Die Sehnsucht nach Krieg
Dem Phänomen der Kriegsbegeisterung liegt die Ablehnung der Vernunft zugrunde.
Die westliche Welt scheint in einen kollektiven Kriegstaumel eingetreten zu sein. Nicht nur in der Politik und den an diese angeschlossenen Medien wird begeistert von Panzern und Flugabwehrraketen berichtet, werden Truppenbewegungen gegeneinander abgewogen und Schlagkraft verglichen, auch die Bevölkerung scheint von dieser Entwicklung voll und ganz ergriffen. „Frieden schaffen mit schweren Waffen“ ist das Motto, unter dem selbst von ehemals sogenannten Linken fleißig für mehr Waffenlieferungen getrommelt wird. Wie kann es sein, dass die veröffentlichte Meinung derart von Kriegsbegeisterung geprägt ist?
Wenn man sich im besten Deutschland aller Zeiten so umschaut, vor allem die Medien und Politik verfolgt, so scheint es in diesem Land eine Besessenheit vom Krieg zu geben. Voller Inbrunst mischt sich die deutsche Medien- und Politgesellschaft in den Krieg in der Ukraine ein und ergreift einseitig Partei, sodass selbst der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages Deutschland schon als Kriegspartei sieht.
Und ja, Deutschland ist Kriegspartei.
Wieder und wieder schickt Deutschland Waffen, zuletzt beinahe 200 Leopard-Panzer, von denen erst einige angekommen und bereits wieder zerstört worden sind. Milliarden an Euro werden in der Ukraine versenkt, in der Hoffnung, dass sie den Krieg gewinnen möge. Westliche Geheimdienste und Söldner, freiwillige Kämpfer ziehen in die Ukraine, um sich dort im Krieg zu beteiligen.
Auch medial scheint eine wahre Begeisterung für diesen Krieg entfacht zu sein. Von dem Grundsatz „Von deutschem Boden darf nie wieder Krieg ausgehen“ ist angesichts der Waffenlieferungen und der Überlegungen, deutsche Flughäfen für den Start von Kampfflugzeugen zur Verfügung zu stellen, nichts mehr übrig. Doch das ficht von der medialen Heimatfront niemanden an.
Da wird zum ultimativen Endkampf geblasen, werden all jene, die den Kriegskurs nicht mittragen, als „Lumpenpazifisten“ beschimpft, womit auch rhetorisch an die Zeit angeknüpft wird, in der Deutschland das letzte Mal gen Russland marschiert ist.
Der Krieg, er scheint Emotionen zu wecken, scheint geradezu Begeisterung hervorzurufen, so sehr wirft sich Deutschland erneut in einen Krieg, der nicht einmal sein eigener ist.
Da drängt sich die Frage auf, warum eine ganze Gesellschaft so plötzlich in einen Kriegstaumel verfallen kann, der bedenklich an die Zeit des Ersten Weltkrieges erinnert, als ganze Jahrgänge mit Begeisterung ihrer eigenen Auslöschung entgegen strömten. Vor allem vor dem Hintergrund der beständigen Gefahr einer Ausweitung des Konfliktes auf den Rest Europas, die letztlich auch die kriegsbegeisterten Schreiberlinge und Politiker erfassen würde, ist diese Anteilnahme eigentlich wenig nachvollziehbar. Was also ist es, das die Menschen so begeistert mit der Gefahr ihres eigenen Unterganges spielen lässt?
Schon Hannah Arendt stellte in ihrem Werk „Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft“ in Bezug auf die Begeisterung für totalitäre Bewegungen fest, dass die breite Masse, also jene, die der totalitären Bewegung verfallen und sich ihr mit Freuden anschließen, die Gesellschaft, in der sie leben, und ihr Leben darin verabscheuen. Es ist gekennzeichnet von einer zutiefst empfundenen Langeweile, von einer Vernunft, welche die Menschen verabscheuen, und geprägt von einer zur Verzweiflung treibenden Sinnlosigkeit angesichts des eigenen Wirkens. So hegen sie einen tief empfundenen Hass gegenüber dieser Gesellschaft und wollen sie unterbewusst vollkommen vernichten. So erklärt sie die begeisterte Gefolgschaft der Nazis, und so kann man wohl auch die Begeisterung für den Krieg erklären. Denn was, wenn nicht der Krieg, wirft die Verhältnisse so grundlegend um, dass kein Stein auf dem anderen bleibt?
