Die Massenpsychose
Ein belgischer Psychologe erläutert vier Faktoren, die zur gesellschaftlichen Veränderung in der Coronakrise beitragen.
Angesichts der Art und Dramatik, mit der sich Gesellschaften unter dem Corona-Diktat verändern, stellen sich viele Fragen. Wie kann es sein, dass die Menschen so überreagieren, obwohl die tatsächlichen Fakten längst hätten Entwarnung geben sollen? Wie kann es sein, dass sie sich die Erzählung ihrer Regierungen so zu eigen machen und trotz offenkundiger Widersprüche nicht von ihrer einmal eingenommenen Position abrücken? Der Grund dafür ist, dass wir uns, wie schon im Nationalsozialismus oder im Stalinismus, in einer Phase der Massenformation befinden, die der Rationalität nicht mehr zugänglich ist.
Gerade die sogenannten entwickelten Länder sind mittlerweile zu geschlossenen Gesellschaften geworden. Ein lange nicht mehr gesehener Gleichklang von Politik, Medien und einem Großteil der Bevölkerung führt geradewegs in den Totalitarismus. Nur wenige haben den Mut, gegen diese Umstände aufzubegehren. Auch wenn die Fakten längst eine andere Sprache sprechen, sieht sich die Mehrheit noch immer einer todbringenden Pandemie ausgeliefert, die mit allen Mitteln bekämpft werden müsse. Wie es zu so einer Entwicklung kommen konnte, erklärt Mattias Desmet, belgischer Psychologe an der Universität Gent in einem Interview.
Er spricht hier von einem Prozess der Massenformation, die jedem totalitären System vorausgeht. Historisch ist dies zum Beispiel für den Nationalsozialismus, den Stalinismus, aber in gewisser Weise auch für die Zeit der französischen Revolution nachweisbar. Diese Massenformation erfüllt die Menschen mit einem Gefühl der Bedeutung und des Zusammenhalts, das sie gegen jede Rationalität immunisiert. Mattias Desmet hat vier Faktoren ausgemacht, die einer solchen Entwicklung vorausgehen und erfüllt sein müssen, damit es zu einer Massenformation kommen kann.
Soziale Isolation
Der erste Faktor ist das Gefühl sozialer Isolation und das Fehlen bedeutungsvoller Beziehungen. Das hat nichts mit physischer Isolation zu tun, sondern beschreibt ein Gefühl von Einsamkeit und die fehlende Fähigkeit, langfristig Bindungen zu anderen Menschen aufzubauen. Der jahrzehntelange Neoliberalismus, der die Menschen in enthemmten Wettbewerb zueinander gestellt hat, in dem Arbeit, Geld und Konsum die wichtigsten Triebfedern der Gesellschaft waren, hat die Menschen vereinzelt. Sie lebten meistens nebeneinander her oder arbeiteten sogar gegeneinander, es fehlte an ernsthaften, bedeutungsvollen Beziehungen.
So führt Desmet aus, dass in den Jahren vor der Corona-Krise die britische Regierung ein Ministerium für Einsamkeit (Ministry of loneliness) eingerichtet hat, das sich mit dem extrem gewordenen Phänomen beschäftigen sollte. Dies war notwendig geworden, weil die Regierung eine „Einsamkeitsepidemie“ festgestellt hatte. Mehr als 50 Prozent der Bevölkerung hatten angegeben, dass sie keine bedeutungsvollen Kontakte hatten oder ihr Austausch mit Menschen ausschließlich online stattfand.
