Die Vereinten Nationen als Kriegspartei

Über die wahren Ursachen der Teilung Koreas, Teil 3.

Im Spätherbst des Jahres 1945 war Korea von den Militärs der beiden Supermächte besetzt. Im Norden, im Zuge der militärischen Zerschlagung der japanischen Kwantung-Armee von der Roten Armee, Wochen später im Süden nach einer Annexion durch US-Truppen. Die sofortige Errichtung einer Militärdiktatur in Südkorea und die dortige Entmachtung der Volkskommitees waren der Auftakt zur Polarisierung der koreanischen Gesellschaft.

Polarisierung

Polarisierung ist ein wichtiges Werkzeug der Strategie des „Teile und Herrsche“. Daher befassen wir uns vorab kurz mit diesem Begriff.

„Polarisierung, im Allgemeinen Herausbildung zweier sich diametral gegenüberstehender Kräfte; im sozialgeographischen sinne Aufteilung einer homo- oder heterogenen gesellschaftlichen Gruppe in zwei sich gegenüberstehende Teilgruppen, die durch unterschiedliche Einstellungen und Verhaltensweisen charakterisiert sind. Im Gegensatz zur Differenzierung (Differenzen) mit ihren vielfältigen Abstufungsmöglichkeiten und z.T. fließenden Übergängen basiert die Polarisierung auf eindeutig Entgegengesetztem.“ (1)

Differenzierung ist die betrachtete Vielfalt einer Gesellschaft, Polarisierung ist die Trennung ihrer differenten Teile. Polarisierung kennen wir aus der Physik als die Trennung unterschiedlicher energetischer Zustände, was zwischen ihnen eine Spannung verursacht. In Gesellschaften ist das nicht anders. Und je stärker eine Polarisierung vorangetrieben wird, desto mächtiger ist auch die Entladung, wenn die Spannung einen kritischen Punkt erreicht hat.

Man kann mit Spannungen „spielen“, sie an kritische Punkte heranführen, was die Spannungsträger in Zwangshandlungen führt, wenn sie sich nicht bewusst sind, dass sie manipuliert werden. In einer heterogenen Gesellschaft können sich Differenzen (Spannungen) durch vielfältige Kommunikation immer wieder ausgleichen. Das Ausgleichverhalten zwischen den Akteuren ist somit viel weniger destruktiv und von Lernprozessen aller Beteiligten geprägt.

Wenn Jemandem daran gelegen ist, Spannungen von außen bewusst zu erhöhen, dann sucht er nach Wegen, den Ausgleich der „Ladungsträger“ zu verhindern. Er ist bestrebt, die Heterogenität des Systems durch Einförmigkeit zu ersetzen und das Abweichende zum Feindbild zu generieren. Er produziert Grenzen in den Köpfen (als Grundvoraussetzung) und im großen strategischen Spiel auf Landkarten. Diese Grenzen verhindern die Kommunikation und damit den natürlichen Ausgleich von Spannungen. Stattdessen erzeugen sie ein „gerichtetes Verhalten“ auf das Feindbild „der Anderen“ und entfremden die (immer und überall existierenden) Konflikpartner voneinander.

Einem Konflikt wird somit das positive, bereichernde Element entzogen, von dem die Partner profitieren. Er mündet nun in den Kampf. Der Fokus richtet sich beim Lösungsansatz nicht mehr auf den Konflikt*partner, der für eine gemeinsame Lösungssuche unerlässlich ist, sondern auf einen **Gegner, dem die **Schuld* am Konflikt zugeschoben wird, was die (subjektive) Legitimation zur Bekämpfung dieses Gegners bedeutet.

In Korea wurde das ab dem Herbst 1945 geradezu vorbildhaft demonstriert.

Sammlung des Repressionsapparates im Süden

Polarisierung wird natürlich auch immer von Kräften im Land selbst betrieben, um Menschengruppen gegeneinander aufzuhetzen und so eigene Machtinteressen durchsetzen zu können. Es gab also auch so genug Konfliktpotenzial in Korea. Schließlich begannen die umfassende Entmachtung eine Elite und der Verlust von Privilegien für eine Schicht von Opportunisten im Land.

Ungeachtet dessen deutete im Herbst 1945 nichts auf eine „Nacht der langen Messer“ in Korea hin. Es gab keine Berichte, dass die bisherigen nationalen Eliten übersteigerten Rachegefühlen, Rufmorden oder systematischen Verfolgungen ausgesetzt gewesen wären. Eine wahrhaftige, dem Frieden verpflichtete internationale Gemeinschaft hätte trotzdem den Koreanern im selbstbestimmten(!) Aufbau des neuen koreanischen Staatswesens beiseite stehen können; als Moderator und uneigennütziger Berater. Nur ist das eine Utopie, die weder damals noch heute gelebt wird (siehe auch weiter unten).

Schauen wir uns im Folgenden an, wie zu jener Zeit die Polarisierung im Konkreten vorangetrieben wurde.

Der – aus meiner Sicht – erste Keil, der in die koreanische Gesellschaft getrieben wurde, war ein symbolischer Akt. Als die US-Amerikaner am 8. September 1945 die japanische Flagge von den Verwaltungsgebäuden in Seoul einholten, ersetzten sie diese nicht durch die koreanische, sondern die US-Flagge (2). Das war ein Affront gegenüber den Koreanern und die erste Botschaft, dass die sich neu entwickelnden demokratischen Strukturen nicht von den US-Besatzern anerkannt würden.

Das ging einher mit der Weisung, die Strukturen der japanischen Kolonialverwaltung weiter zu nutzen – und zwar einschließlich des Personals. Personal meint hier die Masse der Verwaltungsbeamten und Sicherheitskräfte des bisherigen Regimes. Es meint damit den Repressionsapparat, der die Knechtung der koreanischen Bevölkerung erst möglich gemacht hatte. Der Norden des Landes war von einer solchen, gewaltsam von außen durchgesetzten Maßnahme nicht betroffen. (b1)


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Stellen Sie sich einfach vor, Sie selbst wären damals ein Verwaltungsbeamter im Dienste der japanischen Kolonialherren gewesen. Doch nun ist die Herrschaft der Fremden zusammengebrochen und damit auch Ihre soziale Existenzgrundlage. Sie stehen vor der Herausforderung, ihr Dasein neu zu ordnen, Arbeit zu suchen, ja Ihr ganzes bisheriges Leben zu überdenken. Sie stehen vor einem Scherbenhaufen – und vor einem Umbruch. Es gibt einen Konflikt, der in Ihrer Historie begründet ist und den Sie nun lösen müssen.

