Die Hybris der USA

Der Bruch des Atomabkommens mit dem Iran könnte sich rächen.

Der Iran ist Trumps aktueller Lieblingsfeind. Ihn soll der Bannstrahl der „westlichen Wertegemeinschaft“ treffen. Hinfort also auch mit den Handelsbeziehungen der EU mit dem Iran. Craig Murray zeigt in seinem Kommentar, dass die USA mit ihrem Allmachtsanspruch diesmal vielleicht zu weit gegangen sind und der Schuss auf längere Sicht nach hinten losgehen könnte.

Trumps amerikanische Hybris

Die USA haben bisher ohnehin so gut wie keinen Handel mit dem Iran getrieben. 2017 beliefen sich die US-Exporte in den Iran insgesamt auf nur 138 Millionen Dollar, die Importe auf gerade mal 63 Millionen Dollar, beides völlig unbedeutende Zahlen für die US-Wirtschaft. Im Gegensatz dazu beliefen sich die Gesamtimporte und -exporte der EU in und aus dem Iran im selben Jahr auf eine wesentlich entscheidendere Summe von jeweils 8 Milliarden Dollar. Für 2018 ist gar ein Anstieg auf 10 Milliarden Dollar prognostiziert.

Geplatzte Deals

Ein sehr bedeutsamer US-Deal ist zurzeit in Planung: der Verkauf von Boeing-Maschinen im Wert von 18 Milliarden US-Dollar. Dieser Deal wird nun platzen.

Das bringt uns zum springenden Punkt. Wird Amerika seinen Willen durchsetzen? Airbus hat ebenfalls Aufträge aus dem Iran im Wert von über 20 Milliarden Dollar, deren Einstellung nun gleichfalls zu erwarten ist, da Airbus-Maschinen Bauteile und Technologie mit US-Lizenzen enthalten. Es ist zwar möglich, doch unwahrscheinlich, dass die USA für Airbus eine Ausnahme machen – sehr unwahrscheinlich, würden sie doch den Ärger von Boeing auf sich ziehen.

Nun ist ein 20-Milliarden-Dollar-Auftrag allein für Airbus wohl nicht Anlass genug, Flugzeuge zu entwickeln, die ohne US-Bauteile und -Technologie auskommen (die einen Anteil von 8 Prozent der Kosten einer Maschine ausmachen). Jedoch ist der Verlust eines 20-Milliarden-Dollar-Auftrags durch solch willkürliche Entscheidungen von Seiten Trumps sicher ausreichend, zukünftig in Hinblick auf Forschung und Entwicklung umzudenken, damit Airbus-Maschinen keinem durch die USA verhängten Lieferstopp mehr ausgesetzt sind. Sollte der Iran beim Boeing-Auftrag außerdem auf Airbus umschwenken, reicht dieser Auftrag, der sich dann ja auf 38 Milliarden Dollar beliefe, sicher aus, um bei Airbus zu Überlegungen darüber zu führen, welche Anpassungen möglich wären, die innerhalb von Jahren, nicht Jahrzehnten umsetzbar sind.

Wirtschaftliche Wagnisse

Was für die Flugzeugindustrie gilt, lässt sich auch auf andere Branchen übertragen. Bei diesem Versuch, einseitige Sanktionen gegen den ausdrücklichen Wunsch seiner „alten“ europäischen Verbündeten durchzusetzen, wetten die USA darauf, dass ihre globale wirtschaftliche Macht, zusammen mit der ihrer „neuen“ Partner Israel und Saudi-Arabien, ausreicht, ihren Willen gegenüber den Europäern durchzusetzen. Das ist offensichtlich eine geopolitische Kurzschlusshandlung. Wirtschaftlich gesehen ist es vermutlich sogar ein noch kühneres Wagnis.

