Die neue Friedensordnung
Sobald es Deutschland gelingt, sich von den kriegstreiberischen Fremdeinflüssen aus Übersee zu emanzipieren, kann es auf einen Frieden mit Russland und ganz Europa hinarbeiten.
Der Westen zeigt mit ausgestrecktem Finger auf Russland. Dabei übersieht er die restlichen drei Finger der Hand, die auf ihn selber zeigen. Bekanntlich solle derjenige, der ohne Sünde sei, den ersten Stein werfen. Demnach müsste der Wertewesten — allen voran Deutschland — augenblicklich die Steine niederlegen. Abgesehen davon, dass die Steine Russland gar nicht treffen, sondern eher auf den Werfer zurückprallen, kann es sich der Westen nicht erlauben, mit derartiger Überheblichkeit Russland zu verurteilen. Zu massiv sind die eigenen Verfehlungen in Sachen der Rechtsstaatlichkeit, Pressefreiheit und Wahrung der Menschenrechte. In Moskau werden die europäischen Staaten indes als wenig souverän, als unter der Knute Washington stehend betrachtet. Besonders negativ sticht hierbei Deutschland und dessen Status der Souveränität hervor. Der Zwei-plus-Vier-Vertrag — der dem wiedervereinigten Deutschland seine Souveränität zubilligen sollte — ist an einigen Stellen mit Fragezeichen zu versehen. Sich diesen ungeklärten Punkten zu widmen, könnte die Grundlage für eine neue Friedensordnung in Europa darstellen.
Das schönste Andenken, das wir seinerzeit von unserer Russlandreise mitbringen konnten, war eine handbemalte Matrjoschka. Die Matrjoschka-Puppen stehen sinnbildlich für die Werte Familie, Mütterlichkeit, Tradition und Zusammenhalt. Die ineinander gesetzten Puppen stehen ganz gegenständlich für Frauen, die Kinder auf die Welt bringen und für die nächste Generation sorgen. Dabei sind die Ahnen und ihre Vorgängerinnen elementarer Bestandteil ihres Seins. Damit stehen die Matrjoschka-Puppen auch für Geborgensein, Sicherheit und Beständigkeit. Dafür, dass es immer weiter geht und man nicht allein ist.
Unsere politisch Verantwortlichen führen indes einen (Wirtschafts)krieg gegen Russland, mit dem im Ergebnis nur dem eigenen Land geschadet wird. Begleitet von Medien, die auch bei dem Ukraine-Krieg ihr Unvermögen zur objektiven Berichterstattung zur Schau stellen und sich eher als Propagandasprachrohr als als neutraler Berichterstatter präsentieren. Es scheint sich hier bedauerlicherweise nicht wirklich etwas zum Positiven verändert zu haben — unsere Medien dienen insbesondere weiterhin der Kriegstreiberei. Inwieweit sind auch Zugehörigkeiten zu sogenannten transatlantischen Bündnissen, in denen sich eine Vielzahl von Journalisten befinden, überhaupt mit der freiheitlichen, demokratischen Grundordnung vereinbar? Ebenda sogenannte „Young leaders Programme von Atlantik-Brücke und Weltwirtschaftsforum“?
Die These — dass sich zumindest ein Teil der Medienlandschaft und der politisch Verantwortlichen — nicht der freiheitlichen, demokratischen Grundordnung verpflichtet sehen, lässt sich gut an der Medienberichterstattung zur veröffentlichten Rede Putins unter anderem am 30. September 2022 verdeutlichen. Es finden sich erfreulicherweise auch auszugsweise Übersetzungen. Je nach „Haltung“, politischer Motivation und Ideologie werden dem Leser weit überwiegend jedoch nur entsprechend persönlich eingefärbte Pamphlete präsentiert. Ein an der Objektivität interessierter Leser ist mithin gehalten, die Rede selbst übersetzen zu lassen. Auch, weil das Vertrauen in die Medien spätestens nach Corona nachhaltig erschüttert ist.
Putins Blickwinkel und westliche Propaganda
Denn für die sogenannten Mainstream-Medien und ihre entsprechenden Plapperblasen ist klar, dass Russland einen Angriffskrieg führt. Putin beruft sich hingegen auf die UN-Charta und sieht seinen Einmarsch in die Ukraine als gerechtfertigt an. Klar sein dürfte, dass die Sach- und Rechtslage derzeit kaum zutreffend beurteilt werden kann, denn die Aufarbeitung des Sachverhalts ist hierfür notwendige Bedingung. In diesem Kontext wäre eine objektive Berichterstattung Kernaufgabe der Medien und sicher nicht juristische völkerrechtliche Bewertungen. Mainstream-Medien berichteten vor einigen Jahren selbst von ukrainischen Nazis, die die Ost-Ukraine säubern, vom Aufmarsch der Rechtsextremisten. Verharmlosen also westliche Medien tatsächlich die rechtsextremen Kräfte in der Ukraine, die Putin nach eigenen Aussagen bekämpft?
Die Lage ist mithin einigermaßen komplex — umso wichtiger erscheint es, die aufrichtige und objektive Aufarbeitung der Sach- und Rechtslage abzuwarten.
Aus Putins Perspektive ist der Einmarsch in die Ukraine kein Bruch des Völkerrechts (1). Aber auch hier muss gleichsam gefordert werden, dass (Waffen)gewalt wohl nicht unserer Vorstellung von Friedensstiftung entspricht. Schenkt man erfahrenen Journalisten Glauben, war Putin in seiner ersten Amtszeit sogar eine Chance für Europa, Arroganz und Ignoranz des Westens Grund für ein Scheitern friedvoller Beziehungen.
Unsere derzeitig politisch Verantwortlichen haben sich jedenfalls zur konstruktiven Politik mit dem Ziel der Interessen- und Friedenssicherung in den vergangenen Monaten innerhalb ihrer erst kurzen Amtszeit als gänzlich ungeeignet erwiesen.
Umso dringlicher kann der Appell des Souveräns daher nur formuliert werden, die derzeitig politisch Verantwortlichen in keinster Weise mehr zu legitimieren und ihnen das Vertrauen zu entziehen. Soweit dies nicht schon längst geschehen ist. Denn der Wille des Souveräns sollte klar sein: Kein Deutscher, Europäer, noch Russe fordert Krieg oder beabsichtigt, dem jeweils anderen Schaden zufügen zu wollen.
In dem Moment, in dem nur ein einziger unschuldiger Mensch durch eine gelieferte Waffe stirbt, ist ein „Sieg“ oder eine „Niederlage“ — insbesondere unter Zugrundelegung des Werteverständnisses unseres Grundgesetzes — ausgeschlossen: Jedes Leben ist als solches gleich wertvoll und somit schützenswert. Die „Verteidigung westlicher Werte“ mit Waffengewalt ist in seinem Aussagewert nicht nur dümmlich, sogar gemeingefährlich. Es stellt sich auch die Frage, wie viel von „unseren westlichen Werten“ überhaupt noch vorhanden ist, hat doch die Coronakrise gerade in menschlicher Hinsicht eine Bankrotterklärung offenbart.
Vor der eigenen Haustür kehren
„Kehre jeder vor seiner Tür“, lautet ein deutsches Sprichwort. Aber auch in den benannten Reden Putins erlaubt sich dieser, unsere angeblichen Probleme zu reflektieren. Ungeachtet dessen zeichnet sich ein demokratischer Geist gerade dadurch aus, dass er in der Lage ist, das Argument vom Sprecher trennen zu können (2). So wirft Putin dem Westen — mithin auch Deutschland — vor:
„Die westlichen Länder behaupten seit Jahrhunderten, dass sie anderen Nationen Freiheit und Demokratie bringen. Nichts könnte weiter von der Wahrheit entfernt sein. Anstatt Demokratie zu bringen, haben sie unterdrückt und ausgebeutet, und anstatt Freiheit zu bringen, haben sie versklavt und unterdrückt. Die unipolare Welt ist von Natur aus antidemokratisch und unfrei; sie ist durch und durch falsch und heuchlerisch. (…) Es sind ihre zerstörerische Politik, ihre Kriege und ihre Ausplünderung, die die heutige massive Migrantenwelle ausgelöst haben. Millionen von Menschen erleiden Entbehrungen und Demütigungen oder sterben zu Tausenden bei dem Versuch, Europa zu erreichen.
