Die Logik hinter dem Wahn

Mit dem Corona-Lockdown wird der menschliche Körper verstärkt zum Objekt ökonomischer Verwertung.

Die Wirtschaft ruiniert, das Soziale schwer beschädigt, die Kultur ausgesetzt. Der Befund ist offensichtlich. Dass die Maßnahmen zur Bekämpfung eines Virus dystopische Zustände hervorgerufen haben, wird niemand bestreiten können. Heftig wird darüber diskutiert, ob der Lockdown notwendig, überzogen oder verantwortungslos war, wobei sich die Meinungshoheit von Woche zu Woche in Richtung letzterer Einschätzung verschiebt. Doch darüber soll es hier nicht gehen, für unsere Fragestellung tut dies wenig zur Sache. Wir suchen nach dem Sinn hinter dem Wahnsinn.

Dazu bedarf es vorneweg einer Korrektur des eingangs erwähnten Befundes. Nicht „die Wirtschaft“ ist ruiniert, sondern weite Bereiche des Produktions- und Dienstleistungssektors, insbesondere die kleineren und mittleren, oft von Eigentümern geführten Unternehmen. Die Starken, die Kapitalstarken überleben. Und dann sind da noch jene Branchen, denen der Lockdown zu einem ungeahnten Höhenflug verhilft. Pharmaunternehmen, Überwachungstechnik und Versandhändler verzeichnen Umsatzsteigerungen, die jenen von Waffenherstellern in Vorkriegszeiten ähneln.

Einer der Branchenführer bei Pharmazeutika, Novartis (CH), weist in seinem Geschäftsbericht für das erste Quartal 2020 ein Gewinnplus von 24 Prozent oder 2,17 Milliarden US-Dollar aus. Der weltgrößte Arzneimittelhersteller Roche (CH) verbucht ein Umsatzplus von 7 Prozent, seine Gewinnzahlen reicht er erst am Jahresende nach.

Der französische Pharmariese Sanofi wiederum machte zwischen Januar und März 2020 um sagenhafte 48 Prozent mehr Gewinn als im Vergleichszeitraum des Vorjahres. 30 Prozent plus waren es für den britischen Konzern AstraZeneca; auch Amgen und Eli Lilly (USA) sowie Bayer (BRD) konnten Umsatz und Gewinn markant steigern. Pfizer (BRD) wiederum blieb wegen nachgebauter Generika hinter den Erwartungen zurück, für die kommenden Quartale beruhigt das Management allerdings die Aktionäre: das zweitgrößte Pharmaunternehmen bleibt auf Kurs. Die Investoren brauchen sich keine Sorgen zu machen. Der Krieg gegen Covid-19 hat gerade erst begonnen.

Der Versandhändler Amazon wiederum kann vor Kraft kaum laufen. Umsatzplus im 1. Quartal 2020: 26 Prozent oder 75 Milliarden US-Dollar. Die Neueinstellung von 175.000 Beschäftigten im März und April 2020, der Großteil davon PackerInnen, und eine an die virale Infektiosität angepasste Lieferlogistik drücken kurzzeitig auf die Gewinnmarge. Der Börsenwert überstieg im Januar 2020 die Ein-Billion-Dollar-Marke; in Zahlen: 1.000.000.000.000. Der Lockdown treibt ihn weiter nach oben.

Der menschliche Körper als Investitionsfeld

Geht es nach dem Muster der Entwicklung von kapitalistischen Zyklen, werden aus dem Desaster des Lockdown — neben einzelnen, oben beschriebenen Branchen — neue Leitsektoren des biotechnisch-kybernetischen Komplexes als Gewinner hervorgehen und die Verwertungskrise überwinden.

Krisen sind ein zyklisch wiederkehrendes Phänomen in unserer von Kapitalinteressen getriebenen Gesellschaft. Wenn das Angebot die Nachfrage übersteigt und längerfristig kein Ausgleich gefunden werden kann, dann entladen sich Überproduktion in wirtschaftlichen Zusammenbrüchen oder Spekulationsblasen in Börsencrashs.

In solchen Momenten bricht die Antriebskraft des Systems zusammen beziehungsweise sie ändert ihren Kraftstoff; Verwertung nach altem Muster funktioniert nicht mehr. Doch genau darum geht es: Eingesetztes Kapital muss sich verwerten, rentieren, Gewinn abwerfen.

Um eine Verwertungskrise zu überwinden, gibt es für den Kapitaleigner grundsätzlich drei Möglichkeiten: Rationalisierung, Spekulation oder Markterweiterung beziehungsweise Kombinationen daraus. Rationalisierungen senken die Kosten, wobei die Einsparung sowohl durch technische Innovation als auch durch Personalkürzung erfolgen kann. Die Sphäre der Finanzspekulation bietet sich an, wenn produktive Bereiche oder Dienstleistungen keine gewünschte Rendite mehr abwerfen. Markterweiterung ist die gängige Praxis, um neue Räume für die Verwertung zu erobern. Im territorialen Sinn braucht es dafür den Schutz eines — möglichst starken — Staates, der die Einflusssphäre und damit Absatz- und Arbeitsmärkte erweitern kann.

Nur der Staat kann auch die entsprechenden wirtschaftlichen und rechtlichen Bedingungen gewährleisten und letztlich militärisch absichern.

