Die Liebe reaktivieren
In Zeiten des Chaos und der Endstimmung bleibt uns, die Liebe freizulassen.
In unseren letzten Lebensmomenten, so heißt es, bedauern die meisten von uns nicht, zu wenig gearbeitet oder konsumiert oder sich amüsiert zu haben, sondern der Liebe nicht genug Platz gegeben zu haben. Wenn sie von der Welt gehen, ist für viele der größte Schmerz, ihre Liebe nicht ausreichend gezeigt zu haben. Wem das klar wird, der muss nicht bis zu seinem letzten Atemzug warten, sondern kann jetzt damit beginnen, die Tore seines Herzens zu öffnen.
Liebe, das wissen diejenigen, die sie empfinden, ist die größte Macht auf der Erde, die höchste Kraft, die Kraft, die Berge versetzt. Für die Liebe sind Menschen in der Lage, durchs Feuer zu gehen, und bereit, die Hölle zu durchqueren. Sie geben ihr Leben, alles, was sie haben. Liebe macht auch vor dem Tod nicht halt. Sie ist unauslöschlich und lebt weiter, auch wenn der geliebte Mensch längst gegangen ist.
Liebe ist. Liebe ist wie das Licht, das uns umhüllt. Sie ist überall. Für die Liebe ist nichts unmöglich. Die Liebe kennt keine Angst. Sie berechnet nicht, sie fragt nicht um Erlaubnis und sie kümmert sich nicht um den Verstand. Liebe ist frei. Sie lässt sich nicht erzwingen. Nur auf dem Boden der Freiheit kann sie wachsen und zur Blüte kommen. Wo Erwartungen auf ihr lasten, Bedürftigkeiten oder Vorwürfe, da geht sie ein.
Die Liebe will sich nicht besitzen lassen. Sie lässt sich nicht in Ketten legen oder in ein Museum sperren. Liebe gehört niemandem. Sie ist für alle da. Je mehr wir von ihr geben, desto größer wird sie. Wir müssen nichts tun, als ihr die Tür zu öffnen. Allein unser eigener Widerstand kann die Liebe draußen halten. Wenn Misstrauen, Berechnung, Härte und Stolz ihr den Weg versperren, drängt sie sich nicht auf. Sie respektiert unsere Entscheidungen und lässt uns freie Wahl.
Den Kelch füllen
Es ist an uns, die Liebe einzuladen. Sie kommt, wenn wir ihr einen Raum bereiten. Sie lässt sich nicht erbetteln, sondern kommt als Geschenk, wenn wir ihr entgegenwachsen.
Wie in einen Kelch fließt sie in uns hinein. Trinken wir zunächst selber davon, bevor wir sie mit anderen teilen. Wir können nicht geben, was wir nicht haben.
Nehmen wir das Geschenk an, uns geliebt zu fühlen. Wir sind erwünscht! Über unzählige Generationen ist das Leben zu uns gekommen. Unzählige Paare haben sich vereint, bis wir geboren werden konnten. Unzählige Hindernisse sind überwunden worden, um uns in unserer Einzigartigkeit willkommen zu heißen. Auch wenn unsere Eltern uns nicht wollten oder unsere Familie uns nicht zu lieben weiß — die Mutter Erde hat uns aufgenommen.
Wir werden geliebt. Der Boden unter unseren Füssen gibt uns Halt. Die Sonne wärmt uns, das Wasser erfrischt uns, und sanft streichelt uns die Brise. Die Blumen erfreuen uns mit ihrem Duft und die Vögel mit ihrem Gesang. Wenn wir nur aufmerksam sind, dann spüren wir, wie alles danach ruft, von uns wahrgenommen zu werden. Wer so durch die Welt geht, der ist nicht allein. Aus der tiefen Verbundenheit mit dem Lebendigen um uns herum erwächst das Wissen, gehalten zu sein, wie auch immer unsere Lebenssituation gerade ist.
Große Liebe
Unerschöpflich ist die Quelle der Liebe für den, der aus ihr zu trinken beginnt. Das ist es, was wir jetzt tun können. In einer Zeit, in der der Himmel über unseren Köpfen einzustürzen droht, in der unser aller Leben bedroht ist, in der der Mensch riskiert, in ein seelenloses Objekt verwandelt zu werden, laben wir uns an der Quelle der Liebe. Nicht von der kleinen Liebe ist hier die Rede, die zwei Personen einschließt, sondern von der ganz großen Liebe, die alle umfängt.
Lassen wir sie strömen. Lassen wir die Erinnerung an uns erwecken, dass wir Liebe sind. All die schmerzhaften Erfahrungen, die wir gemacht haben, sind aus der Illusion heraus entstanden, wir seien etwas anderes. Jetzt, in der Zeit der Enthüllungen, erkennen wir das Geschenk, das es nun mit anderen zu teilen gilt. Strahlen wir wie die Sonne, die auf jeden scheint und die keinen Unterschied macht zwischen Alten und Jungen, Kranken und Gesunden, Weisen und Narren.
Lassen wir die Liebe los! Lassen wir sie frei sein. Frei von Angst, frei von Gewalt, frei von Besitzansprüchen, frei von allem, was sie einengt (1). Lieben wir einander! Schließen wir uns an das Feld der Liebe an, das immer da ist. Wir müssen es nicht suchen. Alles, was wir zu tun haben, ist, unser Herz zu öffnen.
Öffnen wir die Schleusen, die das Wasser zurückgehalten haben. Ist der Damm einmal gebrochen, breitet es sich überall aus. Es dringt in jede Ritze, unter jede Tür, in jeden Keller. Tropfen für Tropfen durchdringt es den vertrocknetesten Boden, die verschlossensten Herzen. So verschwimmt die alte Schrift der Unterdrückung und der Gewalt. Im Buch des Lebens wird eine neue Seite aufgeschlagen und eine neue Geschichte geschrieben, die nicht von siegreichen Herren erzählt, sondern von Frauen und Männern, die es geschafft haben, einander zu erkennen, von Menschen, die sich wirklich begegnen.
Quellen und Anmerkungen: