Die Grenzen der Zerstörung
Das Böse kann nur nach unserer Seele greifen, wenn wir uns ihm ausliefern. Exklusivabdruck aus „Die Enthüllung. Neue Normalität oder neues Bewusstsein?“
Was ist richtig, was ist falsch? Wo versteckt sich die Lüge, wo offenbart sich die Wahrheit? Im Spiel der kosmischen Kräfte haben wir die Wahl. Immer wieder gibt uns die Welt der Gegensätze, in die wir hineingeboren wurden, Gelegenheit, uns zu entscheiden. Das neue Buch von Kerstin Chavent ergründet die Tiefen menschlicher Zerrissenheit und die Konfrontation mit den Kräften der Spaltung, um in die eigene Kraft zu finden und in uns zu entwickeln, was uns befreit.
Wir stehen heute vor einem bedeutenden Schritt in unserer Entwicklung. In dynamischen Evolutionsprozessen werden immer wieder alte Ordnungen aufgebrochen und neue erschaffen. Immer wieder gleicht der lebendige Organismus ab, was sich weiterentwickelt und was nicht. Ein Organ, das nicht gebraucht wird, bildet sich zurück und verschwindet. Fähigkeiten, die wir nicht nutzen, verkümmern. Muskeln, die nicht stimuliert werden, erschlaffen. Ein Bewusstsein, das nicht aktiviert wird, erlischt.
Da sich unsere Zivilisation vor allem auf das Äußere und Materielle konzentriert und das Innere, Spirituelle weitestgehend außer Acht lässt, haben sich unsere geistigen Fähigkeiten stark zurückgebildet. Wir kennen uns nur noch mit Grobstofflichem aus und haben keine Sensoren mehr für subtil Schwingendes. Das ganze Leben wollen wir kontrollieren und sind dabei nicht einmal dazu in der Lage, unsere eigenen Gedanken und Gefühle zu lenken.
Auch das eigenständige Denken ist immer mehr aus der Mode gekommen. Niemand muss mehr Telefonnummern auswendig lernen, sich daran erinnern, wer wann Geburtstag hat, oder sich einen Weg merken. Ein Wisch, ein Klick — und jede beliebige Information steht uns zur Verfügung. Wir müssen nur wiederholen, was vorgegeben wird. Während sich in der Generation Smartphone die Areale im Gehirn weiterentwickeln, die für die Daumentätigkeit zuständig sind, verkümmern andere Teile. Das Erfassen von Zusammenhängen etwa fällt dem atomisierten, sich durch die Welt zappenden Menschen zunehmend schwer.
So kommt es, dass wir heute Intensivbetten zählen und nicht sehen, dass der eigentliche Grund für die Knappheit die vielen Einsparungen und Krankenhausschließungen sind. Wir schließen Kulturräume und drängen uns in Supermärkte und öffentliche Transportmittel. Wir tragen unsere Masken so, dass sie zu Brutstätten für unsere eigenen Mikroben werden, und scheren uns nicht darum, dass sie überhaupt nicht vor Viren schützen, weder uns noch andere. Wir lassen uns impfen und interessieren uns nicht für die natürliche Immunität. Wir haben den Verstand verloren.
Wir können nicht mehr zwischen richtig und falsch unterscheiden, zwischen gut und böse.
Seit Galileo Galilei das lebendige Subjekt aus der Forschung ausgeklammert hat und sich die Naturwissenschaften an der Erforschung der Formen abarbeiten, haben wir den Sinn für das Wesentliche und Zusammenhängende verloren.
Nur das Außen interessiert. Das Innen wurde Religion und Psychologie überlassen und ist zur Privatsache geworden. So kann heute jemand auf Befehl per Drohne tagsüber Menschen ermorden und am Abend seinen Kindern einen Gutenachtkuss geben. Er hat seine Arbeit getan, seine Funktion erfüllt.
Abgekoppelt von der Innenwelt zählt nur die Uniform. „Bitte, machen Sie weiter.“ Eine stereotyp wiederholte Anordnung reichte im Milgram-Experiment der 60er-Jahre aus, um Menschen tödliche Stromschläge zu vermitteln, nur weil sie eine falsche Antwort gegeben hatten, so wie im Dritten Reich die Amtssprache Millionen Menschen in den Tod geschickt hat. Unmenschlichkeit ist nur dort möglich, wo wir uns von unserer Innenwelt abgeschnitten haben. Wir verlassen uns auf das, was von außen an uns herangetragen wird, und folgen Anordnungen und Befehlen.
Da wir gemerkt haben, dass Irren menschlich ist, vertrauen wir immer mehr der Technik. Seit Beginn der Neuzeit ist sie mit der Verheißung verbunden, dass nun alles besser wird. Wir versuchen, es besser zu machen als die Natur. Nicht im Natürlichen suchen wir die Erlösung, sondern im Künstlichen. Wir haben das in bunter Vielfalt Schwingende, das Unvorhersehbare, Ungreifbare einer Kalkulierbarkeit geopfert, die uns in trügerischer Sicherheit wiegt. Die Natur gehorcht uns nicht. Sie funktioniert nach ihren eigenen Gesetzen. Doch die Maschine ist unseren Anweisungen ergeben. Sie funktioniert, das ist empirisch nachweisbar. Vielleicht ist sie noch nicht ausgefeilt genug, noch nicht optimal programmiert — doch unser Fortschritt, so glauben wir, wird sie perfekt und unbesiegbar machen.
So haben wir uns die Erde untertan gemacht und aus dem Lebendigen ein totes Konstrukt. Alles wird von uns auseinandergenommen und neu sortiert. „What gets measured gets done“, heißt es im Wirtschaftsjargon.
Was gemessen werden kann, das kann gemacht werden. Kollateralschäden interessieren nicht. Egal, wie viele Kinder traumatisiert werden, wie viele Menschen ihre Arbeit verlieren und in den Ruin getrieben werden, wie viele Restaurants, Cafés und Kulturräume für immer geschlossen bleiben, in wie vielen Ländern aufgrund der Maßnahmen Hungersnöte ausbrechen und wie viele Menschen sich aus Existenzangst umbringen oder an Einsamkeit sterben: Wir ziehen das durch. Wir schaffen das.
Was möglich ist, wird getan — egal, wie hoch der Preis ist. Selbst das Schlimmste nehmen wir in Kauf. „Jetzt bin ich der Tod geworden, der Zerstörer von Welten“, sprach Julius Robert Oppenheimer, nachdem er die Atombombe gezündet hatte. Es wird akzeptiert, bis an die äußersten Grenzen zu gehen. Wir nehmen es hin, dass unser Lebensraum und mit ihm alles Lebendige zerstört wird.
Hiermit werden wir Teil eines Geistes, „der stets verneint und nichtig macht“. So spricht Mephistopheles, der Teufel, die Verneinung der Schöpfung, der dem Doktor Faustus seine Zauberkräfte verleiht. Er ist der Geist, „der stets das Böse will und stets das Gute schafft“. Denn die Zerstörung kann nie erreicht werden, da sie in ein göttliches Ganzes eingebettet ist. So erscheint in Goethes Tragödie das Zerstörerische als Teil eines göttlichen Plans des ewigen Wandels. Mit ganzer Kraft geht Mephisto seiner Arbeit nach. Allem versucht er den Stempel der Verneinung aufzudrücken. Alles muss der diabolische Verführer spalten, trennen, auseinanderbringen, explodieren lassen. Tief treibt er den Keil zwischen die Menschen, um sich von ihrer Angst und ihrem Misstrauen zu nähren und dadurch seine eigene Macht wachsen zu lassen.
Systematisch zerstört der große Spalter die Räume, wo Menschen zusammenkommen. Wollt Ihr denn zu Mördern werden, Ihr Wölfe, Ihr Affen, Ihr Virenschleudern? Immer wieder reproduziert die diabolische Kraft dieselben Manöver und wendet dieselben Strategien an. Denn das Verneinende kann nichts selbst erschaffen. Es kann nur kopieren und wiederholen. Nur das Göttliche ist schöpferisch. Das Diabolische vernichtet. Es schickt die Dinge ins Nichts. Der Mensch nun kann beides: Er kann erschaffen und zerstören. Er hat die Wahl.
