Die Generation Now

Die Kinder protestieren für ihre Zukunft — und sie haben alles Recht der Welt, dies zu tun.

68er-Opas, die Jugendliche wegen ihrer völligen politischen Passivität geißeln? Das gab es mal, aber es ist Vergangenheit. Heutige Jugendliche und sogar Kinder schreiten voran. Sie tun, was wir Älteren längst hätten tun müssen. Die Lage ist brenzlich, der Planet hat hohes Fieber, und unsere Planetengefährten — Tiere und Pflanzen — sterben uns weg. Doch auf der Titanic feiert das Bürgertum noch immer verschwenderische Feste, als ob es kein Morgen gäbe. Der Autor erinnert sich an seine eigene Sozialisation als Aktivist. Er fordert uns auf, uns an der Klugheit und dem Mut der Jüngeren ein Beispiel zu nehmen. Der richtige Zeitpunkt zu handlen ist jetzt — spätestens!

Seit einigen Monaten machen die Kinder auf das Klima und auf ihre Zukunft auf diesem Planeten aufmerksam. Ich kann nur sagen: „Recht habt ihr! Es ist eure Zukunft. Nehmt sie gleich mal in die Hand! Besser jetzt als später. Nichts kann euch besser schulen als die politische Auseinandersetzung.“

Ich war selbst jahrelang Schülersprecher und die damaligen politischen Auseinandersetzungen haben mich fürs Leben geschult, haben mir im Laufe der Jahre auch sehr viel Selbstvertrauen gegeben. Natürlich gibt es Widerstände, es ist ja auch so unbequem, aus seinem Auto auszusteigen, seinen Lebensstil zu ändern. Aber wie sagte Max Planck: „Neue Ideen setzen sich nicht durch, die alten sterben aus.“

Gebt nicht auf. Ihr seid die Zukunft dieses Planeten. Er gehört Euch!

Warum ist das Thema Klima so dringend?

Als mir 1992 das Ausmaß der CO2-Akkumulation bewusst wurde, war ich für einige Zeit tatsächlich ein wenig ein Klimahysteriker. Ich dachte im wahrsten Sinne des Wortes, die Welt geht — zumindest für meine Enkel — unter, wenn wir so weitermachen wie bisher. Denn CO2 hat eine durchschnittliche Verweilzeit in der Atmosphäre von etwa 200 Jahren. Also alles CO2, welches wir jetzt in die Luft blasen, bleibt dort für mehrere Generationen.

Was mich besonders alarmierte, war der Artikel von Wilfried Bach „Notwendige Schritte in eine zukunftsfähige Welt“ aus dem Jahr 1992 (1). Darin zeigt er sehr eindrücklich, dass, wenn wir die CO2-Emissionen bis zum Jahr 2050 deutlich reduzieren (Abbildung 1a), es uns gelingen wird, die globale CO2-Konzentration bis zum Jahr 2100 auf unter 450 ppm (Parts per million) zu reduzieren (Abbildung 1b).

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Abbildung 1: (a) Globale CO2-Emissionen sowie weitere Treibhausgase, (b) globale CO2-Konzentration sowie anderer Treibhausgase bis 2100 (1)

Mir war schlagartig klar, genau das wird erst einmal nicht passieren, sondern die CO2-Emissionen werden munter weiterwachsen und damit auch die globale CO2-Konzentration für die nächsten Generationen. Ich arbeitete gerade am Sekretariat für Zukunftsforschung in Nordrhein-Westfalen und wir versuchten, nachhaltige Lösungen für den neu entstehenden Emscher-Planungsraum im Ruhrgebiet zu finden. Schon dort hatten wir mit einem erheblichen Wachstum des Verkehrsaufkommens in den nächsten 20 Jahren zu rechnen — vor allem aufgrund der deutsch-deutschen Wiedervereinigung.

Mir war aber bewusst, dass nicht nur im Ruhrgebiet die Entwicklung immer noch auf Wachstum ausgerichtet war, sondern weltweit gerade eine Globalisierung des westlichen Lebensstils stattfand. Weltweit wollten Milliarden Menschen genauso leben wie wir. Ich war damals sehr wütend und schrieb beispielsweise:

„Wir fahren vor die Wand — und geben dabei jedes Jahr noch 5 Prozent mehr Gas. Denn wie anders soll man es beschreiben, wenn der westliche Lebensstil nun weltweit nachgeahmt wird, wenn jetzt vier Fünftel der Weltbevölkerung auch ein Auto haben wollen, auch fließend warmes Wasser, eine Heizung im Winter und Air-Conditioning im Sommer, ein eigenes Häuschen im Grünen mit Whirl-Pool-Anlage, Autobahnanschluss und dem Flughafen nicht weiter als 30 Minuten entfernt. Dieser Multiplikatoreffekt ist das eigentlich beängstigende an der derzeitigen Situation. Es scheint, als ob die Ausmaße der Lawine, die eine reiche, westliche Elite in Gang bringt, nicht erkannt werden. Schon gar nicht von ihr selbst“ (2).

