Die Gesichter der Willkürjustiz
Die Strafverfahren gegen Lina E. und Michael Ballweg weisen zahlreiche Gemeinsamkeiten auf.
Die langjährige Haftstrafe gegen und die vorübergehende Freilassung von Lina E. ließen die Emotionen hochkochen. „Schauprozess!“, riefen die einen. „Härter bestrafen!“, forderten die anderen. Es ist Zeit für einen sachlichen Blick auf die Fakten: Der offenbart tatsächlich schwere Mängel, die auf ähnliche Justizwillkür bei extrem dünner Beweislage hindeuten, wie in Verfahren gegen „Querdenken“-Gründer Michael Ballweg oder Ärzte, die Hilfe suchenden, entrechteten Ungeimpften Placebospritzen verabreichten. Von einem rechtsstaatlichen Prozess kann keine Rede sein. Wenn solche Willkürjustiz zur Normalität wird, kann sie alle treffen.
Lange U-Haft
Viele Medien, darunter einige alternative, kritisierten E’s vorübergehende Freilassung nach dem Urteilsspruch scharf. Dabei vergaßen sie jedoch oftmals, zu erwähnen, dass Lina E. bereits mehr als zweieinhalb Jahre in Untersuchungshaft verbracht hat. Damit hat sie fast die Hälfte der verhängten Haftstrafe von fünf Jahren und drei Monaten bereits abgesessen.
Zudem wurde sie lediglich vorübergehend und unter strengen Auflagen freigelassen und zwar höchstens so lange, bis das Urteil rechtskräftig wird. Zudem steht beides, sowohl die lange Untersuchungshaft als auch das Urteil, auf äußerst wackeligen Füßen willkürlich interpretierter Indizien und fragwürdiger Ermittlungsmethoden.
Der Vorwurf
Das Dresdner Oberlandesgericht (OLG) wirft Lina E. vor, eine Art Rädelsführerin einer namenlosen Gruppe zu sein, die es als „kriminelle Vereinigung“ einstufte. Sie sei an zwei Überfällen auf das Neonazi-Szenelokal „Bull’s Eye“ in Eisenach und einem äußerst brutalen Angriff auf einen Kanalarbeiter in Leipzig beteiligt gewesen.
Darüber hinaus soll sie an einer Attacke auf einen Funktionär der JN, der Jugendorganisation der NPD, die sich vor einigen Tagen in „Die Heimat“ umbenannt hat, sowie einen Mann aus der Neonazi-Kameradschaftsszene in Wurzen mitgewirkt haben. Diese Taten ereigneten sich zwischen 2018 und 2020. Ab Ende 2020 saß Lina E. in Untersuchungshaft.
Das OLG verhandelte an fast 100 Prozesstagen gegen Lina E. und drei weitere mutmaßliche Täter. Die drei Mitangeklagten verurteilte es zu Gefängnisstrafen von knapp 2,5 bis zu gut drei Jahren. Die drei Männer mussten nicht, wie die vermeintliche „Rädelsführerin“ Lina E., zuvor in Untersuchungshaft sitzen.
Fehlende Beweise
Sowohl die langjährige U-Haft als auch das Urteil beruhen allerdings nicht auf handfesten Beweisen. Beides fußt vielmehr durchweg auf Aussagen von Zeugen, die bis auf einen später dazu gekommenen „Kronzeugen„ alle dem organisierten, gewaltbereiten Neonazi-Milieu zuzuordnen sind. Eine konkrete, direkte Beteiligung an einer der vorgeworfenen Straftaten konnte das OLG Lina E. nicht sicher nachweisen.
Das Gericht lieferte nicht einmal einen konkreten Beleg für die Existenz einer organisierten Gruppe mit einem konkreten Namen, oder die in Chatverläufen identifiziert werden konnte. Dennoch stufte es diese diffuse, namenlose Gruppe als „kriminelle Vereinigung“ ein.
Hier stellen sich gleich mehrere Fragen: Wenn die Existenz einer festen Gruppe mit der Absicht, Gewaltstraftaten gegen politische Gegner zu begehen, nicht einmal bewiesen ist, wie sollen dann die „kriminelle Vereinigung“ und etwaige Mitglieder – auch in Zukunft — konkret identifiziert werden?
Welche Gruppe soll Lina E. also überhaupt angeführt haben? Dieser Vorwurf ist immerhin die Grundlage für ihre härtere Bestrafung.
Hauptzeuge wollte Linke töten ...
Ein Hauptzeuge im Verfahren gegen Lina E. war der zweimal überfallene Eisenacher Kneipenwirt Leon Ringl. Der betrieb in der thüringischen Stadt nicht irgendeine Gaststätte, sondern ein Szenelokal für stramm organisierte Neonazis namens „Bull’s Eye“. Dort zog er die militante „Kampfsportgruppe Knockout 51„ heran, die seit Jahren bewaffnete Überfälle auf politische Gegner trainierte — und sie verübte.
Bereits 2019 sollen der Justiz mindestens 60 Straftaten von „Knockout 51“ aus den Jahren 2015 bis 2018 bekannt gewesen sein, darunter schwere Körperverletzungen unter anderem gegen selbsterklärte Linke sowie Verstöße gegen das Waffen- und Sprengstoffgesetz. Darüber berichtete kürzlich beispielsweise das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Die Überfälle auf das „Bull’s Eye“ haben also, anders als zum Teil behauptet, durchaus eine Vorgeschichte.
Das Netzwerk um Ringl, der laut Zeugenaussage ein Hakenkreuz auf seinem Oberschenkel tätowiert haben soll, ist offensichtlich weder harmlos noch klein. Am 6. April 2022 durchsuchte die Polizei Wohnungen und Räumlichkeiten von rund 50 Beschuldigten, wie die Leipziger Internetzeitung damals berichtete. Gegen diese ermittelt die Bundesanwaltschaft nun ebenfalls wegen des Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung und der Begehung schwerer Straftaten. Anders als die mutmaßliche Gruppe um Lina E., ist Ringls Gruppe somit namentlich identifiziert.
Am selben Tag nahm die Polizei Leon Ringl und drei seiner Kameraden als mutmaßliche Drahtzieher von „Knockout 51“ fest. Seit nunmehr gut einem Jahr sitzen sie in Untersuchungshaft, kürzlich erhob die Bundesanwaltschaft laut MDR Anklage gegen sie.
... und Coronademos von Linken säubern
Die Justiz wirft Ringl und den Mitangeklagten vor, Drahtzieher der kriminellen Vereinigung namens „Knockout 51“ zu sein. Die Gruppe soll sich auf den bewaffneten Kampf gegen Linke, Polizisten und sonstige politische Gegner vorbereitet und entsprechende Angriffe verübt haben. Über sein Lokal habe Ringl versucht, junge Männer anzuwerben und entsprechend auszubilden.
Spätestens seit 2021 habe die Gruppe gezielt schwere Angriffe mit Tötungsabsicht auf Mitglieder der „linken Szene„ oder solche, die sie dafür hielt, verübt. In Eisenach habe Ringls Gruppe versucht, einen „Nazi-Kiez“ zu errichten, also eine sogenannte „national befreite Zone“. Derlei Bestrebungen kennt man von der NPD und der Kameradschaftsszene aus den 1990er Jahren.
Immer wieder sollen sich Ringl und weitere Mitglieder seiner Gruppe zudem unter Querdenken-Demonstrationen und andere Proteste gegen die Coronamaßnahmen gemischt haben. Dort hätten sie versucht, Teilnehmer zur Gewalt aufzustacheln und die Proteste von Linken zu „säubern“. Im Februar 2021 sollen er und seine Kameraden Mitglieder der Gruppierung „Freie Linke„ in Kassel angegriffen haben.
Fragwürdige Zeugenaussagen
Dass Lina E. an mindestens einem Überfall auf das Nazilokal beteiligt gewesen sein soll, beruht offenbar maßgeblich auf der Aussage eines zur Tatzeit 18-jährigen Zeugen, welcher der Gruppe um Ringl nahestand, 2022 aber selbst von dieser zusammengeschlagen worden sei. Der Zeuge habe aber lediglich gesehen, wie nach einem Angriff im Oktober 2019 eine Frau das Lokal verlassen habe. Unklar ist, ob er für diese Aussage von (ehemaligen?) Kameraden unter Druck gesetzt wurde und wer diese Frau gewesen sein soll.