Plötzlich erhalten Sie Informationen, dass die US-Besatzer im Süden genau solche Leute wie Sie suchen. Sie bekommen eine bequeme Perspektive angeboten, in der Sie so weitermachen können wie bisher. Was werden Sie tun? Gehören Sie zu denen, die Nein sagen und den steinigen Weg der Selbsterkenntnis gehen, einschließlich des Tragens sozialer Risiken und dazu noch mit dem Kainsmal, williger Helfer der Besatzer gewesen zu sein?

Für mich selbst ist die Antwort keinesfalls selbstverständlich! Ist es doch absolut nachvollziehbar, dass sich Beamte und ehemalige Angehörige des Sicherheitsapparates (Geheimdienst, Justiz, Armee, Polizei) umgehend auf den Weg gen Süden machten, um sich für einen neuen, vergleichsweise gut bezahlten Job zu bewerben.

Was ich damit sichtbar machen möchte, ist der Mechanismus, der zur Polarisierung in Gesellschaften führt. Die US-Amerikaner, die den Repressionsapparat der Japaner übernahmen, stießen auf diese Weise eine erste innerkoreanische „Völkerwanderung“ an. Damit wurde auch eine gesellschaftliche Kaste in Südkorea gestärkt, die entsprechend in Nordkorea geschwächt wurde. Und zwar OHNE, dass dazu die sowjetischen Besatzer in Nordkorea etwas hätten tun müssen.

Westliche Historiker blenden aber diesen wichtigen Zusammenhang einfach aus und sprechen gern von einer Massenflucht aus dem Norden vor den Kommunisten. Sie vereinfachen die Komplexität dieser Wanderungsbewegungen auf ungebührliche Weise. Natürlich förderte die ideologisch geprägte sowjetische Militärverwaltung die Kommunisten in Nordkorea. Doch zu einer die Gesellschaft dominierenden kommunistischen Massenbewegung wurden sie damit noch lange nicht. Dass es später so wurde, „verdankte“ Nordkorea weiteren Prozessen, die Südkorea heimsuchten.

Flucht des Landadels aus dem Norden, Flucht der Landlosen in den Norden

Die Volkskommittees und die aus ihnen hervorgegangene und am 12. September 1945 proklamierte Regierung Koreas (ganz Koreas!) hatten eine klare Agenda, welcher sie auch die Unterstützung breiter Bevölkerungsschichten verdankten. Dazu gehörte eine Bodenreform. Die überkommenen feudalen Strukturen im Land sollten beseitigt und der korrumpierte Landadel enteignet werden.

Wieder hilft uns das Hineinversetzen in die damalige persönliche Situation der Beteiligten. Nehmen wir an, zur bisher privilegierten Schicht der Großgrundbesitzer zu gehören. Ein System der Leibeigenschaft hat uns vermögend und mächtig gemacht. Das gesellschaftliche System zum ersten und die Kolonialmacht Japan zum zweiten stützte unsere Macht. Plötzlich bricht eine dieser Machtstützen komplett weg und das ganze System wird vom Großteil der Gesellschaft nicht mehr akzeptiert. Ihre heile Welt geordneter Machtverhältnisse, die auch moralisch niemals in Frage gestellt wurde, bricht mit einem Mal zusammen.

Im Frühjahr 1946 wurde im Norden Koreas, mittels der basisdemokratischen Volkskommitees, eine Bodenreform umgesetzt, in deren Zuge 700.000 bis dahin landlose Bauern ein Stück Land erhielten (3). Während nun in einem Teil des Landes die praktische Umsetzung einer Landreform konsequent fortgeführt wurde, ergaben sich dagegen im anderen Teil auf einmal Aussichten einer Zementierung bisheriger Verhältnisse. Der bisher landlose Bauer (im Süden) aber sah, bislang praktisch in Leibeigenschaft gehalten und mit der Hoffnung auf sein eigenes kleines Stück Land, wie in Südkorea dieses zarte Pflänzchen der Hoffnung wieder zertreten wurde.

„Im Süden eskalierten Widerstand und gewaltsame Proteste, die sich in erster Linie dagegen richteten, dass pro-japanische Kollaborateure in Amt und Würden belassen und die Bauern gezwungen wurden, zusätzliche (Ernte-)Abgaben an die Behörden zu leisten. Dissens und Demonstrationen wurden von US-Truppen und vor allem rechten paramilitärischen Schlägertrupps niedergeknüppelt. Dazu zählte unter anderen die notorische „Nordwest-Jugend“, die als Söhne von im Norden enteigneten Grundbesitzern und pro-japanischen Kollaborateuren auf Rache sannen und unter den Fittichen der USAMGIK ihr Unwesen treiben konnten.“ (4,a1)

Gerade die Ausbeutung der Bauernschaft im Süden Koreas ging damit ungebrochen weiter. Kleine Pächter dagegen mussten bis zu 70 Prozent ihrer Ernte als Naturalsteuer abgeben und die gewaltsame Enteignung kleiner Landbesitzer wurde alltäglich (5).

Die sich ergebenden Wanderungsbewegungen innerhalb Koreas kann sich also jeder lebhaft ausmalen – und natürlich gab es sie in beiden Richtungen (6). Dabei reden wir bislang gar nicht von Fluchtbewegungen, nicht von Vertreibung, nicht von politischen Verfolgungen. Nein, Menschen migrierten schlicht in Regionen, die sie als attraktiver für ihr zukünftiges Leben betrachteten. Was nichts daran ändert, dass es trotzdem zur Polarisierung und Erhöhung des Potenzials gewaltsam ausgetragener Konflikte beitrug.

Polarisierung der Ideologien

Das Herrschen von Ideologien ist ein Ausdruck von Macht. Ideologien haben natürlicherweise kein Interesse, gleichberechtigt neben anderen Ideologien zu existieren. Diese Ausschließlichkeit des übernommenen Weltbildes geht mit ausgeprägten Feindbildmustern einher, welche dort ausgemacht werden, wo das eigene Weltbild in Frage gestellt wird. Daher steht der Autor jeder Art von Ideologie sehr kritisch gegenüber.

Doch steckt trotzdem in jeder Ideologie ein Teil universeller Prinzipien, welche das Zusammenleben menschlicher Gesellschaften ausmachen. Was bedeutet, dass in jeder Ideologie für Menschen attraktive Komponenten abgebildet werden. Diese Komponenten „belohnen“ natürliche Verhaltensweisen, die das gesamte psychologische Spektrum des Menschen abbilden. Ist es nun die Sehnsucht nach Sicherheit und Geborgenheit, der nach sozialer Teilhabe, nach persönlichem Vorteil, Angstbewältigung, Bequemlichkeit oder Machtstreben.

