Die unfehlbare Macht
In der Coronafrage wenden die Medien viel rhetorisches Geschick auf, um aus den unsinnigen Antworten der Regierung noch einen Sinn zu konstruieren.
Seit 20 Monaten spielen Politik und Medien uns verschiedene Varianten — im Virologen-Neusprech „Mutationen“ — des berühmten „Erzherzogspiels“ vor. Der Schriftsteller Friedrich Torberg hat dieses Spiel in seiner Anekdotensammlung „Die Tante Jolesch“ als beliebten Zeitvertreib von Kaffeehausliteraten beschrieben. Das Spiel geht folgendermaßen: Der Erzherzog, Repräsentant der Macht und der „Elite“, darf von ausgewählten Personen in Form einer Prüfung befragt werden, wobei er auf leichte, ja selbsterklärende Fragen stets unsägliche Antworten gibt. Die Herausforderung des Spiels für die Fragenden besteht nun darin, falsche Antworten des Herrschers unter Ausschaltung der Logik als richtig zu erklären.
Friedrich Torberg erläuterte das Prozedere in einem einfachen Beispiel:
„Kaiserliche Hoheit. Wie lange dauerte der 30-jährige Krieg?“
Antwort des Erzherzogs: „Sieben Jahre!“
„Richtig, Kaiserliche Hoheit. Wenn man die Nächte abrechnet, in denen nicht gekämpft wurde, weiters die Feiertage abzieht, die Zeiten der Waffenstillstandsverhandlungen und sonstige Ruhepausen hat der 30-jährige Krieg tatsächlich sieben Jahre gedauert. Ich gratuliere!“
Das Coronaspiel
Die seit März 2020 gebotene Darbietung der coronalen Elite und Medien gleicht einer multimedialen Weiterentwicklung des Erzherzogspiels, in welcher auch Baby-Elefanten, singende, tanzende und gurgelnde Impflinge mitspielen. Für die Initiative „Kein Zustand“ hat der Autor im Rahmen seines Zeichenkontingents drei Fragen aufgeworfen:
Frage 1: „Warum hat Seine Coronale Hoheit für eine einzige Krankheit eine spezielle Zählweise eingeführt, indem man nicht nur die Untertanen zählt, die AN, sondern auch jene, die MIT dieser gefährlichen Krankheit verstorben sind und dann zwischen AN und MIT nicht unterscheidet?“
Antwort: „Na, das ist doch logisch in Friedenszeiten. Die meisten Untertanen versterben im Frieden MIT einer Krankheit. Oder wähnt Er sich etwa im Krieg, wo Er auch OHNE Krankheit versterben kann?“
Qualitätsmedium: „Ausgezeichnet. Im Unterschied zu Frankreich, dessen Regent Emmanuel, Kofürst von Andorra, den Krieg erklärt hat, befinden wir uns hier seit 20 Monaten in einem kakanischen Frieden, in dem alle einer Meinung sein dürfen.“
Frage 2: „Coronale Hoheit: Warum müssen der gemeine Pöbel und auch die kleinen Kinder jetzt Masken tragen?“
Antwort: „Kinder sollten schon in der Volksschule lernen, dass Anweisungen hoheitlicher Organe nicht zu hinterfragen sind. Es muss gelernt werden, dass alle im Kollektiv solidarisch sind. Zur Disziplin gehören auch das Mundverdecken und das Impfenlassen. Wenn ungeimpfte Kinder gehänselt werden, dann ist das vielleicht zu akzeptieren.“
Qualitätsmedium: „Verbindlichsten Dank, Coronale Hoheit. Die Maske sorgt also dafür, dass Mund und Nase, Auswurfstellen für Viren und Lästerungen aller Art, verdeckt werden. Auf diese Weise lernen die Kinder der vierten industriellen Revolution, die hinter ihrer FFP2-Maske beim sauerstoffgedrosselten Atmen ihr klimafeindliches CO2 ausstoßen, aber dennoch wieder einatmen dürfen, was in der neuen Realität wirklich zählt.“
Frage 3: „Warum wird der Pöbel jetzt gezwungen, sich mit bedingt zugelassenen Impfstoffen aus wenig erprobter mRNA- und Vektortechnologien ‚impfen‘ zu lassen?“
Antwort: „Weil WIR uns für die Gesundheit unserer Untertanen verantwortlich fühlen. Und wenn Er sich nach einer Impfung dauerhaft schwer geschädigt fühlt, kann Er vom österreichischen Sozialministerium eine pauschale Entschädigung von 1.305 Coronas und 50 Heller bekommen! Dafür muss Er nur ein Verwaltungsverfahren durchlaufen.
Qualitätsmedium: „Wunderbar richtig. Was wird das für eine schöne, neue Welt werden, wenn das Bargeld abgeschafft wird, niemand etwas besitzt und alle ein bedingungsloses Grundeinkommen erhalten, welches an Bedingungen geknüpft ist: ‚We will own nothing, but we will be happy!‘ Untertänigsten Dank für die genialen Antworten. Summa summarum: Seine Coronale Hoheit haben die Fragen mit Auszeichnung beantwortet!“
Redaktionelle Anmerkung: Dieser Beitrag erschien zuerst unter dem Titel „Tante Jolesch und die Weiterentwicklung des Erzherzogspiels“ im Blog Kein Zustand.