Und wenn man sich die schreibenden und sprechenden Zeitgenossen so anschaut, dann wird man feststellen, dass sie jede Vernunft tatsächlich vollkommen verachten. Schon die Pseudopandemie mit ihren schwachsinnigen, gesundheitsschädlichen Maßnahmen, dem Zwang, dem Totalitarismus, der Blockwartmentalität und der mit Begeisterung aufgenommenen Totalüberwachung sowie der Ablehnung jeder neuen Erkenntnis, die darauf hinweist, dass es das eingebildete Problem tatsächlich nicht gibt, hat das eindrücklich vor Augen geführt. Diese Ablehnung der Vernunft setzt sich in Bezug auf den Ukrainekonflikt nahtlos fort. Einseitige Parteinahme, Ausblendung aller Gründe Russlands für den Krieg, eine einseitige Berichterstattung und Überhöhung des ukrainischen Regimes, sowie ein derart verzerrter Blick auf Russland, der fast nur noch als lächerlich zu bezeichnen ist, zeigen auf, dass diese Menschen den Bezug zur Realität vollkommen verloren haben und offenbar auch nicht gewillt sind, diesen wieder herzustellen. Auch das Spiel mit dem nuklearen und radioaktiven Feuer zeugt nicht gerade von Vernunft. Plötzlich stellt man sich nicht mehr die Frage, wie man einen Atomkrieg verhindern kann. Stattdessen werden Ratschläge ausgegeben, was im Falle eines Atombombeneinschlages zu tun sei, ob taktische Atomwaffen einen begrenzten Nuklearschlag zulassen, und wie Russland in diesem Fall reagieren würde.
Das ist so dermaßen jenseits jeder Vernunft, dass man nur noch von Wahn sprechen kann.
Doch woher kommt diese Verachtung für die Vernunft, für die Gesellschaft, in der wir leben, und der Wille, sie zu zerstören? Das hängt möglicherweise mit tief empfundener Langeweile zusammen. Viele Menschen verbringen eintönige Leben zwischen Ausbildung und Rente, Arbeit und Freizeit, Fernseher und Auto oder Zug. Es sind Leben mit wenig Abwechslung, wenig Abenteuer, die den Eindruck erwecken, selbst wenig zu leben. Die meisten Menschen gestatten sich dieses Leben auch nicht, weil sie sich einreden, keine Zeit zu haben. Oftmals verschieben sie das wahre Leben auf die Zeit der Rente, nur um dann festzustellen, dass sie erstens nicht mehr die Energie haben wie früher, und zweitens auch dann nicht wirklich wissen, was sie mit ihrem Leben anfangen sollen, weil sie sich zuvor nie Gedanken darum gemacht haben, was sie eigentlich wirklich wollen.
In diesem Klima, in dem die Menschen von sich selbst abgespalten sind und sich gar nicht mehr wirklich spüren, entsteht schon seit Jahren das immer wieder artikulierte Bedürfnis, „richtig“ oder „intensiver“ oder „endlich wirklich“ zu leben. Um dieses wirkliche Leben zu finden, reisen Menschen durch die ganze Welt, filmen ihr Leben, um es auf sozialen Netzwerken zur Schau zu stellen, wobei sie natürlich die unerfreulichen Teile ihres Lebens weglassen. Die Zuschauer verfallen dann in Neid und spüren auch in sich den Drang, dieses echte und wahre Leben zu leben, wie es ihnen vorgeblich gezeigt wird. Doch auch bereits vor dem Trend, sein ganzes Leben auf soziale Netzwerke zu stellen, war diese Tendenz deutlich spürbar. Die gesamte Konsum- und Warenwelt ist auf den ultimativen Kick, die Befriedigung des Bedürfnisses nach Leben ausgerichtet.
Dahinter steht die Sehnsucht danach, das Leben als Abenteuer zu gestalten. Man will etwas erleben, etwas „Echtes“, etwas „Großes“, was das eigene Leben über die kümmerliche Existenz hinaushebt und die Welt, das Universum aus den Angeln hebt. Diese Sehnsucht scheint im Menschen tief verankert zu sein. Nahezu alle literarischen und viele musikalische Werke haben genau dieses Abenteuer zum Inhalt, nach dem die Menschen sich sehnen. Die Ilias, Die Odyssee, Die Göttliche Komödie, Der Herr der Ringe, Don Quijote, wenngleich auch in komödiantischer Form, Wagners Ring der Nibelungen, unzählige Opern, Werke von Shakespeare und Goethe, sie alle sind Ausdruck des Verlangens nach Abenteuer, nach Lebendigkeit, nach Abwechslung.
Und was könnte ein größeres Abenteuer sein als der Krieg? Er wirft einen unwiederbringlich aus dem gewohnten Leben und verweigert einem jede Rückkehr. Er ist eine ständige Bewährungsprobe, eine dauernde Gefahr für das Leben, und damit auch beständiger Nervenkitzel. Er fordert einen dazu auf, sich selbst zu beweisen, über sich hinauszuwachsen, und ermöglicht das Ableisten von Heldentaten, für die der Einzelne noch in Jahrhunderten bewundert wird, wie der Trick des findigen Odysseus, Troja mithilfe des hölzernen Pferdes einzunehmen. Das sichert zugleich Bewunderung und Bedeutung, die das eigene Selbst transzendiert. Denn solche Heldentaten vollführt man nicht seiner selbst willen. Man kämpft im Krieg für das Vaterland, für die Gerechtigkeit, oder für Gott.
Es ist also auch der Wunsch nach der Verbindung zu etwas Höherem, einem tiefgreifenden Sinn im eigenen Leben, der mit etwas außerhalb von einem selbst verknüpft ist. Damit spricht aus der Begeisterung für Krieg auch die Abgespaltenheit der Menschen, die gefühlte Sinnlosigkeit der eigenen Existenz, die nur durch etwas so Fundamentales wie den Krieg wieder mit Sinn versehen werden kann. Es fehlt die Verbindung zu einer höheren Sphäre, woraus letztlich eine fehlende Verbindung zum eigenen Selbst spricht, die man im Außen, durch einen höheren Zweck wie Nation, Vaterland oder Gott zu kompensieren sucht.
So behandeln viele der großen Werke, aber auch viele Filme heutzutage eben auch den Kampf und den Krieg, in dem die Protagonisten ihren Heldenmut unter Beweis stellen müssen. Dafür werden sie am Ende nicht nur mit der schönen Prinzessin belohnt, sondern auch mit Anerkennung und Ruhm. Vielleicht ist also auch der Wunsch nach der schönen Prinzessin und nach über das eigene Leben hinausreichenden Ruhm ein Faktor, der die Sehnsucht nach dem Krieg antreibt.
Viele Wehrmachtssoldaten, die im Zweiten Weltkrieg gekämpft haben, erzählten später, dass das, woran sie sich am besten erinnern konnten, nicht die Schlachten waren, nicht der Tod, die Explosionen, der Schmerz und das Elend, sondern die Kameradschaft unter den Soldaten. Damit könnte die Sehnsucht nach Krieg zugleich einer Sehnsucht nach Verbundenheit mit anderen Menschen entsprechen. Das gemeinsame Zusammenstehen zu einem bestimmten Zweck, die unbedingte Verlässlichkeit der anderen, der Zusammenhalt, die „Solidarität“, wie das heute gerne genannt wird, sind positive Assoziationen, die Soldaten mit dem Krieg haben. Und in der Tat sehnen sich viele Menschen nach genau diesem Gefühl, wie auch die Pseudopandemie schon zutage gefördert hat. Plötzlich wurde von Solidarität gesprochen, von einem Zusammenhalten in der Krise, in der wir angeblich alle gemeinsam gefangen waren. So wurde ein Zusammengehörigkeitsgefühl erweckt, in dem jeder immer genau wusste, warum Dinge zu geschehen haben, und in dem Menschen sich in einer gemeinsamen Anstrengung zu einem höheren Zwecke vereint fühlten.
Ein solches Gefühl der Zusammengehörigkeit hatte es zuvor nicht gegeben. Die Menschen haben atomisiert nebeneinander her gelebt und gearbeitet.
Die Wenigsten haben in Umfragen noch angeben können, über bedeutsame Kontakte zu verfügen, Einsamkeit war und ist noch immer ein gravierendes Problem. Dieser Mangel, so die Hoffnung, löst sich im Krieg auf, da nun alle zusammenhalten, jeder Mensch eine Bedeutung hat in seiner Funktion, eine Bedeutung, die er zuvor, in seinem anderen Leben, so nicht gesehen hat.
