Die Mobmoral
Noch immer versucht die Mehrheitsgesellschaft, Abweichler aus der Gesellschaft zu entfernen anstatt deren Impulse als Bereicherung zu empfinden.
Wir bekämpfen in anderen, was wir an uns selbst nicht zu akzeptieren vermögen. Gesellschaften neigen dazu, einen starken Konformitätsdruck aufzubauen ― ausgehend meist von den Normvorgaben, die von wenigen Herrschenden ersonnen wurden. Dies hat jedoch für die Gruppendynamik teilweise verheerende Folgen: Wenn es zu gefährlich scheint, sich mit Machthabern anzulegen, wird die Wut, die entsteht, wenn sich zuvor frei Menschen als Unterworfene erleben, auf Ersatzobjekte umgelenkt: „Sündenböcke“. Auch wirft der Versuch der Mehrheitsgesellschaft, sich selbst als lichtvoll, sauber und brav zu inszenieren, einen mächtigen Schatten. Diesen müssen dann Personen tragen, die zu Außenseitern erkoren und mit der moralischen Last der „Guten“ beladen wurden. Diese Erkenntnisse sind an sich nicht neu; trotzdem scheint unsere Zeit mit der Corona-Dynamik all das noch einmal von vorne durchleben zu müssen ― mit katastrophalen Folgen für den sozialen Frieden. Der Autor, Universalgelehrter und Philosoph, erkundet die urmenschlich-destruktiven Regungen der Digitalisierungs-Generation.
von Charles Eisenstein
„Propaganda muss die Verschiebung von Aggressionen erleichtern, indem sie Ziele des Hasses benennt“ ― Joseph Goebbels.
Wir würden gerne glauben, dass moderne Gesellschaften wie die unsere barbarische Sitten wie Menschenopfer überwunden haben. Sicher, wir finden noch immer Sündenböcke und opfern Menschen im übertragenen Sinne auf dem Altar der öffentlichen Meinung, aber wir töten nicht wirklich Menschen in der Hoffnung, damit die Götter zu beschwichtigen und die Ordnung wieder herzustellen. Oder doch?
Einige Gelehrte denken, dass wir es tun. Anknüpfend an das späte Denken des Philosophen Rene Girard konstatieren sie, dass es das Menschenopfer in der Form der Todesstrafe noch immer bei uns gibt (und Inhaftierung ― ein Entfernen aus der Gesellschaft). Girard glaubte, dass Menschenopfer als Reaktion auf eine „Krise des Opferkults“ entstanden. Die ursprüngliche Krise des Opferkults ― die größte Bedrohung für frühere Gesellschaften ― ließ Gewalt- und Vergeltungsspiralen eskalieren. Die Lösung bestand darin, die Rache, die einer am anderen übt, in gewaltsamer Einmütigkeit auf einen Sündenbock oder eine Klasse von Sündenböcken umzulenken. Einmal etabliert, ging dieses Muster ins Gedächtnis der Mythen und Rituale ein, angewandt vorbeugend als Menschenopfer und ausgeführt als Antwort auf jede andere Krise, die die Gesellschaft bedrohte.
Aus dieser Sichtweise hat die Todesstrafe ihren Ursprung im Menschenopfer und ist ein Menschenopfer. Sie erfüllt die selbe Funktion: gegenseitige Gewalt durch einmütige Gewalt zu verhüten. Dazu monopolisiert sie die Gewalt und unterbricht die Spirale vergeltender Gewalt bereits im ersten Durchlauf. Das funktioniert, unabhängig davon, ob der Hinzurichtende oder zu Inhaftierende eines Verbrechens schuldig ist oder nicht. Gerechtigkeit ist ein Deckmantel für etwas Grundlegenderes.
Der Theologe Brian K. Smith schreibt:
„Der Betroffene einer modernen Hinrichtung kann auch der Träger vielfältiger Bedeutungen sein. Neben anderem ― das heißt, metonymischen Potenzialen rassischer und ökonomischer Art ―, kann eine solche Figur als Repräsentant sämtlicher Verbrechen, der ‚Unordnung‘ und des sozialen ‚Chaos‘, der ‚Zersetzung der Werte‘ und so weiter dienen. Abgesehen von einem utilitaristischen Abschreckungseffekt, den die Todesstrafe haben könnte, ist sie eine eher drastische Antwort auf ein soziales Problem ― gesetzwidrige und unerlaubte Gewalt.“
Mit anderen Worten, was wir in der Redeweise von Gerechtigkeit und Abschreckung rationalisieren, ist in Wahrheit ein Blutritual, bei dem ein Mensch, ob schuldig oder nicht, zum Symbol wird.
Das Ritual taucht im Umfeld von Exekutionen unweigerlich auf: das letzte Mahl, der „wandelnde Tote“ auf dem Weg zur speziellen Exekutionskammer, die Zeugen, die medizinischen Prozeduren, der vorsitzende Arzt, die unterschriebenen Formulare, die Sterbesakramente, die Bedeckung des Kopfes, der exakte Zeitplan, die letzten Worte und die Sorgfalt im Detail, all das weist die Exekution als etwas Gesondertes, Besonderes aus … als heilig.
