Die humanitäre Katastrophe

Während Deutschland in seiner unkritischen Verteidigung Israels verharrt, sprechen Menschenrechtsorganisationen in der Gaza-Frage bereits von Völkermord.

Seit nunmehr 16 Jahren ist die Bevölkerung des Gazastreifens gefangen und wird vom Staat Israel belagert. Bis zum 7. Oktober 2023 haben dort 2,2 Millionen Menschen nur dank humanitärer Hilfe prekär überlebt und sind davon abhängig geworden. Seit mehr als einem Monat sind die Gaza-Bewohner nun von jeglicher Grundversorgung abgeschnitten. Dies kann als kollektive Strafe Israels wegen des Hamas-Attentats gewertet werden. Es gibt kein Wasser, keinen Strom, keine Medikamente und auch keinen Treibstoff mehr. Keine humanitäre Hilfe darf die Blockade passieren. Hilfsorganisationen wie Ärzte ohne Grenzen, Amnesty International oder die UN-Organisation für die Hilfe von palästinensischen Flüchtlingen, UNRWA, haben sich von Anfang an deutlich geäußert. Der Staatsanwalt des Internationalen Gerichtshofs und der Hochkommissar für Menschenrechte der Vereinten Nationen sprechen sogar von Völkermord.

Der unerwartete Angriff der Hamas und die Kriegserklärung Israels

Wieder einmal sorgt die Gewalt in Israel und den besetzten palästinensischen Gebieten für Schlagzeilen in den Medien. Am Samstag, dem 7. Oktober 2023, fand am Ende der Suchkot-Feierlichkeiten ein Festival elektronischer Musik im Süden Israels statt. Ein Rave in einem Gebiet von Kibbuzim, drei Kilometer vom Zaun entfernt, der die Bevölkerung des Gazastreifens isoliert. Die israelische Armee war im Westjordanland konzentriert, um die Siedler während der Feiertage zu schützen. Unerwartet durchbrachen die Hamas-Milizen mit Bulldozern verschiedene Teile des Zauns und verließen diese in Lieferwagen, Motorrädern oder zu Fuß. Sie landeten auch mit Gleitschirmen dort und schossen in alle Richtungen.

Während diejenigen, die es konnten, flohen, nahmen die Milizionäre eine große Anzahl von Menschen gefangen und zerstreuten sich in der Region, um die benachbarten Städte anzugreifen. Die Reaktion der israelischen Regierung bestand darin, der Hamas den Krieg zu erklären. Benjamin Netanyahu sagte bei einem seiner Auftritte: „Bürger Israels, wir befinden uns im Krieg und wir werden gewinnen. Der Feind wird einen Preis zahlen, den er noch nie zuvor gekannt hat.“ Sofort begann die willkürliche und ebenso entsetzliche Vergeltung gegen die hinter Mauern eingeschlossene zivile Bevölkerung des Gazastreifens.

Gleichzeitig eskalierten die üblichen Angriffe bewaffneter israelischer Kolonisten auf Palästinenser im Westjordanland. So begann die erste Phase der israelischen Offensive: mit der systematischen Bombardierung der im Gazastreifen gefangenen Bevölkerung, die seit 16 Jahren niemand verlassen kann, außer durch die Checkpoints der israelischen Armee. Gleichzeitig wurden Wasser, Strom und andere Grundversorgungsdienste unterbrochen. Dann begann die Evakuierung der israelischen Bevölkerung 4 km vom Gazastreifen entfernt und es wurden bereits über 360.000 Reservisten der Armee herbeigerufen, um eine Strafoperation durchzuführen.

Was zusammen mit der Belagerung und der wahllosen Bombardierung der Zivilbevölkerung als Kriegsverbrechen eingestuft werden kann.

Auf zynische Weise, da niemand den Gazastreifen verlassen darf, wurden die Palästinenser dazu aufgerufen, das Gebiet zu verlassen. Eine grausame Ironie, wenn man gefangen ist.

Sie sollten nach Süden gehen, über den Fluss Wadi Gaza, der den Norden, wo sich die Hauptstadt befindet, vom Süden trennt. Dort ist der kleine Grenzübergang zu Ägypten, der ebenfalls geschlossen ist. Ägypten reagierte sofort. Wenn es die Absicht Israels ist, dass die Palästinenser das wenige Land, das ihnen geblieben ist, verlassen und zu Flüchtlingen werden, wird Ägypten sich nicht an Israels ethnischer Säuberungspolitik beteiligen. Jordanien wird das auch nicht mit den Palästinensern im Westjordanland tun. Nach 75 Jahren Zwangsvertreibung der palästinensischen Bevölkerung zeigt die Erfahrung, dass keiner der in den Nachbarländern der Region verstreuten palästinensischen Flüchtlinge zurückkehren durfte. Israels Ziel ist es, dass sie dort bleiben.

Der Gazastreifen

Der Gazastreifen ist ein von Israel kontrolliertes Ghetto, das größte Freiluftgefängnis der Welt, in dem 2,2 Millionen Palästinenser leben, auf einer Fläche von 360 Quadratkilometern, zwischen Ägypten, dem Meer und dem israelischen Gebiet, und von einem Zaun umgeben, von der israelischen Armee bewacht. Administrativ ist es ein autonomes Gebiet seit den Kairoer Abkommen, die am 4. Mai 1994 vom Führer der Palästinensischen Autonomiebehörde Jassir Arafat und dem israelischen Premierminister Isaac Rabin unterzeichnet wurden. Rabin wurde ein Jahr später von einem israelischen Radikalen, der zu der Gruppe gehörte, die jetzt an der Regierung ist, als „Verräter“ ermordet. Israel zog sich vor 16 Jahren aus den dort besetzten Gebieten zurück und schloss die palästinensische Bevölkerung hinter einer Mauer ein.

Seitdem sind 80 Prozent der Bewohner des Gazastreifens auf internationale humanitäre Hilfe angewiesen. Die meisten sind Enkel und Urenkel der 750.000 Palästinenser, die 1948 aus ihren Häusern vertrieben und Opfer ethnischer Säuberungen wurden. Die Hälfte der Bevölkerung sind Kinder und Jugendliche. Vor der aktuellen Blockade fuhren täglich 100 Laster in dem ummauerte Gebiet, die diese Hilfe lieferten.

Seit Israel am 7. Oktober die Lieferung humanitärer Hilfe verboten hat, sind nur 94 Lastwagen eingetroffen. Seit den unglücklichen Ereignissen vom 7. Oktober belagert Israel die Bevölkerung des Gazastreifens mit mittelalterlichen Methoden, die durch die Genfer Konventionen und die Abkommen zur Verhütung und Bestrafung von Völkermord verboten sind und bombardiert Tag und Nacht die Zivilbevölkerung, Schulen der Vereinten Nationen, Krankenhäuser, Kirchen und Wohnhäuser, die es zu militärischen Zielen erklärt.

Das UNRWA

Das Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten, (UNRWA), wurde am 8. Dezember 1949 eingerichtet, um den palästinensischen Flüchtlingen Bildung, medizinische Versorgung, humanitäre Hilfe und Sozialdienste zu gewährleisten. Sein Mandat wurde seitdem bis heute ununterbrochen um drei Jahre verlängert. Als Palästina-Flüchtlinge gelten für UNRWA die Menschen, „deren ständiger Wohnsitz zwischen 1. Juni 1946 und 15. Mai 1948 in Palästina lag und die ihren Wohnsitz und ihre Lebensgrundlage durch den Arabisch-Israelischen Krieg von 1948 verloren haben“. Eigentlich wurde UNRWA auf Zeit gegründet, bis zur Regelung der Palästinafrage. Damals waren es 0,5 Millionen Menschen.

Heute sind es schon um die 6 Millionen Palästinenser-Flüchtlinge, die UNRWA in Jordanien, Syrien, Libanon, Westjordanland und im Gazastreifen betreut. 2,2 davon sitzen im Gazastreifen fest, wo die humanitäre Krise mit dem Kollaps droht. Obwohl Israel die genauen Koordinaten seiner Einrichtungen hat, werden sie seit dem 7. Oktober bombardiert. Israel beschuldigt UNRWA, mit der Hamas zusammenzuarbeiten, vielleicht nur deshalb, weil viele seiner Arbeiter Palästinenser sind, und nennt als Vorwand: Hamas benutze sie für eigene Zwecke und als Verstecke für Raketen.

Netanjahus Ziel

Benjamin Netanjahu kündigte in den ersten Tagen an, dass er den Gazastreifen in eine „Trümmerinsel“ verwandeln werde und dass „jeder Mann der Hamas ein toter Mann sei“, während einer seiner Minister die Palästinenser als Tiere bezeichnete, die bestraft werden sollten. Die Entmenschlichung der Opfer ist der erste Schritt zur Durchführung eines Völkermords. Egal wie oft die Regierung Netanjahus verkündet, dass eine unbekannte Anzahl von Hamas-Mitgliedern getötet worden sei, seit dem 7. Oktober tut sie nichts anderes, als die Bevölkerung kollektiv zu bestrafen, was verboten ist.

Es heißt, das erste Kriegsopfer sei die Wahrheit. Das zweite ist die Mäßigung. Alle Staaten, die – wie es sich gehört – das Recht Israels auf Selbstverteidigung anerkannten, fügten immer hinzu, dass es dies verhältnismäßig tun müsse, weil die Gesetze, die das Recht auf Selbstverteidigung regeln, dies besagen. Es ist allgemein bekannt und nichts Neues, dass bei den üblichen Vergeltungsmaßnahmen Israels nach einem Angriff die Tötung von Palästinensern zur Routine gehört.

Wie viele palästinensische Leben kommen auf jeden israelischen Tod? Die Anzahl variiert, es sind aber immer viele. Anfang November, einen Monat nach dem Anschlag, sind bereits mehr als 10.000 Menschen im Gazastreifen gestorben. Die meisten davon sind Zivilisten und fast die Hälfte Kinder.

Die mehr als 32.000 Verwundeten werden in Krankenhäusern ohne Licht, ohne Betäubung und ohne Medikamente versorgt. Journalisten, die dort lebten, sind bereits gestorben. Nicht zu vergessen, dass Israel keine Medien von außerhalb zulässt. Auch viele humanitäre Helfer vor Ort sind gestorben. Aufgrund des Mangels an Trinkwasser breiten sich Krankheiten aus. Und unter den Trümmern der Bombenanschläge, die von Hand beseitigt werden müssen, verwesen die Toten, die nicht gerettet werden können.

Die Geiseln

Inmitten dieses kriegerischen Zirkels verzweifeln die Familien der Geiseln. Zumal Netanjahus zwanghafte Priorität die völlige Vernichtung der Hamas ist. Aron David Miller von der Carnegie Endowment for International Peace sagte in den ersten Tagen dieses Krieges:

„Die Hamas hat Geiseln genommen, um sich gegen israelische Vergeltungsmaßnahmen zu schützen, insbesondere für einen massiven Bodenangriff, und um sie gegen palästinensische Gefangene auszutauschen. Eine solch hohe Zahl an Geiseln muss zwangsläufig die Reaktion Israels einschränken.“

Doch der Schutz des Lebens der Geiseln scheint für Benjamin Netanjahu keine Priorität zu haben. In einigen Medien hieß es, 50 der Geiseln seien bereits durch die Bomben gestorben.

Schon in den ersten Tagen gab die Hamas die Bedingungen für deren Freilassung bekannt: die Freiheit aller Palästinenser in israelischen Gefängnissen und die Aufhebung der Blockade. Benjamin Netanjahu traf sich erst drei Wochen später mit einigen Angehörigen der Geiseln, als es im Land bereits kleine Demonstrationen gab, die seinen Rücktritt forderten. Die Familien der Geiseln haben ihn gebeten, über deren Freilassung zu verhandeln. Es gibt doch Möglichkeiten. In Katar. Und in 4 Fällen waren sie wirksam. Doch davon will Netanjahu nicht einmal etwas wissen. Verhandlungen über die Freilassung der Geiseln würden der Hamas einen Sieg bescheren. Er will es nicht tun, obwohl seine verzweifelten Verwandten ihn darum bitten.

Israels interne Probleme

Die von der extremen Rechten unterstützte Regierung Netanjahus, die extremistische und gleichzeitig schwächste Regierung, die der Staat Israel jemals hatte, befand sich bereits vor dem Hamas-Angriff in einer schwierigen Lage. Die Reformen, die er auf der Justizebene einführen will, um die ihm vorgeworfene Korruption zu vertuschen; die Veränderungen, die darauf abzielen, die israelische Demokratie in eine Theokratie umzuwandeln; die immer anspruchsvolleren Siedlerproteste und seine Expansionspolitik hatten ein soziales Aufsehen erregt und eine politische Krise erzeugt, die die Straßen mit Demonstranten füllte.

Monatelang demonstrierte die israelische Linke in Opposition zu Netanjahu gegen die Politik seiner Ultra-Regierung, lehnte die Expansion und die zionistischen Massaker ab und setzte auf ein friedliches Zusammenleben. Viele Reservisten wollten nicht ins Westjordanland gehen und die Proteste der Kibbuzim wuchsen. Doch angesichts des Hamas-Angriffs stellten sich alle auf die Seite der Regierung und die israelische Opposition stimmte der Bildung einer Koalitionsregierung zu. Nun kritisieren auch die Rechten Präsident Netanjahu. Heutzutage erweist sich das Sicherheitsgefühl in Israel als fiktiv und ist dem Terror gewichen. In Israel gibt es bereits Stimmen, die Netanjahu vorwerfen, allein für den Hamas-Angriff verantwortlich zu sein.

Ein verwickelter Konflikt

Der Angriff der Hamas und die gewaltsame Reaktion der israelischen Regierung haben die Palästinafrage wieder auf den Tisch gebracht, die für die Lage im Nahen Osten von entscheidender Bedeutung ist. Auch wenn man jahrelang versucht hat, sie herunterzuspielen oder sogar zu ignorieren. Selbst wenn die israelische Armee nun den gesamten Gazastreifen zerstört und alle seine Bewohner ausrottet, um die bewaffnete Gruppe der Hamas zu vernichten, die bisher unvorstellbare militärische Fähigkeiten entwickelt hat, wird der Palästinenserkonflikt nicht gelöst.

Für die jungen Menschen im Gazastreifen, die das Ghetto nie verlassen haben und unter ständiger Verletzung der Menschenrechte leiden, ist Israel ein Monster. Für Israelis sind Palästinenser blutrünstige Terroristen. Unter ihnen allen herrscht augenblicklich nur Terror, während im Gazastreifen eine humanitäre Krise enormen Ausmaßes kein Ende nimmt.

Eine Krise, die nicht von Regierungen angeprangert wird, sondern von Nichtregierungsorganisationen, die immer herbeieilen müssen, um Leben zu retten, wenn Politiker ihre Arbeit nicht machen.

Aufruf von Amnesty International

Amnesty International ist eine unparteiische weltweite Menschenrechtsorganisation, die dafür sorgt, schwere Verstöße gegen das Völkerrecht anzuprangern und Beweise davon zu dokumentieren. Mittlerweile hat sie bei der Gaza-Offensive der israelischen Streitkräfte Beweise für Kriegsverbrechen dokumentiert. Auf ihrer Webseite ist zu lesen:

„Amnesty International fordert Israel und alle bewaffneten palästinensischen Gruppen auf, ihren völkerrechtlichen Verpflichtungen zum Schutz ihrer Zivilbevölkerung nachzukommen. Die bewaffneten palästinensischen Gruppen müssen unverzüglich alle zivilen Geiseln freilassen und den wahllosen Raketenbeschuss auf Israel beenden. Israel muss sich an die Grundsätze des Völkerrechts halten, einschließlich der Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Unterscheidung und von kollektiver Bestrafung, Vergeltung und Vertreibung absehen.“

Agnès Callamard, ehemalige UN-Sonderberichterstatterin und aktuelle neue internationale Generalsekretärin von Amnesty International, appellierte am 26. Oktober 2023 im Namen der Organisation:

„Angesichts der beispiellosen humanitären Katastrophe, die sich von Tag zu Tag verschlimmert, ist ein sofortiger Waffenstillstand zwischen allen Parteien unabdingbar. Nur so können Hilfsorganisationen genügend Hilfsgüter in den Gazastreifen bringen und diese sicher und uneingeschränkt verteilen. Dies würde auch den Spitälern die Möglichkeit geben, lebensrettende Medikamente, Wasser und Geräte zu erhalten, die sie dringend benötigen, sowie beschädigte Krankenstationen zu reparieren.“

„Ein sofortiger Waffenstillstand ist der wirksamste Weg, um die Zivilbevölkerung zu schützen, da die Kriegsparteien weiterhin schwere Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht begehen und die Todeszahlen ununterbrochen steigen. Er könnte zudem Gelegenheit bieten, die sichere Freilassung von Geiseln zu erreichen.“

„Israels Verbündete und Geberstaaten müssen dringend die Einhaltung des humanitären Völkerrechts und den Schutz der Zivilbevölkerung fordern. Die Zivilbevölkerung in Gaza darf nicht als politischer Spielball benutzt werden. Die internationale Gemeinschaft muss davon absehen, die seit 16 Jahren andauernde illegale Blockade Israels weiter zu legitimieren, und den Transfer von Waffen, die für rechtswidrige Angriffe verwendet werden könnten, sofort stoppen.“

Die zweite Phase der israelischen Offensive

Unterdessen vergehen die Wochen und der israelische Angriff auf den Gazastreifen hört nicht auf. Netanjahu hatte von Anfang an einen langen Krieg angekündigt. Nach den massiven und kontinuierlichen Bombardierungen zur Vorbereitung des Bodeneinmarsches der im Süden Israels konzentrierten Soldaten und Reservisten ging es los.

Die Offensive begann in der Nacht des 27. Oktober mit dem Eindringen von Panzern durch den Zaun, der die palästinensische Bevölkerung von Norden und Osten umgibt. Es scheint sich um ein fortschreitendes Manöver zu handeln, um das Gebiet nördlich des Flusses Wadi Gaza einzukesseln. Die Panzer, die der Artillerie Deckung bieten, rücken in immer engeren Kreisen vor, um Gaza-Stadt einzukreisen und zu isolieren.

Es gibt anscheinend eine Art Kriegsprotokoll. Es erfordert eine Warnung, wenn man ein Krankenhaus bombardieren will, damit die Kranken abtransportiert werden können. Als die Bodenoffensive schon begonnen hatte, erhielt der Rote Halbmond von der israelischen Armee eine Warnung, das Al-Quds-Krankenhaus im Norden des Gazastreifens zu evakuieren, das bombardiert werden sollte. Im Krankenhaus befanden sich 14.000 Flüchtlinge und 400 Menschen auf der Station. Dies wurde auch von der Internationalen Föderation des Roten Kreuzes angeprangert, die von der israelischen Regierung verlangte, die Angriffe zu stoppen, um Leben zu retten, sicherzustellen, dass Krankenhäuser funktionieren und der Fluss humanitärer Hilfe innerhalb des Gazastreifens möglich ist.

Kriegsgefälligkeiten

Wie kann man diese Art von Kriegsgefälligkeit im Gazastreifen bezeichnen, wo man nirgendwo hingehen kann, und diejenigen, die einen bombardieren, die gleichen sind, die einem den Treibstoff entzogen haben, um sich fortbewegen zu können? Ein solches Vorgehen kann nur die Betroffenen weiter in Panik versetzen. So wie die Flugblätter, die der Bevölkerung befehlen, nach Süden zu ziehen. Der Direktor der World Health Organization, Tedros Adhanom Ghebreyesus, äußerte seine Besorgnis:

„Es ist unmöglich, Krankenhäuser voller Patienten zu evakuieren, ohne ihr Leben in Gefahr zu bringen. Nach dem humanitären Völkerrecht muss die Gesundheitsversorgung stets geschützt werden.“

Die Lage ist so extrem, dass sogar der nationale Sicherheitsberater der Vereinigten Staaten, Jake Sullivan, am Sonntag, dem 29. Oktober, die israelische Regierung daran erinnerte, dass sie „alles tun müsse, um zwischen Hamas und Zivilisten zu unterscheiden, die keine legitimen militärischen Ziele sind“.

Und Joe Biden forderte Netanjahu wiederholt auf, humanitäre Hilfe sofort in den Gazastreifen zu lassen, und erinnerte ihn daran, dass er sich an das Völkerrecht halten muss, das den Schutz der Zivilbevölkerung in den Vordergrund stellt. Am selben Wochenende kam es weltweit zu mehreren Demonstrationen, bei denen Tausende Bürger demonstrierten, um das palästinensische Volk zu unterstützen, und von der Netanjahu-Regierung einen Waffenstillstand forderten. Auch in Ländern wie Deutschland und Frankreich fanden diese Demonstrationen statt, obwohl sie dort verboten sind.