Die Menschen, so schrieb es auch Hannah Arendt, wollen sich in ein großes Ganzes einreihen, das auch ihnen individuell eine Bedeutung verleiht. Dazu gehört auch eine Übertragung der Verantwortung für das eigene Leben an andere. Schon in der Pseudopandemie konnte man beobachten, dass Menschen die Verantwortung für sich selbst komplett an den Staat übertragen wurde. Dieser bestimmte dann darüber, dass man sich die Maske auszusetzen, sich „impfen“ zu lassen habe. Die Menschen sehnen sich also genau so nach Verantwortungslosigkeit, und der Krieg tritt die Verantwortung des Einzelnen an ein höheres Führungskommando, letztlich den Staat, oder an die höhere Gewalt der unberechenbaren Ereignisse im Krieg selbst ab. Nicht der Einzelne hat sich vor sich selbst für sein Handeln und sein Schicksal zu verantworten, sondern dieses kommt ohne sein Zutun per Befehl oder Schlacht über ihn, und erlöst ihn damit gewissermaßen von seiner Eigenverantwortung.
Und schließlich ist da auch noch die latente Aggression, ausgelöst durch eine latente Angst, die beide keine klar zu bestimmende Ursache, aber auch kein Ziel haben. Im Krieg kann die Aggression gegen den vermeintlichen Feind gelenkt werden, der dann stellvertretend für die ganzen sublimen Ursachen der eigenen Unzufriedenheit bekämpft wird, ohne an den wirklichen Ursachen zu rütteln. Die Aggression sucht sich ein beliebiges Ziel, das ihr geboten wird, wie all jene erfahren mussten, die gegen die Coronamaßnahmen des totalitären Staates auf die Straße gegangen sind. Da das Corona-Theater aber nun vorbei ist, bietet der Krieg in der Ukraine eine dankbare Fortsetzung dessen, und so kann die Aggression gegen den vermeintlich bösen Russen gelenkt werden, wie auch einige Russen hier in Deutschland bereits erfahren mussten.
All das erklärt vielleicht die Sehnsucht nach dem Krieg, in der nicht nur die Deutschen kollektiv gefangen sind. Letztlich ist es Ausdruck eines zutiefst menschenfeindlichen Systems, das die Bedürfnisse der Menschen nicht wahrnimmt und erfüllt, sondern sie unterdrückt und ablenkt. So sucht der Mensch nach anderen Wegen, seine Bedürfnisse vermeintlich zu erfüllen, und meint, sie letztlich im Krieg, dem „Vater aller Dinge“ zu finden.
Dabei wird dieser natürlich extrem romantisiert – und Zerstörung, Tod und Leid werden ausgeblendet. Auch führt der Krieg nur zur weiteren Traumatisierung aller in ihm Beteiligten, und damit zu einer weiteren Abspaltung aller ungelebten und nicht gesehenen Anteile, die schon zuvor unterdrückt wurden und die im Krieg ganz und gar keinen Platz haben. Aus jedem Krieg gehen tausende Menschen als Leichen, und die Überlebenden als zerstörte Menschen hervor, die zutiefst traumatisiert oft ihres Lebens nicht mehr froh werden. So haben sich nach dem letzten Irakkrieg dreimal mehr US-amerikanische Soldaten nach ihrer Rückkehr das Leben genommen, als im Kampf gestorben sind.
Der Krieg wird niemanden, der ihn erlebt hat, je wieder loslassen, und ist daher das größte Trauma, das ein jeder nur erleben kann.
Es ist zugleich das größte Verbrechen der Menschheit und zeugt von einer von sich selbst abgeschnittenen Menschheit, die in einem System gefangen ist, das Kriege systematisch erzeugt, und immer willige Menschen findet, die sich in ihm opfern. Gewinner sind am Ende nur die Kapitalisten, für die Krieg immer ein einträgliches Geschäft ist. Warum also sollte man sich opfern und zerstören lassen, für die Profite anderer?
Vielleicht wäre das einmal etwas, worüber all die Lumpenbellizisten nachdenken könnten, bevor sie gleich zum Weltenbrand trommeln.