Die Unterwerfungsmedizin
Ärzte nutzten die schwache Position von Kranken sehr oft, um einen Herrschaftsanspruch über sie zu begründen.
Ein gesellschaftlicher Umsturz ohne Militär oder Schlägertrupps? Ja, das geht. Wir erleben es gerade. Die Medizin ist das ideale Werkzeug dafür. Putschisten kommen heute nicht mehr in Camouflage, sondern in weißen Kitteln daher. Kranke oder als krank klassifizierte Menschen beharren nicht mehr auf dem Gleichheitsgrundsatz. Sie fühlen sich unterlegen und suchen Schutz. Die Voraussetzungen einer Unterwerfung sind damit erfüllt, ohne dass Gewalt gebraucht werden muss. Der Autor demonstriert mit einem kurzen Blick auf die Medizingeschichte, dass es wirkliche Augenhöhe zwischen Ärzten und Patienten nur sehr selten gegeben hat. Unabhängig davon, ob die Behandlungsmethoden tatsächlich wirkten, verschwammen nicht selten die Grenzen zwischen Krankhaus und Kaserne.
Ärzte forderten fast durchgängig Unterwerfung von ihren Klienten. Wer sich be-handeln lässt, handelt nicht mehr. Ihre Dogmen unsichtbarer Krankheitsursachen boten immer die Chance, neue Kaiser ohne Kleider zu inthronisieren. Der französische Philosoph Michel de Montaigne prangerte bereits vor über 400 Jahren an, dass Ärzte sogar bereit seien, die Gesundheit Kranker zu beeinträchtigen, um ihre Autorität nicht in Frage stellen zu lassen. Ideale Voraussetzungen, Ärzte als Handlanger autoritärer Herrschaftsstrukturen zu gebrauchen.
Augenhöhe zwischen Ärzten und Kranken war in der Geschichte die Ausnahme. Für eine Parität waren die Zeiten, in denen Ärzte mit empfindlichen Sanktionen oder Tod rechnen mussten, wenn einer ihrer Klienten zu Schaden kam, nicht lang genug. Im westlichen Europa hatte man schon seit dem ausgehenden Mittelalter nicht einmal mehr Honorarverluste zu fürchten. In Streitfällen entschieden ärztliche Gremien über Patientenbeschwerden. Kritische Geister geißelten seither immer wieder das Privileg der Ärzte, straflos zu töten.
Mit der Gründung von Kliniken ab Ende des 18. Jahrhunderts war es um die Rechtshoheit Kranker als Auftraggeber dann gänzlich geschehen. Patienten mussten nicht nur ihre Privatsphäre in Schlafsälen preisgeben und konnten oft nicht einmal ein eigenes Bett beanspruchen. Ihre Eigenständigkeit wurde irreparabel beschädigt.
SaalwärterInnen führten die Aufsicht mit Kasernenton und Sanktionsgewalt. Wer sich widersetzte, wurde nicht nur der Klinik verwiesen, sondern konnte Arbeitsplatz und Sozialleistungen verlieren. Es verblieb lediglich das Recht auf eine Entlassung in eigener Verantwortung. Jedoch nur, sofern keine Infektionsschutzbestimmungen griffen.
Kranke wurde auf die ihnen zugeschriebene Diagnose reduziert und schrumpften zu austauschbaren Studienobjekten. Allzeit verfügbar mussten sie für alle Verordnungen und allen damit befassten Personen zur Verfügung stehen. In dieser Entpersönlichung waren Aderlässe und Operationen viel schneller ins Werk gesetzt als in einer privaten Begegnung. Die Operationsfrequenz stieg mit der Gründung von Kliniken stark an. Kranke waren zur Ware „Patient“ verkommen. Der Verlust der Entscheidungsfreiheit kostete seither viele Menschen die Gesundheit und das Leben.
Wer krank ist, ist unterlegen. Und Krankheit attestierten Ärzte, seit ihnen Priester Krankenbehandlungen übertragen hatten.
Nicht erst seit der Inszenierung von „Corona“ entscheiden Ärzte anhand unvalidierter Tests über Krankheit und Gesundheit mit all ihren sozialen Konsequenzen. Das älteste deutsche Leprazeugnis stammt von 1357. Ein Konsil von drei Ärzten inspizierte eine aussatzverdächtige Person von Kopf bis Fuß, begutachtete den ausgewaschenen Blutkuchen des Aderlasses und prüfte den Harn. Sah der Blutkuchen eine Stunde nach Übergießen mit rohem Öl wie gekocht aus und versank Bleiasche im Harn, galt die Diagnose als gesichert. Der soziale Tod mit Verlust allen Besitzes und dem Verlassen der Gemeinschaft war die Folge. Die Lotterie der Corona-Tests unserer Tage hat Tradition. Zynischerweise konnten sich „Diagnosen“ sogar im Verlauf bestätigen, da eine fälschlich attestierte Lepra bei Verbannung in die Quartiere der Aussätzigen zu einer Lepra führen musste.
