Die Reichstags-Sturm-Inszenierung
Innensenator Geisel war informiert und verwickelt.
Die Kundgebung am 29. August 2020 vor dem Reichstag, die nichts mit der Aktion der GG-Verteidiger zu tun hatte, war bei den Berliner Behörden angemeldet. Die Anmelder kamen aus dem Kreis der „Reichsbürger“. Das wusste zumindest das Amt für Verfassungsschutz. Das Amt weiß auch, dass die Reichsbürger gern Waffen sammeln. Das Amt ermittelt auch gegen diese Bürger wegen Terrorismus. Das Amt weiß ebenfalls, dass am 19. Oktober 2016 in Georgensgmünd, Bayern, ein Beamter des Spezialeinsatzkommandos (SEK) Nordbayern von einem Anhänger der Reichsbürgerbewegung erschossen und drei weitere Beamte angeschossen wurden.
Bannmeile am Reichstag nicht durchgesetzt
Das alles wusste mit Sicherheit auch der Berliner Innensenator Andreas Geisel. Bekannt war ihm auch, dass es am Reichstag eine Bannmeile gibt. Die garantiert das „Gesetz über befriedete Bezirke für Verfassungsorgane des Bundes“. Dort sind Versammlungen unter freiem Himmel klar und eindeutig grundsätzlich verboten. Darauf weist auch der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages ausdrücklich hin. Und doch hat die Geisel-Behörde den Reichsbürgern eine Genehmigung in der Bannmeile erteilt, beziehungsweise keine Vorkehrungen gegen den „Sturm auf den Reichstag“ getroffen.
Von einer Fahndung, einer Vernehmung oder einer Anklage ist nichts bekannt
Auf einem der kursierenden Videos ist eine Frau an der Reichstagstreppe zu erkennen, die zum Sturm auf den Bundestag aufruft. Die Frau ist den Behörden bekannt. Sie kommt aus der Eifel. Von einer Fahndung, einer Vernehmung oder gar einer Anklage ist bisher aber nichts bekannt. Hat einer der Journalisten, die mit dem „Sturm auf den Reichstag“ die Verteidiger des Grundgesetzes in die rechtsradikale Ecke stellen, bisher den Senator nach dem Verbleib der Frau gefragt? Nein. Hat einer dieser Journalisten mal gefragt, warum ausgerechnet einer Gruppierung, der das Bundeskriminalamt „terroristische Aktionen“ zutraut, in der Bannmeile rund um den Reichstag ungehindert eine Genehmigung zu einer Kundgebung erteilt wird? Nein.
Wo war die Bundestagspolizei?
Senator Geisel hatte vor der Großkundgebung für das Grundgesetz steif und fest behauptet, an der Aktion würden Reichsbürger teilnehmen. Man hatte ihn also vorher informiert. Wer? Die Reichsbürger selbst? Die zuständigen Dienste? Und wenn Geisel das alles schon vorher wusste, warum hat der dann die Aktion der Reichsbürger, die sich ja brav angemeldet hatten, nicht verhindert? Ganz sicher hat Geisel ein Ziel erreicht: Die völlig friedliche Aktion der GG-Verteidiger mit brauner Soße zu bekleckern. Und doch bleiben Fragen, die selbst der regierungstreueste Journalist stellen müsste: Wer hat in der Polizeiführung dafür gesorgt, dass der Eingang zum Reichstag von nur drei (3) Polizisten gesichert wurde? Wo war die Bundestagspolizei? Die besteht aus 180 Personen, selbst wenn die Hälfte davon zufällig gerade dienstfrei hatte, wo war der Rest, mit dem man die paar Reichsbürger die Treppe hätte runterfegen können?
Zusammenarbeit des Verfassungsschutzes mit Rechtsradikalen ist bekannt
Spätestens seit dem Terror des NSU ist die Zusammenarbeit des Verfassungsschutzes mit Rechtsradikalen aller Art bekannt. Da die Ermittlungen gegen den Dienst für 120 Jahre gestoppt wurden, da der Prozess rund um den NSU mehr Fragen aufgeworfen als beantwortet hat, muss man von einer stabilen Verbindung zwischen Staatsapparat und Rechtsradikalen ausgehen. Wer die Reichsbürger an ihrem „Sturm auf den Reichstag“ nicht gehindert hat, der ist in ihn verwickelt. Die für Geisel und andere nützliche Inszenierung ist ein Anschlag auf die Demokratie.
Ursprünglich verboten war die GG-Demo der Querdenker. Das Gericht hob das Verbot auf. Die Reichsbürger-Aktion hätte wegen des „Gesetzes über befriedete Bezirke für Verfassungsorgane des Bundes“ (Bannmeile) jederzeit separat verboten werden können.
Redaktionelle Anmerkung: Der Artikel erschien zuerst in der Rationalgalerie.