Die letzte Bastion
Um dem globalen Amokläufer USA Paroli zu bieten, müssen sich die Europäer endlich für Frieden und Kooperation einsetzen.
Die amerikanische Öffentlichkeit wird erneut auf einen gefährlichen Weg in Richtung Krieg geführt. Diesmal mit dem Iran. Krieg wäre katastrophal und muss unter allen Umständen verhindert werden. Die US-Regierung eskaliert und im Iran gewinnen Hardliner die Oberhand, die dem Westen nicht vertrauen. Diplomaten wie Außenminister Zarif verlieren an Boden. Andere Länder müssen sich der Herausforderung stellen, einen Krieg zu verhindern. Ob sie es mögen oder nicht, Deutschland und weitere Länder der Europäischen Union (EU) sind jetzt die letzte Zuflucht, um den Frieden zu wahren.
Gefährliche US-Gesetzlosigkeit
In den letzten Monaten besuchte ich den Iran mit einer Delegation von US-Bürgerdiplomaten und Washington, DC, wo ich mich professionell mit Mitarbeitern von Senatsmitgliedern sowie Organisationen traf, die versuchen, einen Krieg mit dem Iran zu verhindern. In meiner Heimat in Oregon habe ich kurz nach den jüngsten Angriffen auf Öltanker im Golf von Oman mit einer Gruppe von iranischen Mitbürgern an den voraus denkenden Kongressabgeordneten Earl Blumenauer appelliert, die Verhinderung des Krieges mit Iran zur Priorität in Washington, D.C. zu machen.
Wir mussten ihn nicht überzeugen, aber trotz der Mehrheit im Repräsentantenhaus strahlte er nicht viel Optimismus bezüglich dieser Situation aus. Zu gesetzlos sei der Präsident, zu skrupellos wären die Kriegstreiber um ihn herum. Der Abschuss der US-Spionagedrohne am 20. Juni 2019 sowie die erneut verschärften Sanktionen bringen uns noch näher an einen Krieg.
In den USA hat der Kongress anscheinend die Befugnis verloren, den Krieg zu erklären. Die Exekutive drängt auf Krieg. In Gesprächen offenbarten die Gesetzgeber ein Gefühl der Verzweiflung darüber, wie sehr Trump die Grundsätze und Regeln des Regierens missachtet. Die Folgen eines von den USA eingeleiteten Krieges wären katastrophal: Opfer auf allen Seiten, eine weitere Destabilisierung des Nahen Ostens, eine verstärkte Flüchtlingskrise, ein erhöhtes Risiko der Verbreitung von Atomwaffen und eines Atomkrieges sowie die Verschwendung von Billionen Dollar.
Die eskalierenden Aktionen der Trump-Administration sind ein Angriff auf die Souveränität und Unabhängigkeit des Irans als Nation.
Iraner kennen ihre Geschichte und die Rolle von Außenstehenden. Das iranische Volk hat das Recht, seinen eigenen Weg zu bestimmen. Die Tatsache, dass Donald Trump, Mike Pompeo und John Bolton sich nicht um ihre Freiheit oder ihr Leiden kümmern, ist dem hoch gebildeten iranischen Volk mit Sicherheit bewusst.
Stattdessen wird die Eskalation der Bedrohungen die Iraner mit großer Wahrscheinlichkeit dazu veranlassen, sich gegen die amerikanische Regierung zu wehren, welche erneut gezeigt hat, dass ihr nicht vertraut werden kann. Wie der iranische Außenminister Zarif unserer Delegation sagte, war Irans größtes Verbrechen in Bezug auf die USA die Entscheidung, unabhängig zu sein.
Deutsche und europäische Neudefinition globaler Sicherheit und Stabilität
Deutschland und andere europäische Nationen müssen sich an der Schwelle des Krieges unabhängig verhalten, mutig sein und eine moralische Führungsrolle übernehmen, die über den Iran hinausgeht und sich auf globale Stabilität und Sicherheit erstreckt. Es beginnt damit, dem Druck der USA zu trotzen und unermüdlich und kreativ an der Einhaltung der Verpflichtungen des Iran-Atomabkommens zu arbeiten, zum Beispiel durch die Instex-Zweckgesellschaft, die es EU-Unternehmen ermöglichen würde, trotz US-Sanktionen Geschäfte mit dem Iran zu machen.