Die Details bleiben abzuwarten, doch nach dem Vorausgegangenen werden sich Trumps Sanktionen gegen den Iran auch als Sanktionen gegen weitere Staaten auswirken, die mit dem Iran Handel treiben. Zumindest werden Finanztransaktionen über US-Banken behindert und Partnerunternehmen in den USA sanktioniert werden. In Zeiten jedoch, in denen der US-Anteil an der Weltwirtschaft und am Welthandel stetig abnimmt, wird sich diese Aufforderung an europäische und asiatische Unternehmen, ihren Kontakt mit den USA massiv einzuschränken, kaum als langfristig vorteilhaft für die Vereinigten Staaten erweisen. Während die Zeiten des US-Dollar als weltweite Referenzwährung gezählt sind, verstärkt dieser Anreiz, auf von den USA unabhängige Finanztransaktionen umzusteigen, einen bereits bedeutsamen globalen Trend.

Kurz gesagt: Sollten die USA es nicht schaffen, den wachsenden Handel zwischen Europa, Asien und dem Iran zu unterbinden – womit sie scheitern werden, wie ich glaube – dann wird dieser Moment von Historikern zukünftig als entscheidender Schritt im Abstieg der USA von ihrer Position als Weltmacht gewertet werden.

Gegen den Iran

Da ich bereits ausführlich zu diesem Thema geschrieben habe, konzentriere ich mich hier nicht weiter auf die kurzfristigen, alarmierenderen Gefahren eines Krieges im Mittleren Osten und die Torheit, Saudi-Arabien und Israel in ihrem gewaltsamen Vorgehen gegen iranische Interessen in der Region zu ermutigen. Das Gefühl der Ermächtigung jedoch, das Trump den ihm gleichgesinnten Soziopathen Netanyahu und Mohammed Bin Salman wohl gegeben hat, verheißt für die Welt gegenwärtig nichts Gutes.

Es würde mich doch sehr überraschen, wenn die von den USA, Israel und Saudi-Arabien gesponserten dschihadistischen Anschläge in Syrien und im Libanon, als Reaktion auf den jüngsten dortigen Wahlerfolg der Hisbollah, in absehbarer Zeit nicht zunehmen werden. Die demokratischen Fortschritte der Hisbollah haben diese drei Staaten überrascht und erzürnt. Die Mainstream-Medien haben jedoch kaum darüber berichtet, da es dem Narrativ der Neocons widerspricht. Zwar wirkt sich der Erfolg der Hisbollah weder auf das Amt des Präsidenten noch des Ministerpräsidenten aus – beide Ämter werden verfassungsgemäß nach Religionen vergeben – doch er verstärkt ihre Macht im libanesischen Staat und somit auch den Einfluss des Iran.

Der Iran ist ein Land, dessen Verhalten sich schwer voraussagen lässt. Ich hoffe, dass er sich an das Atomabkommen halten und abwarten wird, wie Europa sich mit der neuen Situation arrangiert, bevor er übereilte Entscheidungen trifft. Jedoch sieht sich der Iran nicht nur Trumps Provokationen ausgesetzt, sondern womöglich auch einer neuen Welle von anti-schiitischer Gewalt, die von Pakistan bis zum Libanon reichen könnte und eine Reaktion des Iran provozieren soll. Es liegen unruhige Wochen vor uns. Ich glaube nicht, dass selbst Netanyahu so verrückt sein kann, einen verfrühten Luftschlag auf den Iran selbst auszuführen, doch ich würde mein Leben nicht freiwillig darauf verwetten.

Das Problem ist allerdings, dass wir alle – da ja Russland ein militärisches Gleichgewicht im Mittleren Osten bewahren will – unsere Leben darauf verwetten.

Craig Murray ist Autor und Menschenrechtsaktivist. Zwischen 2002 und 2004 war er britischer Botschafter in Usbekistan und danach Rektor der University of Dundee.


Redaktionelle Anmerkung: Dieser Text erschien zuerst unter dem Titel „Trump’s Act of American Hubris". Er wurde vom ehrenamtlichen Rubikon-Übersetzungsteam übersetzt und vom ehrenamtlichen Rubikon-Korrektoratsteam lektoriert.