Die Rekruten
Was geschieht, wenn die Bundeswehr "Frischfleisch" braucht? Eine Polemik von Aaron Richter.
Seit nunmehr einem halben Jahr ist das aktuellste Nachwuchsschleppnetz der Bundeswehr für Jugendliche jeden Alters – und jeden Reifegrades – auf YouTube ausgeworfen. „Die Rekruten“ nennt sich dieses Machwerk, das bei vielen Heranwachsenden tatsächlich ausgelassenen Anklang findet. Geradezu euphorisch scheinen einige leicht beeindruckbare Naivlinge der Karriere beim Bund entgegenzufiebern, wie den zahlreichen Kommentaren zu entnehmen ist; die öffentliche Resonanz fällt überwiegend positiv aus. Warum man sich über die freudige Willlkommenheißung einer Armee, die bei Weitem keine weiße Weste hat, allerdings Gedanken machen und die vorliegende Serie sehr wohl für ihre Machart kritisieren sollte, ist Anlass dieses Textes.
Steuerfinanzierte Volksverdummung
Stellen Sie sich mal vor, die Öffentlich-rechtlichen würden auf einmal anfangen, ausschließlich Sendungen zu produzieren, die in Inhalt, Aufmachung und Vermarktung den Possenspielen privater RTL-Siechtumsableger haargenau gleichen – Und das durch den Rundfunkbeitrag steuerfinanziert. Ha, was da los wäre!
Blickt man nun aber Richtung „Rekruten“, muss man sich fragen: Was ist diese burleske Farce anderes als eine bereits Realität gewordene Version des eben beschriebenen Szenarios? Von der dilettantischen Konzeption über die massentaugliche Popularisation bis hin zur Finanzierung der Bundeswehr aus Steuergeldern ziehen sich die Parallelen auffällig schlüssig durch dieses Gedankenspiel, und ohne die zugegebenermaßen geniale Tarnung unter dem „Neue Medien“-Mantel einer YouTube-Webserie hätten die Amateurproduzenten des digitalen Bundeswehrdebakels wohl bald einige Klagen wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses am Hals.
Höheren Ansprüchen als denen, die an eine solche Serie angelegt werden, genügt „Die Rekruten“ nämlich nicht; tatsächlich kann sie überhaupt keinen vernünftigen Ansprüchen genügen. Dass und warum man das nicht unterstützen sollte, ist Gegenstand meiner Argumentation.
Ich möchte hierbei gar nicht so sehr auf die Frage nach der Notwendigkeit einer („Verteidigungs“-)Armee eingehen, noch auf die inexistente Sinnhaftigkeit von Kriegen und Militärkonflikten generell – Eine urteilende Tendenz wird hier wohl schon deutlich genug.
Doch allen, die verlangen, man solle doch endlich das „Haten“ gegen „Die Rekruten“ einstellen, muss ich sagen, dass sie wohl jeglichen Anspruch an intelligente Unterhaltung verloren haben.
Und dabei glaube ich kaum, dass die Verfechter dieses latent propagandistischen Machwerks ihren restlichen Tag im Kosmos der RTL-Klone verschwenden, da gerade die infantile Zielgruppe, die sich auf YouTube so herumtreibt, dank Massenmanipulatoren wie dem plattformeigenen LeFloid ihrerseits die privaten Sender so gerne verteufelt.
Wie kann es also sein, dass jene Kommentarschreiber so empört mit dem Finger auf die Trash-TV-Ecke zeigen, deren gestaltungstechnisches Liebeskind dann aber als willkommenes Geschenk annehmen?
Richtige Zeit, richtiger Ort
Dem Erfolg der militärischen We(r)bserie aus der Marinetechnikschule in Parow spielt zum einen sicherlich in die Hände, dass sie in der Geschichte der Bundeswehr Premiere feiern darf – Den Hauptkanal kann wohl niemand erstnehmen. Nein, es ist der Reiz des Neuen, des Modernen, des Digitalen, der die Videos der Rekruten so attraktiv macht. „Die Jugend ist die Zukunft!“, wird uns doch allerorten eingebläut, da versteht es sich von selbst, dass wir Jugendlichen auch an zukunftsweisenden Wegen der Kommunikation interessiert sind. Wollte man sich bisher näher über die Bundeswehr und gerade den Einstieg informieren, musste man die spießige Variante wählen und sich mühsahm durch tattrige Textblöcke kämpfen. Da lehne ich mich doch lieber zurück, schalte „Die Rekruten“ ein und genieße meine Einmannpackung, denkt sich der zeitgenössische Gefreite. Da kann man bei der Aufmachung auch mal wegschauen.
Zum anderen musste die aktuelle Generation den zerstörerischen Charakter des Krieges nicht mehr hautnah erfahren. Das mag überspitzt klingen, aber seit der Abschaffung der Wehrpflicht ist die Bundeswehr ein Gespenst, das bisher nur außerhalb des in Betracht gezogenen Berufshorizontes eines Schulabsolventen lag. Und das ging einige Jahre gut, doch wie das sekkante Camouflagemuster in der Mode ist auch der Wehrdienst wieder am Aufkeimen. Mehr und mehr Jugendliche interessieren sich für eine Karriere beim Bund. Die Betonung liegt auf „Karriere“:
Weil sie ihre menschlichen Ressourcen nicht mehr von Vater Staat zugeschickt bekommt, muss sich die Bundeswehr als Unternehmen verstehen und wird auch zunehmend als solches verstanden. Immerhin ist sie einer der größten Arbeitgeber in Deutschland! Insofern ist das Interesse an und das Bewusstsein über Möglichkeiten einer Laufbahn im Militär heutzutage wieder präsenter als noch vor einigen Jahren, weil die negative Perzeption genug Zeit hatte, wie ein Neunziger-Popsong allmählich auszufaden.
Und zu guter Letzt profitiert die Bundeswehr ebenfalls von dem flächendeckenden Bildungsdefizit, das auch heutige Abiturienten befallen hat. Schon hier wird eigenes Denken oftmals nicht mehr vorausgesetzt (was wiederum eine prima Voraussetzung für die Karriere beim Bund ist), und in den ständigen Debatten über den Niedergang unseres Schulsystems hört man immer wieder die Beschwerde, dass mittlerweile auch massenhaft Unqualifizierte die Versetzung in die immerhin höchste deutsche Schulform schaffen. Wenn das auf den ebenfalls an Aktualität gewinnenden, durch die schier endlose Karriereoptionsflut des Informationszeitalters provozierten Faktor der Orientierungslosigkeit heutiger Jugendlicher trifft, und dann pünktlich zum Achtzehnten noch ein geradezu flehendes Informationspapier der Bundeswehr einflattert, liegt der Griff zu etwas archaisch-Bewährtem nahe und der zum Telefon gleich dahinter.
Die Bundeswehr vermittelt den Eindruck, eben weil sie so alt und verstaubt ist, unumstößlich zu sein, und diese Scheinsicherheit einer vermeintlich garantierten Karriere verlockt die Dummen ebenso wie die Planlosen. Der probate Charakter der Bundeswehr verspricht Einfachheit – und das kommt in dem Fundus anspruchsvoller, profunde Kenntnisse voraussetzender und trotzdem befristeter Jobangebote natürlich gerade recht. Übrigens ist dieses Image nicht der PR-Leistung der Bundeswehr zuzuschreiben; dass Bewährtes und die Rückkehr zu traditionellen Werten und Strukturen immer gefragter werden, zeigt sich auch an den Wahlerfolgen der AfD.
Naive Resonanz
Jetzt aber endlich zurück zum neuesten Schleppnetz der Bundeswehr. Wagt man es tatsächlich und wirft als gebildeter Zuschauer mit minimalem filmtechnischen Anspruch einen Blick auf „Die Rekruten“, so kann man sich trotz der den Erfolg begründenden Argumente nur wundern. Weniger darüber, dass das Medium der Webserie an sich als Katalysator für das Interesse an der Bundeswehr geeignet ist, denn das ist es; aber dass die vorliegende Serie diesen Zweck erfüllt, das ist verwunderlich. Doch es ist das RTL-Phänomen: Man fragt sich, wie die Serie trotz ihrer miserablen Qualität so gut geklickt werden kann, wenn doch der gesamte Bekanntenkreis die eigene persiflierende Meinung teilt, ignoriert dabei aber, dass sich jenseits des heimischen Tellerrands mehr als genug Konsumenten finden – dasselbe, was auch den kosmopolitischen Wählern bei der letzten amerikanischen Präsidentschaftswahl passierte.
Die Aufmachung der „Rekruten“ könnte billiger nicht aussehen.
Im Stil des auf YouTube so populären VLogs („Video-Blogs“) werden die wackligen Amateuraufnahmen, die stellenweise gerne auch Fokusprobleme beinhalten können, auf „jugendlich“ getrimmt: Handkamera, Jumpcuts, Fisheye-Looks, komplettiert von schlecht animierten Texteinspielern, deren humoristischer Gehalt gen Null geht. Deplatzierte sowie infantile Soundeffekte steigern den Peinlichkeitsfaktor weiter. Die geballte Einfallslosigkeit, die das militärische Szenenbild bestimmt, ist beschämend.
Auch die inhaltliche Oberflächlichkeit lässt jeden Ansatz von Atmosphäre versiegen. Ernste Themen wie die posttraumatische Belastungsstörung, die viele Ex-Soldaten in den Suizid treibt, werden regelrecht abgefertigt: Die Rekruten gedenken dieser Toten mit 22 Liegestützen, ein Akt, der thematisch nicht einmal das ohnehin kurze, sechsminütige Video ausfüllt. Die Gedenkaktion läuft unter dem Titel einer „Challenge“ und wird auch sichtlich nur als solche verstanden; insbesondere die Aussagen der jungen Rekruten hierzu sind ebenso unreflektiert wie uni(n)formiert. Eine eingehendere Schulung als die bloßen Liegestütze scheint es nicht gegeben zu haben. Zwei der vier Links in der Videobeschreibung, die angeblich genauer über das Thema informieren sollen, führen lediglich zur allgemeinen Startseite der Bundeswehr.
Ebenso wirken die anfänglich hochgeladenen 'Homestories' der zwölf gesondert begleiteten Rekruten unerträglich gestellt; der Begriff 'Laiendarsteller' wäre noch schmeichelhaft. Die Abmoderationen enthalten oft nur fragmentarische Skriptfetzen und anderweitig wirres Aufseher-Genuschel. Alles, ausnahmslos alles an dem vorliegenden Serienlayout wirkt stümperhaft und insuffizient.
Was „Die Rekruten“ nun allerdings trotz all dem erfolgreich macht, ist, dass sich hier nicht nur die breite Masse der Bund-Befürworter, sondern auch die der naiven YouTube-Bengel zu Wort meldet; und deshalb besteht die Mehrzahl der Kommentare auch nicht aus Kritik.
„Ich freue mich schon richtig. Bin zwar erst 12 aber finde es richtig beeindrukend und wil später zur Marine gehen“ ist nur ein Beispiel einer häufig zu findenden Kommentarschablone. Und da scheinen einige Verfechter der Serie zu glauben, das minimale Eintrittsalter von 17 Jahren bei der Bundeswehr sei ein starkes Argument gegen die berechtigterweise besorgten Stimmen im Netz, die behaupten, die Bundeswehr ginge mit „Die Rekruten“ auf Kinderfang bei gleichzeitiger Realitätsverharmlosung.
Den Jüngeren würde das Denken abgenommen und im Beruf dann auch nicht wieder vorausgesetzt. Wie bereits angesprochen, ist es in der Tat einfach, das Hirn Insolvenz anmelden zu lassen und sich bei der Bundeswehr einzuschreiben, gerade weil sie so gut wie keine Voraussetzungen verlangt. Und es ist auch einleuchtend, dass die Bundeswehr in ihrer desolaten Verfassung natürlich irgendeine Art von Werbung, die dem Nachwuchs das klar macht, inszenieren muss. Aber nicht so.
Was hätte sein können...
Noch weitaus schockierender erscheint die miserable Umsetzung der Rekrut Horror Show im Lichte ihres gigantischen Finanzierungspools: Sage und schreibe acht Millionen Euro wurden für das verschlagene Projekt bewilligt. Wenn es um soziale, auch kulturell tatsächlich wertvolle – oder wenigstens nicht volksverdummende – Anfragen geht, oh, dann ist das Gedruchse groß: Versuchen Sie mal, mit Staatsmitteln den sozialen Wohnungsbau voranzutreiben. Ha! Lustig! Da könnte man sich köstlich drüber amüsieren – wenn es nur nicht so traurig wäre.
Das Verteidigungsministerium hingegen war mit seinen, nochmal, acht Millionen Euro also erstmal damit beschäftigt, dieses Budget überhaupt auszugeben. Und man sollte doch meinen, dass ein Großteil dessen in die Produktion der Serie fließt, oder? Irrtum!
Über sechs davon, das heißt sechs von acht, das heißt mehr als die Hälfte, genauer: Über drei ganze Viertel der acht Millionen Euro Gesamtfinanzierung wurden für die Werbung verschleudert! Dafür, dass man im U-Bahn-Tunnel penetrante Plakate ertragen muss, die Bundeswehr in den Tageszeitungen sieht und online von ostentativen Anzeigen geplagt wird! Dafür gingen sechs Millionen Euro an Steuergeld drauf!
Und dann erlauben sich die jämmerlichen Social-Media-Dilettanten dieser „Serie“ auch noch die unfassbare Dreistigkeit, in einer offiziellen Kommentarverlautbarung herumzutönen, sie hätten die Top-Platzierungen ihrer Videos, Zitat: „nicht gekauft“ – „Das [könne] man auch nicht kaufen!“ Und das, obwohl YouTube selbst die tagelang auf Platz 1 der Startseite angesiedelten Rekrutenvideos mit einem dicken, gelben, offiziell werbekennzeichnenden „Anzeige“-Sticker versehen hatte! Hierüber so unerhört zu lügen, obwohl man sich des sehr wohl käuflichen Services gleich bei mehreren Gelegenheiten bedient hatte, charakterisiert die heuchlerische Natur dieser verkommenen Videokolonne vorzüglich.
Und was tatsächlich war...
Wenn Sie das jetzt also haben sacken lassen und bereit sind für ein wenig weitere Kalkulation, dann folgt aus diesem unverschämten Werbefeldzug, dass weniger als zwei Millionen Euro, das heißt weit weniger als die Hälfte, genauer: Nicht mal ein lächerliches Viertel der verfügbaren acht Millionen übrig geblieben ist, um die Serie letztendlich zu verwirklichen. Im Verhältnis, vor allem angesichts der jeweiligen Zwecke, ist das ein schlechter Witz.
So, und jetzt kommt der nächste Hammer: Von diesen übrigen knapp zwei Millionen Euro wurde keine Serie gedreht, die – obwohl die Bundeswehr nicht müde wird, öffentlich das Gegenteil zu behaupten – in irgendeiner Form den Anspruch hatte, eine realitätsgetreue Darstellung der allgemeinen Grundausbildung abzuliefern. Da haben die Produzenten nämlich ordentlich getrickst.
An erster Stelle steht hier die äußerst fragwürdige Auswahl der Marine als Einstiegszweig der Bundeswehr. Es ist weithin bekannt, dass die Marine, obwohl sie insgesamt zum selben Kommisskopf-Konglomerat wie der Rest des deutschen Armeevereins gehört, einen wesentlich sittlicheren Umgangston an den Tag legt. Da man hier von etwas gebildeteren, mehr Respekt erwartenden Rekruten ausgeht, verlangen die für die Marine erforderlichen, gehobenen Ansprüche auch mehr Gehätschel; denn wir erinnern uns: Der Zulauf zur Bundesleer ist freiwillig.
Da hier also ein noch größeres Risiko besteht, dass selbst die unterbelichtetsten Rekruten die Lust an den mit verbalen Peitschenhieben gepaarten körperlichen Herausforderungen verlieren, muss man sich zurückhalten. Stellen Sie sich mal vor, wie es da beim unbewachten Fußheer abgeht. Und wenn zu allem Überfluss noch, wie bei den „Rekruten“, ein Kamerateam dabei ist, wird erst recht durch Weglassen gelogen. Da kann man nicht, wie ich aus einer persönlichen Quelle weiß, wie in anderen Kasernen morgens die blechernen Mülleimer in die Rekrutenquartiere schmeißen, um die Jugendlichen auf brachiale Weise aufzuwecken. Oder das Ritual der Abschlussehrung filmen, bei der sich traditionellerweise alle – meist 50 – Rekruten gegenseitig patriotisch, kameradschaftlich auf die Schulter klopfen, oder besser gesagt: auf sie einschlagen – ein Vorgang, der von den Rekruten selbst mit sadistischer Häme durchgeführt wird und nicht selten zu ernsthafter Körperverletzung führt.
Meine Quelle – seinerseits ein menschlicher Schrank – trug noch Wochen nach dieser Tortur eine blutergussrote Schulter zur Schau, und eines der jungen Mädchen dort wurde so heftig „beglückwünscht“, dass sie mit einem angebrochenen Schulterknochen ins Krankenhaus eingeliefert wurde.
Diese Vorgänge sind Alltag in der Bundeswehr. Und sobald sich alle Jahre wieder öffentlich ein Missbrauchsvorwurf erhebt, melden sich plötzlich zahlreiche weitere Kasernenmitglieder – natürlich anonym –, um von ähnlichen Zuständen zu berichten. Aber das Bundesheer versteht es, diese Angelegenheiten schnell wieder zu vertuschen. Schlechte PR schreckt schließlich Frischfleisch ab, und das muss man vermeiden – Koste es, was es wolle.
Herein in die gute Stube
Weiterhin kommen auch die gezähmten, erfahrenen Ausbilder des renommierten Lagers hinzu, um die Irreführung vollends abzurunden. Nur, damit wir uns nicht falsch verstehen: Bei den „Rekruten“ wird unser Nachwuchs zwar nicht, wie in anderen Einrichtungen, von offizieller Seite als „nutzloser Dreck“ (Quelle!) beschimpft; bei der von sichtbarer Dämlichkeit befallenen Führungsriege der Serie müsste allerdings auch ein Hauptschulabbrecher – welche übrigens ebenfalls die Dummenwehr besuchen dürfen – ins Grübeln geraten.
Die gezeigten „Autoritäten“ muten nicht selten wie dümmliche, mit krampfhaften Führungskomplexen behaftete Versager an. Von geistlosen Wortwechseln wie diesem hier, bei dem die Führungsposition einleitend eine scheinbar neugierige Frage stellt – Autorität: „Warum essen Sie?“ — Rekrut: „Weil ich Hunger habe.“ — A.: „Ja, denken Sie, das interessiert mich!?“ – bis hin zu nicht herausgeschnittenen Mehrfachtakes, bei denen ein Aufseher daran scheitert, einen aus drei Wörtern bestehenden, geskripteten Satz richtig herunterzuleiern, zieht sich ein roter Faden durch das blamable Gebaren der Führungsebene.
Und zu guter Letzt muss zur Täuschung dieser Serienzumutung gesagt werden, dass das befilmte Ausbildungslager zufällig erst vor Kurzem komplett renoviert worden ist und vor allem alle Stuben – der Wohnraum der wehrhaften Voluntäre – auf einen neu festgelegten Komfortstand angehoben wurden, der universell aber erst 2018 in den Einrichtungen der Bundeswehr eingeführt sein wird. Andernorts hausen die Stubenfliegen unter weitaus unattraktiveren Bedingungen.
„Ziel ist es, bis Ende 2018 alle 55.000 Stuben der Bundeswehr mit dieser Ausstattung zu versorgen.“ Der gezeigte Stand entspricht also keineswegs der aktuellen, allgemeingültigen Realität in der Bundeswehr. Direkt im Anschluss aber heißt es im Wortlaut: „Somit ist alles, was ihr bei ‚Die Rekruten‘ seht, authentisch und grundsätzlich auch flächendeckend repräsentativ.“
Während die besagten Social-Media-Doppelmoraler also ihre gezielte, betrügerische Stubenauswahl im ersten Atemzug noch selbst zugeben, sind sie im zweiten allen Ernstes versucht, aus ihr eine wahrheitsgemäße, flächendeckende Repräsentativität und Authentizität abzuleiten!
Wie sie mir diese harschen Antonyme als harmonisierende Einheit verkaufen wollen, erschließt sich mir beim besten Willen nicht. Nebenbei: Diese vollständigen Zitate entstammen derselben Kommentarverlautbarung, in der auch schon versucht wurde, die Werbeausgaben zu verschleiern. Eine transparente, realitätsgetreue Darstellung, als welche das Verteidigungsministerium „Die Rekruten“ propagiert, hätte ein solches Getrickse nicht nötig. Aber Ehrlichkeit scheint eben doch kein entscheidender Faktor bei der Konzeptualisierung der vorliegenden Serie gewesen zu sein.