Etwas muss getan werden
In einem klar argumentierenden Aufsatz stellt die Rechtsgelehrte Roberta Harding einige Beispiele aus dem tiefen Süden während der Jim-Crow-Ära (einer Phase gesetzlicher Rassendiskriminierung, Anmerkung des Übersetzers) vor, als Richter, Geschworene und Staatsanwalt genau wussten, dass der angeklagte schwarze Mann, schuldlos dem Vorwurf ausgesetzt war, eine weiße Frau vergewaltigt zu haben. Da jedoch die soziale Ordnung weißer Überlegenheit durch Geschlechtsverkehr zwischen den Rassen in beiderseitigem Einvernehmen bedroht gewesen wäre, exekutierten sie den Angeklagten dennoch; taten sie es nicht umgehend, so wurde er gelyncht. Zum Teil geschah dies, um ein Exempel zu statuieren und die schwarze Bevölkerung zu ängstigen, zum Teil aber auch, weil etwas getan werden musste.
Ebenso wenig spielte es eine Rolle, dass afghanische Dorfbewohner oder irakische Politiker keine Schuld an 9/11 trugen, noch spielte es eine Rolle, dass es keinen praktischen Effekt auf zukünftigen Terrorismus haben würde, sie zu bombardieren ― außer ihn weiter anzuheizen. Offensichtlich benutzten die Vereinigten Staaten 9/11 als Vorwand, um höhere politische Ziele zu erreichen. Doch er eignete sich nur aufgrund einer breiten öffentlichen Zustimmung als Vorwand, dass „etwas getan werden muss“. Und wir aktivierten das uralte Muster und wussten, was zu tun war: Ein Ziel für die einende Gewalt finden, das diese nicht wirksam würde vergelten können.
Ich war im Jahr 2001 bestürzt, als ausgerechnet bei einer Quäkerversammlung einer der Quäker sagte: „Natürlich ist irgendeine Art von kraftvoller Reaktion notwendig.“ Was, so fragte ich mich, soll „kraftvoll“ heißen? Es heißt, jemanden zu bombardieren. Mit anderen Worten: Wir müssen jemandem finden, dem wir Gewalt antun können. Er mag auch noch angesprochen haben, die imperialistischen Gründe für den Terror angehen zu müssen, aber darauf bezog sich das „natürlich“ nicht. Die Notwendigkeit, Opfer zu finden, war für fast alle Menschen instinktiv eine Selbstverständlichkeit. Wir würden auf jeden Fall jemanden bombardieren ― die Frage war einzig, wen.
Der Anschlag vom 11. September stellt ein Beispiel dafür dar, was Harding einen auslösenden Vorfall nennt, der „Zwietracht, Rivalitäten, Eifersüchteleien und Streitigkeiten innerhalb der Gemeinschaft wachruft“ und so zu einer Krise des Opferkults führt. Ein solcher Vorfall aus jüngster Zeit war der Mord an George Floyd. Die latenten Konflikte, die er offenlegte, schwelten schon so lange, dass eine geringfügige Provokation ausreicht, um eine aktive Krise zum Ausbruch zu bringen.
Die Reaktion auf den Mord an Floyd ist eine klassische Illustration der beruhigenden Wirkung gewaltsamer Einmütigkeit, so wie Derrick Chauvins Verurteilung zeitweise die Rassenunruhen unterdrückte, die der Mord entfacht hatte. Es wurde etwas getan ― allerdings nur, um die Unruhe zu unterdrücken, nicht, um das komplexe, extrem verzweigte Problem polizeilicher Tötungen zu lösen. Die Ursachen von Amerikas Rassenprobleme wurden genauso wenig angegangen, wie die Ermordung Osama Bin Ladens Amerika vor Terrorismus sicherer machte.
Als Menschenopfer kommt nicht irgendein Opfer infrage.
Opfer müssen, wie Harding es ausdrückt „in, aber nicht aus der Gesellschaft“ sein. Aus diesem Grund zog zu Zeiten des schwarzen Todes der Mob umher und ermordete Juden, da sie „die Brunnen vergifteten“.
Die gesamte jüdische Bevölkerung von Basel wurde bei lebendigem Leib verbrannt, eine Szene, die sich in ganz Westeuropa wiederholte. Dies war jedoch nicht in erster Linie Ergebnis eines bereits vorhandenen virulenten Judenhasses, der nur auf einen Vorwand wartete auszubrechen; vielmehr wurden Opfer benötigt, um soziale Spannungen abzubauen, und der Hass, ein Instrument dieses Abbaus, konzentrierte sich opportunistisch auf die Juden. Sie qualifizierten sich als Opfer aufgrund ihres In-aber-nicht-aus-Status.
„Hass zu bekämpfen“ heißt, ein Symptom zu bekämpfen.
Sündenböcke müssen nicht schuldig sein, aber sie müssen zu Randgruppen, den Ausgestoßenen, Ketzern, Tabubrechern oder Ungläubigen gehören. Sind sie zu fremd, eignen sie sich nicht mehr als Transferobjekte für die Aggression der eigenen Gruppe. Sie dürfen aber auch keine vollwertigen Mitglieder der Gesellschaft sein, da sie sonst Rachezyklen in Gang setzen. Wenn sie noch nicht marginalisiert sind, dann müssen sie es werden. Es war aus rituellen Gründen wichtig, dass Derrick Chauvin als Rassist und Chauvinist präsentiert wurde; dann konnte seine Entfernung aus der Gesellschaft symbolisch als die Entfernung des Rassismus selbst dienen.
