Die Todesfahrt

Das Auto ist ein Suchtmittel und einer der schlimmsten Klimakiller — halten wir es auf! Exklusivabdruck aus „Vollbremsung“.

Das Auto tötet jährlich Millionen Menschen, zerstört die Umwelt und die Atmosphäre. Schuld daran ist eine allmächtige Autoindustrie, die die Welt jedes Jahr mit mehr Kfz zumüllt. Autofahren macht süchtig, wir sind die Junkies; die Konzerne, Politiker und Medien bilden ein Drogenkartell, das uns Mobilität verspricht und Stau und Tod beschert. Wollen wir nicht an die Wand fahren, ist es Zeit für eine Vollbremsung, fordert Klaus Gietinger in seinem neuen Buch. Ein exklusiver Auszug zum Erscheinungstermin Anfang Juni 2019.

Die Klimakatastrophe ist ein wichtiger Effekt des Kfz, aber nicht der einzige. In den Medien scheint es jedoch manchmal, als sei die Klimakatastrophe das einzig gravierende Umweltproblem. Dass das Kfz hieran einen hohen Anteil hat, wird oft unter ferner liefen diskutiert. Selbst die Fridays for Future nennen den Verkehr in ihren berechtigten Forderungen an letzter Stelle. Bei aller berechtigten Klimadiskussion gehen so die sonstigen katastrophalen Folgen der globalen Kfz-Gesellschaft meist unter oder erscheinen — bis auf die Stickoxide und den Feinstaub — nicht erwähnenswert.

Das Auto führt grundsätzlich Krieg gegen die Menschen, die Umwelt und ein gesundes Klima.

Deshalb ist der verharmlosend als „Klimawandel“ bezeichnete Vorgang des zunehmenden Treibhauseffekts in diesem Zusammenhang nur ein Aspekt, allerdings ein wichtiger. Außerdem: Zu den schlimmsten Klimasündern zählt natürlich das Kfz. In meinem Buch Totalschaden schrieb ich vor 10 Jahren: „Die globalen Gesamt-CO2-Emissionen werden von heute 29,3 Mrd. Tonnen auf 44 Mrd. Tonnen im Jahr 2030 ansteigen“ (1). Nun, 2018 sind wir schon bei 33,1 Milliarden (2) beziehungsweise nach anderen Schätzungen bei 37,1 Milliarden Tonnen (3).

Auch in der EU nahm, während die Ausstoßmenge aller anderen Treibhausgasproduzenten rückgängig war, die des Verkehrs von 1990 bis 2016 um 28 Prozent zu (4).

Während von 1990 bis 2016 in der EU die Industrie ihren CO2-Ausstoß auf gut 60 Prozent, die Energieproduzenten auf gut 70 Prozent, Land- und Forstwirtschaft und die privaten Haushalte auf knapp 80 Prozent reduzieren konnten, stieg der des Verkehrs auf 128 Prozent. In Deutschland ist es ganz ähnlich. Zählt man die indirekten CO2-Emissionen des Kfz-Verkehrs hinzu, kommt man sogar allein für den Kfz-Verkehr auf 29 Prozent!

Dabei macht schon die Herstellung eines Kfz einen großen Anteil aus, der oft nicht berücksichtigt wird. Ein Auto produziert — im Schnitt — bei seiner Herstellung einen „ökologischen Rucksack“ von 30 Tonnen. Das heißt, pro produziertem Kfz werden Ressourcen benötigt, die dessen Gewicht bis um das 30-fache übersteigen. Und der ökologische Rucksack eines Elektroautos ist sogar noch viel größer.

Auf die Umweltverschmutzung und das Treibhausgas CO2 umgerechnet, heißt dies: Wenn zum Beispiel der Betrieb, also das Fahren eines Kfz bei einer durchschnittlichen Lebensdauer von 12 Jahren, einer Leistung von 15.000 Kilometer pro Jahr und einem CO2-Ausstoß von 170 Gramm pro km, insgesamt 30,6 Tonnen CO2 produziert, so hat die Produktion vorher schon 7,65 Tonnen CO2 verursacht — und beim Elektroauto noch viel mehr. Der Anteil des Verkehrs am Gesamtausstoß, verursacht durch Betrieb und Herstellung, in der EU liegt derzeit bei 28 Prozent (5).