Ich wusste, dass jetzt etwa fünf Milliarden Menschen auf der Erde genauso leben wollen wie wir. Oder noch schlimmer: wie die Amerikaner. Eine CO2-Reduktion, wie Bach sie forderte, war nicht in Sicht. Und ich hatte Recht. Seit 1990 haben sich die globalen CO2-Emissionen nochmals um 40 Prozent erhöht. Vor allem China hat in dieser Zeit seinen Anteil an den Emissionen vervielfacht. Im Grunde gleicht die Situation einem Autofahrer, der im Nebel immer schneller fährt, immer mehr Gas gibt — und dann feststellt, dass er ja gar keine Bremse hat. Würden Sie in einer solchen Situation nicht den Fuß vom Gaspedal nehmen? Aber als Gesellschaft geben wir weiter munter Gas.

Und vor allem die sogenannte Elite der Gesellschaft macht es uns immer noch vor: Jede Villa mit Swimmingpool und Air-Conditioning, Gartenbeleuchtung, Sauna und Whirlpool. Besser gleich mehrere Villen in den unterschiedlichen Klimazonen, mal am Strand, mal in den Bergen. Und dann darf der Privatjet nicht fehlen. Und auch das eigene Kreuzfahrtschiff. Das muss alles unterhalten werden und kostet Energie. Man kann getrost davon ausgehen, dass ein Superreicher mindestens 100-mal mehr CO2-Emissionen verursacht als ein Normalbürger. Das sind doch aber genau die Signalgeber, die Vorreiter der Gesellschaft. Oder zumindest wollen sie es sein.

Eine Elite, die uns vor die Wand fährt, ist keine!

Immer noch ist die Elite dieser Welt damit beschäftigt, per Privatjet um die Welt zu düsen und uns zu erzählen, wir sollten weniger Energie verbrauchen. Aber Fliegen ist wesentlich klimaschädlicher als alle anderen Fortbewegungsmittel. Der geniale Karl Otto Schallaböck hat einmal in einer Graphik dargestellt, wo die tatsächlichen Klimalasten entstehen (3). Im mittleren Teil der Abbildung ist die Anzahl der Wege aufgezeigt. Etwas mehr als die Hälfte aller Wege im Jahr 2000 wurden mit dem motorisierten Individualverkehr (MIV) zurückgelegt. Dabei entstehen auch etwas mehr als die Hälfte der Klimalasten. Nur 0,1 Prozent der Wege werden mit dem Flugzeug bewältigt. Diese erzeugen dabei mehr als 40 Prozent der Klimalasten des Verkehrs, wenn man den Auslandsanteil mit einberechnet — also die tatsächlichen Klimalasten ermittelt.

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Abbildung 2: Klimalasten des Verkehrs (3)

Fliegen ist immer noch eines der klimaschädlichsten Fortbewegungsmittel und die Fluggesellschaften zahlen bis heute noch nicht einmal Mineralölsteuer. Und wann pflanzen die Fluggesellschaften endlich Bäumchen für den CO2-Ausgleich? Es gibt bereits zahlreiche Aktionsprogramme, mit denen man etwas fürs Klima tun kann. Oder noch besser, die Fluggesellschaften unterstützen die Initiative von Allan Savory, der mit großen Tierherden die Erde begrünen will und dabei gleichzeitig das Ernährungsproblem löst und das Klima rettet.

Wenn wir wirklich etwas für das Klima tun wollen, müssen wir dringend CO2-neutral fliegen lernen. Und vor allem auch unsere sogenannten Eliten dazu aufrufen, tatsächlich in der richtigen Richtung voranzugehen. Und natürlich die Dinge einfach selbst in die Hand nehmen. Zum Beispiel mal aus dem Auto aussteigen und neue Radwege erkunden. Bei schönem Wetter ist das wunderbar. Denn letztlich ist jeder selbst für seinen Beitrag zum Klima verantwortlich. Es ist durchaus dringend, dass wir jetzt aus der kohlenstoff-basierten Energieerzeugung auszusteigen. Warum, will ich im Folgenden zeigen.

Kleine Klimaschule

Was die meisten Leute gar nicht wissen, ist, dass wir uns in einer Eiszeit befinden — oder genauer gesagt in einer Zwischenwarmzeit einer Eiszeit. Solche Zwischenwarmzeiten dauern gewöhnlich etwa 10.000 Jahre bis es wieder zu einer starken Vereisung der nördlichen und südlichen Breiten kommt.

In der nächsten Abbildung 3 sehen wir die Temperaturentwicklung der letzten drei Millionen Jahre (4). Man sieht deutlich, wie sich die Erde langsam abgekühlt hat und gleichzeitig auch, wie stark die Temperatur dabei zwischen den kurzen Zwischenwarmzeiten und den Eiszeiten schwankt.