Nur um der Klarheit willen: Ich sage nicht, dass es ungerecht gewesen war, Derrick Chauvin für den Mord an George Floyd zu verurteilen. Ich sage nur, dass Gerechtigkeit nicht das Einzige war, zu der verholfen wurde.
Vertreter der Verschmutzung
Wer, abgesehen von Kriminellen, dient heute als Repräsentant von Smiths „Unordnung“, „sozialem Chaos“ und „Werteverfall“, die die Welt zu bedrohen scheinen? Den größten Teil meines Lebens haben äußere Feinde und eine Geschichte von Nationen dazu gedient, die Gesellschaft zu einen:der Kommunismus und die Sowjetunion, der islamistische Terrorismus, die Mondmission und der Fortschrittsmythos. Heute ist die Sowjetunion lange untergegangen, der Terrorismus hat aufgehört, Angst zu machen, der Mond ist langweilig und der Fortschrittsmythos befindet sich in der Endphase seines Niedergangs.
Der zivile Zwist brennt immer heißer, ohne den breiten Konsens, der notwendig ist, ihn in einende Gewalt umzuwandeln. Für die Rechten stehen die Antifa, Black-Lives-Matter-Demonstranten, akademische Vertreter der kritischen Rassentheorie und nicht dokumentierte Einwanderer für das soziale Chaos und den Verfall der Werte. Für die Linken sind es die Proud Boys, rechten Milizen, weißen Chauvinisten, QAnon, die Kapitolstürmer und die aufkeimende neue Kategorie der „heimischen Extremisten“.
Und schließlich gibt es da, quer zu jeder Links-Rechts-Kategorisierung, eine neue vielversprechende Sündenbockklasse, die Häretiker unserer Zeit: die Impfgegner. Als gut zu identifizierende Subpopulation sind sie ideale Kandidaten, um als Sündenböcke herzuhalten.
Dabei ist unerheblich, ob einer von ihnen tatsächlich eine Gefahr für die Gesellschaft darstellt. So wie bei den Subjekten der Strafgerichtsbarkeit ist auch ihre Schuld irrelevant für das Projekt, durch ein Blutopfer die Ordnung wiederherzustellen ― oder durch Ausschluss aus der Gesellschaft durch Inhaftierung oder, in milderer, aber möglicherweise prophetischer Form, durch „Canceln“. Notwendig ist einzig, dass die entmenschlichte Klasse die blinde Verachtung und Wut erweckt, die es braucht, um einen Ausbruch von vereinigender Gewalt anzustacheln. Noch relevanter für die heutige Zeit ist, dass diese ursprüngliche Energie des Mobs für faschistische politische Zecke verwendet werden kann. Totalitäre zur Rechten und zur Linken berufen sich unmittelbar darauf, wenn sie von Reinigung, ethnischen Säuberungen, Rassereinheit und Vertretern in unserer Mitte sprechen.
Die Opfersubjekte werden mit Verschmutzung und Ansteckung assoziiert; ihre Beseitigung reinigt folglich die Gesellschaft. Ich kenne Menschen im alternativen Gesundheitsbereich, die als so unrein betrachtet werden, dass ein Post, wenn ich nur ihren Namen bei Twitter oder Facebook nenne, gelöscht werden kann. Eine Löschung ist sicher, wenn ich zu einem Artikel oder einem Interview mit ihnen verlinke. Die bereitwillige Akzeptanz einer solch unverhohlenen Zensur vonseiten der Öffentlichkeit kann nicht allein damit erklärt werden, dass diese an den Vorwand der „Kontrolle von Falschinformationen“ glaubt. Unbewusst erkennt die Öffentlichkeit das uralte Programm, eine Symbolik der Kontamination auf eine Subklasse von Ausgestoßenen anzuwenden, und passt sich an.
Dieses Programm ist gegenüber den gegen Covid-Ungeimpften in vollem Gange, die als wandelnde Kloaken voller Keime porträtiert werden, die die Geheiligte Bruderschaft (der Geimpften) kontaminieren könnten.
Meine Frau hat heute eine Facebook-Seite über Akupunktur angesehen ― auf der man eine skeptische Haltung der Schulmedizin gegenüber erwarten würde. Dort fragte jemand: „Welches Wort kommt einem in den Sinn, um Ungeimpfte zu beschreiben?“ Die Antworten umfassten Dinge wie „Abschaum“, „Arschlöcher“ und „Todesser“. Das ist exakt die Entmenschlichung, die notwendig ist, um eine Klasse von Menschen für die Säuberung vorzubereiten.
