Die Spiegelfechter

„Wir müssen die Desinformation bekämpfen“, behauptet ausgerechnet jenes Imperium, das selbst gänzlich auf Desinformation setzt.

„Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen“, sagt ein Sprichwort. Das US-Imperium jedoch maßt sich an, immer noch mehr Steine auf missliebige Persönlichkeiten und Staaten zu werfen. Der Kampf gegen „Desinformation“ und „Fake News“ geht unter Präsident Joe Biden in eine neue Runde. Dabei wissen informierte Beobachter der US-Politik: Kein Land hat seine Machtstellung so sehr auf Täuschung aufgebaut wie gerade die USA. Das gesamte von den Amerikanern geführte Imperium würde von heute auf morgen zusammenstürzen wie ein Kartenhaus, würde das ganze Ausmaß des Betrugs offenbar. Für europäische Beobachter beginnt der „Fake“ damit, dass seit Jahrzehnten der Eindruck erweckt wurde, wir lebten in souveränen Staaten, deren Geschicke durch die Wahlentscheidung jedes einzelnen Bürgers beeinflusst werden können. Die größte Lüge besteht jedoch darin, wir hätten es mit einer wohlwollenden, an Freiheit und Menschenrechten interessierten Macht zu tun. Wie ein Bock im globalen Garten trampelt die Westallianz noch immer alles nieder, was sich regt.

Das Verrückteste daran, dass die Regierung Bidens es sich selbst zur Aufgabe gemacht hat, „Desinformation“ in sozialen Medien zu zensieren, liegt darin, dass die Vereinigten Staaten der Dreh- und Angelpunkt eines weltumspannenden Imperiums sind, das auf einem Fundament aus Desinformation erbaut wurde, sich durch Desinformation erhält und durch Desinformation begünstigt wird.

Wenn der Propagandamotor des Imperiums, dessen Zentrum die USA bilden, aufhörte, die Öffentlichkeit aktiv über die Lage der Welt zu täuschen, würde es augenblicklich kollabieren. Es gäbe Massenunruhen daheim und im Ausland, die den Status Quo erhaltende Politik würde aufgehoben, Allianzen und Koalitionen würden zerbröseln, offizielle und inoffizielle Führer würden vertrieben und die unipolare US-Hegemonie würde enden.

Das Einzige, was verhindert, das dies geschieht, sind die Reichtümer und Energien, die in gigantischem Umfang dafür aufgebracht werden, das amerikanische Volk und seine Alliierten kontinuierlich darüber zu täuschen, was wirklich in ihren Nationen und ihren politischen Systemen sowie auch in der Welt als Ganzes vor sich geht.

Dafür, die Menschen glauben zu machen, sie lebten in getrennten, souveränen Staaten, die unabhängig voneinander funktionieren, statt in Mitgliedsstaaten innerhalb eines einzigen, unerklärten Imperiums, das sich als eine Einheit auf der internationalen Bühne bewegt.

Dafür, die Menschen glauben zu machen, sie besäßen vermittels des demokratischen Prozesses Kontrolle über das Schicksal ihrer Nationen, wobei in Wirklichkeit alles weitreichende politische Geschehen ein Puppentheater nach Drehbuch ist, kontrolliert durch eine plutokratische Klasse, der sowohl die Politiker als auch die Medienkanäle gehören, die über sie berichten.

Dafür, die Menschen glauben zu machen, sie seien Teil einer tugendhaften, regelgeleiteten internationalen Ordnung, die sich totalitären Regimen entgegenstellt, um Freiheit und Demokratie zu verbreiten, statt eines tyrannischen Imperiums, das bemüht ist, jeden Staat zu zerstören, der seinem Diktat den Gehorsam verweigert.

Und vor allem dafür, die Illusion herzustellen, dass der unterdrückerische, ausbeuterische imperialistische Status Quo normal sei.

Es sind nicht die großen berühmten Lügen wie die, die der Invasion des Irak vorausgingen, die den Großteil des Klebstoffs bilden, der das Imperium zusammenhält; es sind die kleinen, banalen Lügen, die uns die plutokratischen Medien tagein, tagaus auftischen. Die, die unsere Weltsicht durch Halbwahrheiten, Umdeutungen und Auslassungen verzerren und erschaffen, um einen Status Quo aus Mord, Diebstahl und Ökozid als normal erscheinen zu lassen.

Diese Normalisierung vollzieht sich in der Weise, dass Experten und Politiker jeden Versuch, die Kriege zu beenden oder die Einkommensungleichheit zu beheben, als verrückten Extremismus und unrealistische Fantastereien behandeln, obwohl dies in Wahrheit die gesündeste und normalste Sache der Welt ist, unrealistisch nur durch die Tatsache, dass Versuche, diese Agenden voranzutreiben, stets von ebendiesen Experten und Politikern sabotiert werden.

Die Normalisierung vollzieht sich auch in der Weise, dass endlose Kriege, Hungertode durch US-Sanktionen, die lauernde Drohung einer totalen Auslöschung durch einen Klimakollaps oder einen nuklearen Krieg, eine sich rapide verschärfende Ungleichheit der Einkommen und zunehmende Tyrannei daheim und im Ausland nicht als berichtenswerte Sachverhalte behandelt werden, wohingegen Klatsch über Stars und parteiisches Gezänk zwischen AOC (Alexandria Ocasio-Cortez) und Marjorie Taylor Greene die großen Überschriften füllen. Jeden Tag, an dem die Nachrichtenmedien es versäumen, über die größten Schrecklichkeiten zu berichten, die das Imperium über unsere Welt gebracht hat, und an dem sie sich stattdessen auf geistlose Trivialitäten fokussieren, helfen sie, die Schrecken zu normalisieren.

Existierten die Massenmedien tatsächlich, um wichtige Informationen über die Welt zu teilen, wäre der von den USA gestützte Genozid im Jemen jeden Tag auf Seite eins, statt alle paar Wochen in einer Randnotiz Erwähnung zu finden. Mit jedem Tag, an dem er es nicht ist, wird dieses empörende Unrecht mehr zur Normalität.

Existierten die Massenmedien tatsächlich, um wichtige Informationen über die Welt zu teilen, würde die Tatsache, dass die Amerikaner ärmer und ärmer werden, während Milliardäre ihren Reichtum während der Pandemie vervielfachen, jedermann glasklar ins Bewusstsein gerückt werden. Mit jedem Tag, an dem dies nicht geschieht, wird dieses empörende Unrecht mehr zur Normalität.

Existierten die Massenmedien tatsächlich, um wichtige Informationen über die Welt zu teilen, wäre die Tatsache, dass das US-Militär gerade Milliarden von Dollars für eine Jahrzehnte währende Besetzung Afghanistans ausgegeben hat, die nichts weiter erreicht hat, als grausame Menschen reich zu machen, ein nationaler Skandal. Mit jedem Tag, an dem dies nicht der Fall ist, wird dieses empörende Unrecht mehr zur Normalität.

Aber die Massenmedien existieren nicht, um wichtige Informationen über die Welt zu teilen. Sie existieren, um wichtige Desinformation über die Welt zu verbreiten. Täten sie es nicht, würde genau jenes US-Imperium, dass heute die Verbreitung von Desinformation dekretiert, auf der Stelle in sich zusammenbrechen.

Das US-Imperium ist die korrupteste und zerstörerischste Kraft auf diesem Planeten, und das mit Abstand. Es ist die letzte Institution auf Erden, der obliegen sollte zu entscheiden, welche Online-Inhalte wahr und welche „Desinformation“ sind — die absolut allerletzte, ohne jede Übertreibung.

Verdorbene Institutionen, die andauernd lügen und allein seit dem Jahrtausendwechsel Millionen getötet und Zigmillionen vertrieben haben, sollten nicht das Wahrheitsministerium für die Online-Kommunikationssysteme der Welt stellen. Das sollte für jeden überdeutlich auf der Hand liegen.


Redaktionelle Anmerkung: Dieser Text erschien unter dem Titel „We‘ve got to fight disinformation says empire made entirely of disinformation“ zuerst auf caitlinjohnstone.com. Er wurde von Thorsten Schewe vom ehrenamtlichen Rubikon-Übersetzerteam übersetzt und vom ehrenamtlichen Rubikon-Korrektoratteam lektoriert.