Die Vertrauensfrage
Wir müssen uns entscheiden, welches Weltbild unsere Zukunft bestimmen soll.
Seit Menschengedenken greifen wir in die natürlichen Lebensprozesse ein. Jahrtausende lang haben wir versucht, unsere Welt nach unseren Vorstellungen zu gestalten. Doch unsere Technik hat uns nicht nur ein bequemeres und längeres Leben beschert, sondern auch Ausbeutung, Ungleichheit und Zerstörung. Die Technik erlaubt uns heute eine totale Überwachung des Lebendigen und stellt uns vor die Frage, was die voranschreitende Überwindung der Natur für unser Leben bedeutet. An was wollen wir glauben: an ein künstliches oder an ein natürliches Leben? Wollen wir Kontrolle oder Vertrauen?
Es ist vollbracht! Wir haben uns die Natur untertan gemacht und mit ihr alles, was auf unserem Planeten lebt. Kein Kraut darf mehr unerlaubt wachsen und kein Tier dort sein, wo wir es nicht haben wollen. Wir haben Berge versetzt, Flussläufe verändert, Seen ausgetrocknet und Gletscher zum Schmelzen gebracht. Wir haben uns in die Lüfte erhoben und mittlerweile so viele Satelliten in den Orbit unseres Planeten geschossen, dass unsere Flugzeuge an vielen Stellen gar nicht mehr fliegen können. Wir haben die Meere zugemüllt, Böden und Luft verseucht, das Leben aus den Innenstädten verbannt und weite Teile der Erde unbewohnbar gemacht.
„Seid fruchtbar und mehrt euch, füllt die Erde und unterwerft sie und waltet über die Fische des Meeres, über die Vögel des Himmels und über alle Tiere, die auf der Erde kriechen!“, so steht es in der Genesis 1,28. Diese alttestamentarische Botschaft haben wir beim Wort genommen und die Gelegenheit beim Schopfe gepackt. Schon lange nicht mehr ernten wir die Früchte unsere Arbeit im Schweiße unseres Angesichts und die Frau muss nicht mehr unter Schmerzen gebären, denn wir haben es geschafft, den göttlichen Fluch mit unserer Technologie zu überwinden. Wir müssen im Winter nicht mehr frieren und können uns im Sommer nach Belieben erfrischen — vorausgesetzt, wir wurden auf der richtigen Seite des Planeten geboren.
Überwindung des Natürlichen
Wir müssen uns nicht mehr bücken, nicht mehr strecken und können uns alles, was wir brauchen und nicht brauchen, frei Haus liefern lassen. Gibt es ein Problem, müssen wir uns nicht mehr selbst darum kümmern, sondern bezahlen einen Spezialisten. Unsere Maschinen, einschließlich die unseres Körpers, werden regelmäßig gewartet, und wenn sie nicht mehr richtig funktionieren, wird das defekte Teil ausgetauscht. Wir bekommen neue Zähne, neue Hüften, neue Knie, neue Herzklappen, neue Brüste, neue Nasen und können in der Theorie heute sogar einen neuen Kopf aufgesetzt bekommen.
Die Operationen machen uns das Leben leichter, schöner, länger. Es scheint uns heute selbstverständlich, bei jeder sich bietenden Gelegenheit in unsere Körper eingreifen und Expertenteams biologische Prozesse verbessern oder erneuern zu lassen. Die meisten von uns nehmen diese Eingriffe der Medizin als ganz normal hin. Unbedacht schlagen wir der Natur ein Schnäppchen und greifen in Vorgänge ein, die sich über Jahrmillionen auf natürliche Weise entwickelt haben. Die Kosten hierfür trägt die Allgemeinheit. Während wir für die Reparatur unseres Autos tief in die Tasche greifen, steht uns die Instandsetzung unseres Körpers sozusagen gratis zu.
Medizin und Wissenschaft wirken Wunder. Das menschliche Genom ist entschlüsselt und mit der CRISPR/Cas-Methode können wir heute sogar gezielt unsere DNA schneiden und verändern lassen. So sind wir nicht mehr nach Gottes Abbild geschaffen, sondern gestalten uns selber, wie wir uns haben wollen. Unsere Intelligenz hat uns schließlich dazu befähigt, Gott zu überwinden und es besser zu machen als er. Wir sind es nun selbst, die das höchste Sein verkörpern. Damit haben wir uns eine Freikarte für all unser Tun ausgestellt. Wir machen, was notwendig ist: Kriege führen, Menschen ihrer Rechte und ihres Lebens berauben, beliebig Arten zerstören, die Erde und das Klima nach unserer Fasson gestalten — ohne davon ausgehen zu müssen, jemals dafür zur Rechenschaft gezogen zu werden.
So hat sich der Mensch in einer Weise verwirklicht, die ihn letztendlich selbst überflüssig macht. Unaufhaltsam verbinden sich Mensch und Maschine miteinander und bringen gemeinsam künstliches Leben auf die Welt.
Bei der Vereinigung der biologischen und der digitalen Intelligenz zieht freilich der Mensch den Kürzeren: Viel schneller als wir ist die Maschine in der Lage, Informationen zu erfassen, aufzuarbeiten und zu kommunizieren. Laut Elon Musk, Mitbegründer des Raumfahrtunternehmens SpaceX und des Elektroautoherstellers Tesla, wird der Mensch zunehmend nutzlos (1). So wie die Autos der Zukunft keinen Fahrer mehr brauchen und die Unternehmen keine Mitarbeiter, braucht es in naher Zukunft keine Menschen mehr.
In die falsche Richtung
Auch wenn die Handvoll von dieser Vision profitierender Geschäftsmänner sie mit entsprechendem Eifer vorantreiben — sie ist nicht das einzige Szenario. Noch ist es nicht so weit, dass eine kleine Anzahl Humanoider sich das Leben auf dem Planeten gänzlich unterworfen und alles verdrängt hat, was sich ihren Kontrollgelüsten entgegenstellt. Noch sind unser Denken und unser Wahrnehmen nicht vollständig besetzt. Noch ist unsere DNA nicht per mRNA-Impfverfahren genetisch modifiziert. Noch sind wir lebendig. Noch pulsiert ein Bewusstsein in uns, das alles in eine ganz andere Richtung zu lenken vermag.
Es braucht eine Menge Optimismus, daran zu glauben, dass es möglich ist, aus der Sackgasse wieder herauszukommen, in die wir uns kollektiv immer weiter treiben lassen. Hier geht es erst einmal nicht weiter. Mit gesenktem Kopf und angezogenen Knien sitzt mancher da und weiß nicht, wie ihm geschieht. An diesem Punkt angekommen, muss auch der mutigste Held klein beigeben: „Ich weiß nicht weiter“. In ihm pulsieren Ohnmacht, Wut, Entsetzen. Wie ist es möglich, dass unser Fortschrittsglaube und unser Bedürfnis nach Sicherheit und Bequemlichkeit uns zunehmend mit der Gefahr unseres eigenen Aussterbens konfrontieren?
Wir meinten es doch gut! Haben wir nicht dort, wo wilder und undurchdringlicher Urwald war, blühende Gärten entstehen lassen? Wir haben Krankheiten überwunden und, so glauben wir, eine höhere Lebenserwartung, wir sind gesund, glücklich und leben in Frieden. Na gut, das vielleicht nicht. Aber geht es uns nicht heute besser als früher? Diese armen Wilden, die wir waren, hatten ja nichts. Sie fürchteten jedes Gewitter und hielten Naturereignisse für Götter. Sie hatten ihren Verstand noch nicht entdeckt, folgten Sternbildern und Vogelflug und liefen dennoch gebeugt. Wir hingegen haben uns aufgerichtet und groß gemacht. In unserer körperlichen Stattlichkeit stehen wir nun da — und wissen doch nicht recht, was wir damit anfangen sollen.
Dort, wo die Alten noch einen Sinn sahen, erblicken wir die Leere eines erbarmungs- und seelenlosen Kosmos in dem der Zufall regiert.
Angesichts dieser trostlosen Erkenntnis sinken wir wieder in uns zusammen. Es hat ja alles doch keinen Sinn. Dann ist es ja egal, was wir machen und wie wir uns verhalten. Und so lassen wir unsere Körper in bequemen Sesseln verfetten, machen unsere Rücken an Schreibtischen krumm und beugen unsere Köpfe ununterbrochen über Bildschirme. So sehen wir nicht die Streifen am Himmel, nicht die verpestete Luft, nicht die verwüsteten Böden, nicht die austrocknenden Seen, nicht die verschwindenden Arten. Vor allem erkennen wir nicht, dass wir selbst wie Vieh vorangetrieben werden und bilden uns immer noch ein, die „Verantwortlichen“ würden zu unserem Besten handeln.
Immer mutloser fühlt sich der Suchende in seiner Sackgasse. Wie könnte er diese Bewegung aufhalten? „Halt! Ihr lauft in die falsche Richtung! Dort wo sich das Gut aller in einigen wenigen Händen konzentriert, wo die Natur durch Technik ersetzt wird und Algorithmen das Lebendige ablösen, geht es nicht lang! Reißt euch die Masken vom Gesicht, atmet tief durch und erkennt, was auf dem Spiel steht!“, ruft es stürmisch in ihm. Er fühlt sich wie ein Geisterfahrer auf der Autobahn: Kann er sich sicher sein, dass nicht er derjenige ist, der in der falschen Richtung unterwegs ist? Wie kann er wissen, wo es lang geht?