Insgesamt ist die Glaubwürdigkeit des Zeugen zweifelhaft. So verstrickte er sich bei der Befragung vor Gericht in zahlreiche Widersprüche. Er beteuerte etwa, sich kurz vor dem Überfall in einem nahen Supermarkt Zigaretten gekauft und wegen der Coronamaßnahmen eine Maske getragen zu haben, obwohl von Corona damals noch keiner was wusste.
Dieser Zeugenaussage fügte das OLG seine eigene Deutung hinzu: Weil mutmaßlich der Lebensgefährte von Lina E., Johann G., an dem Überfall beteiligt gewesen war, was ebenfalls nicht zweifelsfrei belegt ist, müsse seine Freundin auch dabei gewesen sein, „gestützt“ durch den Zeugen, der „eine Frau“ gesehen haben will. Diese magere Indizienkette wackelte um so mehr, als sich herausstellte, dass ein weiterer Mitangeklagter, dem dies vorgeworfen wurde, zur Tatzeit laut Handydaten gar nicht in Eisenach war.
Wer überfiel den Kanalarbeiter?
Von besonderer Brutalität war der Überfall auf einen Kanalarbeiter in Leipzig, weil dieser wohl Kleidung trug, die in der Neonaziszene „in“ ist. Mit „Linksextremismus“ hat dies erst einmal gar nichts zu tun, da Angriffe auf Arbeiter alles andere als politisch links sind, so man die Bedeutung des politischen Begriffs ernst nimmt. Die Brutalität dieser Tat ändert aber nichts daran, dass Gerichte dafür Angeklagten eine Beteiligung nachweisen müssen. Genau das ist im Fall Lina E. nicht passiert. Die „Indizienkette“ des OLG ist hier ähnlich löchrig wie bei den Überfällen auf die Nazikneipe in Eisenach.
So stützt sich das Gericht zum einen auf die Aussage eines Zeugen, der unter anderem eine unbekannte Frau am Tatort wahrgenommen haben will. Zum anderen beruft es sich auf ein abgehörtes Telefonat. Lina E.’s Lebensgefährte Johann G. soll zwei Mitangeklagte kurz nach dem Überfall angerufen und zunächst gesagt haben, dass „so ein Kanalarbeiter verkloppt“ worden sei. Später habe er erwähnt: „Das waren wir.“
Wen G. mit „wir“ gemeint hat, blieb dabei im Dunkeln. Doch das Gericht interpretierte frei: Mit „wir“ könne der Angeklagte nur seine Freundin Lina E. gemeint haben, zumal deren Wohnung nicht allzuweit vom Tatort entfernt gelegen habe. Ihre Mittäterschaft ist damit also nicht zweifelsfrei bewiesen.
Neonazis als Hilfssheriffs der Justiz?
Angesichts dessen, dass die Bundesanwaltschaft der Eisenacher Nazigruppe nun ebenfalls die Bildung einer kriminellen Vereinigung inklusive massiver Straftaten gegenüber „Linken“ und Ausländern vorwirft, stellt sich zunächst die Frage, warum das OLG deren Aussagen gegen Lina E. und ihre Mitangeklagten als besonders glaubwürdig einstufte. Ringl galt immerhin bis Mitte 2022 als Hauptzeuge.
Die Verteidigung kritisierte weitere Merkwürdigkeiten, zum Beispiel dass Ringl und sein Kamerad Maximilian A. ihre Aussagen im Verfahrensverlauf mehrfach abänderten. Es habe gewirkt, als hätten sie ihre Einlassungen den aktuellen Ermittlungsergebnissen vorab angepasst, obwohl sie über diese gar nicht informiert gewesen sein dürften.
Gab es eine geheime Zusammenarbeit zwischen Justiz und Neonazis?
Hier kommen noch zwei weitere politische Akteure ins Spiel: Brian E. und Enrico B. aus Wurzen, die der Jugendorganisation der NPD, nunmehr unter dem neuen Namen „Die Heimat“, sowie der Neonazi-Kameradschaftszene nahestehen. Sie räumten vor Gericht ein, dass ihre Gruppen Dossiers über Linke, darunter auch die Gruppe um Lina E., erstellt und sie diese an die polizeiliche „Soko Linx“ in Leipzig übermittelt hätten. Die Polizei übernahm diese Dossiers laut Verteidigung in die Ermittlungsakte.