Sinnlosigkeit
Die zweite Voraussetzung, die erfüllt sein muss, ist ein Gefühl von Sinnlosigkeit. Dieses ergibt sich aus dem ersten Kriterium. Menschen ohne bedeutungsvolle Beziehungen außerhalb des Internets erleben ihr Dasein als sinnlos. Auch das ist für die Zeit vor 2020 belegt. David Graeber schrieb dazu das Buch „Bullshit Jobs“. Darin beschreibt er, dass im Jahr 2017 40 Prozent der Bevölkerung ihre Arbeit als vollkommen sinnlos erlebten. Unterstützt wird dies durch eine Gallup-Umfrage, nach der nur 30 Prozent der weltweit Befragten antworteten, ihre Arbeit sei sinnvoll. 63 Prozent gaben an, dass sie in dem, was sie tun, keinerlei Sinn sehen, sondern durch ihr Büro „schlafwandeln“. Diese Sinnlosigkeit entwickelt sich bereits seit 200 Jahren, in demselben Zeitraum, in dem das Phänomen der Massenformation vermehrt beobachtet werden kann.
Freischwebende Angst
Die dritte Voraussetzung ist ein hoher Level freischwebender Angst und Unzufriedenheit innerhalb einer Gesellschaft. Dies meint eine Angst ohne Bezug zu einem bestimmten Objekt oder einer bestimmten Situation. Angst, die keine Entsprechung in der Wirklichkeit hat, kann geistig nicht kontrolliert werden, da man nicht weiß, woher sie stammt. Es gibt nichts, was man gegen eine solche Angst tun kann. Das führt dazu, dass Menschen sich vollkommen hilflos fühlen.
Vor der sogenannten Corona-Krise wurde bei einem von fünf Menschen eine Angststörung diagnostiziert. Das heißt, 20 Prozent der Bevölkerung wiesen bereits eine pathologische Angst auf, die ihr Leben derart beeinträchtigte, dass sie sich von einem Therapeuten behandeln ließen.
Zudem ist bei den Diagnosen von einer Dunkelziffer auszugehen, da nicht jeder Mensch mit freischwebender Angst einen Arzt oder Therapeuten aufsucht. Noch weiter verbreitet ist zudem das Gefühl psychischer Unzufriedenheit. Als Beispiel führt Desmet Belgien an. Hier beträgt, in einer Bevölkerung von 11 Millionen Menschen, die jährliche Zahl der Dosen an Antidepressiva 300 Millionen. Die freischwebende Angst und Unzufriedenheit haben in den letzten Jahren extrem zugenommen, und das nicht nur bei der älteren Bevölkerung, wo man sie erfahrungsgemäß erwarten würde, sondern auch unter Jüngeren. Damit war auch diese Voraussetzung bereits vor 2020 erfüllt.
Freischwebende Aggression
Wenn Menschen sich sozial isoliert fühlen, ihr Leben als sinnlos ansehen und eine beständige, diffuse Angst erleben, dann führt dies oftmals zu Aggression. Dies ist die vierte Voraussetzung für das Phänomen der Massenformation. Diese Aggression hat, ebenso wie die Angst, keine Repräsentation, zunächst kein Objekt, auf das sie sich richten kann.
Daher wissen die Menschen nicht, warum sie aggressiv sind. Sie suchen vielmehr nach einem Objekt, mit dem sie ihre Angst und ihre Aggression verbinden können. Das macht Menschen sehr anfällig für Propaganda. Denn wenn in einer solchen Situation Politik und Medien ein Objekt für diese Angst und Aggression präsentieren, zusammen mit einer Strategie, wie mit diesen Gefühlen umzugehen ist, dann verbindet sich die freischwebende Angst mit dem angebotenen Angstobjekt. Die Menschen sind dann bereit, mit diesem Angstobjekt so umzugehen, wie es das medial und politisch präsentierte Narrativ nahelegt.
Auf diese Weise erleben die Menschen ein Gefühl der Kontrolle. Weil so viele Menschen sich ähnlich verhalten, entsteht ein neues Gefühl der Verbundenheit untereinander.