Ärzte ohne Grenzen

„Die Situation im Gazastreifen ist katastrophal: Krankenhäuser funktionieren kaum noch, Medikamente fehlen. Es fehlt auch an Lebensmitteln, Wasser und Treibstoff. Die Hilfsgüter, die bisher über den Grenzübergang aus Ägypten kamen, sind nicht ausreichend.“

Das steht auf der Webseite von Ärzte ohne Grenzen. Diese private Organisation mit internationaler Ausrichtung wurde 1971 gegründet. Sie besteht aus Ärztinnen, Ärzten, Pflegefachkräften und anderen Verwaltungskräften und ist unparteiisch, neutral und unabhängig. Seit 1989 ist die Nothilfsorganisation in den palästinensischen Gebieten tätig.

Ärzte ohne Grenze betreibt im Gazastreifen das Nasser-Krankenhaus und einen Operationssaal in Al-Shifa und auch eine eigenständige Klinik, die schon am Anfang der Bombardierungen durch die Luftangriffe getroffen wurde. Zudem unterstützen sie das Al-Awda-Krankenhaus und das Indonesische Krankenhaus.

Schon am 12. Oktober sagte der Geschäftsführer von Ärzte ohne Grenzen Deutschland:

„Ärzte ohne Grenzen verurteilt das brutale Massaker an Zivilistinnen und Zivilisten durch die Hamas. Gleichzeitig sind wir entsetzt über die verheerenden Folgen der massiven Angriffe Israels auf den Gazastreifen, die meine Kolleg_innen vor Ort sehen. Wir appellieren an alle Konfliktparteien, den Schutz der Zivilbevölkerung und von medizinischen Einrichtungen einschließlich Krankenwagen zu gewährleisten, so wie es das humanitäre Völkerrecht vorgibt. Medizinische Einrichtungen müssen in bewaffneten Auseinandersetzungen respektiert werden, dürfen nicht für militärische Zwecke genutzt werden und keine militärischen Ziele sein. Eine ungehinderte Versorgung mit lebensrettenden Medikamenten, medizinischem Material sowie der Zugang zu unabhängiger humanitärer Hilfe müssen sichergestellt sein.“

In ihrem Bericht über die aktuelle Situation im Gazastreifen steht: „Wir fordern eine sofortige Einstellung sämtlicher Kampfhandlungen.“ Und „Wir appellieren an alle Konfliktparteien, den Schutz der Zivilbevölkerung und von medizinischem Personal, Einrichtungen einschließlich Krankenwagen zu gewährleisten, so wie es das humanitäre Völkerrecht vorgibt.“

Die Reaktion des Westens

Während die Welt zuschaut und die zweite Phase der Strafaktion weitergeht, wäre es absurd zu behaupten, das Geschehen sei eine isolierte Episode, ohne die jahrzehntelange Kolonialpolitik Israels und die anhaltenden Missbräuche der israelischen Siedler und Soldaten gegen die Palästinenser zu berücksichtigen, wie der Generalsekretär der Vereinten Nationen sagte. Während die internationale Gemeinschaft, Europa und der Westen, die Vereinten Nationen und die arabischen Länder die getöteten Palästinenser als zweitklassig betrachteten und sie allein gelassen haben, kümmert sich keiner darum, wie der Tag danach aussehen soll.

Niemand ist an einem gerechten Frieden interessiert. Vielfach heißt es: Israel sei ein besserer Partner. Und es ist immer bequemer gewesen, die Augen vor den Übergriffe Israels zu verschließen. Während alle sich beeilen, das Recht Israels, sich zu verteidigen, zu betonen, wurde jedoch das Recht Palästinas auf Verteidigung nie erwähnt oder anerkannt. Indem man die palästinensische Bevölkerung ignoriert hat, auch in den Medien, hat man zu ihrer Entmenschlichung beigetragen, die diese Massaker ermöglicht. Es reicht dann, einen Teil der humanitären Hilfe zu finanzieren.

Völkermord im Gazastreifen?

Im Artikel II der Resolution 260 A (III) vom 9. Dezember 1948 der Generalversammlung der Vereinten Nationen, die am 12. Januar 1951 in Kraft trat, „bedeutet Völkermord eine der folgenden Handlungen, die in der Absicht begangen wird, eine nationale, ethnische, rassische oder religiöse Gruppe als solche ganz oder teilweise zu zerstören“.