Die Ermittlungen der „Soko Linx“ inklusive jener Dossiers aus der Wurzner Naziszene sowie Aussagen der Eisenacher Schlägergruppe „Knockout 51“ bilden wiederum die Grundlage für den Vorwurf der Rädelsführer- und Haupttäterschaft gegenüber Lina E.. Dabei spricht vieles eher für andere Haupttäter, zumal wie gesagt nicht einmal die Existenz einer organisierten Gruppe nachgewiesen wurde.
„Kronzeuge“ kam glimpflich davon
Nach der Verhaftung der mutmaßlichen Drahtzieher der Gruppe „Knockout 51“ tauchte plötzlich, etwa zur Halbzeit des Prozesses, ein „Kronzeuge“ auf: Johannes D.. Dieser war selbst Beschuldigter im sogenannten Antifa-Ost-Verfahren mit der vermeintlichen Haupttäterin Lina E.. Wie es dazu kam, lässt sich zum Teil rekonstruieren.
Johannes D. stand offenbar schon länger im Fokus der Ermittler. Im Jahr 2017 soll die Polizei sein E-Mail-Postfach durchsucht haben. Dabei sei sie auf Nachrichten gestoßen, in der seine Ex-Partnerin schwere Vergewaltigungsvorwürfe gegen ihn erhoben hat. Später eröffnete die Staatsanwaltschaft deswegen ein Verfahren gegen ihn. In diesem Zuge bot sich Johannes D. der Justiz als „Kronzeuge“ an. Die Staatsanwaltschaft stellte das Verfahren im Gegenzug ein. Wegen weiterer vorgeworfener Taten, darunter Körperverletzung, erhielt er eine Bewährungsstrafe und kam ins sogenannte Zeugenschutzprogramm.
Im Prozess trug D. laut Verteidigung zwar wenig zur Aufklärung der eigentlichen Taten der mutmaßlichen Gruppe um Lina E. bei. Aber er trat als „Experte“ für die „linke Szene“ auf. Dabei soll er auch davon berichtet haben, dass die Gruppe um Lina E. Angriffe trainiert habe. Die Aussagen der Neonazis bestätigte er im Nachhinein: Lina E. müsse „Rädelsführerin“ gewesen sein.
Merkwürdig ist die Tatsache an sich, dass in einem Prozess gegen Mitglieder der sogenannten „linken Szene“ plötzlich ein — als gewaltbereit und aufrührerisch beschriebener — Angeklagter aus derselben Szene als Kronzeuge auftaucht und dann mit Samthandschuhen aus der „Schusslinie“ gezogen wird .
Die Zusammenarbeit mit der Polizei ist dort eigentlich verpönt. Man könnte darüber sinnieren, ob Johannes D. gar selbst als „Agent provocateur“ oder V-Mann im Einsatz gewesen sein könnte. Das ist derzeit aber nicht beweisbar und eine reine Spekulation.
Namenlose „kriminelle Vereinigung“
Dass die Richter die mutmaßliche Gruppe um Lina E. als „kriminelle Vereinigung“ einstuften, ermöglichte der Justiz erst diesen vagen Indizienprozess ohne Nachweis für konkrete Straftaten im Einzelnen. Die Probleme, die sich durch solche Vorgehensweise ergeben, liegen auf der Hand: Dass die Gruppe namenlos und nicht näher beschrieben ist, öffnet einem Missbrauch durch die Staatsorgane Tür und Tor.
So könnte künftig jeder, der Kontakt zu wem auch immer hat, den Polizei und Justiz für ein „Mitglied“ dieser nicht näher bezeichneten „kriminellen Vereinigung“ halten, zum Unterstützer erklärt und ohne Beweis konkreter Taten vor Gericht gestellt werden. Der Fantasie der Staatsorgane beim Konstruieren diffuser „Zusammenhänge“ sind so kaum noch Grenzen gesetzt. Es könnte praktisch fast jeden treffen, der sich beim Staat mal unbeliebt gemacht hat und einen kennt, der einen kennt, und so weiter.