Das spiegelt sich im Narrativ der Mainstream-Medien wider. Hier wird gerade die Solidarität propagiert, die in dieser Situation entscheidend sei. Eine Teilnahme an allen Maßnahmen ist erforderlich, da man ansonsten seinen Status als ehrbarer Bürger verliert. Hier formiert sich eine Masse von „guten Bürgern“ gegenüber den Ausgestoßenen, die sich den Maßnahmen verweigern. Das ist ein sehr wichtiger Aspekt der Massenformation und der Grund dafür, dass Menschen dem Narrativ folgen, selbst wenn es vollkommen absurd ist. Sie glauben nicht unbedingt an das Narrativ, aber dieses führt eine neue soziale Bindung herbei, die über die Propaganda und die gemeinschaftlichen Rituale entsteht sowie durch Ausgrenzung Andersdenkender.
Ein weiterer Vorteil ist, dass nun die Angst und die Aggression klare Ziele, klare Objekte haben, auf die sie gerichtet werden können. Dieses Objekt sind die Menschen, die nicht an der Massenformation teilnehmen. Das ist historisch immer wieder zu beobachten, zum Beispiel in der Massenformation, die zum Stalinismus in der Sowjetunion geführt hat, oder jene, die im totalitären Nationalsozialismus endete. Immer ist eine neue Art der „Solidarität“ entstanden und immer haben Menschen ihre Ängste und Aggressionen gegen jene gerichtet, die sich der Massenpsychose entziehen.
Aus dem negativen mentalen Status der Angst, der Isolation und der Sinnlosigkeit wird nun ein positiver Status. Dieser ergibt sich aus dem heroischen, alle vereinenden Kampf gegen das jeweils ausgegebene Ziel, heutzutage also das Coronavirus.
Zugleich kann dieses Narrativ die Aggressionen der Menschen befriedigen. Deshalb lassen sie sich von dem Narrativ nicht abbringen, so absurd es auch ist. Dies ist ein Zustand der Massenpsychose, von der allerdings in der Regel nur ungefähr 30 Prozent der Bevölkerung betroffen sind. Weitere 40 bis 50 Prozent machen lediglich mit, weil sie aus verschiedenen Gründen annehmen, es sei besser, als es nicht zu tun. Doch immerhin lassen sich 20 bis 30 Prozent der Bevölkerung überhaupt nicht hypnotisieren.
Die Maßnahmen, die angeblich im Kampf gegen das Coronavirus ergriffen wurden, sind für die ersten 30 Prozent ein einigendes Ritual. Sie haben keinen praktischen Nutzen, bringen ihnen keinerlei Vorteile und dürfen dies auch nicht, denn sie symbolisieren ein Opfer, das diese Menschen ständig wieder erneut erbringen müssen, ein Opfer, das den Kampf gegen den jeweils ausgegebenen Feind zu einer heroischen Tat macht.
Je absurder diese Maßnahmen sind, je sinnloser und je mehr sie der Bevölkerung aufgezwungen werden, desto mehr werden sie von diesem Teil der Bevölkerung unterstützt, desto überzeugter sind diese Menschen von der jeweiligen Ideologie.
Dies ist gerade für die Menschen unverständlich, die sich nicht im Prozess der Massenformation befinden. Sie sind es, welche die Sinnlosigkeit der Maßnahmen und ihre Gefahren erkennen und davor warnen. Doch egal wie viel Wissenschaft sie anführen, für die aktiv an ihr Beteiligten ist die Erzählung der Massenformation die einzige noch wahrnehmbare Realität. Denn der Fokus dieser Menschen verengt sich auf eine einzige Sache, heutzutage also Corona.
Das ist vergleichbar mit Hypnose. Jemand, der hypnotisiert ist, ist sich nur des Teils der Realität bewusst, auf den der Hypnotiseur seine Aufmerksamkeit richtet. Genau so geschieht es mit der Masse durch die Massenmedien. Die dem Narrativ widersprechenden Meldungen, die Kollateralschäden der Maßnahmen, werden nicht zur Kenntnis genommen, da sie im Narrativ nicht vorkommen und sie nicht mit der psychologischen Energie verbunden sind, die auf das Narrativ verwendet wird.
