Die Ursachenverschiebung
Beim Thema Altersarmut sind die Renten und die Arbeitseinkommen entscheidend, nicht die Demografie.
Der jetzige Zustand der Renten in Deutschland verletzt Grundgesetz, Rechtsstaat und die Menschenrechte und ist typisch für einen feudal-kapitalistischen Klassenstaat. Deutschland steht dabei auf der Unrechtsskala Europas ganz oben. Das herrschende Renten-Narrativ lautet bekanntlich: Die Renten seien gefährdet, weil immer mehr Rentner von immer weniger Beschäftigten finanziert werden müssen. Und mit den Babyboomern, die in den nächsten Jahren in die Rente gehen, werde es noch dramatischer. Deshalb müsse das Arbeitsleben verlängert werden, und die Deutschen müssten für ihr Alter noch mehr privat, etwa mit Aktienanlagen, vorsorgen. Schauen wir uns den Lügenkomplex der Demografie-Schwindler einmal genauer an. Ein Text zur Sonderausgabe „Armut in Deutschland“.
Erste Lüge: Es gibt gar kein allgemeines „Rentenproblem“
Manche wichtigen Berufsgruppen haben überhaupt kein Rentenproblem: Im Gegenteil, ihre Renten sind hoch, sie sind gesichert, und sie steigen ständig. Und das ist ganz unabhängig davon, wie viele Rentner und wie viele Beschäftigte es in diesen Berufen gibt.
Beamte, Abgeordnete, Ressortleiter der Staatsmedien …
Zu diesen gehören die 1,38 Millionen Rentner, die vorher Beamte waren. Ihre gesetzlich geregelte Rente hängt überhaupt nicht davon ab, wie viele Beamte in Rente gehen und wie viele Beamte noch beschäftigt sind. Und die Rente hängt überhaupt nicht davon ab, was die Beamten vorher für die Rente eingezahlt haben, denn sie zahlen gar nichts ein. Der Staat zahlt die Renten aus den öffentlichen Haushalten des Bundes, der Bundesländer und der Kommunen. Sie heißen Pensionen und ihre durchschnittliche Höhe beträgt 3.170 Euro (Stand 2022) (1).
Dasselbe gilt für die Kirchenbeamten, übrigens auch für missbrauchsanfällige Priester und Bischöfe, und übrigens auch für die deutschen Militärseelsorger christlichen und jüdischen Glaubens, die Panzer segnen und in Afghanistan jahrzehntelang die Verwüstung des Landes und die Tötung auch von Zivilisten abgesegnet haben. Dieselbe Rente gilt auch für die Berufssoldaten, die übrigens schon ab 55 Jahren in ihre höhere Rente gehen können.
Ähnliches gilt für die gesetzlich geregelten Renten der Abgeordneten des Deutschen Bundestages, der Landtage und auch des Europäischen Parlaments, ebenfalls völlig unabhängig davon, wie viele oder auch weniger Abgeordnete es gibt. Und auch sie brauchen vorher gar keine Beiträge aus ihren Abgeordneten-Einkommen einzuzahlen. Und noch viel besser haben es die politischen Vor-Ruhestands-Beamten, die Minister, Regierungschefs und Bundespräsidenten und übrigens auch die Intendanten und Ressortleiter der staatlichen Zwangsmedien.
Unternehmensvorstände, Unternehmensberater …
Und das noch um einiges größere Renten-Unrecht betrifft eine weitere Berufsgruppe. Es geht um die Renten der Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder in privaten und auch staatlichen Landes- und Kommunal-Unternehmen. Das sind übrigens ebenfalls abhängig Beschäftigte, Angestellte: Ihre Einkommen, Boni, Vorzugsaktien, privaten Zusatzleistungen und die Pensionszusagen sind in den letzten Jahren schneller als die Einkommen der in denselben Unternehmen abhängig Beschäftigten gestiegen — übrigens auch deshalb, weil sie die Einkommen der unteren Ränge der abhängig Beschäftigten und damit zugleich deren Renten kräftig gesenkt haben.
Und das Renteneintrittsalter dieser bestens versorgten Rentner ist immer weiter gesunken — mit 60 Jahren in Rente gehen und gut versorgt in eine neue kreative Lebensphase eintreten: Das ist das Motto! Wie es jetzt zum Beispiel Frank Appel machte, der Vorstandschef der Deutschen Post DHL, unter Zustimmung der Großaktionäre, also des deutschen Staates gemeinsam mit BlackRock, Vanguard & Co. Laut Vertrag hätte er schon mit 55 Jahren in seine millionenschwere Rente wechseln können (2). Auf diese Lösung werden wir zurückkommen! Und diese Renten sind übrigens ebenfalls gesetzliche Renten, geregelt im Aktiengesetz.
Ähnliches gilt für die hochbezahlten Mitarbeiter der Unternehmensberatungen, Wirtschaftskanzleien, Wirtschaftsprüfungskonzerne und PR-Agenturen, die seit der SPD/Grünen Bundesregierung von Gerhard Schröder und Joseph Fischer die Verarmung der Volkswirtschaft und die progressive Überschuldung des Staates mitorganisieren. Dieselben Berater hatten die Verschärfung dieser Politik unter der Dauerkanzlerin Angela Merkel in noch größerer Zahl weiter befeuert und tun dies jetzt in der von der Bundesregierung organisierten „Wendezeit“ weiter (3).
Diesen Beratern, also den Haupttreibern der Privatisierungen, der privaten Altersvorsorge, der Sozialkürzungen, der De-Industrialisierung im Rahmen der jetzigen Kriegshaushalte geht es so gut wie noch nie. Sie können dann frühzeitig mit hohen Renten das verarmte Deutschland von ihren bequemen Altersruhesitzen aus der Ferne begutachten — wenn wir das zulassen.
Durchschnittliche „gesetzliche“ Rente: Armutsrente
Die durchschnittliche gesetzliche Rente der unteren Ränge beträgt 1.152 Euro (Stand 2022). Damit liegt diese Rente genau 4 Euro über der Armutsgrenze, die gegenwärtig in Deutschland 1.148 beträgt, während die durchschnittliche Beamtenrente dreimal so hoch ist, 3.170 Euro pro Monat!
Die Armutsrente bleibt auch so, wenn wir das nach Männern und Frauen und nach West- und Ostdeutschland aufschlüsseln: Die durchschnittliche Rente in Westdeutschland beträgt bei Männern 1.218 Euro, bei Frauen 809 Euro. Ostdeutschland: für Männer 1.143 Euro, für Frauen 1.072 Euro. Also alles unter der Armutsgrenze.
Höchstrente für Beamte: Fünfmal höher
Natürlich haben einige Millionen dieser Rentner eine höhere Rente. Vier Millionen Männer und zwei Millionen Frauen bekommen zwischen 1.200 und 1.500 Euro, also knapp unter der Armutsgrenze und etwas darüber. Die höchste gesetzliche Rente von 2.400 Euro erhalten 1,2 Prozent der Männer und 0,1 Prozent der Frauen.
Aber diese mini-wenigen gesetzlichen Höchstrenten liegen immer noch weit unter der durchschnittlichen Beamten-Rente. Denn die durchschnittliche Rente der Beamten ist dreimal so hoch. Und während die Höchstrente der Arbeitnehmer bei 2.400 Euro liegt, liegt die Höchstrente der Beamten knapp fünfmal so hoch: bei 11.500 Euro pro Monat.
Die grundgesetzliche Gleichbehandlung der Bürger wird auch dadurch systemisch verletzt, dass die Beamten, laut Statistik, ihre höhere Rente in besserer Gesundheit mehrere Jahre länger beziehen.
Vier Millionen Best-Renten
Wir können also den ersten Lügen-Komplex so zusammenfassen: Es gibt überhaupt kein allgemeines Rentenproblem und kein Demografie-Problem. Die etwa vier Millionen staatlichen wie privaten Besser- und Bestverdiener kennen überhaupt kein Rentenproblem.
Diese ebenfalls gesetzlichen Renten sind hoch, sie werden mit der bisherigen und jetzigen Regierungs- und Konzernpolitik noch weiter erhöht, auch völlig unabhängig von der Zahl derer, die in diesen Berufsgruppen noch arbeiten. Und diese Besser- und Bestverdiener erhalten eine umso höhere Rente, je mehr sie dazu beitragen, die Renten der Mehrheitsbevölkerung zu senken.
Zweite Lüge: Auch die Best-Renten sind gesetzliche Renten
Das Rentenproblem existiert also nur für die unteren Ränge der abhängig Beschäftigten. Also für diejenigen mit der sogenannten gesetzlichen Rente.
Dieser Begriff der „gesetzlichen Rente“ ist irreführend: Denn wie wir gesehen haben, bekommen auch die Beamten, Berufssoldaten, Abgeordneten, politischen Ruhestandsbeamten, Regierungsmitglieder und die Konzernvorstände eine gesetzlich geregelte Rente. Die ist aber um Klassen besser.
Im Umkehrschluss heißt das: Der Gesetzgeber könnte für die unteren Ränge der abhängig Beschäftigten gesetzlich für bessere Renten sorgen, das sogenannte Rentenproblem lösen. Das Grundgesetz gebietet sogar die gesetzliche Gleichstellung aller Bürger und Bürgerinnen, ebenfalls bei der Rente. Darauf kommen wir zurück.
Dritte Lüge: Es gibt nicht weniger, sondern immer mehr Arbeitnehmer
Von der gezielten begrifflichen Verwirrung abgesehen: Das Problem hängt überhaupt nicht daran, dass immer weniger abhängig Beschäftigte der unteren Ränge aus ihrem Arbeitseinkommen in den Rententopf einzahlen. Im Gegenteil: Die Zahl der abhängig Beschäftigten der unteren Ränge ist in den letzten drei Jahrzehnten ständig gewachsen. 1991 waren es im glücklich vereinten Deutschland 35,3 Millionen Arbeitnehmer, heute sind es im unglücklichen Gesamtdeutschland 41,6 Millionen offiziell registrierte Arbeitnehmer, also gut 6 Millionen mehr.
Das kommt allerdings nicht durch die Ausweitung des Arbeitsvolumens. Vielmehr wurde auch unter dem Einfluss von US-Investoren und -Beratern die bestehende Volkswirtschaft profitabel geschrumpft.
Viermal Hartz: Niedriglöhnerei für mehr abhängig Beschäftigte
Durch die Agenda 2010 von Schröder/Fischer, von SPD/Grünen, also in ihrer Regierungszeit von 1998 bis 2005, wurde die unter der CDU-Kohl-Regierung in der Ex-DDR eingeübte volkswirtschaftliche, Lohn- und Renten-Schrumpfung auch in Westdeutschland fortgesetzt.
Die Agenda 2010 hatte zwei Teile: Erstens die Einladung an US-Investoren zum günstigen Aufkauf hiesiger Unternehmen. Diese Investoren wie Blackstone und dann BlackRock & Co. wurden zusätzlich durch die extrem kapitaldienliche Niedriglöhnerei angelockt: Zur Agenda 2010 gehörten ja die vier Hartz-Gesetze. Sie verletzen die menschenrechtlichen Arbeitsrechte der UNO und der Internationalen Arbeitsorganisation ILO. Und das unterstützt zudem die Europäische Union.
Der Namensgeber Peter Hartz hatte sich dadurch verdient gemacht, dass er das Buch „Die Job-Revolution“ geschrieben hatte: Er nahm die menschenrechtswidrige Job-Praxis in den USA als Vorbild. Die USA stehen bekanntlich oder auch unbekanntlich, zusammen mit dem Golf-Staat Katar, weltweit einsam an der Spitze der Nicht-Ratifizierung der ILO-Arbeitsrechte (4).