Die Wissenschaft hinter dieser Darstellung ist zweifelhaft. Im Gegensatz zu der Assoziation der Ungeimpften mit einer Gefahr für die Öffentlichkeit behaupten einige Wissenschaftler, dass es die Geimpften sind, die mit größerer Wahrscheinlichkeit durch Selektionsdruck die Mutantenvarianten befördern. Genau wie Antibiotika zu höheren Mutationsraten und einer adaptiven Evolution von Bakterien und so letztlich zu Antibiotikaresistenzen führen, so könnten Impfstoffe Viren zur Mutation drängen. ― Daher die Perspektive nicht enden wollender „Boosterimpfungen“ gegen immer neue Varianten.
Dieses Phänomen ist jahrzehntelang studiert worden, wie dieser Artikel auf Quanta, meiner Lieblingswebseite zu Mathematik und Naturwissenschaften, beschreibt. Die mutierten Varianten entkommen den impfstoffinduzierten Antikörpern; damit kontrastiert die robuste Immunität, die einigen Wissenschaftlern zufolge diejenigen allen Varianten gegenüber haben, die bereits an Covid erkrankt waren ― sehen Sie hier und hier, weitergehende Analyse hier, vergleichen Sie auch mit Dr. Anthony Faucis Sicht.
Es ist jedoch nicht meine Absicht, hier einen wissenschaftlichen Standpunkt zu vertreten. Mir geht es darum, dass diejenigen Vertreter der wissenschaftlichen und medizinischen Gemeinschaft, die Einspruch gegen die Dämonisierung der Ungeimpften erheben, sich nicht nur mit entgegengesetzten wissenschaftlichen Ansichten anlegen, sondern mit uralten, machtvollen psychosozialen Kräften. Sie können die wissenschaftlichen Fragen diskutieren, so viel sie wollen, aber sie treten gegen etwas viel Größeres an. Ruandische Wissenschaftler hätten genauso gut die Vorschriften der Hutu-Macht diskutieren können, um all des Guten willen, das sie gebracht hätten.
Vielleicht ist das Beispiel der Nazis hier treffender, denn die Nazis beriefen sich bei ihren Vernichtungszügen auf Wissenschaft. Damals wie heute ist Wissenschaft ein Deckmantel für etwas Grundlegenderes. Der Hurrikan der Opfergewalt wischte die Minderheit deutscher Wissenschaftler leicht beiseite, die der Wissenschaft der Eugenik widersprachen, und das nicht, weil die Dissidenten falschlagen.
Wir stehen heute vor einer ähnlichen Situation. Auch wenn die gängige Meinung über Covid-Impfstoffe falsch ist, wird sie nicht allein durch die Wissenschaft zu Fall gebracht werden. Das Lager der Impfbefürworter hat einen mächtigen nichtwissenschaftlichen Verbündeten in der kollektiven Identität, der sich in verschiedenen Mechanismen der Ächtung, der Beschämung und anderen Formen sozialen und ökonomischen Drucks ausdrückt. Es verlangt Mut, einem Mob zu trotzen. Ärzte und Wissenschaftler, die impffeindliche Ansichten zum Ausdruck bringen, riskieren den Verlust von Fördermitteln, Arbeitsplätzen und Lizenzen, ganz so wie normale Bürger in sozialen Medien der Zensur ausgesetzt sind.
Sogar ein auf Polemik verzichtender Essay wie dieser wird wahrscheinlich zensiert werden, besonders, wenn ich ihn mit dem Schmutz der Häretiker beflecke, indem ich Websites verlinke, die auf der schwarzen Liste stehen oder Artikel der Disinformation-Dozen-Impfgegner. Versuchen wir es zum Spaß einmal: Greenmedinfo! Children’s Health Defense! Mercola.com! Ah, das fühlte sich ein bisschen an, wie Schimpfworte in der Öffentlichkeit zu brüllen. Sie sollten diesen Links besser nicht folgen, sonst werden Sie durch ihren Schmutz besudelt ― und Ihr Browserverlauf weist Sie als Ungläubigen aus.
Um jemanden darauf vorzubereiten, als Inbegriff des Bösen beseitigt zu werden, ist es hilfreich, ihn mit allen erdenklichen Verleumdungen zu überhäufen. Folglich hören wir in den Mainstreammedien nicht nur, dass Impfgegner Menschen töten, sondern dass sie rasende Narzissten, weiße Rassisten, abscheulich, Verbreiter russischer Desinformation und gleichbedeutend mit einheimischen Terroristen seien.
Diese Anschuldigungen werden noch verstärkt, indem ein paar passende Beispiele herausgegriffen, Fotos von hysterisch aussehender Impfgegnern auswählt und ihre zweifelhaftesten Argumente zur Schau stellt werden. Wenn die Behörden an das zur Bekämpfung anderer heimische „Bedrohungen“ entwickelte Drehbuch halten, dann sollten wir mit Agents Provocateur rechnen, mit Verstrickungsplänen, Regierungsagenten, die gewalttätige Positionen verlautbaren lassen, um die Bewegung zu diskreditieren und so weiter ― Techniken, die bei der Infiltrierung der Bürgerrechts-, Umwelt- und Antiglobalisierungsbewegungen eingesetzt wurden.
Besorgte Freunde haben mir geraten, mich von den Mitgliedern der Disinformation Dozen, die ich kenne, „zu distanzieren“, als wären sie in irgendeiner Weise ansteckend. Nun, in gewisser Weise sind sie das ― sie haben ansteckende Anrüchigkeit.
Mich erinnert das an Sowjetzeiten, in denen die bloße Assoziation mit einem Dissidenten einen zusammen mit diesem in den Gulag bringen konnte.
Es erinnert mich auch an meine Schulzeit, als es einen gesellschaftlichen Selbstmord bedeutete, freundlich zu dem seltsamen Kind zu sein, dessen Absonderlichkeit auf einen abfärben könnte. In der weiterführenden Schule wurde diese Ansteckung als „Cooties“ (Läuse) bezeichnet. ― Als junger Teenager war ich das sonderbare Kind und nur sehr mutige Teenager waren freundlich zu mir, während irgendjemand zusah.
Offensichtlich durchdringt die grundlegende soziale Dynamik die Gesellschaft auf vielen Ebenen. Ein tief sitzendes Bauchgefühl erkennt die Gefahr, Mitglied einer Subklasse von Ausgestoßenen zu sein. Parias zu verteidigen oder zu wenig Enthusiasmus dabei zu zeigen, sie zu attackieren, macht einen verdächtig; das Ergebnis sind Selbstzensur und Diskretion, die nur noch mehr zur Illusion der Einmütigkeit beitragen.
Entführung der Moral
Die gleiche Art positiv verstärkender Rückkopplung erzeugt ein Mob. Einige wenige laute Menschen genügen, ihn anzustacheln, indem sie jemanden oder etwas zum Ziel erklären. Ein Teil der Masse schließt sich enthusiastisch an. Die übrigen bleiben still und passen sich in ihrem äußeren Verhalten an, selbst wenn sie im Innern verwirrt sind; für jeden Einzelnen sieht es aus, als sei er oder sie allein anderer Meinung. Für den totalitären Staat ist die Unterstützung durch die Mehrheit der Bevölkerung nicht notwendig. Der Anschein von Unterstützung wird genügen.
Die Mechanismen, die die Illusion der Einmütigkeit erzeugen, funktionieren in Wissenschaft, Medizin und Journalismus genauso wie in der allgemeinen Öffentlichkeit. Einige passen sich enthusiastisch der rechten Lehre an, andere beklagen sich flüsternd bei mitfühlenden Kollegen. Die, die Widerspruch in der Öffentlichkeit äußern, werden radioaktiv. Die Folgen ihrer Abtrünnigkeit ― finanzielle Exkommunikation, Hohn der Medien, Meidung durch Kollegen, die „sich distanzieren“ müssen und so weiter ― dienen dazu, weitere potenzielle Dissidenten zum Schweigen zu bringen, die wohlweislich ihre Meinung für sich behalten.
Beachten Sie bitte, dass ich noch nichts dazu gesagt habe, wie ich persönlich über Sicherheit, Wirksamkeit oder Notwendigkeit der Impfstoffe denke ― nur Geduld! Trotzdem ist das, was ich gesagt habe, schon genug für jedermann, sicherheitshalber auf Abstand zu mir zu gehen. Sollte ich selbst kein Impfgegner sein, habe ich sicherlich deren Cooties.
Jemand in einem Online-Forum, das ich mitbetreue, berichtete von einem Vorfall: Seine Kinder hatten sich zum Spielen bei einem Freund verabredet. Ein Elternteil rief ihn an, um zu erfragen, ob seine Familie geimpft sei. Höflich sagte er Nein und augenblicklich waren seine Kinder ausgeladen.
Während dieser Elternteil zweifellos glaubte, sich durch die Rücknahme der Einladung wissenschaftskonform zu verhalten, bezweifle ich, dass Wissenschaft wirklich der Grund war. Selbst der Covid-orthodoxeste Mensch versteht, dass die asymptomatischen Kinder asymptomatischer Eltern ein vernachlässigbares Infektionsrisiko darstellen. Mehr noch: Da Impfgläubige wahrscheinlich darauf vertrauen, dass die Impfung Schutz bietet, haben sie rationalerweise wenig von einem Ungeimpften zu befürchten. Das Risiko ist vernachlässigbar klein, aber die moralische Entrüstung ist groß.
Viele, wenn nicht die meisten Menschen empfangen die Impfung in einer Haltung altruistischen Bürgersinns, nicht etwa, weil sie persönlich Angst haben, Covid zu bekommen, sondern, weil sie glauben zur Herdenimmunität und zum Schutz anderer beizutragen.
Im weiteren Sinne vernachlässigen die, die die Impfung verweigern, ihre Bürgerpflicht ― daher die Bezeichnungen „Abschaum“ und „Arschlöcher“. Sie werden zu identifizierbaren Repräsentanten des sozialen Verfalls, bereit zur chirurgischen Entfernung aus dem politischen Körper, wie Krebszellen, die sich alle bequem im selben Tumor befinden.
