Die schleichende Enteignung

Die Schuldenbremse frisst Volkseigentum und ist nicht das richtige Rezept, um Wohlstand zu schaffen.

Lobbyisten haben den Bogen schon seit langem raus: Wenn die Bevölkerung ihre ausbeuterischen Absichten nicht mitbekommen soll, packen sie diese in schwer verständliche und zugleich sehr umfangreiche Texte. Selbst Horst Seehofer hat diese Spielregel inzwischen durchschaut und für sich entdeckt, wie er kürzlich in einem ARD-Gespräch zum Thema Datenschutzgesetz bekannte (1): „Ich habe jetzt die Erfahrung gemacht in den letzten 15 Monaten: Man muss Gesetze kompliziert machen. Dann fällt das nicht so auf.“ Das kann im Umkehrschluss nur bedeuten, dass sich diejenigen, die derartige Machenschaften aufdecken wollen, um eine möglichst einfache Sprache und relativ kurze Texte bemühen müssten. Aber genau daran hapert es meiner Meinung nach noch zu oft. In dem Wunsch, mit gutem (?) Beispiel vorangehen zu wollen, ist das nachfolgende fiktive Gespräch zum Thema Schuldenbremse verfasst worden. Somit geht es bei diesem Versuch einer verständlichen Darstellung um Vereinfachungen, die sowohl die Sprache als auch die Form betreffen.

Aber hallo!
Schuldenbremse frisst Volkseigentum?
Was soll denn das nun wieder heißen?
Sparen ist doch gut!
Wer spart, kann sich später auch mehr leisten!

Stimmt! Aber das gilt nicht für alle!
Beim Staat ist das ganz anders.

Und wieso?

Ein Staat muss Geld ausgeben, damit er seine Bürger gut versorgen kann. Also mit Straßen, Schulen, Krankenhäusern, Wasser, Energie und vielem anderen.

Aber ist das meiste davon nicht schon kaputt?

Eben! Und damit das nicht so bleibt, muss der Staat notfalls auch Schulden machen. Aber darauf ist er eigentlich gar nicht angewiesen.

Heißt das, dass unser Staat gar nicht pleite ist?

Wie man's nimmt: Wenn unser Staat zum Beispiel endlich einmal diejenigen ordentlich besteuern würde, die richtig Knete haben und ihr Vermögen überall auf der Welt verstecken, ginge es ihm auf jeden Fall schon viel besser. Immerhin reden wir von ungefähr 125 Milliarden Euro, die allein dem deutschen Staat durch Betrug und Tricksereien jedes Jahr durch die Lappen gehen (2).

Okay, aber das erklärt noch immer nicht, weshalb der Staat jetzt Schulden machen sollte.

Ganz einfach: Wenn der Staat Schulden macht, um zu investieren, schafft er damit viele neue Arbeitsplätze. Das ist gut für die Menschen, aber auch gut für den Staat, weil er an den neuen Arbeitsplätzen ja mitverdient.

Klingt einleuchtend, aber was hat das mit dem Wegfressen des Volkseigentums zu tun?

Na ja, wenn der Staat wegen der Schuldenbremse immer nur spart, geht bald alles so kaputt, dass die Privaten einspringen müssen.

Und wenn die erst einmal ihre Finger im Spiel haben, gehört den Bürgerinnen und Bürgern immer weniger von dem, was einst aus ihren Steuergeldern aufgebaut worden ist. Und genau das ist mit Volkseigentum gemeint, das wegen der Schuldenbremse immer stärker den Privaten zum Fraß vorgeworfen wird.

Das hört sich nicht so gut an – aber man sagt doch, dass die Privaten dafür alles besser und schneller können.

In einigen Fällen mag das sogar stimmen, aber meistens ist das nicht so, weil es den Privaten vor allem darum geht, richtig viel Geld rauszuholen. Investitionen sind für Private reine Anlageprojekte, die sich unter allen Umständen rechnen müssen, weil ihnen sonst die Aktionäre aufs Dach steigen. Das heißt zum Beispiel, dass Krankenhäuser, Nahverkehrsfirmen oder Bildungseinrichtungen Gewinn abwerfen müssen. Und so kommt es zu Entlassungen, Lohndumping und Betriebsschließungen.

Für die noch verbliebenen Arbeiter und Angestellten bedeutet das viel Mehrarbeit und für die Bevölkerung, dass sie auf viele früher selbstverständliche Leistungen – zum Beispiel im Gesundheitsbereich – verzichten muss. Auch dem Staat geht es dadurch immer schlechter, weil Erwerbslose keine Steuern zahlen können und stattdessen unterstützt werden müssen. Und das hat zur Folge, dass sich der Staat auf immer mehr Deals mit den Privaten einlassen muss.

Wenn das stimmt, hätten wir irgendwann doch gar keinen Staat mehr, sondern nur noch Private.

Genau das ist die Gefahr und deshalb ist die Schuldenbremse, durch die das alles beschleunigt wird, für die Bevölkerung eine Katastrophe, die abgewendet werden muss.

Und wie? Soll die Schuldenbremse abgeschafft und stattdessen versucht werden, viel mehr Steuern bei denen einzutreiben, die sich das locker leisten können?

Gut zusammengefasst, genau so sollte es losgehen!


Quellen und Anmerkungen:

Mehr zum Thema Schuldenbremse, Sozialabbau und Privatisierung:
Mohssen Massarrat „Feindliche Übernahme“ (https://www.rubikon.news/artikel/1077-feindliche-ubernahme nachlesen), Rubikon, 13.06.2018

(1) https://www.tagesschau.de/inland/seehofer-statement-101.html
(2) Diese zwangsläufig grobe Schätzung geht auf eine Untersuchung der University of London zurück, bei der die aus dem Jahr 2015 stammenden Daten ausgewertet worden sind. Darüber berichtete die „Frankfurter Rundschau“ am 26./27. Januar 2019 in einem mit „Betrug am Fiskus“ überschriebenen Artikel.