Markterweiterung kann jedoch auch jenseits einer räumlichen Expansion stattfinden, indem neue Felder erschlossen werden, die zuvor noch nicht von Kapitalinteressen durchsetzt waren. Ein Beispiel aus der jüngeren Vergangenheit ist die viel diskutierte Daseinsvorsorge. Wenn ein auf staatlichen Garantien beruhender Generationenvertrag zur Absicherung eines würdigen Lebens im Alter durch ein von Kapital getriebenes Pensionssystem abgelöst wird, dann öffnet sich ein Raum für Investoren.

Eine solche Markterweiterung in die Gefilde des menschlichen Körpers zeichnet sich nun im Anschluss an das Corona-Krisenmanagement ab. Angeschoben von Kapitalgruppen wie der Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung geht es darum, bislang kaum oder nicht kommodifizierte — also zu Waren gemachte — Bereiche des menschlichen Lebens einer ökonomischen Verwertung zuzuführen. Der menschliche Körper als solcher, sein Immunsystem, seine Abwehrkräfte und seine Krankheiten werden zum vielversprechenden Investitionsfeld.

Im sich langsam zu Ende neigenden Industriezeitalter war es die menschliche Arbeitskraft, die — zur Ware gemacht — die Verwertung von Kapital garantierte, den Profit sicherstellte. Und sie tut das freilich noch heute. Nun wächst die Welt allerdings in ein neues Zeitalter hinein, wir können es ein kybernetisches nennen. Neue Technologien wie Künstliche Intelligenz, Robotik, Nano- und Biotechnik erobern das Terrain. Die Schnittstelle Mensch-Maschine gewinnt für neue Produktionsformen an Bedeutung. Einer dadurch möglichen Befreiung von entfremdeter Arbeit stehen Kapitalinteressen entgegen. Im Corona-Krisenmanagement haben sie sich auf erschreckend machtvolle Weise festgesetzt. Sie zielen auf den Menschen in seiner Körperlichkeit.

Der Virologe und der Milliardär

Seit Ende 2019 wird das menschliche Immunsystem von einem zuvor unbekannten Virus, genannt Covid-19, angegriffen. Ein an sich üblicher Vorgang, der menschheitsgeschichtlich fast ununterbrochen vorkommt und mehr oder weniger gefährlich sein kann. Selten kann der Erreger als ausgerottet betrachtet werden, in den meisten Fällen kommt es zu einem Arrangement zwischen Virus und Wirt. Die dabei unvermeidbar eintretenden Tode möglichst zu verhindern und ihre Anzahl gering zu halten, muss bei jeder viralen Infektionskette ein selbstverständliches politisches Ziel sein. Bei unterschiedlichen Ausgangsbedingungen ist das — je nach angewandter Methode — in manchen Ländern besser und in anderen schlechter gelungen.

Im Post-Corona-Zeitalter geht nun die Gefahr für die Gesellschaft von einer Allianz medizinisch-virologischer Allmachtsfantasien mit überschüssigem, verwertungshungrigem Kapital aus: der Virologe und der Milliardär. Der Tunnelblick der Spezialisten paart sich mit der Technikgläubigkeit von Staatslenkern und Investoren.

Der Mensch wird dabei zum Geschäftsfeld. Seiner sozialen Interaktionsfähigkeit durch Ausgangssperren und Isolation beraubt, wurde seine Widerstandsfähigkeit geschwächt. Die medial und politisch verbreitete Angst macht ihn willfährig für Heilsversprechen.

Von der medizinischen Injektion bis zur technischen Überwachung ist er bereit, sich auszuliefern — angeblich der Gesundheit wegen. Impfung und Tracking werden als technische Lösungen, zu denen es angeblich keine Alternativen gibt, verkauft.

Wenn es dem großen Kapital gelingt, diesbezüglich gesellschaftliche Akzeptanz zu erreichen, dann stehen dem großen Geldverdienen nur mehr kleinere technische Hürden im Weg.

Bill Gates scheint dies zu gelingen. Er hat ein Netzwerk aus Gesundheitsorganisationen, Politik und Medien geflochten, das nun seiner ökonomischen Realisierung harrt. Ob er selbst davon profitiert oder sein Einsatz philanthropischer, also menschenfreundlicher Natur ist, wie immer wieder behauptet, ist dabei zweitrangig. Denn die Tür ist aufgestoßen für ein weites Feld an Verdienstmöglichkeiten am menschlichen Körper. Das Virus wurde als Instrument dafür genutzt, die Angst in die Gesellschaft gepflanzt, der autoritäre Staat als Verwalter dieses Zustandes installiert. Gewaltige Testungs-, Impf- und Überwachungsprogramme können nun unter seiner Ägide stattfinden.

Mit Gesundheitspolitik hat dies nichts zu tun, es ist die Auslieferung der menschlichen Gesundheit an wirtschaftliche Interessen. Dem Einhalt zu gebieten, ist quer durch die politischen Lager zum Gebot der Stunden geworden.


Quellen und Anmerkungen:

Von Hannes Hofbauer erscheint im Herbst 2020 — gemeinsam mit Stefan Kraft — das Buch „Lockdown 2020. Wie ein Virus dazu benützt wird, die Gesellschaft zu verändern“ im Wiener Promedia Verlag.