Was bleibt?
Was bleibt, ist der an allen ethischen Fronten gescheiterte Versuch, eine bewusst nur als wahrheitsgetreu verpackte Serie abzuliefern, die den harten Alltag der Rekruten und auch das eigentliche Geschäft der Bundeswehr gefährlich verharmlost. Es ist ein Schleppnetz, das ausgeworfen wurde, um die Jugend dieses Landes an die diversen Schauplätze der spätkapitalistischen Ressourcenkriege zu locken und lästigen Kritikern durch den belächelten Status der Webserie von vornherein die Substanz zu nehmen. Argumente, um die Bundeswehr und ihren dreckigen Sumpf an widerlichen und, ja, illegalen Bräuchen zu exkulpieren, scheinen aber vor allem angesichs der intern oft ausbleibenden Konsequenzen auf ernstzunehmende Delikte nurmehr wie heuchlerisches Wegsehen.
Lächerlich sind auch die Rechtfertigungsansätze, die hinsichtlich elterlichen Versagens in der Erziehung nun der Bundeswehr die Attribute zuschreiben, die für eine jugendgerechte Bildung wesentlich sind; dass die Bundeswehr beispielsweise Disziplin schulen soll, ist ein beliebtes Argument beschränkter Verteidiger. Man sollte sich jedoch ernsthaft fragen, ob die hierfür genutzen Methoden wirklich zielführend sind. Ein sogar bei den „Rekruten“ propagiertes Beispiel hierfür sind die Böcke, das Bettfaltmuster, das die Rekruten unter Androhung von Strafe akribisch genau auszuführen haben. Angesichts der Komplexität des Vorgangs, die mit der Unsinnigkeit desselben gepaart ist, kann ich jedoch sehr gut verstehen, dass manche Rekruten da sprichwörtlich keinen Bock haben.
Äußerst fraglich ist auch, ob die anwesenden Autoritätspersonen fähig und pädagogisch geschult genug sind, um wirkungsvoll mit jungen Leuten zusammenzuarbeiten. Das gezeichnete Bild ist nämlich ein anderes – die oftmals und zu Recht positiv angeführte Entwicklungshilfe der Bundeswehr in Dritte-Welt-Ländern wäre in den eigenen Reihen wohl allem Anschein nach ebenfalls bitter nötig.
Und auch bei aller netten Vermarktung und bemühten Verschleierung bleibt der Arbeitgeber eben eine Kriegseinheit. Die Unmenschlichkeit der Sache an sich spiegelt sich im Umgang mit, aber auch unter den Rekruten wider – „Entwürdigend“ ist da noch ein netter Begriff. Und anmerken möchte ich noch, dass auch eine Verteidigungsarmee, die bereits zahlreiche fragwürdige Auslandseinsätze à la „Deutschlands Freiheit wird am Hindukusch verteidigt“ hinter sich hat, mit solchen Einsätzen faktisch Krieg führt – Egal, was sie sich auf die Fahne schreibt.
Abschließend also ist diesem trivial inszenierten, kümmerlich produzierten, niederträchtig betrügerischen Serienabschaum nur zu wünschen, dass er als abschreckendes Warnsignal in die Geschichte der Bundeswehr eingeht, das aufzeigt, wie obsolet die dort herrschenden Zustände dieser Tage sind. Als ich die erste Folge dieses digitalen Schandflecks zu Gesicht bekam, hielt ich sie für eine Parodie – Ich konnte mir nicht vorstellen, dass irgendjemand ein solches Sputum ernsthaft unter positiver PR laufen lassen würde. Die Bundeswehr aber tut das und willigt dadurch ein, dass ihre Grundausbildung von einer fadenscheinigen Blamage repräsentiert wird, die junge Leute unter Vortäuschung falscher Tatsachen zum Bund locken will, ohne dabei auch nur den geringsten qualitativen Anspruch zu erfüllen. Kennen Sie die Phrase: Wer nichts wird, wird Wirt? Dieser Spruch ist längst überholt.
Wer heute nichts wird, wird Soldat.
Quellen:
Artikel: "Die Rekruten: Bundeswehr bejubelt Reality-Doku auf Youtube
Artikel " Darum schreckt die Reality-Show der Bundeswehr ab
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