Laut Stephen Miles, Direktor von Win Without War, einer Organisation, die sich für eine friedlichere US-Außenpolitik einsetzt, verzichtet die USA völlig darauf, auf der internationalen Bühne zu kollaborieren und wählt stattdessen einen Weg des Konflikts und der Konfrontation. Des Weiteren wird der Weg Europas, so Miles, nicht nur das Atomabkommen definieren, sondern auch die umfassendere Frage, welche Rolle Europa in den internationalen Beziehungen des 21. Jahrhunderts spielen wird. Jetzt ist nicht die Zeit, unter dem Druck der USA darüber nachzudenken, wie man es Trump recht machen kann. Drei Bereiche, die in der Friedenswissenschaft als positive globale Entwicklungen bezeichnet werden, bieten Gelegenheit für die notwendige Führung und eine Neudefinition globaler Sicherheit und Stabilität.
Erstens muss die globale Zusammenarbeit durch die ernsthafte Einbindung bestehender supranationaler Institutionen und Mechanismen vorangetrieben werden. Zum Beispiel wurden die Vereinten Nationen nach dem Zweiten Weltkrieg gegründet, um „nachfolgende Generationen vor der Kriegsgefahr zu retten“. Trumps Drohgebärden, den Iran „auszulöschen“, ist ein klarer Verstoß gegen Artikel 2.4 der Charta der Vereinten Nationen, der solche Bedrohungen an andere Staaten untersagt.
Die Europäische Union, ein Friedensnobelpreisträger, muss als einzigartige und politische Partnerschaft ihre inneren Turbulenzen aus dem Weg räumen und sich voll dafür einsetzen, dem US-amerikanischen Weg in Richtung Krieg entgegenzuwirken.
Zweitens müssen konstruktive Praktiken der Konflikttransformation erschöpfend eingesetzt werden. Wenn Vermittlungs- und Verhandlungsprozesse mit vollem Einsatz und voller Kraft betrieben werden, wird Krieg niemals das sogenannte letzte Mittel sein. Manchmal muss ein Konflikt sogar eskaliert werden, um ihn zu transformieren. Europa kann dies tun, indem es den Konflikt vor die Haustür der USA bringt. Trumps Behauptungen über den schlechten Atomdeal und seine absurde Vorstellung, dass er ihn neu verhandeln will, müssen entlarvt werden. Lügen über iranische Provokationen müssen entlarvt werden. Über die Tatsache hinaus, dass der Iran dem Abkommen gefolgt ist, bietet die Trump-Regierung nicht einmal realistische Ansatzpunkte für eine Neuverhandlung für etwas an, das bereits funktioniert. Deutschland muss die USA als Kriegshetzer bezeichnen.
Drittens können die Iraner ihre eigene Zukunft auf den Fortschritten des sozialen Wandels auf globaler Ebene gestalten. Diejenigen im Iran, die nach besseren Menschenrechten, Frauenrechten, weniger Korruption und anderen Verbesserungen streben, können dies tun, indem sie auf den Erfolgen anhaltender gewaltfreier Bemühungen aufbauen. Macht der Iran solche internen Veränderungen ohne Sanktionen und Kriegsgefahr durch, nimmt er in der internationalen Gemeinschaft einen angesehenen Platz ein. Europa sollte die Legitimität der iranischen Regierung anerkennen und gleichzeitig Veränderungen innerhalb des Landes unterstützen. Dies nimmt den Militärinterventionisten wie US-Außenminister Pompeo und dem Nationalen Sicherheitsberater Bolton den Wind aus den Segeln, wenn sie so dringend den „Iranern ihre Freiheit“ einräumen wollen.
Die USA provozieren, nicht Iran
Unbestritten ist das iranische Regime problematisch. Deutschland und die EU dürfen jedoch nicht in die Falle tappen, sich in die Krise der USA verwickeln zu lassen. Sie dürfen nicht zulassen, dass sich der Diskurs auf iranische Provokationen verlagert. Keine Handlungen des Irans als Reaktion auf die Bedrohungen und Provokationen der USA dürfen zu einer weiteren Eskalation führen, geschweige denn zu militärischen Maßnahmen. Die Haltung des Iran war und ist defensiv, und man muss diese genau so verstehen, auch wenn man nicht damit einverstanden ist. Es darf keine „Koalition der Willigen“ geben, sondern die Benennung der USA als Paria, wenn es um internationalen Frieden und internationale Stabilität geht.
Deutschland und Europa können eine Führungsrolle übernehmen, indem sie sich mit Nachdruck gegen die USA wehren und gleichzeitig eine Agenda der Deeskalation vorantreiben.
Aus den Studien und der Geschichte des Krieges wissen wir zweifelsohne, dass die menschlichen, wirtschaftlichen und Umweltkosten jedes Krieges die Kosten und Anstrengungen der oft schwierigen Diplomatie in den Schatten stellen. Wir Deutschen kennen es aus unserer eigenen Geschichte, und nach meiner persönlichen Erfahrung mit den Menschen im Iran kenne ich 80 Millionen Gründe dort und 328 Millionen Gründe hier in den USA, nicht gegen das iranische Volk in den Krieg zu ziehen.