Eine Frage des Glaubens
Mein Richtungsweiser zeigt dorthin, wo dieser Planet Raum für alle seine Bewohner bietet. Es kann nicht angehen, dass einige wenige die Kontrolle soweit übernehmen, dass sie mit Chemie und Technik über Leben und Sterben aller entscheiden. Und so glaube ich nicht an das, was uns eingeredet wird, um dieses Machtstreben zu stützen. Ich glaube nicht den Quatsch vom Gesetz des Dschungels und dem Recht des Stärkeren, vom Wilden, der erst domestiziert werden muss, vom bösen Menschen, der seinesgleichen ein Wolf ist. Ich glaube nicht an die alleinige Existenz der Materie, nicht an seelenlose Körper und ein geistloses Universum. Ich glaube nicht an die Macht der Maschine. Ich glaube nicht daran, dass Wissenschaft und Technik uns retten können und der Weg aus der Krise heraus über Implantate und Programmierungen, Cyborgs und Roboter führt.
Ich glaube nicht an bösartige Zellen und Mikroben und all den Unsinn, den man uns weiszumachen versucht, um uns das Leben madig zu machen und uns in der Ohnmacht gefangen zu halten. Das Leben ist aus einer Kooperation und aus einer natürlichen Intelligenz heraus entstanden. Auch Charles Darwin hatte das erkannt. Doch immer wieder wurde die Wissenschaft mehr dazu genutzt, Herrschaftsansprüche zu konsolidieren, statt das Lebendige besser kennenzulernen. So viele Lügengeschichten hat man uns mittlerweile erzählt, dass wir heute Firmenlogos besser kennen als Bäume, Kräuter und Vogelarten. Die meisten von uns dürften kein Problem damit haben, sich das Logo von Amazon, MacDonalds und Nike vorzustellen — doch wer hat noch das Bild eines Ahornblattes, einer Kastanie oder einer Erle im Kopf?
Wut erfasst den Suchenden am Ende der Sackgasse. Wie konnte es so weit kommen, dass wir im Grunde nichts mehr von der Natur wissen? Wie konnten wir ihre Kreisläufe und ihre Gesetze vergessen? Wie konnten wir uns daran machen zu töten, was uns Leben gibt? Wie konnten wir uns so betrügen lassen! Wie können sich so viele Menschen gleichzeitig dermaßen in die Irre führen lassen! Er spürt die Wut durch seinen Körper stürmen und alles durcheinanderbringen, bis schließlich alles kopfsteht und sich umdreht. Aus der Wut erwächst ein neuer Mut.
Im Moment der größten Ohnmacht und Hilflosigkeit erscheint eine Öffnung, ein Nadelöhr nur, das bis dahin verborgen war. Um hier hindurchzukommen braucht es mehr als Verstand und Logik; es braucht Fantasie, Poesie und Kreativität. Vor allem aber braucht es etwas, was in der heutigen Zeit unmodern klingt: den Glauben. Jedem von uns wohnt er inne. Glaube ich an Gott oder glaube ich an nichts? Glaube ich an die alleinige Existenz der Materie oder glaube ich an ein Bewusstsein, das sich in der Materie verkörpert? Glaube ich an die industrielle oder an die ganzheitliche Medizin? Glaube ich an Impfungen oder an Homöopathie?
In einer Zeit, in der die Menschheit dazu bereit ist, sich Substanzen einimpfen zu lassen, von denen niemand weiß, wie sie wirken und was sie im Körper anrichten, wird offensichtlich, dass unsere stärkste Kraft nicht das Wissen, sondern der Glaube ist.
Nicht die Wissenschaft hat die Oberhand. Immer wieder hat sie sich vor den Karren der Mächtigen spannen lassen. So werden heute wie zur Zeit der Inquisition Dogmen verteidigt, vermeintliche Irrlehren öffentlich verdammt und Häretiker in Schauprozessen verfolgt. Doch entscheidend ist, was die Menschen zu glauben bereit sind.
So ist es schließlich der Glaube, der aus der Sackgasse herausführen kann. Er kann uns helfen, Ausweglosigkeit, Verwirrung und Spaltung zu überwinden. Es braucht keine Bulldozer, um Berge zu versetzen. Es reicht ein klares Nein! Ich mache hier nicht mehr mit! Ich steige hier aus und gehe einen anderen Weg. Ich glaube nicht mehr an eine Technik, die sich die Natur zum Feind macht. Trotzdem glaube ich nicht, dass wir zurück in die Steinzeit müssen. Denn ich glaube daran, dass Technologien möglich sind, die die natürlichen Lebensprozesse nicht behindern, sondern die das Leben achten und schützen.
Vor allem aber glaube ich, dass diese Entwicklung sich vollziehen kann, wenn nur genügend Menschen daran glauben.
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Quellen und Anmerkungen: