Die Peinlichkeitsfalle
Auf Demos sollten wir unseren Gegnern mit Klamauk und Clownerie keine Steilvorlage für Angriffe liefern — besser ist es, der Situation gemäß ernsthaft zu bleiben.
„Das hier ist keine Spaßveranstaltung!“ Der Sinngehalt dieses Lehrerspruches sollte nach Ansicht der Autorin auf Demonstrationen für das Grundgesetz und die Freiheit von den Teilnehmern beherzigt werden. Wenige Wochen zuvor warnte im Rubikon Jochen Förster mit seinem Beitrag „Die Ernsthaftigkeitsfalle“ davor, auf ebendiesen Demos die Heiterkeit zu tabuisieren, da sie doch Ausdruck der Lebensfreude sei, für die es sich zu kämpfen lohne. Die Autorin dieses Beitrags erwidert in ihrer Replik, dass diese Albernheiten die Fernsehkameras anzögen wie faules Obst einen Fliegenschwarm. Diese ebenso infantilen wie ulkigen Gesangs- und Tanzeinlagen bieten der Mainstream-Presse die — aus ihrer Sicht — dankenswerten Steilvorlagen, um die gesamte Bewegung als eine Ansammlung gefallsüchtiger Spinner abzutun. Zugleich bieten die Themen, um die sich diese Demos drehen, gar keinen Anlass für derlei Klamauk. Denn schließlich geht es um nichts Geringeres als die Verteidigung unserer essenziellen Grundfreiheiten. Wenn an diesen gesägt wird, ist definitiv Schluss mit lustig!
„Ihr wollt vom Mainstream nicht mehr diffamiert werden? Dann hört auf, peinlich zu sein.“
Zunächst sollten wir uns klarmachen, dass die Gegenseite mit ausgefeilten, wissenschaftlich untermauerten Kommunikations- und Manipulationstechniken arbeitet, bestens koordiniert und finanziert ist, sowie über ausgezeichnete Strategen verfügt. Nichts im Ansatz Vergleichbares hat die Protestbewegung aufzuweisen.
Wir sind eine bunte, im wahrsten Sinne des Wortes diverse Menge von Menschen mit unterschiedlichstem politischen Background, mit unterschiedlichen Zielen, Weltanschauungen, unterschiedlichster Bildung, sozialer Stellung und Medienkompetenz. Vom staubtrockenen Akademiker bis zur engelsgläubigen Wunderheilerin mit Hühnerknochen im Haar, von freien Linken bis zu Ultrakonservativen ist alles vertreten. Viele wollen im Zuge der Protestbewegung ihre eigene Agenda unters Volk bringen.
Und so mancher scheint zu glauben, dass die inszenierte „Pandemie“ nur der letzte, noch fehlende Beweis dafür war, dass „sie“, „die da oben“ oder die „Illuminaten“ uns schon immer belogen haben und rein gar nichts wahr ist, was wir jemals über die Welt zu wissen glaubten. Ob Crash-Prophetie, Zahlenmystik der Cheops Pyramide oder „Gibt es ein Leben nach dem Tod?“ — Für vieles, auch Skurriles melden sich Experten zu Wort und buhlen im Windschatten der „Pandemie“ um Publikum und Kundschaft. Grabenkämpfe um die reine Lehre, Denkverbote und -gebote sind auf allen Seiten vorprogrammiert und drohen die Protestbewegung zu zersplittern.
Nichtsdestotrotz soll und darf jeder, der sich auf dem Boden des Grundgesetzes bewegt, bei der Protestbewegung mitmachen — je mehr, desto besser. Denn wir haben einen kleinsten gemeinsamen Nenner: Die Maßnahmen müssen weg und das Grundgesetz muss rehabilitiert werden. Wobei Letzteres schon strittig ist.
Eine Protestbewegung, die so heterogen und bunt ist, kann unmöglich aussehen wie ein Staff Meeting in der Firmenzentrale der Allianz Versicherung. Und warum soll Protest nicht auch Spaß machen und fröhlich sein? Aber …
Obwohl die esoterischen Blumenkinder in der Minderheit sind und ihnen der Spaß bei den Demos von Herzen gegönnt sei, so stehen doch die Kamerateams der Mainstreammedien immer genau dort bereit, wo mehr oder minder Talentierte sich direkt vor der Bühne einer seligen Tanz-Improvisation hingeben.
Haben wir solche Bilder je von den Gelbwesten gesehen? In der Abendschau erwecken die geschickt montierten Aufnahmen dann den Eindruck, es handle sich bei der gesamten Protestbewegung um die drollige Melange aus Schinkenstraße, verpeilten Althippies und neugermanischen Volksmusik-Faschos auf Speed.
Und ja! Diese Diffamierungen seitens der Medien sind schäbig!
Schuld daran sind nicht die Blümchen-Omis, die Party People oder die Leute mit Rechtschreibfehlern auf ihren selbstgemalten Schildern. Schuld daran sind die Akteure, die eine solche „Pandemie“-PR durchführen und mit wenigen, nicht repräsentativen Aufnahmen den Eindruck erwecken, da wären neben Nazis und Antisemiten mehrheitlich peinliche Spinner unterwegs. Um klarzumachen, dass man sich als anständiger Bürger dort nicht sehen lässt. Diese Propaganda, das wissen wir alle, soll Menschen davon abhalten, sich uns anzuschließen.
Und genau deshalb können wir es nicht bei der Feststellung belassen, dass wir nicht „schuld“ an unserer Außenwirkung sind. Wir müssen uns klar werden, wen und was wir mit den Protesten erreichen wollen. Sollen sie uns Spaß machen? Anderen Spaß machen? Überhaupt Spaß machen? Sind sie reine Selbstbestätigung und Klamauk für die Teilnehmer? Die Anti-Lockdown-Loveparade?
Oder haben wir nicht viel mehr ein gewichtiges Anliegen? Befinden wir uns etwa nicht in einer existenziellen Auseinandersetzung mit einer übermächtigen Gegenseite? Sollte uns deren Agieren nicht schon allein deshalb interessieren, weil wir genau wissen, dass sie uns diffamieren, wo immer wir ihnen die Gelegenheit dazu geben?
Müssen wir es ihnen leicht machen? Erledigen wir am Ende gar ihren Job, wenn wir uns wie Fußballfans aufführen und einige ihren berechtigten Ärger in die Kameras pöbeln?
Wir haben die Wahl: Wollen wir Spaß und der Mainstream ist uns egal? Nennen wir die Peinlichkeit einfach um in Lebensfreude und das Problem ist verschwunden? Sind erfolgreiche Proteste eigentlich jemals lustig gewesen? Oder wollen wir viele sein? Wollen wir, dass Menschen sich uns anschließen? Wollen wir Respekt? Wollen wir, dass die Verantwortlichen keine Lust haben, uns alle in Berlin zu sehen — ohne Luftballons und Herzchen, sondern mit berechtigten, ernsthaft vorgetragenen Forderungen?
Und nein, Ernsthaftigkeit ist natürlich kein Garant für Erfolg, weil es keine Erfolgsgarantie gibt. Ob lustig-bunte Familien, Meditieren auf der Wiese oder Tausende von Trucks — die Erfolge sind bescheiden geblieben. Peinlichkeit hingegen könnte ein Garant für Misserfolg sein.
Nur ein einziges Kriterium scheint die Erfolgsaussichten zu verbessern: Viele ernsthafte Menschen mit ernsthaften Forderungen gemeinsam an einem Ort.