Die Leidgenossen
„Neutralität“ bedeutet für die Schweiz teilweise nur, dass Rüstungsgüter wahllos in alle Welt geliefert werden.
Die Alpenrepublik pflegt gern ihr Image als friedfertige Nation, die sich aus allem raushält und damit immer gut gefahren ist. Aber wie friedfertig ist ein Land, dessen Waffen in 71 Ländern der Erde töten oder das Morden vorzubereiten helfen? Noch immer hat die Schweiz ihre Kriegsmaterialexporte, die Finanzierung von Waffengeschäften und die groß angelegten Investitionen in die Rüstungsindustrie nicht gestoppt. Das Land exportierte 2019 Rüstungsgüter im Wert von 728 Millionen Franken. Das sind 733 Millionen Euro und 0,23 Prozent der gesamten Warenausfuhr der Schweizer Wirtschaft. Damit hat das Land 2019 um 43 Prozent mehr Kriegsmaterial ausgeführt als 2018 (1). Von der Finanzierung von Kriegen durch Schweizer Banken ganz abgesehen. Mit Waffenexporten werden nicht nur Kriege geschürt, auch massive Fluchtbewegungen werden damit ausgelöst.
Vor allem ausländische Rüstungskonzerne machten 2019 das große Geschäft mit Kriegsmaterial, mit der Produktion von Waffen in der „neutralen“ Schweiz: Die Firma Mowag, im Besitz des US-Rüstungskonzerns General Dynamics (2), lieferte Dänemark für 150 Millionen Franken = 141,6 Millionen Euro Radpanzer und Rumänien für 111 Millionen Franken = 104,8 Millionen Euro auch solche schwer bewaffnete Fahrzeuge. Die deutsche Waffenschmiede Rheinmetall verkaufte Bangladesch für 55 Millionen Franken = 51,9 Millionen Euro Flugabwehrsysteme mit Munition. Nach Deutschland wurden für 68 Millionen Franken = 64,2 Millionen Euro Munition und Munitionskomponenten abgesetzt.
Ausfuhr Kriegsmaterial aus der Schweiz des Jahres 2019 (nach Empfängerstaaten)
Neben den Kriegsmaterialausfuhren der Schweiz, die in der Statistik des Staatsekretariats für Wirtschaft aufgelistet sind, verkaufte das Land auch sogenannte besondere militärische Güter.
Foto: www.waffenvombodensee.com (2)
Foto:schattenblick.de. Demonstration gegen Rheinmetall in Deutschland
Der Fall Crypto AG: Neutralität sehr kleingeschrieben
Die offiziell erklärte Neutralität der Eidgenossenschaft spielt beim Geschäft mit dem Krieg keine Rolle. Es gilt die Devise: Den mächtigen Vereinigten Staaten von Amerika und ihren NATO-Vasallen darf man nicht vor den Kopf stoßen. Die Schweiz ist ja quasi Mitglied der NATO und hilft mit Kriegsmaterialexporten, ihrer Armee, den Diplomaten und ihrem Nachrichtendienst, den Frieden in der Welt zu fördern und zu sichern… Und: Geschäft ist Geschäft.
Dazu ein krasses Beispiel: Die Firma Crypto AG in Steinhausen im Kanton Zug in der Schweiz war seit 1970 im Besitz des US-Geheimdienstes CIA und des deutschen Nachrichtendienstes (BND), wie kürzlich bekannt wurde. In Armeekreisen, dem Nachrichtendienst und einigen Mitgliedern der Regierung in Bern war das längst bekannt. Die Crypto AG verkaufte ausländischen Staaten manipulierte Chiffriergeräte. So konnten die CIA und der BND den vertraulichen Nachrichtenverkehr, die verschlüsselten Informationen, zahlreicher Regierungen und amtlicher Institutionen mitlesen. Die Operation Crypto AG des CIA und des Bundesnachrichtendienstes war ein Erfolgsprojekt, auf das der frühere deutsche Geheimdienstkoordinator Bernd Schmidbauer bis heute noch stolz ist (3).
