Die Oberflächenpsychologen
Die Teilnehmer einer Therapeutentagung sahen ihre vornehmste Pflicht offenbar in der Bestätigung von Herrschaftsnarrativen — eine kontroverse Debatte war so nicht möglich.
Zahlreiche Psychotherapeuten der analytischen Ausrichtung nach C. G. Jung waren bei der fünftägigen Tagung der Internationalen Gesellschaft für Tiefenpsychologie (IGT) im Spätherbst in Lindau am Bodensee anwesend. Der Autor nahm an diesem Kongress zur psychologischen Fort- und Weiterbildung teil und schildert hier seine Erfahrungen und Eindrücke. Schon in der Begrüßung und Eröffnung der Tagung wird betont, dass man sich um die Zeitthemen Pandemie, Krieg und Klimawandel nicht herumdrücken möchte. Konstantin Rößler, der Vorsitzende der IGT, spricht von einer Welt, die „aus den Fugen geraten“ sei, und die düsteren Bilder aus den Medien lösten Angst, Trauer, Wut und Verzweiflung aus (1). Aber wir seien alle betroffen, nicht nur Patienten: „Im Angesicht eines Krieges sitzen wir alle in einem Boot.“ Im darauffolgenden Eröffnungsvortrag möchte die Schweizer Psychoanalytikerin Verena Kast (1) uns allen wieder das Prinzip „Hoffnung“ einimpfen, da die Menschen generell in einem „Krisenmodus“ leben würden. Die Krisen seien langlebig, und „viele werden deren Ende nicht erleben“. Die induzierten Ängste würden Wut und Depressionen hervorrufen, nun sei aber „Mut zur Angst“ gefragt, „Mut, ihr gemeinsam zu begegnen“. So geht es weiter mit schönen Formulierungen, um den heißen Brei herumgeredet, um ja nicht bei den gängigen Narrativen zur Coronakrise, Klimawandel und Ukrainekrieg anzuecken. Frau Kast gibt uns dann auch schon einen Hinweis auf eine existenzielle Lösung des ganzen Tabu-Schlamassels: „Im Grauen dürstet man nach Schönheit.“ Letztere könne man immer wieder aufs Neue imaginieren. Die Trauer um Verlorenes könne „eine Liebe zu dem, was noch da ist,“ bewirken. Mit diesem einfachen Leitfaden im Rahmen einer Art Sonntagspredigt werden die Teilnehmer dann in die folgenden Fortbildungstage geschickt.
Anfängliche Atmosphäre und Stimmung
Bei allen Tagungen in der Inselhalle, die als Kongresshalle fleißig genutzt wird, geben Vertreter der Stadt Lindau, zumeist der Bürgermeister, einige Sätze zur Begrüßung der Teilnehmer zum Besten. Zum ersten Mal ließ sich jedoch zur Eröffnung des IGT niemand von der Stadt blicken. Es gibt keine Erklärung warum, und Konrad Rößler betont leicht irritiert: „Wir fühlen uns mit Lindau verbunden“ (1). Es sind aber auch andere Ausfälle zu beobachten. Für die mehreren hundert Teilnehmer in der Inselhalle gibt es erst ab 10 Uhr 30 Kaffee und etwas zu knabbern. Man ahnt es schon: Bescheidenheit und Mut zur Beschränkung ist angesagt. Immerhin besteht keine Maskenpflicht oder Empfehlung hierzu. Trotzdem tragen recht viele Kolleginnen und Kollegen noch Masken, vermutlich mit der Erwartung: „Der Winter steht vor der Tür und jederzeit kann Ungemach über die arglosen Zuhörer hereinbrechen.“
Alle wissen aus der Mainstream-Presse, dass viele Menschen erkranken, die Intensivstationen vermehrt Einweisungen vermelden und trotzdem die Inzidenzen für SARS-CoV-2 landesweit kontinuierlich sinken. Man möchte hier lieber nicht weiter nachdenken und schließt sich gern den widersprüchlichen und zaghaften Erklärungsversuchen des Gesundheitsministers Karl Lauterbach an, der von einer Long- COVID-Welle fabuliert, aber auch zögerlich Fehler eingesteht: „Das Schließen von Kitas ist medizinisch definitiv nicht angemessen“ (2). Da vermutlich die meisten der Anwesenden geimpft sind, wird man Argumente, die eine mangelnde Schutzwirkung und erhebliche Gefährdung durch die mRNA-Impfungen belegen, unter den Teppich kehren. Gern wird mit einer gewissen Erleichterung betont, dass Geimpfte zwar bedauerlicherweise häufig an Corona erkranken, aber um einen schwereren Verlauf herumkämen. So ist man mit sich noch einmal im Reinen und kann an den höheren Weihen der analytischen Psychologie à la C. G. Jung unbeschwert teilnehmen.
