Die höchste Magie des Lebens
Der Schriftsteller Stefan Zweig beschrieb im 20. Jahrhundert mit seinen zeitlos scharfsinnigen Einsichten im Grunde die Welt von heute.
Gleichschaltung, Kriegseuphorie, die Diffamierung Andersdenkender und auch die verhängnisvolle Neigung der Massen, ihre Aggressionen nicht gegen ihre Peiniger selbst zu richten, sondern gegen jene, die sie vor ihnen zu warnen versuchen. Es gibt scheinbar tatsächlich nichts Neues unter der Sonne, denn all das wurde schon von dem österreichischen Dichter Stefan Zweig beschrieben, der im Schatten des Ersten und Zweiten Weltkriegs um seine Integrität und geistige Gesundheit rang. „Die Welt von gestern“ hieß sein großes autobiografisches Werk. Im Grunde kann man aus den scharfsinnigen Zitaten Zweigs aber mühelos ein Porträt der „Welt von heute“, also jener des frühen 21. Jahrhunderts, zusammenstellen. Denn, wie wir alle wissen: „Sternstunden der Menschheit“ sind es nicht gerade, was wir derzeit mit unseren Politikern von Lauterbach bis Pistorius erdulden müssen.
Es ist immer wieder erstaunlich, wie rasch und fundiert die großen Schriftsteller vor einhundert Jahren die Widersprüche, Entwicklungen und Gefahren ihrer Epoche erkannt, analysiert, verstanden und beschrieben haben — so auch Stefan Zweig. Und es ist für uns umso erschreckender, wie mühelos deren Beschreibung auf unsere heutige Zeit übertragbar ist.
1939 schrieb Stefan Zweig:
„Freilich unsere Gegenwart macht es uns nicht leicht, sie zu lieben; selten ist es einer Generation auferlegt gewesen, in einer so gespannten und überspannten Zeit zu leben wie der unseren, und wir haben wohl alle manchmal das gleiche Verlangen, einen Augenblick auszuruhen von der Überfülle der Geschehnisse, Atem zu holen in der unablässigen politischen Bestürmung durch die Zeit“ (1).
In der Tat dürfte den kritischen Zeitgenossen dieses Lebensgefühl in den letzten dreieinhalb Jahre nur allzu vertraut sein: taumelnd zwischen Sprachlosigkeit, Empörung, Fassungslosigkeit, Ohnmacht, Wut, Verzweiflung und zunehmender Erschöpfung gleicht das Leben seither einer nicht enden wollenden Achterbahn der Emotionen.
All die irren Pläne unserer Eliten zum Umbau der Gesellschaft in eine radikale, linkstotalitäre Klimadiktatur, an deren Ende für die Mehrheit Besitzlosigkeit und für die Eliten die totale Kontrolle stehen, all die menschengemachten Krisen und all Verdrehungen in allen Lebensbereichen rufen diesen ungesunden und explosiven Mix von Stimmungen in uns hervor. Und was viele der wachen Köpfe seit über drei Jahren an den Rand der Verzweiflung treibt, ist das Schweigen und die Ignoranz der Mehrheit, die sich partout weigert, hinzusehen und das sich deutlich abzeichnende Ziel dieser Reise auch nur in Ansätzen zur Kenntnis zu nehmen. Auch dieses Phänomen war Zweig bekannt und er hat es wie folgt in Worte gefasst:
„Es bleibt ein unumstößliches Gesetz der Geschichte, dass sie gerade den Zeitgenossen versagt, die großen Bewegungen, die ihre Zeit bestimmen, schon in ihren ersten Anfängen zu erkennen“ (2).
Vielleicht ist es schlicht der Tatsache geschuldet, dass es vielen Menschen noch zu gut geht, um sich mit der Wirklichkeit und der heraufdämmernden neuen Weltordnung näher beschäftigen zu wollen, denn:
„Nur wer sorglos in die Zukunft blicken konnte, genoss mit gutem Gefühl die Gegenwart“ (3).
Diese Sorglosigkeit befeuern sowohl die Politiker als auch die Mainstream-Medien mittels Beschwichtigungsformeln, die beschwörungsartig einen lähmenden, chloroformartigen Schleier über die Gesellschaft ausbreiten, an dem sich sämtliche Bemühungen der Widerstandsbewegung die Zähne ausbeißen.
Dabei schreit diese Politik der letzten Jahre doch geradezu nach Widerstand. Und weil die herrschende Klasse das weiß, kriminalisiert und pathologisiert sie all die Widerständler, diffamiert sie die Friedensbewegung als „gefallene Engel aus der Hölle“ (4), bezeichnet sie Pazifisten als „Lumpenpazifisten“ (5), Querdenker als Verschwörungstheoretiker und Schwurbler, eine prominente Oppositionelle wie Sahra Wagenknecht als „rechtsoffen“ (6), die AfD als „gesichert rechtsextrem“ (7) und versucht durch Hausdurchsuchungen und völlig überzogene Bußgelder und Gefängnisstrafen (8) Abschreckung bei zu offensiv agierenden Oppositionellen zu erzeugen. Und die Kriminalisierung der Opposition als „Delegitimierer des Staates“ (9) und „Feinde der Demokratie“ (10), denen man mittels „Kampf gegen Rechts“ zu Leibe rücken muss, um angeblich die Demokratie zu schützen, verfängt beim Durchschnittsbürger anstandslos.
Anstatt auf diejenigen wütend zu sein, die sie permanent belügen und betrügen, richtet sich der Zorn der Massen gegen diejenigen, die sie aufzuklären und zu mobilisieren versuchen.
Auch das wusste schon Stefan Zweig:
„Es ist das Schicksal der Ungewöhnlichen, immer wieder den Hass der Menschen zu erregen“ (11).
Der Überbringer der schlechten Nachrichten ist eben dem Zorn des Volkes schutzloser ausgeliefert als der Verursacher der schlechten Nachrichten, der in der Regel geschützt und sicher hinter dicken Mauern eines Palastes oder Parlamentes sitzt. Aber:
„Jede Widerstandsgeste, die kein Risiko in sich birgt und keine Wirkung hat, ist nichts als geltungssüchtig“ (12).
Echte Demokratie bekommen wir nicht geschenkt, denn die eigentlichen Machthaber haben kein Interesse an echter Demokratie. Sie wollen keine Mitbestimmung durch Volksentscheide, sie wollen keine aufgeklärten, mündigen Bürger, die informiert sind und mitreden und mitentscheiden wollen. Sie wollen brave Untertanen, die alles abnicken, zu allem Ja und Amen sagen und sich blind führen lassen — zur Not auch in den Abgrund. Und der Abgrund rückt je näher, desto verbissener und verbohrter eine Regierung ihrer eigenen Ideologie folgt und beratungsresistent nicht bereit ist, das Ruder herumzureißen und den offensichtlich falschen Kurs zu korrigieren. Denn:
„Wie wenige Menschen, auch die tapfersten, haben jemals den Mut, klar einzugestehen, ihre Anschauung von gestern sei Irrtum und Unsinn gewesen“ (13).
Nun sitzen heutzutage in der Regierung und im Parlament allerdings längst nicht mehr die Tapfersten, sondern in der Regel die Opportunsten, die sich am besten anpassen können, die bereit sind, ihre eigene Meinung dem Fraktionszwang willig zu opfern und aus Karrieregründen alles brav abzunicken, was der Parteivorstand ihnen vorschreibt.
Zweig fasst es in die Formel: „Das Schicksal aber gibt den Frechen mehr als den Fleißigen (14)“ oder noch pointierter:
„In der Politik entscheiden selten die überlegenen Gestalten, die Menschen der reinen Ideen, sondern eine viel geringerwertige, aber geschicktere Gattung: Die Hintergrundgestalten, rückwärts verborgene Menschen anzweifelbaren Charakters und unzulänglichen Verstandes“ (15).
Dass die seit Jahren praktizierte, falsche Politik gegen die Interessen der Mehrheit von den sie Betreibenden selbst korrigiert werden könnte, ist ein naiver und weltfremder Wunsch. Denn warum sollten Politiker, die alles getan haben, damit die Reichen immer reicher werden, und die der hemmungslosen Umverteilung von Fleißig nach Reich jegliche Moral und jegliches Gerechtigkeitsempfinden geopfert haben, nun auf einmal reumütig ihren Irrtum einsehen? Das wird nicht geschehen. Denn: „Wahrhaftigkeit und Politik wohnen selten unter einem Dach“ (16).
Da helfen auch moralische Appelle aus der Feder Stefan Zweigs nichts wie „Jeder Glaube, der dem Geld oder der Nacht dient, nimmt Schaden an seiner Seele“ (17) oder „Wer Schicksale formt, fällt in Schuld“ (18). Kein Politiker, der Hartz-IV-Schicksale geformt oder Altersarmut befördert, der der Pharma- oder der Rüstungsindustrie willfährig dient, der den Niedriglohnsektor ausgebaut oder Leiharbeit ausgeweitet hat, hat sich später reumütig dafür bei der Öffentlichkeit entschuldigt. Mir ist zumindest keiner bekannt.
Solch ein Appell an die Moral der politischen Entscheidungsträger wirkt eher wie ein Relikt mittelalterlicher Drohung mit Fegefeuer und Verdammnis und scheint am Gewissen unserer heutigen Volksvertreter abzuperlen. Zu selbstsicher wirken sie, zu wenig Zweifel zulassend, zu abgesichert, zu satt und zu privilegiert sind sie, um ihren Status zu hinterfragen und Dankbarkeit und Demut für ihr Tun an den Tag zu legen. Dass ihre Macht nämlich nur geliehen ist, kommt ihnen in ihrer Hybris nicht in den Sinn. Dass Demokratie von unten nach oben funktioniert, haben sie verlernt oder nie gewusst. Sie wähnen sich im Bundestag nicht als Gestalter der Zukunft, die für vier Jahre ihre Ideen zur Verbesserung der Gesellschaft einbringen dürfen, sondern als Elite, die es zu etwas gebracht hat und sich daher völlig berechtigt im Glanze ihrer Egos sonnenbaden darf und mit stattlichen, sich automatisch regelmäßig erhöhenden Diäten inklusive Inflationsausgleich honoriert wird.
Und in der Tat:
„Macht ist die geheimnisvollste Materie der Welt. Magnetisch zieht sie den einzelnen, suggestiv die Massen an.“
Macht scheint die Sinne zu vernebeln — sowohl derjenigen, die sie innehaben, als auch derjenigen, die mit ihren oft fatalen Auswirkungen leben müssen. Trotzdem bleibt als kleiner Trost vielleicht das: „Keine Schuld ist vergessen, solange noch das Gewissen um sie weiß“ (20).
Mit den Kriegen in der Ukraine und im Gaza wurde nach der „PLandemie“ nahtlos in zwei neue Narrative übergegangen: einerseits das vom bösen Russen, das schon immer zur Angsterzeugung missbraucht wurde und andererseits das von der bedingungslosen Solidarität mit Israel, die seit Angela Merkel zur deutschen Staatsräson erklärt worden ist (21). Beide Narrative rechtfertigen scheinbar Waffenlieferungen und militärische und monetäre Unterstützung in unbegrenztem Ausmaß.
Stefan Zweigs Äußerungen zu Krieg und Frieden
Die zentrale Frage, die über Krieg und Frieden entscheidet, ist für Stefan Zweig folgende:
„(Das) Zentralproblem, das sich jeder Generation und somit auch der unseren aufzwingt, ist die Beantwortung der allereinfachsten und doch notwendigsten Frage: wie ist auf unserer Erde ein friedliches Zusammenleben der Menschen trotz aller disparaten Rassen, Klassen, Farben, Religionen und Überzeugungen zu erreichen? Es ist das Problem, das an jede Gemeinschaft, jeden Staat immer wieder von neuem gebieterisch herantritt“ (22).
Aber nicht nur die friedliche Koexistenz verschiedener Völker, Kulturen, Religionen und Weltanschauungen ist eine Herausforderung, auch folgender schlichte Umstand:
„Die einen wollen Frieden und die anderen keinen Krieg. So was erzeugt natürlich Spannungen“ (23).
Und in der Tat gibt es einen Unterschied zwischen „Frieden“ und „keinem Krieg“, denn Frieden ist mehr als die Abwesenheit von Krieg. Frieden ist der Urzustand einer Gesellschaft, Krieg ist ein Ausnahmezustand, den in der Regel niemand will.
Jeder Vernunftbegabte möchte Konflikte friedlich durch Gespräche und Verhandlungen bereinigen und nicht durch Waffen, Gewalt und Blutvergießen. Denn: „Das größte Missverständnis der Menschheit (ist der) Völkerhass“ (24). Von daher ist Daniele Gansers wundervoller Begriff der „Menschheitsfamilie (25)“ ein echter zivilisatorischer Fortschritt im ewigen Gegeneinander, in das uns die Eliten seit jeher treiben wollen, um es für monetär ertragreiche Kriege missbrauchen zu können.
„Krieg lässt sich mit Vernunft und gerechtem Gefühl nicht koordinieren. Er braucht einen gesteigerten Zustand des Gefühls, er braucht Enthusiasmus für die eigene Sache und Hass gegen den Gegner. Nun liegt es in der menschlichen Natur, dass sich starke Gefühle nicht ins Unendliche prolongieren lassen, weder bei einem einzelnen Individuum noch in einem Volke, und das weiß die militärische Organisation. Sie benötigt darum eine künstliche Aufstachelung, ein ständiges ‚doping‘ der Erregung“ (26).
Und diese künstliche Erregung nennt man Kriegspropaganda, mittels der ein Volk kriegswillig geschossen werden muss. In der Regel muss von Seiten des Establishments mit immer neuen Lügen und Bedrohungsszenarien operiert werden, damit eine Bevölkerung in Kriegslaune gerät und Aufrüstung und Militarisierung zustimmt. Die Techniken dazu sind vielfältig und eine stufenweise Militarisierung der Sprache in der Regel der erste Schritt. Eine Aussage wie die unseres Verteidigungsministers Boris Pistorius „Deutschland muss kriegstüchtig werden“ ist dafür ein Paradebeispiel (27).
Künstler und Intellektuelle, die diese Propagandatechnik kennen und durchschauen und in der Regel Meister der Sprache sind, haben die Aufgabe und moralische Verpflichtung, aufzuklären und ihr Volk vor den perfiden Machenschaften der Kriegstreiber zu warnen:
„Man war Schriftsteller, man hatte das Wort und damit die Pflicht, seine Überzeugungen auszudrücken (gegen die Kriegshetze), soweit dies in einer Zeit der Zensur möglich war“ (28).
Und Zensur herrscht heute leider wieder, obwohl unser Grundgesetz sie in Artikel 5 ausdrücklich negiert (29). Auch heute werden Videos gelöscht, unabhängige Experten nicht gehört, unliebsame Positionen als „russlandfreundlich“ geframet und deren Apologeten in Talkshows vor einem Millionenpublikum als „Putinversteher“ (30) oder Organisatoren von Friedensdemos als „Fünfte Kolonne Putins“ (31) diskreditiert.
Nur wer Krieg will, muss die Friedensbewegung bekämpfen. Und so wie Kriege durch menschliche Machenschaften wie Propaganda und Lügen begonnen werden, so müssen sie auch wieder durch edle menschliche Züge beendet werden: „Einer muss den Frieden beginnen wie den Krieg“ (32). Einer muss die Hand ausstrecken zu Friedensgesprächen und dem Morden damit ein Ende bereiten.
Stefan Zweig wäre keine Repräsentant der Weltliteratur, wenn er nicht auch im Krieg und seiner Beendigung noch das Schöne entdecken könnte:
„Der Mensch in uns sagt: nur durch Trauer lebst du wahrhaft die Zeit, fühlst du den Krieg. Aber das Leben spricht: nur durch Freude erlöst du dich von der Zeit, besiegst du den Krieg“ (33).
Neues wagen!
Krisenzeiten bieten natürlich per se auch Chancen, denn Krisen signalisieren uns, dass Veränderung vonnöten ist, dass es einen Wechsel im System geben muss, dass eine neue Richtung eingeschlagen werden sollte, dass das Alte ausgedient hat und neue Wege beschritten werden dürfen. Stefan Zweig drückt es wunderbar poetisch wie folgt aus:
„Alles Leiden aber wird sinnvoll, wenn es die Gnade der Gestaltung erlebt. Dann wird es höchste Magie des Lebens“ (34).
Die Mobilisierung neuer, ungeahnter Kräfte im Angesicht des Leidens ist vielleicht einer der beeindruckendsten und kraftvollsten menschlichen Eigenschaften:
„Jede Krise ist ein Geschenk des Schicksals an den schaffenden Menschen“ (35).
Krisen setzen das kreative Potenzial in uns Menschen frei, denn sie zwingen zu Lösungen, oft auch zu originellen Lösungen jenseits ausgetretener Pfade. Dabei sind der Phantasie und dem Ideenreichtum keine Grenze gesetzt.
„Entscheidend für eine Idee ist nie, wie sie sich verwirklicht, sondern was sie an Wirklichkeit enthält“ (36).
So manch Utopisches, Unvorstellbares entpuppte sich nach reiflicher Überlegung und längerer Prüfung als durchaus realisierbar. Wichtig ist bei jedem Prozess der Lösungsfindung ein Austausch verschiedener Positionen. „Gedanken leben ebenso von der Bestätigung wie vom Widerspruch“ (37). Halbe Wahrheiten taugen dabei wenig, denn: „Die halbe Wahrheit ist nichts wert“ (38).
Darum ist Querdenken so wichtig, selbstständig denken, befreit von Vorurteilen und vorgefertigten Schablonen, denn:
„Wer selbstständig denkt, denkt zugleich am besten und förderlichsten für alle. Immer erscheinen die entscheidenden Ideen nachträglich als einfache und selbstverständliche“ (39).
Nach einer Phase der Globalisierung, die nur ganz wenige Big Player obszön reich gemacht hat und die zu einer nie dagewesenen weltweit agierenden Machtkonzentration geführt hat, die unser Zusammenleben und den Frieden auf der Welt massiv gefährdet, kann die Lösung nur in einer Rekommunalisierung liegen:
„Viele kleine Leute an vielen kleinen Orten, die viele kleine Schritte tun, können das Gesicht der Welt verändern“ (40).
Wir müssen wieder zurück zu überschaubaren Strukturen, kleinen Gruppen, Kommunen, in der jeder jeden kennt, wo das persönliche Verhältnis einer guten Nachbarschaft, eines echten Miteinanders und Füreinanders gegeben ist.
Oberstes Ziel einer zukunftsorientierten und wirklich neuen Gesellschaft ist für Zweig die Freiheit:
„Des geistigen Menschen höchste Leistung ist immer Freiheit. Freiheit von den Menschen, Freiheit von den Meinungen, Freiheit von den Dingen, Freiheit nur zu sich selbst“ (41).
Je totalitärer ein System agiert, je mehr es die Freiheit des Individuums beschneidet und es in ideologisch vorgefertigte, feste Schemata zu pressen versucht, um so vehementer müssen wir aufstehen und auf unsere Freiheit als Individuen beharren.
Neben der Atomisierung der Gesellschaft, der Vereinzelung und Isolation ist die Gleichmacherei eine der größten Gefahren unserer heutigen Zeit:
„Nicht ungestraft gehen alle Menschen gleich angezogen, gehen alle Frauen gleich gekleidet, gleich geschminkt: Die Monotonie muss notwendig nach innen dringen (…) Unbewusst entsteht eine Gleichhaftigkeit der Seelen, eine Massenseele“ (42).
Und in der Tat ist die Konformität unserer Gesellschaft inzwischen bereits erschreckend fortgeschritten.
Eine von oben verordnete Einheitsmeinung und die Berieselung der Massen mit Einheitspropaganda gleichgeschalteter Medien haben über Jahre tiefe Spuren in den Menschen und tiefe Gräben zwischen den Menschen hinterlassen. Der Meinungskorridor ist dabei immer enger geworden. Empörungswellen und der obligatorische Shitstorm sind für diejenigen, die auf sie zur Steigerung von Aufmerksamkeit oder Klickzahlen angewiesen sind, schon lange vorhersehbar und planbar.
Einkalkulierte Empörung aber besitzt keinerlei Kraft mehr. Sie kann nichts verändern. Sie ist Teil der Agenda, Teil des Programms und damit im System bereits mit eingepreist. Sie fungiert nur noch als Ventil für Wut. Und ist diese auch noch so berechtigt, so verpufft sie in einem kapitalistischen System, das uns schon lange als „alternativlos“ verkauft wird und das nicht mehr hinterfragt werden darf. Dabei kann Wut immer nur der Initiator gesellschaftlicher Veränderung sein, aber darf sich nie unkontrolliert über längere Zeit entladen, denn:
„Keine sittliche Ordnung kann durch Gewalt erzwungen werden“ (43).
Die Basis für Veränderung sollte immer der Blick zurück in die Geschichte sein. Aus der Geschichte, aus den Fehlern der Menschen lernen, um sie zukünftig zu vermeiden, ist ein zentrale Sache, denn:
„Wer die Vergangenheit nicht versteht, versteht nichts wirklich“ (44).
Eine Eigenschaft, die wir für die Gestaltung einer besseren Zukunft essentiell brauchen, ist Mut. Denn:
„Die Weltgeschichte ist nicht nur, wie sie meistens dargestellt wird, eine Geschichte des menschlichen Mutes, sondern auch eine Geschichte der menschlichen Feigheit“ (45).
Nicht nur das, was wir tun, sondern auch das, was wir aus Feigheit oder aus Zweifel nicht tun, hat Auswirkungen auf unser Leben und unsere Gesellschaft. Vor allem müssen wir offensichtlichem Unrecht entschieden entgegentreten. Stefan Zweig kann uns dabei als mutiger Chronist seiner Epoche zugleich Anreger wie Vorbild sein.