So brachten die vier Hartz-Gesetze erweiterte Leiharbeit, Mini- und Midi-Jobs, Teilzeitarbeit, befristete Arbeit. Diese Arbeits-Armut führt zu Armuts-Renten, gerade bei denen, die am allerwenigsten verdienen: Die Minilöhner dürfen sogar gesetzlich darauf verzichten, einen Rentenbeitrag zu zahlen, sondern können sich die paar Euro als kleine Aufbesserung ihres kargen Lohns für ihre prekäre Existenzsicherung auszahlen lassen.
7,5 Millionen Minijobber
So verdoppelte sich der Anteil der Teilzeit-Beschäftigten von 1991 bis 2019 von 18,5 auf 38,6 Prozent. Und die geringfügige Beschäftigung stieg von 7,7 Prozent der Beschäftigungsverhältnisse auf 17 Prozent: Im Jahre 2022 hatten 7,5 Millionen Beschäftigte einen Minijob, verdienten also bis 450 Euro, ab Oktober 2022 bis 520 Euro pro Monat, 5 Millionen davon im „Hauptberuf“, 2,5 Millionen im Nebenberuf neben dem Hauptberuf.
Die Leiharbeit wurde zusätzlich menschenrechtswidrig erweitert, nämlich dadurch, dass sie schlechter bezahlt wird als die gleichartige Arbeit in Festanstellung: Entweder durch einen Tarifvertrag mit einer meist „christlichen“ Gewerkschaft oder durch die Festlegung im Arbeitsüberlassungsgesetz aus der Ära Merkel: In den ersten 9 Monaten gilt kein „equal pay“, keine gleiche Bezahlung, sondern erst danach.
Auch ein wachsender Teil der viel beschworenen Babyboomer leidet darunter: Vor allem diejenigen, die jetzt und später in die Rente gehen werden, sind durch Phasen der Niedriglöhnerei und auch der Arbeitslosigkeit gegangen. Wobei die Niedriglöhnerei schon längst nicht mehr auf die vier Hartz-Gesetze beschränkt ist, sondern auch viele „Normal“arbeitsplätze betrifft.
Nicht-registrierte Niedriglöhner
Zudem organisieren die führenden Kapitalisten — ohne Erlaubnis durch Hartz-Gesetze — neue Niedriglöhne, etwa durch die Plattform-Konzerne für Taxi-, Liefer- und IT-Dienste. Dabei sind viele dieser abhängig Beschäftigten und Schein-Selbständigen — vielfach ohne formellen Arbeitsvertrag — in der staatlichen Arbeitsstatistik gar nicht registriert (5).
Wir fassen den zweiten Lügenkomplex zusammen: Es gibt nicht weniger abhängig Beschäftigte, sondern immer mehr. Das Rentenproblem besteht in der vielgestaltigen, auch unter den CDU/Merkel-Regierungen erweiterten Niedriglöhnerei für immer mehr Beschäftigte.
Vierte Lüge: Arbeits- und Renten-Armut der Frauen
Die Demografie-Behauptung ist zudem in einer weiteren Hinsicht falsch: Frauen sind von der Arbeits-Armut und der nachfolgenden Renten-Armut ungleich härter betroffen als Männer.
Merkel mit Ivanka Trump: Frauen in Führungspositionen!
Die von Merkel/CDU-geführten Regierungen haben die mit den vier Hartz-Gesetzen eingeleitete Entwicklung weiter verschärft. Durch zwei Gesetze wurden und werden seitdem Frauen beruflich und finanziell gefördert — das betrifft aber nur Frauen für Führungspositionen und nur in der obersten Ebene, nämlich in Vorständen und Aufsichtsräten großer Unternehmen. Die Bundeskanzlerin machte zusammen mit der EZB-Chefin Christine Lagarde und der Trump-Tochter Ivanka international Werbung nur für Frauen, die in Führungspositionen aufsteigen sollen (6).
Gleichzeitig wurden vor allem Frauen in die Niedriglöhnerei abgedrängt. 12,9 Prozent der Frauen haben eine Rente unter 300 Euro, 21,8 Prozent zwischen 300 und 600 Euro, 23,7 Prozent zwischen 600 und 900 Euro, 23,5 Prozent zwischen 900 und 1.200 Euro. Insgesamt bekommen also 81,9 Prozent der Rentnerinnen eine Armutsrente. Bei den Männern bekommen dagegen „nur“ etwa die Hälfte eine Armutsrente, nämlich 47,4 Prozent (7).
Das Schweigen des kapitalfrommen Gender-Milieus
Diese menschenrechtswidrige Arbeits-Armut der Frauen und ihre nachfolgende menschenrechtswidrige Renten-Armut, ein Aspekt in dem Deutschland in der EU übrigens der Führungsstaat ist: Aber da bleiben diejenigen Frauen-Vorkämpfer stumm, die sich weltweit für die sexuelle Gender-Gerechtigkeit einsetzen. Denn wo bleibt die Lohn- und Renten-Gerechtigkeit? Die ökonomische Gewalt gegen Millionen Frauen wird von den Propagandisten der neuen „westlichen Werte“ überhaupt nicht thematisiert.
Und wenn die engagierte Kölner Staatsanwältin Anne Brorhilker bisher erfolgreich männliche wirtschaftskriminelle Banker vor Gericht bringt, die den Staat um Milliarden Euro betrogen haben — und als der grüne Justizminister Nordrhein-Westfalens Benjamin Limbach diese Staatsanwältin politisch entmachten wollte — dann hielt das sexualisierte, verblödete, mediengeile Gender-Protestmilieu kapitalfromm auch hier die Klappe. Nur durch Druck von ganz anderer Seite torkelte Limbach zurück. Schließlich kündigte Deutschlands wichtigste Cum-Ex-Ermittlerin ihre Stelle, weil die Justiz gegen die heute führenden Wirtschaftskriminellen zu schwach sei (8).
Fünfter Lügenkomplex: Weitere gesetzliche Renten-Absenkungen
Die Demografie-Behauptung ist noch in weiterer Hinsicht falsch: Die gesetzlichen Renten der unteren Ränge der abhängig Beschäftigten wurden und werden nicht nur durch die Niedriglöhnerei der vier Hartz-Gesetze abgesenkt, sondern auch durch weitere direkte und indirekte Maßnahmen.
Die „Rentenformel“: Zweimal Absenkung des Rentenanspruchs
So wurde die sogenannte Rentenformel zweimal zulasten der unteren Ränge der gesetzlich versicherten Rentner geändert. Sie legt die Höhe der Rente im Verhältnis zu den im Arbeitsleben eingezahlten Rentenbeiträgen fest, gemessen in „Entgeltpunkten“. Diese Renten-Absenkungs-Formel wurde damals zusammen mit der privaten „Riester“-Rente und den vier Hartz-Gesetzen eingeführt. So wurde 2001 und 2004 der Rentenanspruch zweimal abgesenkt. Betrug die Rente 1990 noch 55 Prozent des eingezahlten Anspruchs, so beträgt sie aktuell nur noch 48,3 Prozent (9).
Zum Vergleich: Beamte haben Anspruch auf eine Rente in Höhe von 71,75 Prozent, und zwar in Bezug auf ihr letztes Einkommen vor dem Renteneintritt, und zudem ohne dass sie von ihrem Arbeitseinkommen Anteile für ihre Rente einzahlen mussten.
Und die Beamten bekommen ihre 71,75 Prozent schon nach 40 Dienstjahren — während die „Arbeitnehmer“ 45 Arbeitsjahre vorweisen müssen, um ihre kümmerlichen 48,3 Prozent zu ergattern.
Nachträgliche Besteuerung
Eine weitere gesetzliche Senkung ist folgende: Seit 2004, beschlossen durch die Mehrheit aus SPD und Grünen, werden die Renten besteuert, was bis dahin nicht der Fall war. Diese neue Kürzung der Renten ist salamitaktisch auf 35 Jahre gestreckt, bis zum Jahr 2040 jedes Jahr ein paar Prozentchen mehr, damit es möglichst niemand merkt.
