig gangbare Weg scheint der kontrollierte Abriss der Wirtschaft zu sein, wobei: „Kein Verbrechen gegen die Menschlichkeit kann ausgeschlossen werden, wenn eine systemische Implosion so hartnäckig geleugnet wird.“

Aufrechterhalten wird ein Notstandskapitalismus, der den „menschlichen Überschuss“ verwalten soll, wobei „Virus, Impfstoff und Covid-Pass die Heilige Dreifaltigkeit des Social Engineering“ darstellen.

„Digitales Bargeld in Verbindung mit digitaler Identität (…) (als) hochtechnologische monetäre Leibeigenschaft.“ Der digitale Faschismus wäre erschaffen. Das offizielle Narrativ wird dabei „als alleiniger Wahrheitsträger“ betrachtet, „Verschwörungstheoretiker“ lächerlich gemacht, Wissenschaft als neue Religion installiert.

Trotz alledem gelingt es Vighi, Optimismus zu schöpfen, indem er das derzeitige Vorgehen gegen die Menschheit als „beste Chance für radikalen Widerstand gegen das kommende Regime der kapitalistischen Akkumulation und seine unerbittliche Noterpressung“ erhofft.

Der vierte Aufsatz stellt die Frage „Rote oder blaue Pille? Varianten, Inflation oder der kontrollierte Abriss der Gesellschaft“ (Dezember 2022). Vighi beobachtet, wie die „Pandemie“ immer noch wütet und „ganze Bevölkerungsgruppen oft extremen Formen legalisierter Diskriminierung“ ausgesetzt sind. Wir sollen uns an Unterwerfung angesichts angeblicher höherer Gewalt gewöhnen und davon abgelenkt werden, „was im Finanzolymp passiert, wo das eigentliche Spiel stattfindet, das über unser Schicksal entscheidet“. Es „darf keine Diskussion über wirtschaftliche Ursachen geben“. Der Autor erwartet einen wahrscheinlichen „finanziellen Zusammenbruch (…) in Form einer Kernschmelze des Schuldenmarktes (…), was einen unkontrollierbaren Anstieg der Zinssätze sowie die Verdampfung des Dollars und anderer Fiat-Währungen auf der ganzen Welt zur Folge hätte“.

Vighi rät, uns auf den Crash, „der uns wahrscheinlich als von oben gesteuerter Unfall treffen wird“, vorzubereiten, indem wir uns geistig von der Unterwerfung unter die Pseudopandemie befreien, Kapitalismuskritik üben und Netzwerke aufbauen. Arbeit, Gemeinschaft und gesellschaftlicher Reichtum müssten neu definiert werden. Auf den Verrat der Linken sei dabei Verlass.

In seinem fünften Aufsatz „Denkpause: Geld ohne Wert in einer sich schnell auflösenden Welt“ (Mai 2022) spannt der Autor den Bogen zum Ukraine-Krieg. Er betont, dass nicht Corona die Ursache der Wirtschaftsprobleme ist, sondern die sinkende Wirtschaft, deren Bankrott verschleiert werden soll. Je näher der Zusammenbruch, desto mehr exogene Krisen, vom globalen Krieg gegen den Terror über den Handelskrieg mit China bis Covid-19, „während die brandneue Infektion des Westens Russland genannt wird“. Nun „schirmt uns der Ukraine-Krieg vor dem wahren Schrecken des totalen sozialen Zusammenbruchs durch Schulden- und Börsencrash ab“. Dies ist auch nötig, denn „in den letzten 50 Jahren ist die US-Bundesverschuldung um das 75-fache gestiegen“.

Mit „grotesker Überbewertung aller Risikoanlagen (Aktien, Anleihen und Immobilien)“ versuchten die Eliten, Zeit zu gewinnen. Der Währungsabwertungsschock, der „das Weltsystem in die Knie zwingen würde“, soll hinausgezögert werden. Danach könnte ein neues Geldsystem entstehen, bei dem die alten Machtstrukturen und ihre Eliten erhalten bleiben oder sogar gestärkt werden.