Die antagonistischen Kräfte müssen seine Entscheidung akzeptieren.
Dem freien Willen, der Macht, Ja zu sagen oder Nein, muss stattgegeben werden. Mephisto kann nur wirken, weil ihm Doktor Faustus seine Seele verkauft.
Über ihn tritt er in Aktion. Keinen Pferdefuß trägt er, sondern die Robe des Gebildeten, maßgeschneiderte Anzüge und weiße Kittel. Wer würde ihm sonst auf den Leim gehen? Wäre er in eine stinkende Schwefelwolke gehüllt, würden wir ihn gleich erkennen, und das Spiel wäre sofort aus. Also erscheint er sauber, parfümiert und gut gekämmt vor allem dort, wo Menschen eitel sind und gierig nach eigener Macht. Denn sie sind bereit, ihm ihr Kostbarstes zu verkaufen: ihre Seele. Ohnehin haben sie den Bezug zu ihr verloren, so wie sie auch ihr Herz weggegeben haben, um ganz nach oben zu kommen. Wirkliche Verbindungen leben sie schon lange nicht mehr. Einsam stehen sie im künstlichen Glimmer ihres Erfolges. Sie sind seine ideale Beute.
In Goethes „Faust“ muss das diabolische Spiel scheitern. Das Böse ist nur ein Teil der allumfassenden göttlichen Einheit, der schöpferischen Ordnung. Es kann immer nur die Rolle der Versuchung spielen. Geschickt und verführerisch umspielt Luzifer, vor seinem Sturz der lichtvollste aller Engel, den Menschen und blendet ihn mit seiner frivolen Schönheit und Eleganz. Ihm gegenüber steht Ahriman, dessen Name in vorchristlicher Zeit durch den iranischen Priester und Philosophen Zarathustra geprägt wurde. Anders als Luzifer ist Ahriman hässlich und unbeweglich. Er ist die Kraft, die alles vermessen und berechnen will, die herzlose Intelligenz, der eiskalte Verstand, der die Technik vergöttert. Er ist es, der hinter der transhumanistischen Idee steht.
In der jüdisch-christlichen Kosmologie wird er mit Satan gleichgesetzt. Er ist die Kraft, die den Menschen immer wieder auf die Probe stellt: Wie weit bist du bereit zu gehen? Satan ist der Anwalt, der den Menschen auf ihrem Lebensweg Steine in den Weg legt, um ihnen empfindlich auf den Zahn zu fühlen: Wofür entscheidest du dich hier? Schöpfung oder Zerstörung, Verbindung oder Trennung, Liebe oder Angst?
Hier haben ganz allein wir die Wahl. Unser freier Wille entscheidet, welcher Seite wir uns zuwenden. Immer wieder wurde versucht, uns diese Freiheit auszureden, an der wir so schwer zu tragen haben. Dennoch lassen sich heute viele Menschen nicht verführen. Sie verkaufen ihre Seele nicht. Sie steigen aus dem teuflischen Spiel aus: Ich mache hier nicht mehr mit. Welche Haltung wir auch wählen, ob wir mitlaufen mit den diabolischen Treibern oder eine andere Richtung wählen — die Konsequenzen daraus haben wir allein zu tragen. Dem können wir nicht entfliehen. Wie auch immer wir uns entscheiden — das, was wir jetzt nicht auflösen, wird sich an uns heften und uns verfolgen. Nennen wir es Karma, Vergeltung oder Schicksal. Heilung kann dann eintreten, wenn wir dazu bereit sind, die volle Verantwortung für das zu übernehmen, was uns widerfährt. Auch wenn wir äußerlich zum Opfer geworden sind: Innerlich können wir uns befreien, wenn wir uns dafür entscheiden.