Diese Handlungen sind im Dokument aufgezählt: (a) Tötung von Mitgliedern der Gruppe; (b) Verursachung von schwerem körperlichem oder seelischem Schaden an Mitgliedern der Gruppe; (c) vorsätzliche Auferlegung von Lebensbedingungen für die Gruppe, die geeignet sind, ihre körperliche Zerstörung ganz oder teilweise herbeizuführen; (d) Verhängung von Maßnahmen, die auf die Geburtenverhinderung innerhalb der Gruppe gerichtet sind; (e) gewaltsame Überführung von Kindern der Gruppe in eine andere Gruppe.

Der Staatsanwalt des Internationalen Gerichtshofs warnt vor der Gefahr eines Völkermords im Gazastreifen, während am 2. November 2023 der Hochkommissar der Vereinten Nationen für Menschenrechte, Craig Mokhiber, in New York zurücktrat. Mokhiber verurteilte die Untätigkeit der Vereinten Nationen, den von Israel begangenen Völkermord an der palästinensischen Bevölkerung im Gazastreifen und die Pogrome im Westjordanland zu verhindern. Gleichzeitig machte er die Vereinigten Staaten, das Vereinigte Königreich und die europäischen Länder mitschuldig, die Israel mit Waffen versorgen oder ihm diplomatische und politische Unterstützung gewähren.

Der Internationale Strafgerichtshof

Der Internationale Strafgerichtshof wurde 1998 als Gericht zur Beurteilung von Kriegsverbrechen gegründet. In seine Zuständigkeit fallen Aggressionsverbrechen, Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord. Die Befugnisse des Gerichts sind sehr begrenzt, insbesondere in einem Fall wie Israel, der von den Vereinigten Staaten unterstützt wird. Der argentinische Anwalt Luis Moreno Ocampo, Gründer des Gerichts, der zwischen 2003 und 2012 Staatsanwalt am Internationalen Strafgerichtshof war, sagte zu den Bombenanschlägen, mit denen Israel auf den Hamas-Angriff reagierte:

„Israel kann keine Zivilisten bombardieren, es kann den Warenzugang zum Gazastreifen nicht blockieren. Das ist Völkermord.“

Er sagte auch: „Israel hat das Recht, sich selbst zu verteidigen, kann aber keine Zivilisten angreifen.“ Laut dem ehemaligen Staatsanwalt könnte die absolute Blockade von Wasser, Nahrungsmitteln und Elektrizität im Gazastreifen als Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord angesehen werden. Palästina ist seit 2015 Mitglied des Internationalen Strafgerichtshofs. Daher ist der Gerichtshof für die seit 1967 von Israel besetzten Gebiete zuständig, nämlich Gaza, Westjordanland und Ostjerusalem. Damals wurde eine Vorprüfung für den israelischen Einsatz gegen Gaza im Sommer 2014 eröffnet, zu der die aktuellen Ereignisse hinzukommen könnten.

Der seit 2021 amtierende Staatsanwalt des Internationalen Strafgerichtshofs, der Brite Karim Ahmad Khan, besuchte am 29. Oktober den Grenzübergang Rafah zwischen dem Gazastreifen und Ägypten. Er hatte schon damals ein Anwaltsteam zusammengestellt, das seitdem gegen Israel wegen seines Vorgehens im Gazastreifen ermittelt: systematische Belagerung der palästinensischen Bevölkerung in den besetzten Gebieten, Wirtschaftsblockaden, Landenteignungen, willkürliche und illegale Inhaftierungen.

Israel erkennt die Zuständigkeit dieses Gerichts mit Sitz in Den Haag nicht an. Die Vereinigten Staaten übrigens auch nicht.

Benjamin Netanjahu bezeichnet den Internationalen Strafgerichtshof als antisemitisch und wirft ihm vor, das Recht demokratischer Länder auf Selbstverteidigung zu behindern, und fordert dessen Abbau.

Im Jahr 2021 sagte er:

„Wenn der Internationale Strafgerichtshof gegen Israel wegen falscher Kriegsverbrechen ermittelt, ist das reiner Antisemitismus. Das Tribunal, das eingerichtet wurde, um Gräueltaten wie den Nazi-Holocaust gegen das jüdische Volk zu verhindern, nimmt nun den einzigen Staat des Jüdischen Volkes ins Visier.“