Selbstzensur unter Psychotherapeuten
Ein Diskurs über die vielfältigen psychosozialen Schäden in Form von Depressionen, Phobien und Suizidhandlungen, ausgelöst durch Corona-Zwangsmaßnahmen, findet in Lindau nicht statt. Man beklagt sich hin und wieder über die Auswirkungen der Pandemie. Kollateralschäden der Lockdowns, Tests, Hygienemaßnahmen, Maskentragen und Genimpfungen werden übergangen und sind tabuisiert; ebenso eine ungute Tradition der Mitwirkung von Psychologen und Psychotherapeuten bei der Ausarbeitung von Zensurmaßnahmen und Propagandagestaltung (3). Edward Bernays, Neffe von Sigmund Freud, dem Begründer der Psychoanalyse, beschäftigte sich intensiv mit dessen Theorien unbewusster Prozesse und setzte sie mit großem Erfolg in der Werbung, der politischen Agitation und der Beeinflussung von Menschenmassen ein (4).
Die große Mehrzahl der Psychologen und Psychotherapeuten unterliegt jedoch einer Selbstzensur, die jede kritische Diskussion über die Verhältnismäßigkeit der Corona-Maßnahmen verbietet. Eine Art psychosozialer Abwehr bekommt jeder zu spüren, der diese Problematik nur in vorsichtigen Andeutungen anspricht.
Schnell gelten Kritiker als rechtsextrem, den sogenannten „Coronaleugnern“ und „Querdenkern“ nahestehend.
Auch ein Stand von Amnesty International ist in der Inselhalle präsent und legt Unterschriftenlisten zur Unterstützung von verfolgten Journalisten und Oppositionellen aus. Dass in unserem Land ebenfalls oppositionelle Meinungen kriminalisiert werden, deren Anhänger Polizeigewalt ausgesetzt waren und sogar für längere Zeit im Gefängnis einsitzen oder ins Ausland flüchten mussten, ist für meine Kolleginnen und Kollegen „Verschwörungsgerede“. Über hundert Ärztinnen und Ärzte erlebten frühmorgendliche Hausdurchsuchungen, litten und leiden unter Strafmaßnahmen, hohen Bußgeldern, Kontosperrungen und Hetze. Ihr Vergehen: Deutliche Kritik an den Corona-Maßnahmen und die Ausstellung von Attesten für Menschen, die besonders unter den aufgezwungenen Masken leiden (5).
Masken als notwendiges Anhängsel
Masken werden als notwendiges Anhängsel begriffen, als wären sie ein wirkungsvoller Schutz gegen Viren, quasi eine natürliche Erweiterung unseres Körpers, wie Mütze und Schal, um sich gegen eine Erkältung zu wehren. Als übergestreifter Begleiter, locker am Arm befestigt, werden sie zu einem Alltagsgegenstand, einem Zeichen der neuen Normalität. Dabei geht es schon längst nicht mehr um Gesundheit: Schon die technisch-medizinische Analyse der Masken belegt ihre Unbrauchbarkeit für einen viralen Schutz (6). Jeder Mediziner müsste wissen, dass die CO2-Überatmung bei längerem Tragen zu einer Übersäuerung führt und hinter der Maske zur Brutstätte für zahlreiche Mikroorganismen wird.
Hinzu kommt die permanente Einatmung von Fasern eines thermoplastischen Kunststoffes (Polypropylen), dessen Mikrofasern sich in der Lunge festsetzen und von dort zahlreiche andere Organe erreichen können. Spurenelemente aus giftigen Schwermetallen, Duftstoffen und Formaldehyd wurden ebenfalls in vielen Masken gefunden (7). Kommentar von Professor Michael Braungart, wissenschaftlicher Leiter des Hamburger Umweltinstitutes: Die Masken seien für diese Anwendung nicht geeignet, denn „was wir da über Mund und Nase ziehen, ist eigentlich Sondermüll. Alles in allem tragen wir einen Chemiecocktail vor Nase und Mund, der nie auf seine Giftigkeit und niemals auf etwaige Langzeitwirkungen untersucht wurde“ (7).