Weltweit wird es 2030 jedoch noch weit schlimmer aussehen. Gelingt es, die übrigen Treibhausgasemissionen aus dem Energiesektor, der Industrie, der Landwirtschaft, den Haushalten et cetera weiter zu reduzieren — was eher möglich zu sein scheint —, wird der Anteil allein des Pkw-Verkehrs, bei dem diese Reduktion nicht gelingen kann, stark steigen (6). Der Flugverkehr mit rapide wachsenden Anteilen und der Lkw-Verkehr würden dann den Rest besorgen. Das heißt, der Verkehr würde zum Todfeind eines gesunden Klimas gerade dann, wenn alle anderen Emittenten drastisch zurückgefahren werden könnten. Enorm hohe Opferzahlen werden die Folge sein:

Die externen, also die nicht von den Besitzern und Herstellern getragenen Kosten des Autos gehen in die hunderte Milliarden Euro jährlich, allein die Unfälle dürften 2 bis 4 Prozent des Weltwirtschaftsprodukts ausmachen. Die explodierende Infrastruktur kann irgendwann nicht mehr erhalten werden und verfällt. Längst ist dies nicht nur in den USA zu beobachten, sondern auch bei uns; die spät motorisierten Länder werden schnell folgen.

Der Flächenverbrauch für Fahren, Parken, Unterbringung und Treibstoffbeschaffung wird klimatische und vor allem auch ernährungspolitische Katastrophen ungeahnter Größe bewirken. Es dürften wieder mehr Menschen den Hungertod sterben, weil die erforderlichen Anbauflächen nicht mehr vorhanden sind, sondern dem Auto geopfert wurden.

Das Öl geht zur Neige, und es findet sich kein Ersatzbrennstoff. Denn Wasserstoff-, Hybrid- und Elektroautos sind vom Wirkungsgrad dem Otto- oder Dieselmotor höchstens gleichgestellt, teilweise sogar unterlegen.

Aus derzeit 1,25 Milliarden Kfz werden bald 2 oder 3 Milliarden. Für diese kann es schon bald keinen Brennstoff mehr geben. Keine Wasserstoff- oder Stromerzeugung wird dies packen, schon gar nicht aus erneuerbaren Energien. Es wird zum Crash kommen und vorher oder nachher zu Kriegen um die Rohstoffe, zu beispiellosen Umwelt- und Klimakatastrophen.

Wenn es allerdings so weitergeht, werden im Jahr 2100 circa 11,2 Milliarden Menschen 6,2 Milliarden Kfz fahren beziehungsweise hauptsächlich — Verbrenner genauso wie Stromer — im Stau stehen. Und in der übrigen Zeit werden diese Kfz Abermillionen Menschen auf der Straße durch den von ihnen produzierten Dreck beziehungsweise die entsprechenden Klimafolgen töten und das Leben von weiteren Milliarden Menschen bedrohen.

Fazit

Zurzeit sterben 1,35 Millionen Menschen jährlich auf den Straßen der Welt durch Verkehrsunfälle, Tendenz steigend. In 10 Jahren werden es fast 2 Millionen plus 70 Millionen Verletzte, davon 6 Millionen Verkrüppelte sein. Zählt man die Umweltbelastung durch das Kfz dazu, kommt man damit heute auf jährlich 3 Millionen, 2030 auf 5 Millionen per annum.

Bis dato sind 54 Millionen Menschen durch Autounfälle getötet worden, 2030 werden es 70 Millionen sein. Inklusive der autobedingten Umweltverschmutzung macht das von Beginn der Motorisierung an bis zum Jahr 2030 mindestens 200 Millionen Todesopfer — mehr als durch alle Kriege.

Keine Technik hat je mehr Opfer gefordert.

Das Auto frisst zudem entgegen allen Sonntagsreden immer mehr Öl, das trotz immer schmutzigerer Fördermethoden vermutlich in 40 Jahren aufgebraucht sein wird. Dann ist nicht nur Schicht im Schacht, sondern das Kfz hat dann Teile der Erde vergiftet und sich einen immer größeren Anteil an der Klimaerwärmung herausgefahren, Hunger produziert und unglaublichen Raum gefressen. Umweltkatastrophen und Kriege folgen.

Doch Halt, wer wird denn gleich in die Luft gehen? Bitte durchatmen, solange es noch klappt. Denn zum globalen Fahren gegen die Wand wird es nicht kommen. Wir legen eine Vollbremsung hin. Doch zuerst noch einige Ursachen.


Bild

Klaus Gietinger: „Vollbremsung — Warum das Auto keine Zukunft hat und wir trotzdem weiterkommen“, 160 Seiten, Westend Verlag, 4.6.2019


Quellen und Anmerkungen:

(1) Gietinger, Totalschaden, 2010, S. 262
(2) Internationale Energieagentur, https://www.iea.org/geco/emissions (abgerufen März 2019)
(3) Siehe https://www.scinexx.de/news/geowissen/co2-ausstoss-steigt-ungebremst (abgerufen März 2019)
(4) Pocketbook Transport EU 2018, S. 141
(5) Ebenda, S. 186
(6) Teufel u. a., 1995, S. 3