Jede Ideologie unterstreicht selektiv bestimmte Komponenten und bewertet sie als gut, während sie „nicht passende“ Komponenten wegstreicht oder als schlecht einordnet. Woran man erkennen kann, dass eben und vor allem Ideologien Quelle von Polarisierung und Konflikten sind. Gleichzeitig sind sie aber auch Ergebnis gesellschaftlicher Prozesse, weil zuvor bestimmte universelle Prinzipien durch die herrschende Ideologie nicht abgebildet wurden.

Die westliche Geschichtsschreibung betont gern, dass die Kommunisten im Norden Koreas die Bevölkerung ihrer Ideologie unterworfen hätten. Das ist sehr billig. Es unterstellt nämlich, dass die eigene Ideologie die „natürliche“ ist, während andere Ideologien nur über radikale Machtausübung existierten. So wird verleugnet, dass die Ideologie der Kommunisten für viele Koreaner attraktiv war!

Die Enteignung des Landadels, die Beseitigung der kolonialen Strukturen, die Schaffung grundlegender sozialer Sicherungssysteme, die Einführung von wirksamen Arbeitnehmerrechten und nicht zuletzt die Unterstützung basisdemokratischer Machtstrukturen, wie eben der Volkskommitees; all das wurde von den Kommunisten Koreas vorangetrieben – im Norden UND im Süden.

Eine Ideologie, die in ihrer Praxis so konsequent von der bisher herrschenden Ideologie und ihrer anhängigen Politik vernachlässigte Prämissen auf die Tagesordnung setzte, war ein Magnet für die Menschen. Und in gleicher Weise verlor die bisher herrschende Ideologie ihre Basis, den Glauben an sie. Sie musste nicht einmal bekämpft werden. Das alte Herrschaftssystem, mitsamt der tragenden Ideologie, verlor in Korea rasch auf sehr natürliche Weise seine Dominanz. Verhindern ließ sich das nur, indem man sie mit Gewalt am Leben erhielt – und dazu kam es. Denn die Ideologie der Besatzer aus den USA war grundsätzlich die gleiche wie der vorherigen japanischen Besatzer.

Die USA spielten in Südkorea brutal ihre Macht aus und trieben den Polarisierungsprozess – auch ideologisch – auf die Spitze. Daher würden in Südkorea – unter den Augen der Besatzer – bald bürgerkriegsähnliche Zustände herrschen, denen viele tausend Menschen zum Opfer fielen. Vor dem Krieg Süd gegen Nord gab es bereits einen Krieg im Süden, der rücksichtslos jeden politischen Gegner bekämpfte. Auch dieser Krieg – unter den Augen der demokratischen Supermacht und mit ihrem aktiven Zutun entfesselt – findet nicht die notwendige Würdigung in der westlichen Geschichtsschreibung.

Und, liebe Leser, erkennen Sie dieses Phänomen an anderen Stellen wieder? Schauen wir nach Afghanistan und in den Irak, wie auch nach Syrien. Entgegen der massenmedialen Berichterstattung, welche die USA dort als Mediator und als mehr oder weniger erfolgreichen Befrieder außer Kontrolle geratener Gesellschaften darstellt, sind die USA selbst der Spaltpilz, der dafür sorgt, dass die Konflikte in den Gebieten nicht verebben. Die Strategie der Spannung (7), um ein Klima der Gewalt in einer Gesellschaft zu schaffen, ist viel älter als man glauben mag (8), im Konzept des „Teile und Herrsche“ wurde sie schon lange vor 1945 betrieben.

Polarisierung durch Repression

Die US-Besatzer trieben den politischen Druck auf Andersdenkende systematisch voran. So ist es auch Geschichtsfälschung, wenn behauptet wird, das „wahre Wesen“ des späteren Diktators Syngman Rhee hätte man vorher verkannt und seine „Wahl“ wäre ein bedauerlicher Betriebsunfall gewesen. Es ist nämlich so, das Syngman Rhee die Diktatur nur von den Besatzern übernahm, statt sie zu erschaffen!

Die US-Militäradministration ging systematisch vor. Erst ignorierte sie die Volkskommitees, dann belebte sie die kolonialen Verwaltungsstrukturen der Japaner. Als nächstes „empfahlen“ sie den Volkskommitees, ihre Arbeit einzustellen. Als jene der „Empfehlung“ nicht nachkamen, wurden sie kurzerhand verboten. Stattdessen initiierten die Besatzer den Aufbau „demokratischer Parteien“. Sie riefen künstliche politische Gebilde ins Leben und sicherten deren Existenz politisch und finanziell. So bekamen die eigentlich völlig diskreditierten Kollaborateure der japanischen Kolonialherren eine neue politische Bühne.

Die neuen Parteien wurden als die neue Demokratie verkauft; also wenn man das nicht als Fassadendemokratie begreift, als was dann? Schließlich, im September 1946 verboten die US-Besatzer die Tätigkeit kommunistischer Organisationen und verhafteten führende Mitglieder der Kommunistischen Partei Koreas (9).

Was machen Menschen, die wegen ihrer Überzeugung verfolgt und mit dem Leben bedroht werden? Angst bietet zur Auflösung drei Möglichkeiten: Paralyse, Flucht oder Kampf. Paralyse im Sinne einer politischen Überzeugung meint deren Abschwören, die Selbstverleugnung, das sich unsichtbar Machen, um als Identität nicht im Feindbildraster der Verfolger erkannt zu werden. Kampf ist Krieg. Flucht ist das Entziehen aus der Gefahr. Letztere Variante wurde reichlich genutzt.

In Massen flohen Kommunisten und Sozialisten in den Norden des Landes und stärkten die dort immer mehr dominierende Ideologie. Die eigene, im Süden des Landes erlittene Biografie radikalisierte sie und stärkte ihrerseits Feindbilder. Entsprechend wurden die politischen Gegner auch nördlich des 38. Breitengrades immer kompromissloser bekämpft. Der sich so herausschälende Konflikt wurde durch die Flucht- und Wanderungsbewegungen, mit der einhergehenden Polarisierung, ein zunehmend regionaler Konflikt zwischen dem Norden und Süden des Landes.

Eine spezielle Ideologie des Syngman Rhee

Die geopolitischen Interessen der USA ließen sich – auch in Korea – am besten mit einem glühenden Antikommunisten realisieren, den man an die Spitze der Machtpyramide lancieren würde. Syngman Rhee wurde hierfür jahrelang aufgebaut und schließlich, ab Oktober 1945, Schritt für Schritt vom militärischen Oberbefehlshaber für Südkorea, John Hodge, in diese Position geschoben.