Washington fordert immer mehr Sanktionen gegen Russland, und die Mehrheit der europäischen Politiker macht gehorsam mit. Ihnen ist klar, dass die USA, indem sie die EU drängen, auf russische Energie und andere Ressourcen vollständig zu verzichten, Europa praktisch in die Deindustrialisierung treiben, um sich den gesamten europäischen Markt anzueignen. Diese europäischen Eliten verstehen das alles — das tun sie, aber sie ziehen es vor, den Interessen der anderen zu dienen. Das ist keine Unterwürfigkeit mehr, sondern direkter Verrat an ihren eigenen Völkern(...).
Europa und der Westen gedeihen auf einer Kultur der Pädophilie und des Satanismus.”, so Putin.
Wie viel Wahrheitsgehalt in Gänze und im Detail an diesen und weiteren Aussagen steckt, sollte aufrichtigen investigativen Journalisten überlassen werden. Ungeachtet dessen findet der Wahrheit suchende Leser tatsächlich bei der Recherche erhebliche unverständliche Missstände, etwa:
Aus welchem Grund ermitteln offenkundig die Strafverfolgungsbehörden nicht, wenn vermeintliche Opfer von Kindesmisshandlungen, öffentlich über diese Verbrechen — etwa Kinderjagden — glaubhaft berichten?
Der Jurist Dr. Marcel Polte arbeitet seit Jahren rituelle, sogenannte satanistische Gewalt an Kindern — auch in Deutschland — auf. Aus welchem Grund informieren Mainstream-Medien hier nicht die breite Masse und gehen diesen Hinweisen nach?
Dass Deutschland und die darin lebenden Bürger durch Privatisierung ausgebeutet werden, lässt sich nachweisen. Ebenso, dass auch in Deutschland täglich Menschenrechtsverbrechen begangen werden. Bedauerlicherweise insbesondere, wenn sich Menschen in der Gewalt des Staates befinden. Auch hier fehlt es an medialer Aufklärung, besonders dringlich hinsichtlich des Coronageschehens, richtigerweise wohl Verbrechens.
Die deutsche Regierung praktiziert — das muss leider so deutlich formuliert werden — Formen von Staatsterrorismus gegen die eigene Bevölkerung, etwa Strategien, um Menschen in Ängste zu treiben und steuern zu können, und schreckt auch vor Kindern nicht zurück.
Sie hat in der Vergangenheit Terrorakte inszeniert, um so die Bevölkerung wissentlich und willentlich hinters Licht zu führen, nicht oder nicht in dieser Intensität bestehende Gefahren oder Täterschaften vorzutäuschen und Menschen gegeneinander aufzubringen. Passiert dies auch heute noch? In welchem Umfang wird der Verfassungsschutz zur Durchsetzung politischer Interessen missbraucht und eingesetzt? (3)
Völkerrecht und Souveränitätshindernisse
Zu dem weiteren Vorwurf der Einflussnahme der USA und fehlenden Souveränität Deutschlands lässt sich wohl indes feststellen, dass die Frage, ob das in der Charta der Vereinten Nationen und anderen internationalen Verträgen garantierte Selbstbestimmungsrecht der Völker auch einen Rechtsanspruch auf Autonomie gewährt oder bloß Leitlinie ist, streitig ist. Jedenfalls dürfte festzustellen sein, dass der Wandel des „klassischen zum modernen Völkerrechts“ die Souveränität von Staaten nicht mehr absolut auslegt, sondern als absolute „Gleichheit der Staaten“. Das bedeutet, dass die Staaten in ihren internen und externen Entscheidungen nur dem Völkerrecht untergeordnet sind (4).
Mit dem am 12. September 1990 unterzeichneten „Zwei-Plus-Vier-Vertrag“ habe die Bundesrepublik Deutschland 1990 die volle Souveränität erlangt. So jedenfalls wohl die herrschende Meinung in Wissenschaft und Politik. In Artikel 7 Absatz 2 heißt es im Vertrag hierzu:
„Das vereinte Deutschland hat demgemäß volle Souveränität über seine inneren und äußeren Angelegenheiten.“
Am 27. und 28. September 1990 wurde jedoch zusätzlich eine Vereinbarung mit den drei Mächten sowie der „Vertrag zur Regelung aus Krieg und Besatzung entstandenen Fragen“ geschlossen. Hiermit wurden zum einen der Deutschlandvertrag (5) vollständig, der Überleitungsvertrag zum größten Teil außer Kraft gesetzt. Ausnahme blieb der Artikel 1 Absatz 1 des Überleitungsvertrages, mit dem die Organe der Bundesrepublik und der Länder das Recht erhielten, von den Besatzungsbehörden erlassene Rechtsvorschriften aufzuheben und zu ändern. Hiervon machte die Bundesrepublik Gebrauch (6), es dauerte aber weitere 17 Jahre, bis die BRD das „Zweite Gesetz über die Bereinigung vom Bundesrecht im Zuständigkeitsbereich des Bundesministeriums der Justiz“ erließ, um das Besatzungsrecht vollständig aufzuheben.
Von Bedeutung ist allerdings, dass Art 4, § 2 mit Verweis auf den Artikel 2 I 1 des Überleitungsvertrages zu den Folgen des Besatzungsrechts festlegt:
„Alle Rechte und Verpflichtungen, die durch gesetzgeberische, gerichtliche oder Verwaltungsmaßnahmen der Besatzungsbehörden oder auf Grund solcher Maßnahmen begründet oder festgestellt worden sind, und bleiben in jeder Hinsicht nach deutschem Recht in Kraft, ohne Rücksicht darauf, ob sie in Übereinstimmung mit anderen Rechtsvorschriften begründet oder festgestellt worden sind…“
Der Regelungsinhalt des Überleitungsvertrages und des „Bereinigungsgesetzes“ zu der Aufhebungsbefugnis dürfte gleich sein — mit Ausnahme des Zusatzes „sind und bleiben in jeder Hinsicht nach deutschem Recht in Kraft“.
Im Ergebnis könnte man diese Erklärungen daher dahingehend auslegen, dass seit dem 30. November 2007 gesetzmäßig das Besatzungsrecht aufgehoben wurde, durch die oben genannte Rechtsumsetzung jedoch etwaige Rechtsfolgen des Besatzungsrechts anerkannt und zu eigenem Recht gemacht worden sind. Auch, wenn Gerichte und die herrschende Meinung diesen sich in Artikel 139 Grundgesetz widerspiegelnden Gedanken für gegenstandslos erachten, bestehen an der tatsächlichen Souveränität Deutschlands auch weitere Zweifel.
So geht die herrschende Meinung zwar davon aus, dass es wegen des „Zwei-plus-Vier-Vertrages“ keines Friedensvertrages mehr bedarf oder dieser sogar ein solcher darstellt. Jedoch sieht der Vertrag in der Präambel und Artikel 2 nur eine einseitige Verpflichtung zum Frieden vor. Ein rechtwirksamer Vertrag setzt jedoch voraus, dass sich sämtliche Vertragsstaaten, zwischen denen sich der angestrebte Frieden entfalten soll, verpflichten.
Zu den Krieg führenden Staaten im Zweiten Weltkrieg zählten eine Vielzahl von Ländern, die mit Deutschland in kriegerische Handlungen verwickelt waren. Den vier Siegermächten waren lediglich Vorbehaltsrechte übertragen worden. Hinzu kommt, dass nach Artikel 3 der „Vertrag über den Aufenthalt ausländischer Streitkräfte in der Bundesrepublik Deutschland von 1954 “ mit Abschluss einer friedensvertraglichen Regelung außer Kraft treten sollte. In Artikel 8 i.V.m. der Anlage des Einigungsvertrages ist der Aufenthaltsvertrag in den alten Bundesländern aber ausdrücklich als weiterhin wirksam benannt worden und wurde auch mit dem „Zwei-Punkt-Vier-Vertrag“ ausdrücklich nicht aufgehoben.
Ebenso besteht die „Feindstaatenklausel“ weiter, die berechtigt, Zwangsmaßnahmen gegen Deutschland durch die Unterzeichnerstaaten, ohne Ermächtigung des UN-Sicherheitsrates, auch militärischer Art, durchzuführen. Zwar wurde sie für „obsolet“ erklärt, sorgt aber dennoch durch ihre Existenz für eine Rechtsunsicherheit.
Möchte man dem Gesetz der Resonanz Glauben schenken, ergibt sich mithin die drängende Frage:
Wie souverän ist Deutschland als Staat, wenn es innerlich aufgrund der unter anderem vorstehend aufgezeigten Aspekte so unfrei und erodiert ist? Wie soll sich Gleichheit aller Staaten bei einer gleichzeitigen inneren Zerrissenheit überhaupt entfalten können, fordert es nicht vielmehr zunächst die Herstellung tatsächlicher staatlicher Autonomie und menschlicher Freiheit?
Unsere (zukünftige) Verfassung als historische Chance
„Dieses Grundgesetz, das nach Vollendung der Einheit und Freiheit Deutschlands für das gesamte deutsche Volk gilt, verliert seine Gültigkeit an dem Tage, an dem eine Verfassung in Kraft tritt, die von dem deutschen Volke in freier Entscheidung beschlossen worden ist“, heißt es in Artikel 146 des Grundgesetzes. Die herrschende Meinung hält diesen Artikel aufgrund der Wiedervereinigung von West- und Ostdeutschland ebenso für „obsolet“. Aber auch hier lassen sich gute Gegenargumente finden:
Erstens fordern die 4-Stufen zum Inkrafttreten des Grundgesetzes ein ordnungsgemäßes Verfahren durch den parlamentarischen Rat. Wovon aufgrund des seinerzeitigen Fehlens von Abgeordneten aus der Sowjetischen Zone und unter Besatzungsrecht nicht auszugehen ist und auch vom Parlamentarischen Rat seinerzeit selbst als „Provisorium“ bezeichnet wurde (7). Eine spätere Legitimation durch die Bundestagswahl am 14. August 1949 kann denklogisch nicht erfolgt sein, wenn das Grundgesetz als Verfassung selbst nie in freier Selbstbestimmung konstituiert wurde.
Zweitens lässt sich mit Hilfe des Artikel 23 Grundgesetz a.F., Artikel 146 des Grundgesetzes, des „Zwei-plus-Vier-Vertrages“ und des „Einigungsvertrages“ die folgende Intention der Beteiligten ermitteln: Das Grundgesetz als Provisorium sollte zunächst für die sogenannten „alten“ Bundesländer und nach Wiedervereinigung auch für die „neuen“ Bundesländer gelten. Nach Vollendung der Einheit und Freiheit sollte das Grundgesetz für das gesamte deutsche Volk gelten und dann seine Gültigkeit an dem Tage verlieren, an dem eine Verfassung in Kraft tritt, die von dem Deutschen Volke in freier Entscheidung beschlossen worden ist.
Artikel 23 des Grundgesetz a.F. dürfte daher nicht als Alternative zur gesetzgebenden Versammlung nach Artikel 146 Grundgesetz zu sehen sein, sondern vielmehr die Beschreibung und Regelung eines zeitlichen Moments. Hierfür spricht auch Artikel 5 des Einigungsvertrages, der für den Zeitraum von zwei Jahren nach Wiedervereinigung vorsieht, dass die Regierung sich „…mit der Frage des Artikel 146 des Grundgesetzes und in deren Rahmen einer Volksabstimmung…“ auseinandersetzt. Auch in Artikel 1 Absatz 4 des „Zwei-plus-Vier-Vertrages“ kommt der Wille zu einer vom Volk bestimmten Verfassung zum Ausdruck:
„… Die Regierungen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR werden sicherstellen, dass die Verfassung des vereinten Deutschlands keinerlei Bestimmungen enthalten, die mit diesen Prinzipien unvereinbar sind. Dies gilt dementsprechend für die Bestimmungen, die in der Präambel und in den Artikeln 23 Satz 2 und 146 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland niedergelegt sind.“
Doch die interessantesten, zukunftsgerichteten Fragestellungen zuletzt:
Würde ein Friedenvertrag den „Zwei-plus-Vier-Vertrag“ ersetzen, mit der Folge, dass Deutschland über sich hinauswachsen und der Frieden durch eine Einbindung und auf Grundlage der freien Entscheidung der auf dem Staatsgebiet lebenden Bürger — als Souverän — ermöglicht werden würde?
Wäre eine „Vollendung der Einheit und Freiheit“ — die Artikel 146 Grundgesetz ausdrücklich fordert — im ursprünglichem (territorialem) Rahmen unter Geltung einer neuen, auf dem absolut geschützten Kernbereich des Grundgesetz basierenden Verfassung zukünftig möglich? (8)
In den Protokollen, die seinerzeit während der Verhandlung zum „Zwei-Plus-Vier-Vertrag“ angefertigt wurden, geht aus dem Aufzeichnungen des Französischen Beisitzers hervor, dass die folgende Passage nachträglich eingefügt wurde:
„Die Bestätigung des endgültigen Charakters der Grenzen Deutschlands ist ein wesentlicher Beitrag zur Friedensordnung in Europa. (9)“
Genau diese Friedensordnung könnte Deutschland nun — etwa durch einen Friedenvertrag und Entwicklung einer Verfassung i.S.d. Artikel 146 Grundgesetz „in Angriff nehmen“ — eine wohl historische Chance.
Denn die Feststellungen in der Präambel des „Zwei-Plus-Vier-Vertrages“, 4 Absatz 2, „In Würdigung dessen, daß das deutsche Volk in freier Ausübung des Selbstbestimmungsrechts seinen Willen bekundet hat, die staatliche Einheit Deutschlands herzustellen, um als gleichberechtigtes und souveränes Glied in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen“, dürfte — bei aller darin sicher zu unterstellenden guten Absicht — übergriffig gewesen sein, denn die Bevölkerung wurde zu keinem Zeitpunkt tatsächlich zu ihrem freien Willen befragt, etwa durch eine Volksabstimmung. Bietet dieser Denkansatz daher nicht vielmehr eine historische Chance für Freiheit, Gleichheit und Geschwisterlichkeit: Eine — unter Berücksichtigung der kulturellen und staatlichen Besonderheiten und Souveränitäten — zukünftige Verfassung Europas und hiermit die Möglichkeit für den Aufbau und die Weiterentwicklung einer wahrhaften Demokratie in Europa?
Zusammen wachsen
Nichtsdestoweniger sollten die Menschen mittlerweile einen Bewusstseinszustand erreicht haben, dass es — auch im Hinblick auf den Krieg in der Ukraine — niemals um die Erzeugung von personalisierten Feindbildern und damit einhergehenden Geiselhaft eines ganzen Volkes gehen kann. Ich jedenfalls habe Russland als wunderschönes Land, mit einer gewachsenen Tradition, beeindruckender Architektur, einem starken Werteverständnis und viel Herzlichkeit kennenlernen dürfen. Das Bild des „blutrünstigen Diktators“ hat mir keiner der von mir befragten Russen bestätigen können. Und darum kann es auch nicht gehen. Sondern um Frieden, der in uns beginnen und sich verbinden muss. Senden wir also ein friedvolles Lächeln in Richtung des Fensters zum Westen: Uns verbindet mehr, als uns trennt.
Quellen und Anmerkungen:
(1) https://www.rubikon.news/artikel/bei-genauerem-hinsehen
(2) das Zitat nimmt Ulrike Guérot für sich in Anspruch, Empfehlung auch https://nachhall.net/
(3) siehe auch: https://jungefreiheit.de/politik/deutschland/2022/verfassungsschutz-fakes/
(4) Kempen/Hillgruber, „Völkerrecht“, Seite 166
(5) Vertrag über die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den drei Mächten vom 23. Oktober1954, umgesetzt durch das Gesetz betreffend das Protokoll vom 23. Oktober 194 über die Beendigung des Besatzungsregimes in der Bundesrepublik Deutschland vom 24. April1955
(6) Das Erste Gesetz zur Aufhebung des Besatzungsrechts von 1956, es folgten das Zweite 1956, Dritte 1958, Vierte 1960. Viele Regelungen des Besatzungsrechts blieben zunächst erhalten.
(7) Maunz/Dürig, Grundgesetz, lose Blattsammlung, Art. 144, Rn.6 + 19
(8) Urteil des BVerfG vom 31. Juli 1973, Az. 2 BvF 1/73, unter III f.:
„Das Grundgesetz — nicht nur eine These der Völkerrechtslehre und der Staatsrechtslehre! — geht davon aus, daß das Deutsche Reich den Zusammenbruch 1945 überdauert hat und weder mit der Kapitulation noch durch Ausübung fremder Staatsgewalt in Deutschland durch die alliierten Okkupationsmächte noch später untergegangen ist; das ergibt sich aus der Präambel, aus Art.16, Art. 23, Art. 116 und Art. 146 GG. Das entspricht auch der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, an der der Senat festhält. Das Deutsche Reich existiert fort (BVerfGE 2, 266 (277); 3, 288 (319 f.); 5, 85 (126); 6, 309 (336, 363)), besitzt nach wie vor Rechtsfähigkeit, ist allerdings als Gesamtstaat mangels Organisation, insbesondere mangels institutionalisierter Organe selbst nicht handlungsfähig. Im Grundgesetz ist auch die Auffassung vom gesamtdeutschen Staatsvolk und von der gesamtdeutschen Staatsgewalt „verankert“ (BVerfGE 2, 266 (277)). Verantwortung für „Deutschland als Ganzes“ tragen - auch - die vier Mächte (BVerfGE 1, 351 (362 f., 367)). Mit der Errichtung der Bundesrepublik Deutschland wurde nicht ein neuer westdeutscher Staat gegründet, sondern ein Teil Deutschlands neu organisiert.“ (vgl. Carlo Schmid in der 6. Sitzung des Parlamentarischen Rates - StenBer. S. 70). Die Bundesrepublik Deutschland ist also nicht „Rechtsnachfolger“ des Deutschen Reiches, sondern als Staat identisch mit dem Staat „Deutsches Reich“, - in Bezug auf seine räumliche Ausdehnung allerdings „teilidentisch“, so daß insoweit die Identität keine Ausschließlichkeit beansprucht(...).“
vgl. auch Carlo Schmid in der 6. Sitzung des Parlamentarischen Rates - StenBer. S. 70:
„Mit der Errichtung der Bundesrepublik Deutschland wurde nicht ein neuer westdeutscher Staat gegründet, sondern ein Teil Deutschlands neu organisiert.
Dieser Argumentation folgend müsste auch die Feststellung in der Präambel des Grundgesetzes zur Definition „gesamte deutsche Volk“ kritisch überprüft und entsprechend gegebenenfalls korrigierend in Bezug auf die Intension des Artikel 146 Grundgesetz ausgelegt werden.
(9) Es wurde sich konkret wohl auf die folgende Formulierung verständigt: Nr. 354A
Anlage 1 Pariser Text zu den Grenzfragen:
1. Das vereinte Deutschland wird die Gebiete der Bundesrepublik Deutschland, der Deutschen Demokratischen Republik und ganz Berlins umfassen. Seine Außengrenzen werden definitiv die Grenzen der Deutschen Demokratischen Republik und der Bundesrepublik Deutschland am Tage des Inkrafttretens der endgültigen Regelung sein.
Die Bestätigung des endgültigen Charakters der Grenzen Deutschlands ist ein wesentlicher Beitrag zur Friedensordnung in Europa.“
Nach der genetischen Auslegung — sprich Auslegung mit Hilfe der Entstehungsgeschichte des Gesetzes ist davon auszugehen, dass offenkundig vorherrschender Wille der Besatzungsmächte war, dass Deutschland auf das Bundesgebiete BRD, DDR und Berlin begrenzt bleibt. Die nachträgliche Einfügung des letzten Satzes lässt jedoch auch die Schlussfolgerung zu, dass das andere Beteiligte — etwa Vertreter Frankreichs — anders beurteilt haben. Denn nach der herrschenden Auslegung völkerrechtlicher Verträge haben nach demokratischem Verständnis die auf dem Gebiete lebenden Bürger als Souverän hierüber zu entscheiden.