Finanzierung von Waffengeschäften und Investitionen in Rüstungskonzerne
Die Finanzierung von Waffengeschäften durch Schweizer Geldinstitute wird vom Staatssekretariat für Wirtschaft nicht veröffentlicht. Die Schweizer Nationalbank, Banken, Versicherungen und Pensionskassen Helvetiens investieren auch in Rüstungskonzerne, sogar zum Teil in Unternehmen, die an der Atomwaffenproduktion, an der Herstellung von Personenminen und Clusterbomben beteiligt sind, Waffen, die in der Schweiz längst verboten sind. Der Bundesrat, die Bundesanwaltschaft, der Nachrichtendienst und das Bundesgericht ignorieren diese widerrechtlichen Investitionen in Firmen, die an der Produktion von verbotenen Waffen beteiligt sind und ebenso schweigen sie zu den Waffenexporten an Krieg führende Staaten. Seit dem 25. Februar 1998 heißt es nämlich im Artikel 5 der Kriegsmaterialverordnung:
„Kriegsmaterialexporte sind verboten, wenn das Bestimmungsland in einem internen oder internationalen bewaffneten Konflikt verwickelt ist“ (4).
Die Bundesrätinnen und Bundesräte haben im letzten Jahr, wie schon früher, trotz dieser klaren Bestimmung in der Kriegsmaterialverordnung immer wieder Waffenexporte an Staaten bewilligt die „in einen internen oder internationalen bewaffneten Konflikt verwickelt sind“, an Krieg führende NATO-Staaten und an feudale, diktatorische, folternde Regimes. In ähnlicher Form wurde schon 1973 eine sehr restriktive Bestimmung in die Kriegsmaterialverordnung aufgenommen, damals um den Waffenausfuhrgegnern vor der Volksabstimmung über ein Verbot der Kriegsmaterialexporte den Wind aus den Segeln zu nehmen.
USA führt Krieg: Trotzdem ein guter Kunde der Schweizer Rüstungsindustrie
Den USA lieferte die Schweiz im letzten Jahr für 27,1 Millionen Franken, das sind 25,5 Millionen Euro, Rüstungsgüter, einem Staat, der seit über 18 Jahren in Afghanistan Krieg führt, am Krieg in Syrien und im Irak beteiligt ist und den Krieg im Jemen mit anderen NATO-Staaten logistisch unterstützt.
Im letzten Jahr, 2019 hat die US-Luftwaffe mehr Luftangriffe in Afghanistan durchgeführt als in jedem Jahr des letzten Jahrzehnts.
Bemannte und unbemannte Flugzeuge warfen 7.423 Bomben in Afghanistan ab und überflügelten damit das bisherige Zehnjahreshoch von 7.362 im Jahr 2018. Fast zwei Jahrzehnte nach dem Beginn des Krieges in Afghanistan wirft die US-Regierung auf das Land durchschnittlich 20 Bomben pro Tag ab. Diese Luftangriffe haben zu einer Zunahme ziviler Opfer geführt. Laut einem Bericht der UNO vom Dezember 2019 haben amerikanische Angriffe von Januar bis Oktober 2019 579 Zivilisten das Leben gekostet und 306 wurden verwundet, das ist ein Drittel mehr als 2018. Wird jetzt der Krieg in Afghanistan nach den Verhandlungen der USA mit den Taliban ein Ende nehmen? Was zu hoffen ist (5).
Schon unter US-Präsident Bush Junior begannen die USA, des Terrorismus Verdächtige mit Drohnen zu töten. Barack Obama ordnete Drohnenmorde wöchentlich persönlich an. Donald Trump ließ dann den US-Streitkräften freie Hand, solche Hinrichtungen durchzuführen. Bei diesen Attacken in Afghanistan, Pakistan, Somalia, Libyen, dem Irak und im Jemen kommen immer viele Zivilisten um, die sich in der Nähe der als Terroristen Identifizierten befinden. Diese Vollstreckungen von Todesurteilen ohne Anklage, ohne Gerichtsverfahren, ohne ein Beweisverfahren sind völkerrechtswidrig. Der Drohnenkrieg der USA wird über den US-Luftwaffenstützpunkt Ramstein geführt. Diese Terror-Mordoperationen der USA via Ramstein finden mit dem stillen Einverständnis der deutschen christlich-sozialdemokratischen Regierung in Berlin statt (6).
Militarisiertes Deutschland: einer der besten Kunden
Deutschland ist seit Jahren einer der besten Kunden der Schweizer Todesindustrie, trotz der Drohnenmorde via Ramstein und der zahlreichen militärischen Operationen, an denen sich die wieder militarisierte BRD beteiligte. Deutschland ist seit Jahrzehnten wie andere NATO-Staaten immer wieder „in interne oder internationale bewaffnete Konflikte verwickelt“, beteiligte und beteiligt sich an Kriegen, auf dem Balkan, in Afghanistan und so weiter. Die Bundesrepublik erhielt dennoch 2019 für 125,8 Millionen Franken = 118,9 Millionen Euro Kriegsmaterial aus der Schweiz.