Merkel/Von der Leyen: Endgültig keine Rentenbeiträge mehr für Arbeitslose
Den Allerärmsten geht es bei dieser Politik am allerschlechtesten: Für die arbeitslosen Hartz-IV-Empfänger wurde der anfänglich noch gezahlte, ohnehin niedrige Rentenbeitrag dann unter Kanzlerin Merkel schließlich vollständig gestrichen und zwar unter direkter Verantwortung der damaligen Arbeitsministerin Ursula von der Leyen, der späteren Verteidigungsministerin und heutigen Präsidentin der Europäischen Kommission (10).
Der sechste Lügen-Komplex: Indirekte Renten-Senkungen
Die Renten der unteren Ränge der abhängig Beschäftigten wurden und werden zudem indirekt abgesenkt.
So verzögerten die Merkel-Regierungen ein Jahrzehnt lang bis 2015 die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns. Er war zudem mit 8,50 Euro extrem niedrig und wird auf diesem niedrigem Niveau fortgeschrieben, mit 41 Cent pro Jahr jetzt in Zeiten der beispiellos hohen Inflation. Und durch mangelnde Aufsicht fördern die Regierungen bis heute die millionenfache Nichtzahlung oder Unterlaufung dieses Armutslohnes — und damit zusätzlich die daraus folgenden Armuts-Renten.
Außerdem leisten in dieser kapitalfrommen Politikära jährlich die abhängig Beschäftigten im Durchschnitt etwa eine Milliarde registrierte Überstunden, die nicht bezahlt werden und für die also auch keine Rentenbeiträge eingezahlt werden. Hinzukommen seit einigen Jahren die ebenfalls unbezahlten Überstunden, die gar nicht registriert werden.
Sowohl die Merkel- wie die Scholz-geführten Bundesregierungen weigerten beziehungsweise weigern sich, das Urteil des EUGH aus dem Jahr 2019 zur verpflichtenden Registrierung aller geleisteten Arbeitsstunden umzusetzen — und die EU fördert das, indem sie diesen Vorgang toleriert.
Schließlich tragen die versicherungsfremden Leistungen zur Senkung der Renten bei. Seit der Einführung unter der Adenauer-Regierung — etwa für ehemalige SS-Angehörige in den baltischen Staaten — stieg die Summe bis auf 78 Milliarden Euro an, also ein Viertel des gesamten „gesetzlichen“ Rententopfes von 296 Milliarden Euro (Stand 2021) (11).
Zudem hat die steuerliche Förderung der „Riester“-Rente mit der Begünstigung der privaten Versicherungskonzerne bis zum Jahr 2022 die staatliche Verschuldung um 59 Milliarden Euro erhöht (12).
Der siebte Lügenkomplex: Die Rente mit 67
Zur Lösung des „Rentenproblems“ wurde das Renten-Eintrittsalter für die unteren Ränge der gesetzlichen Rentner von 65 auf 67 Jahre erhöht. Aber dadurch werden viele Renten zusätzlich abgesenkt: Denn etwa 60 Prozent der abhängig Beschäftigten gehen vor dem gesetzlichen Eintrittsalter in Rente.
Die allermeisten gehen unfreiwillig. Das hat viele Gründe: ausufernde unbezahlte Überstunden, Dauer-Arbeitslosigkeit und keine verfügbaren Arbeitsplätze, erhöhter Arbeitsstress, „innere Kündigung“ und Burnout wegen Sinnlosigkeit der Arbeit, Abbau der staatlichen Arbeitsaufsicht und Verschlechterung der Arbeitsbedingungen, wachsende Entfernungen zwischen Wohn- und Arbeitsort mit erhöhtem Zeit- und Kostenaufwand.
Gegenwärtig werden wegen der frühzeitigen Beantragung 8,4 Millionen Renten gekürzt. Im Durchschnitt gingen diese 8,4 Millionen Arbeitnehmer zwei Jahre und 8 Monate vorzeitig in Rente. Pro Monat werden ihnen deshalb 0,3 Prozent abgezogen, bei zwei Jahren und 8 Monaten sind dies folglich 9,6 Prozent.