Hauptsache irgendwen bestrafen?
Festzuhalten bleibt:
Dass aufgrund einer derart dünnen und widersprüchlichen Beweislage eine Frau erst zweieinhalb Jahre in Untersuchungshaft gesteckt und dann zu mehr als fünf Jahren Gefängnis verurteilt wird, widerspricht tatsächlich einer rechtsstaatlichen Prozessführung. Das gesamte Verfahren erfolgte offenbar unter der Vorgabe, irgendjemanden für die Taten hinter Gitter zu bringen.
Gerade wenn es sich um so brutale Taten handelt wie den Überfall auf den Kanalarbeiter in Leipzig, muss es im besonderen Interesse auch des Opfers liegen, die wahren Täter zu finden und ordentlich zu bestrafen, ganz unabhängig von politischen Hintergründen. Genau das ist aber nicht passiert, es ist nicht einmal bewiesen, ob Lina E. überhaupt persönlich an dieser und anderen Taten beteiligt war.
Auch einigen alternativen Medienmachern sei ans Herz gelegt, Fakten gründlich zu recherchieren und sich dabei nicht allzusehr von Emotionen treiben zu lassen. Die Wut auf eine Gruppe, der Lina E. möglicherweise nahesteht, also etwa jene, die unter dem Label „Antifa“ gemeinsam mit SPD und Grünen aggressiv gegen „Querdenker“ auftrat, kann kein Grund sein, rechtsstaatliche Verfahren auszuhebeln nach dem Motto: Es treffe schon irgendwie die Richtige.
Wer dem Staat das durchgehen lässt, sobald es den — vermeintlichen oder wirklichen — politischen Gegner trifft, redet Repressionen und Diktatur das Wort, die ihn am Ende selbst betreffen könnten.
Willkürverfahren, wie das gegen Michael Ballweg, zahlreiche Ärzte, die Masken- oder Impfatteste ausstellten, oder auch gegen Demonstranten bei den Protesten gegen den G20-Gipfel in Hamburg 2017, die ohne hinreichende Beweise teils harte Konsequenzen hatten, dürfen in Deutschland nicht zur Regel werden.
Straftaten gehören sauber aufgeklärt, Täter ordentlich ermittelt. Der Grundsatz „im Zweifel für den Angeklagten“ darf nicht in sein Gegenteil verkehrt werden, auch dann nicht, wenn es den politischen Gegner betrifft. Willkürjustiz hat viele Gesichter, keines davon ist akzeptabel.
Was wäre wenn ...
Am Ende noch ein kleines Gedankenspiel: Was würde wohl passieren, wenn die Leute von „Querdenken“ und anderen bürgerlichen Protestgruppen mit verständlicher Wut auf die vielfach gar nicht links agierende „linke Szene“ diese Metaperspektive einnähmen, anstatt nach härteren Repressionen in einem derart unzureichend aufgeklärten Fall zu rufen? Was wäre, wenn sie Demos organisierten unter einem Motto wie: „Gegen staatliche Willkür — Wir fordern rechtsstaatliche Aufklärung für Lina E., Ballweg und Co?“
Mein Verdacht: Die Staatsorgane würden vermutlich genauso dumm aus der Wäsche gucken wie der pseudoantifaschistische „Wir impfen euch alle“-Teil der „Antifa“. Das Innenministerium würde wohl in helle Aufregung geraten und umgehend den regierungsamtlichen Wissenschaftsbetrieb bemühen, um soziologische Studien zu beauftragen, die dann Tipps zum Umgang mit dem Unerwarteten liefern sollen. Die Pseudoantifa, die vielleicht hier und da staatlich gelenkt sein mag, aber doch mehrheitlich aus jungen unerfahrenen Mitläufern bestehen dürfte, müsste wirklich hart überlegen, wie sie dagegen protestieren sollte.
Genau das wollen die Regierung und ihr Apparat als Machtinstrument der herrschenden Klasse nämlich vermeiden. Die Bevölkerung soll nur ja nicht auf die Idee kommen, gemeinsam gegen „die da oben“ zu protestieren. So bleiben dann auch die zu recht kritisierten Verhältnisse verdammt stabil.