Daneben produzierte der schweizerische Rüstungsbetriebe RUAG in der BRD, wie auch in Schweden, Frankreich, Österreich, Ungarn, Australien und den USA. Für die im Ausland produzierten Rüstungsgüter der schweizerischen RUAG gelten die oft lascheren Exportrichtlinien des ausländischen Staates. Die RUAG gehört in Europa zu einem der führenden Produzenten von Munition für Gewehre und andere Kleinwaffen.
Sturmgewehrmunition, die die deutsche Bundeswehr den Kurden im Irak lieferte im Kampf gegen den sogenannten Islamischen Staat, wurde von der RUAG Ammotec in Deutschland produziert. Es soll sich damals bei dieser Lieferung von RUAG-Ammotec-Munition in den Irak um vier Millionen Schuss gehandelt haben.
Luftangriffe töten nicht nur Al Shabab Kämpfer
Das US-Militär hat 2019 auch in Somalia bereits mehr Luftangriffe durchgeführt als in jedem Jahr zuvor. Laut Amnesty International wurden bei diesen Luftschlägen durch US-Drohnen und Jets viele Menschen getötet, die nicht Kämpfer der Al Shabab waren. Bis heute hat Al Shabab jedoch nach wie vor die Kontrolle über große ländliche Gebiete Somalias und führt weiterhin Anschläge in städtischen Zentren durch, trotz der Intervention der somalischen Armee, der AMISOM, der Friedenstruppe der Afrikanischen Union in Somalia, und den Bombardierungen der USA (7, 8).
Frieden kann nicht mit Bombardierungen erreicht werden
„Der Weg zum Frieden kann in Somalia nicht mit Bombardierungen erreicht werden. Um die Gewalt zu verringern, muss es einen politischen Prozess geben, der es den Menschen ermöglicht, miteinander zu sprechen, anstatt aufeinander nur zu schießen und zu töten“, sagte Michael Keating, der von Januar 2016 bis September 2018 in Somalia Leiter der UNO Somalia Mission war, der UNSOM.
Die seit Jahrzehnten währenden militärischen Aggressionen der USA und heimlichen und offenen Regime Change Operationen haben heute wieder eine gefährliche Schwelle erreicht, die die Welt in einen Abgrund reißen könnte.
Die von Donald Trump angeordnete Ermordung des iranischen Generals Soleimani war ein Kriegsakt gegen den Iran (9).
Stopp Kriegsmaterialexporte, Finanzierung Waffengeschäfte und Investitionen in die Rüstungsindustrie
Den Krieg führenden Vereinigten Staaten von Amerika und ihren NATO-Satelliten Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Italien und so weiter dürfte die Schweiz kein Kriegsmaterial mehr verkaufen, wie dies seit bald 50 Jahren in der Kriegsmaterialverordnung festgeschrieben ist.
Die Schweizer Nationalbank, Banken, Versicherungen und Pensionskassen versichern heute immer wieder wie „nachhaltig“ und „ökologisch“ sie ihre Gelder neuerdings investieren. Dennoch finanzieren diese Geldhäuser immer noch Waffengeschäfte und legen Milliarden in Rüstungsunternehmen an, da all die Konflikte und die militärische Aufrüstung hüben wie drüben maximale „nachhaltige“ Renditen erwarten lassen. Auch die Pensionskasse der Schweizerischen Bundesbahnen, der SBB, investiert in Rüstungskonzerne, ohne dass dies von der Gewerkschaft des Verkehrspersonalverbandes verhindert wird.
Krieg bleibt ein gutes Geschäft, für einige wenige …
Quellen und Anmerkungen:
(1) https://www.seco.admin.ch/seco/en/home/seco/nsb-news.msg-id-78277.html
(2) https://www.waffenvombodensee.com/mowag-kreuzlingen/
(3) https://www.infosperber.ch/Artikel/Politik/Crypto-Schweiz-Neutralitat-Geschichte
(4) https://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/19980112/index.html
(5) https://www.globalresearch.ca/us-airstrikes-afghanistan-hit-ten-year-high-2019/5702284
(6) https://www.sueddeutsche.de/politik/prozess-in-koeln-us-drohnenkrieg-darf-ueber-ramstein-laufen-1.2495841
(7) https://www.amnesty.org/download/Documents/AFR5210562019ENGLISH.pdf
(8) https://de.statista.com/statistik/daten/studie/799382/umfrage/luftschlaege-in-somalia-durch-die-usa/
(9) https://www.globalresearch.ca/we-re-going-to-take-out-7-countries-in-5-years-iraq-syria-lebanon-libya-somalia-sudan-iran/5166