Welche Konsequenzen das haben würde, darüber schrieb Der Spiegel bereits im Jahre 1952:

„Damals begann er [Rhee] seinen Amoklauf für ein geeintes Korea unter seiner Fuchtel. Wer sich gegen seine Ziele stellte, wurde niedergewalzt.“ (10)

und außerdem:

„Sicherlich hätte sich Norden und Süden Koreas auch ohne Rhees Zutun entlang der Linie der historischen Entwicklung entzweit. Aber seine Agitation schaffte bereits jene feindliche Atmosphäre, die die Möglichkeiten einer immerhin denkbaren späteren Einigung vergifteten.“ (11)

Das gleiche Blatt zitierte Rhee mit:

„Unser Land ist verwüstet. Industrie und Landwirtschaft liegen darnieder, unsere Wirtschaft ist ruiniert. Aber trotzdem werden wir hartnäckig weiterkämpfen, bis der letzte Kommunist über den Yalu getrieben ist.“ (12)

Es stellt sich die Frage, wie Syngman Rhee zu seinem geradezu im Sinne eines Missionars betriebenen Antikommunismus gekommen war. Woher kam dieser Hass?

„Communism is cholera and you cannot compromise with cholera“ (13)

„Kommunismus ist Cholera und sie können mit der Cholera keine Kompromisse schließen“. Viel spricht dafür, dass Rhee in der Bekämpfung des Kommunismus den heiligen Auftrag zur Vernichtung der Gottlosen verstand, denn Rhee war tief religiös.

Er war Methodist.

Der Methodismus ist eine Jahrhunderte bestehende, mächtige anglo-amerikanische Religionsgemeinschaft (14). Im 18. Jahrhundert in England gegründet, wurde sie von englischen Missionaren auch rasch in den USA verbreitet. Sehr vereinfacht, beinhaltet diese Religion als Kernpunkt die nach außen aktiv (methodisch) umgesetzten Regeln des christlichen Glaubens. Die gelebte Nächstenliebe, der Dienst am Menschen, vor allem an Bedürftigen, bekam einen hohen Stellenwert (15).

Die Betreuung entmündigter, rechtloser, sozial ausgegrenzter Menschen wurde innerhalb dieser Religion allerdings von Anfang an mit großem Sendungsbewusstsein betrieben. Dahinter versteckt(e) sich die Überlegenheit der eigenen Lebensweise über die anderer Gemeinschaften. Und das wurde rasch politisch wirksam, denn die Religion gewann Einfluss auf die höchste Politik in den USA wie in Großbritannien.

Wir müssen bei der Analyse über die Geschehnisse in Korea unbedingt auch immer die Geschichte seines großen und lange dominierenden Nachbarn Chinas betrachten. Zwischen dem kleinen Korea und dem großen China entdeckt man immer wieder ganz erstaunliche Parallelen. Und als die koreanische Tragödie ab 1945 eine neue Seite aufschlug, steckte dahinter natürlich auch der unbedingte Wille der USA, ein ihnen genehmes „demokratisches China“ zu installieren. Die Rolle des Methodismus kann man dabei kaum überbewerten.

Evangelische Methodisten, also Christen, waren – um es drastisch auszudrücken – ideologische Rammböcke, welche das chinesische Kaiserreich, wie auch Korea, systematisch aushebelten. Christen waren es, die ab 1839 das „Jahrhundert der Schande unter den christlichen weißen Teufeln“ (16) in China einläuteten. Ein zum Methodismus konvertierter, gescheiterter chinesischer Beamter führte den sogenannten Taiping-Aufstand an, der zum Tode von bis zu 30 Millionen (sic!) Chinesen führen sollte. Hong Xiuquan, der sich selbst zum „himmlischen König“ ernannte, besaß eine Armee, die von dem aus den USA importierten General Burlingame geführt wurde (17).

Für die entstehende Rüstungsindustrie der Vereinigten Staaten und Großbritanniens brachen goldene Zeiten an, denn China wurde für viele Jahrzehnte einer ihrer besten Kunden. Während das Land „im Chaos versank“ (erinnert Sie das an gewisse Medienberichte der Gegenwart?), unterstützten die Anglo-Amerikaner alle Seiten mit Waffen, Geld und Ämtern, um die Konflikte – und damit das Geschäftsfeld wie auch ein schwaches China – bis in alle Ewigkeit aufrecht zu erhalten.

Auch die Demokratisierung Chinas nach westlichem Vorbild wurde von Methodisten vorangetrieben. Sie waren die ideologische Schnittstelle von im Westen für Ostasien aufgebaute Politiker wie Chiang Kai-shek (China) und Syngman Rhee (Korea). Auch der sogenannte Vater der chinesischen Revolution Sun Yat-sen, lebte Jahrzehnte in den USA – und wurde dort Methodist (18,19). Als man bei ihm Krebs festellte, wurde er im Union Medical College der Rockefeller-Stiftung behandelt. John D. Rockefeller war Baptist, Mitglied einer den Methodisten nahe stehenden Glaubensgemeinschaft, die sich, wie Erstere, der Evangelisation (Missionierung) weltweit verschrieben hatte.

Die Rolle der Methodisten, als von außen geführte Machtinstrumente, wurde von den chinesischen Kommunisten unter Mao sehr wohl erkannt und ihre Tätigkeit nach Gründung der Volksrepublik China verboten. Darin vor allem begründet sich unter anderem auch die Radikalität, mit der das maoistische China gegen praktizierende Christen vorging. Wen wundert das, wenn er die Vorgeschichte kennt? Ist es da nicht nachvollziehbar, dass zum Beispiel in China selbst heute gerade einmal 1,9 Prozent der Bevölkerung einem christlichen Glauben anhängen (20)?

Manchem Leser ist sie sicher aufgefallen, die teilweise religiös eifernde Sprache führender Staatsmänner der USA. Ist das hier demokratisch?

„Gott hat uns aufgerufen, unser Land zu verteidigen und die Welt zum Frieden zu führen.“ (21)

Es heißt nicht umsonst ZUM Frieden führen, denn es ist ein heiliger Krieg, dem sich der Missionierende verpflichtet fühlt. Wie der Glaube die Reinwaschung all der blutigen Taten ist, welche mit dem heiligen Krieg verbunden sind. Das Zitat stammt von George W. Bush und er sprach diese Worte, bevor er den Befehl zum Überfall auf den Irak gab. Und es war der schiere Glaube des Bush Junior, der zum Ausdruck kam.

George W. Bush ist überzeugter Methodist (22).

Sicher, auch führende Köpfe mehrerer afrikanischer Staaten (unter anderem Nelson Mandela) waren Methodisten. Mir geht es aber um eine einflussreiche politische Klasse in den USA und Großbritannien mit stark geprägtem religiösen Hintergrund, die beim Eifern für das „wahre Gute“ gern die gleichfalls gepredigten demokratischen Werte unter den Tisch fallen lässt, um einen „heiligen“ Krieg nach dem anderen anzuzetteln.