Das hat auch nichts mit Intelligenz oder Bildung zu tun. Die Massen reagieren nur auf Bilder und auf die ständige Wiederholung ein und derselben Botschaft. Auch die Präsentation von Grafiken, Zahlen und Statistiken spielt hier eine große Rolle, weswegen sie im Corona-Totalitarismus immer und immer wieder herangezogen werden.
Rückkehr aus der Masse
Eine Massenformation rückgängig zu machen, ist sehr schwierig. Die Menschen sind in einem solchen Zustand keinen Fakten, keinem Argument mehr zugänglich. Aber dennoch ist es unabdingbar, seine Stimme gegen die Masse zu erheben. Denn dies kann die Hypnose schwächen und die Masse davon abhalten, Grausamkeiten zu begehen. Genau dazu tendieren Massen. Sie sehen sich als auserwählt und ihr Handeln als notwendig für das große Ganze. Dieses große Ganze rechtfertigt jedoch oftmals, zumindest in der Wahrnehmung der Masse, auch grausame Taten. Daher ist es wichtig, nicht zu verstummen. Niemand sollte dabei einen direkten, großen Effekt erwarten. Es ist jedoch schon ein Erfolg, wenn man den einen oder anderen aus der Masse aufwecken kann.
Verstummt dagegen die Opposition, beginnt das totalitäre System, vollständig absurd zu handeln. Dann begeht es seine größten Grausamkeiten, wie das nationalsozialistische System in Deutschland ab circa 1935 oder die Sowjetunion ebenfalls in den 1930ern zeigen. Hannah Arendt schrieb in ihrem Werk „Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft“, dass ein totalitäres System, das seine Opposition vollkommen ausgeschaltet hat, seine eigenen Kinder verschlingt.
Das ist der große Unterschied zu klassischen Diktaturen. Diese werden normalerweise freundlicher, sobald die Opposition verschwunden ist, da Diktatoren ein taktisches Gespür haben. Dieses gilt nicht für den Totalitarismus, und genau aus diesem Grund müssen totalitäre Systeme scheitern.
Ein weiterer Unterschied zur klassischen Diktatur ist, dass die Anführer eines totalitären Systems von ihrer eigenen Ideologie hypnotisiert werden. Zwar fallen sie nicht auf ihre Propaganda herein, doch sie glauben wirklich felsenfest, dass sich ihnen durch ihr Handeln das Paradies auf Erden eröffnet und dies Lügen, Betrügen, Zwang und Gewalt rechtfertigt.
Sie glauben tatsächlich, dass sie die einzig mögliche Lösung für echte oder eingebildete Probleme kennen. Momentan ist innerhalb dieser Klasse der Glaube vorhanden, dass die Technokratie eine bessere Antwort auf die verschiedenen Probleme bereit hält als die Demokratie. Daher versuchen sie, demokratische Gesellschaften in Technokratien zu verwandeln und sind dabei fest davon überzeugt, dass sie zum Wohle der Menschheit handeln.
Wer dagegen Widerstand leistet, darf jedoch nicht gewalttätig handeln. Denn jede Gewalt wird vom System zum Anlass genommen, grausam zu reagieren. Es ist aber auch nicht notwendig, das System zu zerstören, denn es zerstört sich über kurz oder lang von selbst. Das kann allerdings eine Weile dauern. In dieser Zeit ist es sinnvoll, Parallelstrukturen zu errichten, die den Kontakt zum herrschenden System reduzieren und eine Möglichkeit zum Überleben bieten. Gleichzeitig wird in diesen Projekten bereits die Gesellschaft errichtet, die auf das totalitäre System folgen kann.
Es ist überaus empfehlenswert, sich das komplette Interview mit Mattias Desmet anzusehen. Desmet eröffnet einen größeren, übergeordneten Blick auf die Situation und hilft, sie zu verstehen. Gleichzeitig bietet er Ideen, wie in diesen Umständen zu handeln ist. Eine wichtige Lehre ist: Wir dürfen nicht aufhören, unsere Stimme zu erheben. Denn auf diese Weise kann die Hypnose geschwächt und das System davon abgehalten werden, noch grausamere Taten zu begehen.