Die Maske als Unterwerfungssymbol
Die symbolische Bedeutung dieser ‚Mundwindel‘ wird merkwürdigerweise von den Tiefenpsychologen in Lindau nicht thematisiert. Sie kann auch als Unterwerfungsgeste der Maskenträger an die Regierung wahrgenommen werden, nach dem Motto: „Man kann uns ja nichts vorwerfen, wir halten uns an die vorgeschriebenen Regeln, wollen nicht auffallen und uns keiner Strafe aussetzen.“ Die Maske signalisiert einen Gesichtsverlust mit Sprachverminderung, wir halten unseren Mund, Widerstand ist von uns nicht zu erwarten. Aber auch: Wir haben etwas zu verbergen, es darf nicht ausgesprochen werden. Tragen viele Menschen in der Öffentlichkeit Masken, entsteht der Eindruck einer uniformierten Masse, die ihrer Individualität beraubt ist. Der Affektausdruck ist reduziert, die verdeckte Mimik ist befremdlich und verunsichert den Betrachter.
Die Unkenntlichkeit von Affekt und Person wird bei langer regelmäßiger Anwendung – beispielsweise in der Schule oder am Arbeitsplatz – verinnerlicht und führt zu chronischer Affektvermeidung in der Kommunikation. Auch die Gefangenen in der Guantanamo Bay Naval Base, einem US-Gefängnis für angebliche Terroristen, mussten Mundmasken tragen, hinzu kamen Augenmasken und Kopfhörer (8). Die Verschleierungspflicht für Frauen in manchen islamischen Staaten kann als eine Alltagsdiskriminierung durch einen patriarchalischen Staat verstanden werden, der das weibliche Geschlecht in vielerlei Hinsicht einschränkt. Die Begründungen sind, ähnlich wie im virus- oder rassenphobischen Regime, pseudowissenschaftlich und ideologisch-religiös eingefärbt.
Je häufiger Propagandalügen und Zwangsmaßnahmen wiederholt werden, umso selbstverständlicher werden sie im Alltag als normal hingenommen, solange eine repressive Regierung die Mainstreammedien, die wichtigsten Entscheidungsträger und Multiplikatoren kontrolliert.
Auch in Lindau sind Psychotherapeuten und Ärzte als Multiplikatoren unterwegs und kommunizieren in einem begrenzten Meinungskorridor, der keine unterschiedlichen Standpunkte zum Ukrainekrieg, zum Klimawandel, zur Massenmigration und zur Coronakrise zulässt.
Propagandistisch eingefärbte Inhalte
Neben den in der Regel wissenschaftlich und literarisch fundierten Vorlesungen hörten wir den Vortrag „Selbstwirksamkeit, Kunst und Menschlichkeit – wie wir Krieg überleben“ (9) der Autorin Marina Weisband, der bei mir einen schalen Geschmack hinterließ, da einseitig und ideologisch vorgefasst. Sie offenbarte sich in ihrem Online-Vortrag als Mitglied der Grünen, davor bei der „Piraten-Partei“, als „Tschernobyl-Kind“, als an Multipler Sklerose leidend und deshalb im Alltag sehr eingeschränkt. Sie sei Diplom-Psychologin und „deutsch-ukrainische Politikerin und Publizistin“, in Kiew geboren.
Frau Weisband äußert sich zum Ukrainekrieg: „Der Krieg ist ein Krieg um Menschlichkeit.“ Der Maidan-Aufstand 2014 sei der Aufstand einer „Befreiungsbewegung“ gewesen. Der derzeitige „Krieg in der Ukraine ist auch ein Krieg um Demokratie“. In einem Interview (10) sagte sie: „Ich denke, die Frage von Frieden in der Ukraine ist im Moment keine psychologische.“ Es sei eine „politische und militärische Frage. Kein Waffenstillstand der Welt wird jetzt Frieden schaffen, denn Waffenstillstand bedeutet Unterdrückung der Bevölkerung, die in den okkupierten Gebieten lebt: Entführungen, Vergewaltigungen, Massenmord“. Zu diesen Behauptungen von Marina Weisband gibt es natürlich auch andere Meinungen, es müssten zumindest auch konträre Standpunkte zu diesem emotionalen Thema auf einem großen Kongress zugelassen werden. Geschieht dies in keiner Weise, ergibt sich das Szenario einer propagandistisch eingefärbten Veranstaltung. Es besteht die Gefahr der einseitigen Dämonisierung des Gegners; eine Methode, die in den meisten Kriegen von beiden Seiten erfolgreich angewandt wurde, um die Bevölkerungen zu größten Opfern zu motivieren.
Frau Marina Weisband hat den Artikel „Russland verstehen“ online veröffentlicht (11). Dazu gibt es zahlreiche Leser-Kommentare. Ich möchte hier nur einen von vielen erwähnen, um andere Standpunkte anzudeuten, auch wenn er sehr emotional und anklagend verfasst ist. So schrieb ein „Dennis on 13th August 2022 at 2:41“ folgenden Kommentar zu Marina Weisbands oben erwähntem Artikel:
„Sie sollten sich in Grund und Boden schämen! Putin hat den Krieg acht Jahre medial vorbereitet. Kann man Opfer noch mehr verhöhnen? Nach dem illegalen Putsch 2014 sind tausende Menschen durch die Kiewer Junta wie in Odessa oder Mariupol ermordet wurden. Menschen wurden erschlagen, eingesperrt und verbrannt. Vor allem pro-russische Aktivisten, Linke, Gewerkschafter oder einfach nur russischsprechende Mitbürger. Menschenrechtsverletzungen, die all den Menschen, die heute bei jedem Toten Krokodilstränen weinen, völlig egal waren. Es gibt dazu genügend Bilder und Videos.“
Eine detailreiche Darstellung der Vorgänge in der Ukraine aus historischer Sicht finden sich zum Beispiel in den Publikationen von Dr. Daniele Ganser (12) oder auch in dem Film von Oliver Stone zum Maidan-Umsturz im Jahr 2014 (13). Das neueste Buch des amerikanischen Historikers Benjamin Abelow (14) kann ebenfalls empfohlen werden. Bis zum Jahr 2018 gab es auch im öffentlichen Fernsehen in Deutschland noch vielseitigere Berichte zur Ukraine, der faschistischen Bandera-Tradition und zu korrupten Oligarchen.
So lässt sich zusammenfassend sagen, dass ein kritischer Diskurs der aktuellen Themen bei der Lindauer Tagung des IGT nicht möglich war. Auch hier zeigt sich, dass eine tiefgehende Spaltung durch alle Bereiche der Gesellschaft geht. Von oben dirigierte, propagandistisch aufbereitete Informationen der Mainstream-Presse, gekoppelt an repressiven Druck, verdrängen oppositionelle Meinungen in Internetportale, die einer breiteren Öffentlichkeit nicht zugänglich sind.
Quellen und Anmerkungen:
(1) Lindauer Zeitung, Montag, 31. Oktober 2022, Seite 13: „Wie Angst und Trauer die Welt retten könnten“
(2) Tagesspiegel online, 02.11.2022
(3) Demokratischer Widerstand, 26.11.2022, Seite 2, Laudatio von Dr. Walter Weber
(4) Jimmy Leipold (Regie):“ Edward Bernays und die Wissenschaft der Meinungsmache“, Dokumentation Frankreich 2017/Arte
(5) Almuth Bruder-Bezzel: „Psychologen als Erfüllungsgehilfen“, Rubikon: https://www.rubikon.news/artikel/psychologen-als-erfuellungsgehilfen
(6) Dr. Christian Fiala:“ Maske: Schutz oder Selbstgefährdung? Zusammenstellung wissenschaftlicher Daten“, Wien 21.09.2022, www.initiative-corona.info/fileadmin/dokumente/maske-daten.pdf
(7) Zitiert von Florian Schwinn in seinem Artikel:“ Maskenpflicht: Gift im Gesicht“, 11. Februar 2021, https://www.buchkomplizen.de/blog/autoren/fuehrerschein-fuer-einkaufswagen/makenpflicht-gift-im-gesicht/
(8) Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Gefangenenlager_der_Guantanamo_Bay_Naval_Base#/media/Datei:Camp_Delta,_Guantanamo_Bay,_Cuba.jpg
(9) Vortrag von Marina Weisband am 1. November 2022 als Online-Übertragung auf großen Bildschirmen in den Saal der Inselhalle in Lindau. Aufgrund ihrer komplexen Beschwerden und Behinderungen habe sie nicht nach Lindau kommen können.
(10) In einem Gespräch mit Benedikt Waldherr (Vorsitzender des bvvp-Bundesverbandes), PPP (Psychotherapie in Politik und Praxis), Magazin des Bundesverbands der Vertragspsychotherapeuten e.V., 04/2022
(11) Posted by Marina Weisband | Mrz 7, 2022)
(12) Daniele Ganser:“ Imperium USA. Die skrupellose Weltmacht“, Orell Füssli Verlag, 2020, Seite 321, „Der Putsch der USA in der Ukraine“
(13) Oliver Stone (Regie):“ Ukraine on Fire. Russische Aggression oder amerikanische Einmischung? Du entscheidest“
(14) Benjamin Abelow:“ Wie der Westen den Krieg in die Ukraine brachte. Die Rolle der USA und der Nato im Ukraine-Konflikt“, Siland Press, Great Barrington, Massachusetts, USA, 2022. Vorabdruck in „Die Weltwoche, Nummer 43, 27. Oktober 2022, 90. Jahrgang.