Zu diesen Betroffenen mit gekürzter Rente gehören 1,6 Millionen Beschäftigte, die wegen Arbeitslosigkeit vorzeitig in Rente gingen oder vom Jobcenter geschickt wurden, also abgeschoben wurden. Weitere 1,8 Millionen Beschäftigte sind wegen verschiedener Krankheiten jahrelang in vorzeitiger Erwerbsminderungsrente (13).
Diese Entwicklung wird jetzt noch beschleunigt, wovon die Demografie-Schwurbler offensichtlich ebenfalls keine Ahnung haben: durch die De-Industrialisierung aufgrund der Sanktionspolitik gegen Russland sowie durch die zeitenwendig intensivierte Anwerbung von jungen, alleinstehenden, willigen und billigen „Fachkräften“ aus Brasilien, Indien, Mexiko und so weiter.
Die Aktienlüge
Wir kommen zur letzten Lüge. Sie besteht aus zwei Teilen. Erstens: Gerade die niedrigsten Niedriglöhner, die eine Vorsorge für die Rente am allerdringlichsten brauchen, dazu gehören auch die Arbeitslosen haben gar kein Geld übrig, um in eine zusätzliche private Rente einzuzahlen, selbst wenn sie wollten.
Und zweitens: Das Hauptgeschäft der heute führenden Organisatoren der privaten Rente, BlackRock, Vanguard & Co. ist das wealth management, also das Reichtums-Management der Superreichen, der Multimillionäre und Multimilliardäre. Deren Reichtum vermehren BlackRock & Co. unter anderem durch die organisierte, globale Steuerflucht zugunsten dieser Hauptkunden, somit durch die Verarmung der Staaten und der Volkswirtschaften.
Dadurch verfällt bekanntlich die für die Mehrheit der Bevölkerung und der Beschäftigten wichtige Infrastruktur für Gesundheit, Bildung, Verkehr, Kinder- und Jugendbetreuung und so weiter. Oder diese Infrastruktur wird privatisiert und verteuert. Auch deshalb ist es für viele Beschäftigte unmöglich, eine Vollzeit-Arbeit aufzunehmen, sich zu qualifizieren und für eine ordentliche Rente vorzusorgen.
Und wer seine private Rente mithilfe des von BlackRock & Co. für die unteren Ränge geschaffenen Finanzprodukts, also der Sparbuch-Volksaktien ETF, aufbessern will, der verstärkt nur die Macht von BlackRock & Co., denn sie bleiben die Eigentümer und Vertreter dieser Index-Aktie in den Unternehmen und Banken.
Wer also doch etwas Geld übrig hat und dieses Geld in der Hoffnung auf eine spätere gute Rente BlackRock & Co. anvertraut, stärkt deren Macht also noch weiter, sodass Arbeitseinkommen weiter gesenkt, Mieten und Energiepreise ständig erhöht werden können.
Jeder, der also sein übriges Geld BlackRock & Co. anvertraut, rennt hinter seinem sinkenden Arbeitseinkommen und hinter der Verteuerung der Miete einher und zwar schneller als sich die private Zusatzrente — vielleicht, vielleicht — dann mal erhöhen könnte. Und die Bundesregierung und die EU erweitern die Renten-Macht von BlackRock & Co. zusätzlich dadurch, dass sie von jeglicher Garantiezahlung entbunden werden: So schlägt es die Bundesregierung mit der Förderung der privaten Altersvorsorge vor (14).
So hatte es BlackRock Deutschland AG vorgeschlagen:
„Befreit von Renditegarantien könnte das Kapital effizienter auf ein größeres Spektrum von Anlageinstrumenten aufgeteilt werden“ (15).
Für menschenrechtliche Renten — und ohne Kriegshaushalte
Die Höhe der Arbeitseinkommen entscheidet über die spätere Rente. Das sehen wir ja an den Arbeitseinkommen der oberen Ränge der abhängig Beschäftigten, also der Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder privater und staatlicher Unternehmen, der staatlichen wie kirchlichen Beamten, der Berufssoldaten sowie der Abgeordneten.
Und diese hohen Renten sind ebenfalls gesetzlich geregelt, und sie fördern und reproduzieren in großer Mehrheit einen feudalen Obrigkeitsstaat.
Der jetzige Renten-Zustand in Deutschland verletzt Grundgesetz, Rechtsstaat und die Menschenrechte und ist typisch für einen feudal-kapitalistischen Klassenstaat. Deutschland steht dabei auf der Unrechts-Skala Europas ganz oben.
Wir beziehen uns deshalb auf den Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes und auf die Menschenrechte und fordern:
- Gesetzliche Gleichstellung aller abhängig Beschäftigten in einem allgemeinen, einheitlichen Rentensystem. Dass diese grundgesetzlich geforderte Gleichstellung auch einzelrechtlich schon möglich ist, beweist das Betriebs-Verfassungs-Gesetz. Dort heißt es in § 1 „Arbeitnehmer“: „Als Arbeitnehmer gelten ferner Beamte (Beamtinnen und Beamte), Soldaten (Soldatinnen und Soldaten) ...“.
- Haushalts-Transparenz und Haushalts-Klarheit: Die versicherungsfremden Leistungen sind seit 1957 ständig angehoben worden (Renten auch an ehemalige SS-Mitglieder wie im Baltikum, DDR-Renten, Mütter-Renten...) und betragen jetzt 78 Milliarden Euro jährlich, das sind etwa 25 Prozent des Gesamttopfes der gesetzlichen Renten der „Arbeitnehmer“ (Stand 2021). (16) Diese versicherungsfremden Leistungen müssen in eigenen Haushaltsposten ausgegliedert werden.
Sodann fordern wir im Einzelnen:
- grundgesetz- und menschenrechtskonforme Ablösung der vier Hartz-Gesetze,
- gleiche Bezahlung für gleiche Arbeit für Frauen und Männer und alle Geschlechter; dazu besondere Programme der arbeitsrechtlichen Frauen-Förderung,
- Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns auf 20 Euro pro Stunde, mit staatlicher Kontrolle der Einhaltung des Gesetzes,
- Registrierung und Bezahlung aller Überstunden,
- Registrierung aller auch vertragslosen Arbeitsverhältnisse, auch bei den digitalen Plattform-Konzernen,
- Gerechte Aufteilung des Arbeitsvolumens und Arbeitszeitverkürzung für alle, auch um arbeitserleichternde Effekte der Digitalisierung und Künstlichen Intelligenz gerecht zu verteilen und zusätzliche Arbeitsplätze zu schaffen,
- Wiedereinführung der Rentenbeiträge für Arbeitslose,
- Beendigung der von BlackRock & Co. organisierten Steuerflucht, Wiederaufnahme des Einzugs der Vermögenssteuer,
- Bereitstellung der Infrastruktur für Kindergärten, Ganztagsschulen, Lernmittelfreiheit, damit auch Alleinstehende mit Kindern eine Vollzeitarbeit aufnehmen können,
- Gerade in Krisenzeiten sind Tariferhöhungen nötig, statt tariffreier Sonderzahlungen wie Inflationsausgleich, damit gerade jetzt auch höhere Beiträge in die Rente eingezahlt werden können,
- Menschenrechtliche Arbeitsbedingungen zur Verhinderung von körperlichen und seelischen Krankheiten und damit die Verhinderung des vorzeitigen Ausscheidens aus dem Arbeitsleben.
Mit diesen Maßnahmen kann jeder zudem die Rentenzeit als eine kreative Phase gestalten, wie es übrigens auch in den Protesten gegen die BlackRock-Macron-Rente in Frankreich gefordert wurde (17).
Und schließlich: Für die grundgesetz- und menschenrechtskonforme Rente muss es heißen: Schluss mit den Kriegshaushalten! In Deutschland und in der Europäischen Union!