Dies war der Einstieg von Ärzten in eine unselige Gutachterrolle, die sie über die folgenden Jahrhunderte zu den Erfüllungsgehilfen der Mächtigen werden ließ. Am 5. November 1766 erließ die österreichische Kaiserin Maria Theresia ein Edikt, das Hofärzte verpflichtete, Beschuldigten die Tauglichkeit zur Folter zu bescheinigen. Es waren Ärzte, die Personen — oft unzutreffend — als Tuberkulosekranke stigmatisierten, Euthanasie und Zwangssterilisationen im Dienste faschistischer Regime ausführten oder Personen wegen angeblicher Unzurechnungsfähigkeit in geschlossene Psychiatrien sperrten.
Im Jahr 2020 fanden Ärzte nichts dabei, mit untauglichen Tests, manipulierten Zahlen und willfährigen Fehldiagnosen „Covid-Kranke“ und „Covid-Tote“ vorzutäuschen. Massenweise wurden gesunde Menschen in Hausarrest geschickt oder ihnen die Eignung für wenig plausible und nur bedingt zugelassene „Impfungen“ bescheinigt. In allen Fällen musste Ärzten die hohe Irrtumsquote ihrer Testate bewusst sein.
Mit der Pandemie-Inszenierung kehrte auch das Schuldstigma von Krankheit wieder in die Medizin zurück, das sich im 20. Jahrhundert mit dem schwindenden Einfluss der Kirchen verflüchtigt hatte.
Ein potenziell Kranker wurde nicht mehr in erster Linie als Hilfsbedürftiger, sondern als Gefährder für andere Menschen eingestuft. Erkennbar daran, dass mit kostenintensiven und aufwendigen Maßnahmen einschließlich eines Personen-Tracings potenziell infektiöse Menschen unter Aufkündigung aller Verfassungsrechte aufgespürt wurden. Freiheitsentzug inklusive. Selbst elektronische Fußfesseln wie für terroristische Gefährder wurden für Test-positive Personen ins Spiel gebracht.
Jede Medikalisierung der Gesellschaft — auch unter dem Signum eines Gesundheitsschutzes — ist daher mit größter Skepsis zu sehen. Medizinische Maßnahmen beinhalten immer einen Herrschaftsanspruch über andere. Werden sie verpflichtend verordnet, mutieren Menschen zu Untertanen. Der Bürger als potenzieller Virusträger hat seine Souveränität verloren.
Es war kein zufälliges Zusammentreffen, wenn die französischen Revolutionäre nach 1789 alle Krankenanstalten auflösten. Dass dies nur kurz währte, lag nicht nur am Fehlschluss, alle Leiden auf soziale Ursachen zurückzuführen. Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit verpufften zu schnell. Das Terrorregime der Revolution betrat die Bühne. Unter Napoleon wurde die Zentralgewalt wiederhergestellt. Kliniken brauchte man dann schon alleine wieder für die Kriegsinvaliden.
Großkliniken mit menschenabweisender Architektur, die seit dem Zweiten Weltkrieg entstanden sind, hätten eine Warnung sein müssen. So wie Gebäudekomplexe von Banken und Versicherungen Städtesilhouetten dominieren, dokumentieren ausufernde Klinikareale den Machtanspruch des medizinisch-industriellen Komplexes. Schiere Größe und abweisende Fassaden, die den Passanten über den Zutritt im Unklaren lassen, erzeugen die notwendige Mischung aus Unbehagen und Minderwertigkeitsgefühl.
In diesen Gebäuden ist man einem Schicksal ausgeliefert, das andere bestimmen. In solchen Baulichkeiten stehen Technik, Chemie, Körperverletzungen und Fremdbestimmung im Mittelpunkt. Keinesfalls der individuelle Mensch mit seinen Ängsten. Dort wird man mit einem Stigma, einer Todesaussicht oder einem Immunitätsausweis versehen. Bei Bedarf auch weggesperrt. Ideale Voraussetzungen für autoritäre Machtverhältnisse, die sich über Jahrzehnte angebahnt hatten.