Soziale Stabilität hängt davon ab, dass Menschen Altruismus belohnen und von antisozialem Verhalten abschrecken. Diese Belohnungen und Abschreckungen sind in Moralvorstellungen und dann in Normen und Tabus codiert. Während man die Rituale des Stammes befolgt, die Tabus meidet und diejenigen beschämt und bestraft, die es nicht tun, ruht man gelassen im Bewusstsein, ein guter Mensch zu sein. Als zusätzlichen Vorteil zeichnet man sich als Teil der moralischen Mehrheit aus, als ein vollwertiges Mitglied der Gesellschaft und nicht als Teil der zu opfernden Minderheit. Unsere Furcht vor Nonkonformismus ist aus so tief verwurzelter uralter Erfahrung geboren, dass sie zu einem Instinkt geworden ist. Sie ist nur schwer von Moralität zu unterscheiden.
Die Furcht, die bei der Ausgrenzung der Ungeimpften ausagiert, ist großteils keine Furcht vor Krankheit, wenngleich die Krankheit ihr Stellvertreter sein mag. Die Hauptfurcht, so alt wie die Menschheit selbst, ist die vor sozialer Ansteckung. Es ist die Furcht, mit den Ausgestoßenen assoziiert zu werden, codiert als moralische Entrüstung.
In jeder Gesellschaft gibt es einige Menschen, die besonders eifrig die Normen, Werte, Rituale und Tabus umsetzen. Sie mögen Kontrolltypen sein oder einfach um das Gemeinwohl besorgt. Sie erfüllen eine wichtige Funktion, wenn die Normen im Einklang mit sozialer und ökologischer Gesundheit stehen. Aber wenn korrupte Kräfte diese Normen durch Propaganda und die Kontrolle der Informationen in Geiselhaft nehmen, können diese Gutmenschen zu einem Instrument totalitärer Kontrolle werden.
Diejenigen, die Sündenböcke suchen, glauben vielleicht aufrichtig, ja sogar leidenschaftlich an das Narrativ, dass „die Ungeimpften andere gefährden“. Wieder möchte ich, wenngleich ich die Belege für das Gegenteil überzeugend finde, über die schon gegebenen Hinweise hinaus nicht diesbezüglich Stellung beziehen. Wie das Sprichwort sagt: Man kann niemandem eine Position ausreden, die er sich nicht zuallererst eingeredet hat. Des Weiteren würden die meisten Zitate, die ich verwenden würde, von Quellen auf der schwarzen Liste stammen, die wegen ihrer Ketzerei für jene inakzeptabel sind, die den offiziellen Informationsquellen vertrauen. Wenn Sie den offiziellen Quellen vertrauen, nun dann vertrauen Sie auch deren Ausschluss der häretischen Informationen. Schließen offizielle Quellen alle abweichenden Meinungen aus, dann wird jeglicher Dissens a priori unbegründet für diejenigen, die ihnen vertrauen.
Folgerichtig wandert ein großer Teil der abweichenden Meinungen auf fragwürdige rechte Websites ab, ohne die Ressourcen, Fakten und Quellen zu prüfen. Man sollte beispielsweise meinen, dass ein hoch angesehener Wissenschaftler wie Dr. Peter McCullough, ein Professor der Medizin, Autor Hunderter Peer-Review-Artikel und Präsident der Kardiorenalen Gesellschaft von Amerika, in der Lage sein sollte, sich außerhalb rechter Medienlandschaften Gehör zu verschaffen. Aber nein. Er wurde an Orte wie die rechtsgerichtete, katholische John-Henry-Westen-Show abgedrängt. Ich wünschte, ich könnte irgendwo sonst einen Link zu diesem überzeugenden Interview finden, vor allem, weil es wirklich nichts Rechtslastiges an McCulloughs Ansichten gibt.
Tragischerweise finden sich auf Seiten, die Menschen wie McCullough eine Bühne bieten, ziemlich oft Artikel gegen Zuwanderung und LGBTQ, die dieselben Taktiken verwenden, die gegen Impfgegner angewandt werden, die in dieselben Muster der Entmenschlichung und der Suche nach Sündenböcken verfallen und sich für dieselben faschistischen Ziele hergeben.
Die Massen bewegen
Aus diesen Gründen werde ich nicht allzu bemüht versuchen, meine Überzeugung, dass ― und ich kann es genauso gut explizit sagen, als Geste guten Willens gegenüber den Zensoren, denen es so weniger schwerfallen wird zu entscheiden, was mit diesem Artikel zu geschehen hat ― die Covid-Impfstoffe viel gefährlicher sind, weniger wirksam und weniger notwendig, als man uns weismachen will. Sie scheinen auch nicht so gefährlich zu sein, jedenfalls kurzfristig wie einige fürchten. Die Menschen fallen nicht auf den Straßen tot um oder verwandeln sich in Zombies; den meisten meiner geimpften Freunde scheint es gut zu gehen. Es ist also schwer zu sagen.
Die Forschung zu diesem Thema ist durch finanzielle Anreize und systematische Voreingenommenheit so vernebelt, dass es unmöglich ist, sich darauf zu verlassen, dass sie einen Weg durch die Finsternis erhellt. Das System der Forschung und der öffentlichen Gesundheit unterdrückt Generika und Nährstofftherapien, die nachweislich Covid-Symptome und -Sterblichkeit stark verringern, sodass Impfstoffe als einzige Wahl verbleiben. Zudem werden zahlreiche plausible Mechanismen für schwerwiegende Langzeitschäden nicht ausreichend untersucht.
Plausibel bedeutet natürlich nicht gewiss: Aktuell weiß niemand ― oder kann auch nur wissen ―, wie die Langzeitfolgen aussehen werden. Ich will allerdings auch nicht sagen, dass die Impfgegner recht haben und zu unrecht verfolgt werden. Es geht mir darum, dass ihre Verfolgung einem Muster folgen, das wenig damit zu tun hat, ob sie recht haben oder sich irren, ob sie unschuldig oder schuldig sind. Die fehlende Verlässlichkeit der wissenschaftlichen Daten unterstreicht dies und legt nahe, wir die tödlichen sozialen Impulse, die sich hinter der Wissenschaft verbergen, genau ansehen sollten.
Zu behaupten, dass die offiziellen Quellen jeglichen Widerspruch ausschließen, wäre eine Übertreibung. Tatsächlich stimmen Publikationen mit Peer-Review und hoch angesehene Mediziner und Wissenschaftler vielem von dem zu, was ich gesagt habe. Zugegebenermaßen sind sie in der Minderheit. Aber wenn sie recht haben sollten, könnten wir dies nicht so leicht merken. Die Mechanismen zur Kontrolle von Falschinformationen funktionieren gleichermaßen bei der Kontrolle wahrer Informationen, die den offiziellen Quellen widersprechen.
Die vorhergehende Analyse zielt nicht darauf ab, andere Erklärungen für die Covid-Konformität zu entkräften: Der Einfluss von Big Pharma auf die Forschung, die Medien und die Regierung; herrschende medizinische Paradigmen, die Gesundheit als einen zu gewinnenden Krieg gegen Keime auffassen; das allgemeine soziale Klima der Angst, Sicherheitswahn, Phobie und Verdrängung dem Tod gegenüber; und vielleicht am wichtigsten: die langwährende Entmachtung der Menschen bei der gesundheitlichen Selbstsorge.
Genauso wenig ist die vorhergehende Analyse unvereinbar mit der Theorie, dass Covid und die Impfagenda eine totalitäre Verschwörung ist, um jeden Menschen auf der Erde zu überwachen, nachverfolgen, injizieren und kontrollieren.
Es ist kaum zu bezweifeln, dass eine Art totalitäres Programm im vollen Gang ist, aber ich habe es lange für ein emergentes Phänomen gehalten, das Gleichzeitigkeiten zusammenballt, um den verborgenen Mythos und die Ideologie der Trennung zu erfüllen, und nicht für einen vorsätzlichen Plan zwischen menschlichen Verschwörern. Nun glaube ich, dass beides wahr ist; das Letztere ist dem Ersteren untergeordnet, ist sein Avatar, sein Symptom, sein Ausdruck. Wenngleich es nicht die tiefsinnigste Erklärung für die gegenwärtige Misere der Menschheit ist, geschehen Verschwörungen und die geheimen Maschinen der Macht arbeiten, und ich akzeptiere mittlerweile, dass einige Aspekte unserer gegenwärtigen historischen Situation am besten in diesen Begrifflichkeiten zu erklären sind.
Ob das totalitäre Programm vorsätzlich ist oder opportunistisch, absichtlich oder emergent ― die Frage bleibt: Wie bewegt eine kleine Elite die große Masse der Menschheit? Sie tut es, indem sie tief verwurzelte psychosoziale Muster wie das Girard‘sche bestärkt und ausnutzt. Das haben Faschisten immer getan.
Wir verbinden gewöhnlich Pogrome und Genozide mit rassistischer Ideologie; das klassische Beispiel ist der antisemitische Faschismus. Aus der Girard‘schen Perspektive ist es anders herum. Die Ideologie ist sekundär: eine Schöpfung und ein Werkzeug der drohenden gewaltsamen Einigkeit. Sie schafft die dafür notwendigen Voraussetzungen. Dasselbe könnte man über die Sklaverei sagen. Es war nicht so, dass die Europäer dachten, Afrikaner seien minderwertig, und sie infolgedessen versklavten. Es war so, dass man den Gedanken ihrer Minderwertigkeit brauchte, um sie zu versklaven.
Auch auf individueller Ebene: Wer unter uns hat noch nicht aus unbewussten Schattenmotiven gehandelt, sich dabei raffinierte Rechtfertigungsgründe und Post-facto-Rationalisierungen für Handlungen zurechtgelegt, die anderen schaden?
Warum wird Faschismus so verbreitet mit Genozid assoziiert, wenn er sich doch als politische Philosophie um Einheit, Nationalismus und der Fusion von Konzern- und Staatsmacht dreht? Deshalb, weil er einer einenden Kraft bedarf, die machtvoll genug ist, jeden Widerstand wegzufegen. Das Wir des Faschismus benötigt ein Sie. Die bürgerlich gesinnte moralische Mehrheit macht bereitwillig mit, beruhigt, dass es für ein höheres Gut sei. Es muss etwas geschehen. Die Zweifler machen um ihrer eigenen Sicherheit willen auch mit. Kein Wunder, dass die heutigen autoritären Institutionen es quasi instinktiv verstehen, Hysterie gegenüber der neu geprägten Klasse der Bedauernswerten, der Impfgegner und der Ungeimpften, anzustacheln.