Politische Eliten der USA, welche dem Methodismus anhängen, sind von der Unfehlbarkeit ihrer von Gott befohlenen Mission zutiefst überzeugt. Ist Ihnen aufgefallen, wie oft die Medien das Wort FriedensMISSION verwenden, wenn sie von Krieg sprechen?

Hillary Clinton ist überzeugte Methodistin (23).

Sie warf ihren Methodismus in die Waagschale, um Staaten wie Libyen und Syrien zu „verbessern“ und dort das aus ihrer Sicht Böse mit Stumpf und Stiel auszumerzen. Auch der Begründer des zweiten Ku-Klux-Klans William Joseph Simmons war Methodist (24).

In den USA wird bis zum heutigen Tag eine – ich nenne sie einmal so – religiöse Fassadendemokratie betrieben. Es ist ein ausgeklügeltes und austariertes Herrschaftssystem, welches sich nach außen hin demokratisch, in seinem Innern jedoch ideologisch – religiös ideologisch – ausdrückt. Auch heute noch wird jede Tagung des höchsten parlamentarischen Rates in den USA – des Senats – von einer Predigt eingeleitet. Für diese Predigt gibt es einen offiziell angestellten Kaplan (25).

Gibt es da eine Verbindung zum antikommunistisch geprägten Methodisten und Koreaner Syngman Rhee? Ja, die gibt es. In den Jahren 1942 bis 1947 füllte das Amt des US-Senatskaplans ein gewisser Frederick Brown Harris aus (26). Und was kaum bekannt ist: Dieser Mann war äußerst einflussreich; so einflussreich, dass er auch die Rolle eines Beraters der höchsten anglo-amerikanischen Politiker ausfüllte.

Der Methodistenpfarrer Harris empfahl dem US-Präsidenten Harry S. Truman am 5. Mai 1945 ausdrücklich die Protegierung des Syngman Rhee (27). Das konnte er tun, weil er sowohl zu Truman als auch zu Rhee persönliche Beziehungen pflegte und das wiederum hing damit zusammen, dass Beide von ihm missionarisch betreut wurden. Alle drei waren Methodisten und alle drei waren glühende Antikommunisten.

Harris hatte auch persönliche Beziehungen zu weiteren überzeugten Antikommunisten; Winston Churchill und Douglas MacArthur, dem obersten Befehlshaber der US-Streitkräfte im Pazifik (28). Jenem Douglas MacArthur, der seinerseits Syngman Rhee persönlich kannte und im Oktober 1945 in seiner eigenen Maschine nach Korea einfliegen ließ. Dass das Verhältnis der beiden Männer tatsächlich persönlich, ja warmherzig war, lässt das folgende Foto erkennen (b2):


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Winston Churchill war Methodist und Douglas MacArthur war es auch.

Harris, der Amtspfarrer des US-amerikanischen Oberhauses, hatte zudem persönliche Beziehungen zu einem Chiang Kai-shek (und dessen zweiter Frau), der wiederum eine persönliche Beziehung zu Syngman Rhee pflegte (zu Kai-shek weiter unten mehr). Und es wird Sie nun kaum noch verwundern, dass auch Kai-shek nebst Gattin Methodisten waren.

Sie können hier sehr gut erfassen, wie Vernetzung unter Machteliten organisiert wird und welcher Kitt sie zusammenhält. Die Vernetzer sind im Hintergrund tätig. Sie sind zwar nicht unsichtbar, aber sie fallen nicht auf. Man nimmt sie in ihrer Rolle einfach nicht wahr. Wir sehen nur die Ergebnisse. Wir sehen zum Beispiel Politiker, die in Machtpositionen gebracht wurden und uns nun unsere geliebte Demokratie präsentieren. Über diese Art von Vernetzung kam Syngman Rhee an die Macht, nachdem er zuvor ideologisch konditioniert worden war.

Das war möglich, weil Rhee elitär dachte, herrschaftssüchtig handelte und das für sich in einer zur Ideologie gewandelten Religion rechtfertigte. Das alles würde ihn wenig später befähigen, für die Umsetzung seines politischen Traumes – eines von ihm vereinigten und geführten Koreas – den Tod zehntausender Koreaner in Kauf zu nehmen.

Die UNO als Völkergemeinschaft für „die Guten“

Die Rolle der Vereinten Nationen als der eines Machtinstrumentes lässt sich bereits aus den Umständen ihrer Gründung herleiten. Nur, wenn ein Land sich zuvor den Alliierten anschloss, durfte es auch in den Kreis der Vereinten Nationen eintreten. Daher ist die Liste der Gründungsstaaten der UNO im Prinzip deckungsgleich zu jener der Alliierten (29,30).

Auch wenn es dem Betrachter heute als selbstverständlich erscheinen mag, dass es eine moralische Pflicht gewesen sein muss, sich dem Bündnis gegen Deutschland und Japan anzuschließen, so steckt dahinter auch genau das Problem, das sich bis heute immer wieder auftut: Wer nicht mit uns ist, ist gegen uns. Neutralität wurde als nicht ausreichend angesehen, Parteinahme zwingend abverlangt. Abhängigkeitsverhältnisse und ein in vorbeugendem Gehorsam gelebter Vasallenstatus wurden gefördert. Schon in der Gründung der UNO wurde ein zweifelhaftes Schwarz-Weiß-Denken gelebt, dass Machteliten äußerst dienlich war.

Das dürfte auch der Grund gewesen sein, warum in den Monaten vor der Konferenz von San Francisco Staaten wie Chile, Argentinien, Peru, Ekuador, Paraguay, Venezuela, Uruguay, die Türkei, Ägypten, Saudi Arabien, der Libanon und Syrien sich noch den Alliierten anschlossen. Wer dafür sorgte, dass der spätere südkoreanische Diktator Syngman Rhee dieser Gründungskonferenz beiwohnte, waren auch Jene, die es ermöglichten, dass die Republik China mit Chiang Kai-shek ihr Land in diesem Gremium vertrat (31).

Die Verquickung von Macht und Medien ist kein neues Phänomen. Es ist sicher kein Zufall, dass im September 1945 das führende US-Wochenblatt TIME das Konterfei des korrupten Diktators und Günstlings der USA, Chiang Kai-shek, den US-Bürgern als Friedenshoffnung auf ihrem Titelblatt verkaufte (b3):


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Die USA sorgten in der UNO von Anfang an dafür, dass der REPUBLIK China – und nur ihr – ein ständiger Sitz im neu geschaffenen UN-Sicherheitsrat eingeräumt wurde. Das, obwohl die Machtverhältnisse in China zu jener Zeit keinesfalls geklärt waren und die Legitimität der Regierung Chiang Kai-shek seitens der chinesischen Bevölkerung – gelinde gesagt – eingeschränkt war. Diese durch die Macht der Vereinigten Staaten von Amerika explizit eingeräumte Befugnis für die REPUBLIK China – und nur sie – würde für Korea noch fatale Folgen haben.