Der Ukraine-Krieg werde bewusst ausgeweitet bis zur Androhung eines Atomkriegs mit dem Ziel, „den Gelddrucker eingeschaltet zu halten, (…) um das katastrophale Risiko auf dem Schuldenmarkt zu entschärfen“. Die Ukraine als „Kollateralschaden“.

Vighis Fazit lautet: „Würden die Geldspritzen der Zentralbanken enden, würde ein rascher Anstieg der Leitzinsen zu einem Marktcrash mit Zahlungsausfällen auf der ganzen Welt führen. Entweder spielen alle nach Drehbuch, oder die ganze Show wird abgesagt und damit auch das System.“ Es bleiben zwei Möglichkeiten: entweder uns „von der Kapitalform als solcher zu emanzipieren oder wir werden in ein neues dunkles Zeitalter der Gewalt und des Rückschritts hineingezogen“.

Der Titel von Vighis sechstem Aufsatz lautet: „Willkommen im Niedrigenergie-Kapitalismus oder: Proletarier der Welt, tragt Gesichtsmasken!“ (Oktober 2023). Der Autor befürchtet, dass alle zwei Monate eine Angstkampagne gestartet wird, „um den Überschuss an Produktion und Verbrauchernachfrage abzukühlen“ und so einen Inflationsschub zu verhindern. Ein Finanzcrash würde zu weltweiten Unruhen führen, „ungeachtet der politischen Grenzen (…) oder der wirtschaftlichen Unterschiede“.

Längerfristig kann der „erbärmliche Versuch, ein verschuldetes System zu retten, indem man ihm noch mehr Schulden aufbürdet, das Problem nur noch weiter verschärfen“, da die Einnahmen chronisch unzureichend sind.

Vighi zerlegt das grüne Konzept, das mehr Armut und weniger Freiheit für alle bedeutet, denn „Armut ist das neue Grün“. Den „Kampf gegen den Klimawandel“ hält er für eine „pseudohumanitäre Fassade“, denn weiterhin feiern fossile Brennstoffe fröhliche Urständ. Gefördert, auch von großen Ölgesellschaften, wird ein zentralistisches Ökosystem, „das von Avataren, digitalen Token-Vermögenswerten, Blockchain-Infrastrukturen, Bio-Nanotechnologien, dem Internet der Körper usw. reguliert wird“. „Ökologie als neues Opium der Massen“, während dem Kernproblem, dem zerstörerischem Zwang zum Wirtschaftswachstum, die Aufmerksamkeit entzogen wird.

Der Autor zeichnet den Weg vom „Peak Oil“ zum „Peak Work-Power“. Die kapitalistische Wertschöpfung hänge von der Verbrennung menschlicher Energie ab, sprich von der Arbeit von Gehirnen, Muskeln und Nerven. Hier sei nun der Peak erreicht, da es durch die Automatisierung immer mehr „nutzlose Esser“ auf der Welt gebe, für die eine Art „totalitärer Humanismus“ vorgesehen ist. „Die Aneignung der Technologie durch das Kapital zu seinem eigenen menschenverachtenden Zweck verwandelt einen potentiellen Segen in ein Unglück.“

Fabio Vighis lesenswerte Aufsätze sind erhellende Augenöffner für die Zusammenhänge von Kapitalismus, Finanzpolitik, Coronamaßnahmen und Kriegen. Unter diesen Prämissen macht auch die neueste Forderung unseres Noch-Wirtschaftsministers Robert Habeck Sinn, den Verteidigungshaushalt auf 3,5 Prozent unserer Wirtschaftsleistung zu erhöhen. Das wären an die 160 Milliarden Euro pro Jahr — mehr als das Doppelte dessen, was der Bund für Bildung, Gesundheit, Familien und Innere Sicherheit zusammen ausgibt, wie uns Sahra Wagenknecht vorrechnet. Geld ins Finanzsystem pumpen, um dessen Zusammenbruch zu verzögern.

Das den Coronamaßnahmen und der Kriegslüsternheit zugrunde liegende Motiv ist erkannt. Jetzt lautet die Frage: Gelingt es, die rasante Fahrt in den neuen Totalitarismus zu stoppen?

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