Faschismus zapft einen tieferen Instinkt an, nutzt ihn aus und institutionalisiert ihn. Die Praxis, entmenschlichte Menschenklassen zu schaffen und sie dann zu ermorden, ist älter als die Geschichte. Sie taucht wieder und wieder und unter allen politischen Systemen auf. Unser eigenes ist davon nicht ausgenommen. Die Kampagne gegen die Ungeimpften, gewandet in den weißen Laborkittel der Wissenschaft, munitioniert mit verzerrten Daten und den Wimpel des Altruismus schwenkend, kanalisiert einen brutalen, uralten Impuls.
Bedeutet das, dass die Ungeimpften in Konzentrationslagern zusammengetrieben und ihre Anführer rituell ermordet werden? Nein. Sie werden auf andere Weise von der Gesellschaft segregiert. Wichtiger jedoch ist, dass die Energien, die durch die zu Sündenböcken stempelnde, entmenschlichende, mit Verschmutzung assoziierende Kampagne hervorgerufen werden, verwendet werden können, um öffentliche Akzeptanz für politische Zwangsmaßnahmen zu gewinnen, insbesondere politische Maßnahmen, die ins Narrativ der Beseitigung von Verschmutzungen passen.
Derzeit ist für die Einreise in bestimmte Länder ein Impfpass erforderlich. Stellen Sie sich vor, man bräuchte einen, um einkaufen, ein Auto fahren oder Ihr Haus verlassen zu dürfen. Das wäre überall dort leicht durchzusetzen, wo das „Internet der Dinge“ implementiert ist, wo alles vom Auto bis hin zu Türschlössern unter zentraler Kontrolle steht. Der fadenscheinigste Vorwand wird ausreichen, wenn erst das uralte Muster des Kultopfers, der Verkörperung aller Verschmutzung, etabliert ist.
Rene Girard war nach allem, was ich von seinem Werk gelesen habe, eine Art Fundamentalist. Ich stimme nicht mit ihm überein, dass jedes Verlangen jenseits des bloßen Appetits mimetisch sei oder dass jedes Ritual in Opfergewalt wurzele, so stark diese Betrachtungsweisen auch sind. Ebenso wenig möchte ich unsere gegenwärtige Beschleunigung in Richtung Techno-Totalitarismus und Bio-Sicherheitsstaat auf nur eine psychosoziale Erklärung reduzieren, wie tiefsinnig diese auch sein mag.
Dennoch es ist wichtig, das Girard‘sche Muster zu erkennen, damit wir wissen, womit wir es zu tun haben, damit wir unseren Widerstand kreativ ausweiten können, jenseits von sinnfreien Debatten über die Probleme ― und am wichtigsten: So können wir seine Funktionsweise in uns selbst wahrnehmen. Jede Bewegung, die in ihrer Rhetorik Verachtung bedient, entspricht dem Girard‘schen Impuls. Elemente des Schuldabladens wie auch des Entmenschlichens, des Anheizens der Gerüchteküche, der Stereotypisierung, der Bestrafung als Gerechtigkeit und der Mobmentalität sind in dissidenten Gemeinschaften genauso lebendig wie im Mainstream. Jeder, der diese Mächte zum Sieg reitet, wird eine Tyrannei erschaffen, nicht besser als vorhergehende.
Es gibt einen anderen Weg und eine bessere Zukunft. Ich werde sie in Teil 4 dieses Essays, auch wenn der Leser schon weiß, welche es sind, wenn nicht in Worten, so doch mit dem Gefühl. Diese Zukunft reicht in die Gegenwart und die Vergangenheit hinein, um sich zu zeigen, wann immer Rache der Vergebung, Feindschaft der Versöhnung, Vorwurf dem Mitgefühl, Verurteilung dem Verstehen, Bestrafung der Gerechtigkeit, Rivalität der Synergie und Verdacht dem Lachen weichen. Transzendenz liegt im menschlichen Wesen.
Charles Eisenstein, Jahrgang 1967, graduierte an der renommierten Yale University in Philosophie und Mathematik. Vertiefte Studien in Wirtschaftstheorie und Wirtschaftsgeschichte schlossen sich an. Unzufrieden mit der kompetitiven Struktur der Wirtschafts- und Arbeitswelt, arbeitete und lebte er lange Zeit als Dolmetscher in Taiwan. Persönliche und globale Krisensituationen führten ihn zu einer intensiven Beschäftigung mit der Body-Mind-Medizin und -Philosophie. Heute gilt er als einer der wichtigsten Vordenker für eine ökologische, vom Geld unabhängigere Lebensweise. Weitere Informationen unter charleseisenstein.org.
Redaktionelle Anmerkung: Dieser Text erschien am 22. August 2021 unter dem Titel „Mob Morality and the Unvaxxed" auf Substack als eigenständiger Teil 3 eines vierteiligen Essays. Er wurde von Thorsten Schewe vom ehrenamtlichen Rubikon-Übersetzungsteam übersetzt und vom ehrenamtlichen Rubikon-Korrektoratteam lektoriert.