Die Kenntnis der vorab zielgerichteten Lancierung von Macht für ein protegiertes Regime, wie das von Chiang Kai-shek, in das höchste Gremium der Vereinten Nationen lässt erahnen, dass der Korea-Krieg auch eindeutig mit Stoßrichtung auf die erst im Jahr zuvor gegründete VOLKSREPUBLIK China entfacht wurde.

Korea als verkleinerte Kopie des großen China

Je stärker der einheitliche Wille der Bevölkerung für eine bestimmte gesellschaftliche Ausrichtung des Landes, desto souveräner und unabhängiger ist das Land in seiner Umsetzung. Je fragiler die installierte Macht, desto mehr ist sie auf Spaltungsprozesse im Land und Hilfe von außen angewiesen.

Im Jahre 1947 würde die UNO auch eine Idee übernehmen, die von der Mehrheit der Koreaner im Süden wie im Norden vehement abgelehnt wurde, nämlich die einer Mandats- oder Treuhandverwaltung (Trusteeship), die nach einem geplanten Zeitraum die Entlassung Koreas in die Unabhängigkeit vorsah.

Von der Ablehnung des Volkes zur dieser Idee des Trusteeship, ÜBER das sie, die Großmächte, da entschieden, wussten Letztere sehr wohl. Ihre Informanten aus dem Militär und von Geheimdiensten berichteten das ihren Vorgesetzten in diversen Dossiers. Bereits Ende 1945 wurde auch ganz offen dagegen auf die Straße gegangen (b4).


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Das koreanische Volk wünschte keine Treuhandverwaltung und die neuen nationalen Eliten in den Volkskommitees und entstehenden Parteien wünschten es ebenso wenig. Mehr noch war das ein Eingriff in das Völkerrecht. Die diesbezüglich relevante Passage lautet:

Entlassung Koreas in die Unabhängigkeit

Mit welchem Recht bestimmten die Großmächte über die Souveränität des Landes Korea? Wer gab ihnen das Mandat, Korea in die Unabhängigkeit zu ENTLASSEN? Ganz im Sinne eines Methodistenpfarrers, der das unmündige koreanische Kind auf den Pfad der Tugend zur westlichen Demokratie geleitet, ließ sich US-Präsident Truman in einem Memorandum an das US-Außenministerium aus (b5):


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Niemand hatte den Großmächten die Macht dazu überantwortet. Nein, sie nahmen sich das Recht heraus, weil sie eben die Macht dazu besaßen. An dieser Stelle gilt meine ausdrückliche Kritik auch der sowjetischen Führung, die sich auf dieses Machtspiel einließ. Sie unterstützte im Rahmen der UN-„Betreuung“ die Farce eines scheindemokratischen Prozesses zur Installation der Republik Korea und ermöglichte so auch später die formale völkerrechtliche Anerkennung der Teilung des Landes.

Während der Moskauer Konferenz im Dezember des Jahres 1945 entschieden die vier Großmächte, vertreten durch ihre Außenminister, selbstherrlich über das Schicksal Koreas:

„die Bildung einer gemeinsamen Kommission zur Erstellung von Empfehlungen für eine einzige, freie Regierung in Korea. Diese Kommission wurde von Beginn an und von beiden Seiten mit großem Misstrauen beäugt. Am wichtigsten war die Entscheidung, dass ein Viermächte-Treuhandverwaltung benötigt würde, bevor Korea […] die Unabhängigkeit erlangte.“ (32)

Eindeutig entmündigte man die Koreaner und meinte, eigene Konzepte für einen Weg in die Unabhängigkeit des Landes entwickeln zu müssen. Das Manipulative im Satz gerade zuvor möchte ich Ihnen deutlich machen:

  • Weg in die Unabhängigkeit versteckt die Agenda von Macht, die da lautet: SCHAFFE EIN PROBLEM (nämlich, dass sich den Großmächten die Aufgabe stellte, den Weg Koreas – über den Willen dessen Volkes hinweg – zu entwickeln). Ein Weg IN die Unabhängigkeit war ja nur deshalb erforderlich, weil man selbst zuvor dem Land die Unabhängigkeit geraubt hatte.
  • Eigene Konzepte bemäntelt: Wir bieten die Lösung für das zuvor eigens dafür geschaffene Problem.

Das Ganze diente allerdings zu nichts anderem als dem Durchsetzen eigener Machtinteressen; daher also NICHT der im Problem „erkannten“. Für das Problem wie für die Lösung aber wurde nun die berühmte B-Geschichte entwickelt. Und die ist emotional gestrickt. Sie idealisiert und verteufelt und suggeriert gleichzeitig den dringenden Handlungsbedarf. Jenen Handlungsbedarf den in Wahrheit die Machtspieler anstreben, um ihre Macht zu konsolidieren oder zu erweitern.

Im Mainstream lesen sie das ständig, aber fällt es Ihnen auch auf? Hier ein Beispiel zu Korea 1945:

„Als am 27.12.1945 die Außenminister der Sowjetunion, Großbritanniens und der USA in Moskau zu einer Konferenz zusammenkommen, wird auch die desperate Lage Koreas auf die Tagesordnung gesetzt.“ (33)

Diese desperate Lage gab es damals überhaupt nicht. Doch würde sie innerhalb kürzester Zeit geschaffen werden.

Was also die Großmächte als Problem definierten, gab es so für die Koreaner nicht. Maßgeblich die USA forcierten nun die Schaffung des Problems über die eingeleitete Polarisierung der Gesellschaft (siehe oben). Für das Publikum wurde aber das Prinzip von Ursache und Wirkung verwischt. Ihm wurde eingeredet, ein Land versänke im Chaos und es müsste dringend geholfen werden.

Die gerade beschriebenen Strategien werden uns allen derzeit in Syrien, dem Irak, Afghanistan und dem Jemen plastisch vor Augen geführt. Den entmündigten Koreanern wurden damals die Taten der „guten Onkels“ als in ethisch reiner Verpackung servierte Geschenke gereicht. Man tat so, als ob die Koreaner ohne diese Hilfe niemals würden freihändig laufen können und die Gefahr bestände, dass das Land „im Chaos versinke“ – alles wie heute:

„Mit Sicht auf die Wiedererrichtung Koreas als unabhängigen Staat, der Herstellung von Bedingungen zur Entwicklung des Landes auf demokratischen Prinzipien und der schnellstmöglichen Beseitigung der desaströsen Resultate langjähriger japanischer Herrschaft in Korea, ist eine demokratische Regierung zu implementieren, welche alle erforderlichen Schritte zur Entwicklung von Industrie, Verkehr und Landwirtschaft Korea und der nationalen Kultur des koreanischen Volkes einleitet.“ (34; Übersetzung des Autors)

Schauen wir uns die Charta der Vereinten Nationen an, dann sehen wir eine Auflistung universeller Prinzipien des friedlichen Zusammenlebens der Völker. Dass der Traum einer friedvollen Welt gleichberechtigter Nationen tatsächlich eine Utopie war und ist, macht die geschriebenen Worte nicht schlecht. Doch muss man sich im Klaren sein, dass es mehr als das eben auch nicht ist. Selbst ihre Anwendung als Richtschnur politischen Handelns wurde dieser Utopie bis zum heutigen Tag nicht wirklich ermöglicht.

Missbrauch von Utopien

Am 9. Dezember 1948 beschloss die Generalversammlung der Vereinten Nationen die Konvention über die Verhinderung und Bestrafung des Verbrechens des Völkermordes. Am 12. Januar 1951, der Koreakrieg hatte vor wenigen Monaten begonnen, trat diese Konvention in Kraft. In den folgenden zweieinhalb Jahren starben Millionen koreanische Zivilisten durch Bomben und Napalm, welche mit dem Mandat der UN über Korea herniederregneten.

Die Idealisierungen der UN-Charta als Verklärungen zu begreifen, einen Traum, den wir gern lebendig sehen möchten, der aber eben ein Traum ist, davor scheuen wir zurück. Die emotionale Kraft dieser Ideale, die wir aus unserem Menschsein nur zu gern unterschreiben, verbirgt die dunkle Seite menschlichen und gesellschaftlichen Zusammenlebens. Sie kaschiert, dass wir in vielerlei Hinsicht nach den vorgegebenen Regeln von Macht und Herrschaft denken und handeln – und zwar bis hinunter auf die kleinsten Strukturen von Kollektiven.

Diese Regeln kontrastieren in scharfer Weise mit der idealen Wunschwelt und sie berühren in unangenehmer Weise unser Selbstverständnis. Sie kratzen an unserem Gut-Böse-Bild, in dem wir – sehr verständlich – von uns selbst die gute Seite annehmen. Genau an dieser „schwachen“ Stelle greift Machtdenken und zwingt uns – im Interesse des Guten – den Idealismus mit Kompromissen zu erkaufen. Diese Kompromisse gehen soweit, dass sie es uns ermöglichen, den millionenfachen Tod von Menschen als akzeptabel hinzunehmen.

Der Weg zum UNO-Krieg gegen Korea

Wir werden den Weg in einen von den Vereinten Nationen getragenen barbarischen Krieg gegen Korea im späteren noch genauer beleuchten. Doch eine der verwendeten Strategien sei schon an dieser Stelle verraten: Internationalisierung. Die UN-Charta schreibt in Kapitel I, Artikel 7:

„Aus dieser Charta kann eine Befugnis der Vereinten Nationen zum Eingreifen in Angelegenheiten, die ihrem Wesen nach zur inneren Zuständigkeit eines Staates gehören, oder eine Verpflichtung der Mitglieder, solche Angelegenheiten einer Regelung auf Grund dieser Charta zu unterwerfen, nicht abgeleitet werden; die Anwendung von Zwangsmaßnahmen nach Kapitel VII wird durch diesen Grundsatz nicht berührt.“ (35)

Der Artikel verbietet der UNO klipp und klar jede Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines Landes.

Wenn nun aus Machtinteressen heraus diese Regel ausgehoben werden soll, was muss man dann tun? Man verwandelt die inneren Angelegenheiten des Landes in internationale Angelegenheiten. Das funktioniert, in dem man zuvor mit Machtmitteln Völkerrechtssubjekte kreiert und deren internationale Anerkennung forciert.

Wir kommen wieder zurück zum August 1945, als mit dem harmlos klingenden Begriff Demarkationslinie von den USA eben dieser Prozess eingeleitet wurde. Achten Sie darauf, dass auch alle weiteren Schritte immer von den USA forciert wurden. Sie strebten zum Punkt, der ihnen die komplette Kontrolle der koreanischen Halbinsel (und möglichst noch mehr) erlauben würde.

So war die völkerrechtswidrige Militärdiktatur der USA in Korea selbst – komplett durch die Koreaner abgelehnt – der nächste Schritt zur Internationalisierung der koreanischen Angelegenheiten. Der internationalen Gemeinschaft wurde sodann, wieder mit der UNO als Werkzeug, eine Treuhandschaft (Trusteeship) über Korea aufgeschwatzt.

Ob die Sowjetunion durchschaute, dass sie bereits ab 1945 durch die USA mittels der UNO vorgeführt wurde? Ich meine nämlich, dass die damaligen Diplomaten der UdSSR blauäugig waren und das Spiel anfangs nicht begriffen.

Weiter ging es mit der Ersetzung der US-Diktatur durch den Proxy Syngman Rhee, der über Jahre dafür aufgebaut und Monate zuvor in die UNO eingeführt wurde. Auch dies wieder über die Köpfe der Koreaner hinweg. Rhee wurde durch die Besatzer in eine Position gebracht, die es ihm ermöglichte, „Wahlen zu gewinnen“, was in Wirklichkeit ein blutiges Schauspiel umfasste. Parallel dazu wurden auf allen Ebenen die Maßnahmen fortgeführt, die zu einer Polarisierung und schließlich Spaltung der koreanischen Gesellschaft hinführen würden.

Zielstrebig lenkten die USA, wieder unter aktiver Einbindung „der Völkergemeinschaft“, also unter Missbrauch der Vereinten Nationen, hin zu einem Separatstaat im Süden der Halbinsel. Auch dieser Separatstaat war ein künstliches, mit Macht geschaffenes Gebilde der USA, welches von der Masse der Südkoreaner komplett abgelehnt wurde. Der Separatstaat Südkorea war in keiner Weise Ausdruck von Volkssouveränität.

Dafür initiierten die USA die Gründung einer Provisorischen Kommission für Korea (36). Nun, im November 1947, begriffen die sowjetischen Diplomaten das Spiel. Denn die willkürlich von außen vorangetriebene Internationalisierung des selbst geschaffenen Korea-Problems sollte in die Schaffung von staatlichen Strukturen münden, welche nicht durch das koreanische Volk bestimmt sein würden und somit einer weiteren Entmündigung gleichkamen.

Die Ereignisse in Südkorea in den nachfolgenden Monaten sollten das in blutiger Weise bestätigen. Und genau deshalb setzte nun die Sowjetunion ein Stopp-Zeichen und verweigerte Vertretern oben erwähnter Kommission die Einreise nach Nordkorea (37).

Gelänge es jedoch dem Hegemon diesen Staat umgehend völkerrechtlich in Anerkennung zu bringen, hätte er sein Ziel erreicht. Und genau das geschah. Mit dem Völkerrechtssubjekt Südkorea wurde aus jedem zukünftigen Konflikt zwischen dem Norden und Süden Koreas ein internationaler Konflikt werden. Damit konnte „legal“ Krieg gegen Nordkorea geführt werden, mit dem Hinweis, dass Artikel 7 aus Kapitel I der UN-Charta (siehe oben) nicht mehr greifen würde.

Das ablaufende Szenario ist somit grob beschrieben. Wie sich die Vereinten Nationen, ganz speziell im Fall Korea (und China) in den Jahren 1947/1948, als Werkzeug der Weltmacht USA hingaben, werden wir in der kommenden Folge dieser Artikelreihe noch näher untersuchen. Dabei werden wir erkennen, dass die diplomatischen Aktivitäten der Weltgemeinschaft einhergingen mit einer immer weiter ausgreifenden Gewalt auf der koreanischen Halbinsel.

Bleiben Sie bis dahin schön aufmerksam.


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Anmerkungen:

(a1) USAMGIK für United States Army Military Government in Korea; die Militärregierung der USA in Korea

(Allgemein) Zitate wurden in Rechtschreibung und Grammatik unverändert zum Original aufgeführt. Nur dort, wo es die Lesbarkeit gravierend einschränkte, wurden Änderungen vorgenommen, die in eckigen Blockklammern gefasst sind.

Quellen:

(Allgemein)
Die UNO - Machtinstrument gegen Korea (1); https://peds-ansichten.de/2018/03/die-uno-das-kriegswerkzeug-gegenueber-korea-1/
Die UNO - Machtinstrument gegen Korea (2); https://peds-ansichten.de/2018/03/die-uno-machtinstrument-gegen-korea-2/

(1) Polarisierung; 2001 Spektrum Akademischer Verlag Heidelberg; Heidelberg; http://www.spektrum.de/lexikon/geographie/polarisierung/6113
(2) 26.7.2013; Rainer Werning; junge Welt; entnommen aus: http://www.ag-friedensforschung.de/regionen/Korea/60jahre3.html
(3,36,37) 26.3.2013; http://www.ag-friedensforschung.de/regionen/Korea/60jahre3.html; Originalquelle: Junge Welt
(4,5,9) 31.8.2017; http://www.nachdenkseiten.de/?p=39861
(6) 5.4.2018; https://en.wikipedia.org/wiki/Provisional_People’s_Committee_for_North_Korea#Reforms
(7) 28.8.2016; http://www.free21.org/die-strategie-der-spannung/
(8) 10.3.2018; https://de.wikipedia.org/wiki/Strategie_der_Spannung(Italien)
(10-12) 18.6.1952; Die Früchte des Zorns; Der Spiegel; Ausgabe 25/1952
(13) 27.6.2017; https://www.wilsoncenter.org/publication/syngman-rhee-socialist
(14) 11.3.2018; https://de.wikipedia.org/wiki/Methodistische_und_Wesleyanische_Kirchen
(15) 11.3.2018; http://www.emk.de/glaube/geschichte-des-methodismus/
(16,17,19) 7.2.2014; https://udopia-04.blogspot.de/2014/02/mission-in-china.html
(18) 12.3.2018; https://de.wikipedia.org/wiki/Sun_Yat-sen
(20) Hans van Ess: Die 101 wichtigsten Fragen: China. München: C. H. Beck, 2008; S. 106.
(21) 17.2.2003; http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-26383998.html
(22,23) 11.3.2018; https://de.wikipedia.org/wiki/Methodistische_und_Wesleyanische_Kirchen#Bekannte_Methodisten
(24) 11.3.2018; https://de.wikipedia.org/wiki/William_Joseph_Simmons
(25) 11.3.2018; https://en.wikipedia.org/wiki/Chaplain_of_the_United_States_Senate
(26,28) 11.3.2018; https://en.wikipedia.org/wiki/Frederick_Brown_Harris
(27) Correspondence Between Frederick Brown Harris and Harry S. Truman, May 8, 1945. Truman Papers, Official File. OF 471: Korea; Quelle: https://trumanlibrary.org/whistlestop/study_collections/koreanwar/index.php
(29) 20.2.2018; https://de.wikipedia.org/wiki/Mitgliedstaaten_der_Vereinten_Nationen
(30) 20.2.2018; https://en.wikipedia.org/wiki/Allies_of_World_War_II
(31) 10.3.2018; https://en.wikipedia.org/wiki/United_Nations_Conference_on_International_Organization
(32) Leckie, Robert (1962). Conflict: The History of the Korean War 1950-1953. New York: G. P. Putnam’s Sons. LCCN 62-10975
(33) 22.11.2016; http://www.ansoko.info/koreakrieg/
(34) Interim Meeting of Foreign Ministers, Moscow; 27.12.1945; http://avalon.law.yale.edu/20th_century/decade19.asp
(35) 25.2.2018; https://www.unric.org/de/charta#kapitel1
(b1,b5) Memorandum an das US-Außenministerium zur Okkupation Seouls und der Weiterführung der Administration durch japanische Verwaltungsbeamte sowie den einzuschlagenden Weg für die „Gestaltung“ der koreanischen Unabhängigkeit; 14.9.1945; Quelle: https://www.trumanlibrary.org/whistlestop/study_collections/korea/large/documents/pdfs/kr-1-2.pdf; Lizenz: k.A. (Dokument älter als 70 Jahre)
(b2) 1951; Douglas MacArthur, Supreme Commander for Allied Powers, (Left) and Dr. Syngman Rhee, Korea’s first President, warmly greet one another upon the General’s arrival at Kimpo Air Force Base, at the invitation of President Rhee; Quelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Syngman_Rhee_2.jpg; Lizenz: Gemeinfrei
(b3) Chiang Kai-shek auf Titelblatt der TIME; 3.9.1945; Quelle: http://www.geschichteinchronologie.com/as/china/China-04/004-Chiang-Kai-Shek-auf-titelblatt-von-Time-1945-09-03.jpg; Lizenz: k.A. (Quelle über 70 Jahre alt)
(b4) Anti-Trusteeship Campaign, Dezember 1945; Autor: unbekannt; 1.12.1945; Quelle:
https://en.wikipedia.org/wiki/United_States_Army_Military_Government_in_Korea#/media/File:Anti-Trusteeship_Campaign.jpg; Lizenz: Public Domain