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Abbildung 3: Globale Temperatur der letzten drei Millionen Jahre (4)

Die Schwankungen sind vor allem eine Folge der Schwankungen der Erdumlaufbahn um die Sonne sowie der Kreiselbewegung der Erde. In den letzten 500.000 Jahren hat sich ein 100.000-Jahres-Zyklus durchgesetzt. Man sieht das sehr schön in der nächsten Abbildung 4 (5).

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Abbildung 4: Globale Temperatur der letzten Million Jahre (5)

Etwa alle 100.000 Jahre gibt es eine kurze Zwischenwarmzeit von etwa 10.000 Jahren. Danach kippt das Klima wieder für 90.000 Jahre in die Eiszeit mit Temperaturstürzen von bis zu minus zehn Grad Celsius Jahresmitteltemperatur. Und genau am Ende einer solchen kurzen Zwischenwarmzeit befinden wir uns gerade.

Die nächste Abbildung 5 zeigt uns die Mitteltemperatur der letzten 10.000 Jahre (6).

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Abbildung 5: Globale Mitteltemperatur der letzten 10.000 Jahre (6)

Wie man sehr deutlich sieht, haben wir in den letzten 150 Jahren die langsame Abkühlung der Erde gestoppt. Das war vielleicht gar nicht so schlecht. Vor allem den Pflanzen hat die Zunahme von CO2 bisher gutgetan. Man sieht aber auch, wie radikal wir die Mitteltemperatur auf der Erde in den letzten 150 Jahren verändert haben — eindeutig eine Folge unserer Emissionen, wahrscheinlich vor allem von CO2, aber auch anderer Treibhausgase wie Methan, Stickoxide et cetera. Wir haben offenbar den Heizungsregler für das Weltklima gefunden. Und es macht auch Sinn, dass wir langfristig lernen, das Klima zu regulieren. Denn von allein wären wir jetzt langsam wieder in eine neue Eiszeit gerutscht. Und das wäre vor allem für Europa tödlich.

Aber jetzt müssen wir aufpassen, dass wir das Klima nicht in die andere Richtung über das Ziel hinausschießen lassen. Das Problem ist doch, wie oben schon erwähnt, dass sich CO2 in der Atmosphäre im Grunde nur ansammelt und erst langsam wieder abgebaut wird. Wir addieren also immer weiter die Konzentration der Atmosphäre — und das für mehrere Generationen. Dabei scheint es recht schwierig zu sein, auf kohlenstoffbasierte Energie zu verzichten. Versuchen Sie es mal.

Ich habe nach meiner Erkenntnis, dass jede Verbrennung das Klima schädigt, schon 1992 mein Auto abgeschafft und dabei viele schöne Erfahrungen mit zahlreichen verrückten Fahrzeugen gemacht. Und trotzdem verbrauche ich immer noch große Mengen CO2 durch meine Heizung, meinen Fleisch- und Fischkonsum, auch durch das Gemüse — Anbau und Transport —, durch den Laptop, das Licht, die Wasserver- und Abfallentsorgung et cetera.

Es ist gar nicht so einfach, unsere Industriegesellschaft von den Drogen Öl, Gas und Kohle zu entkoppeln. Auch Elektro-Autos verbrauchen durch ihr extremes Gewicht enorme Mengen an Energie. Umso besser, wenn wir jetzt damit beginnen, neue Energieformen und vor allem auch neue Energiespeichertechniken auszuprobieren und einzusetzen. Aber wir müssen auch neue Lebensstile finden, die in die Abläufe der Natur eingepasst sind. Denn — um beim Bild mit dem Heizungsregler zu bleiben — wir müssen jetzt dringend lernen, wie wir den Regler nicht immer weiter aufdrehen, obwohl die Heizung schon heiß wird. Wer würde schon den Regler immer weiter aufdrehen, wenn die Heizung schon heiß ist? Vor allem, da der Heizungsregler eine Nachlaufzeit von etwa 100 bis 200 Jahren hat.

Besonders deutlich wird dies, wenn man sich einmal ansieht, was seit der der Veröffentlichung der Analyse von Marcott und Kollegen (6) passiert ist: Die globale Mitteltemperatur hat sich seitdem nochmals um mehr als 0,2 Grad Celsius erhöht (7). Zeichnet man diese Zunahme der Temperatur in die Originalabbildung von 2013, dann erhält man die folgende Abbildung 6. Darin wird deutlich, wie schnell sich die globale Temperatur alleine in den letzten 6 Jahren verändert hat. Höchste Zeit also, umzusteuern.

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Abbildung 6: Globale Mitteltemperatur der letzten 10.000 Jahre, eingezeichnet ist die Veränderung der Mitteltemperatur seit 2010 (6, 7)

Wahrscheinlich werden wir dieses Jahrhundert als das Jahrhundert der Jahrhundertkatastrophen erleben. Die Extreme werden extremer. Die Frage ist doch: Wollen wir es noch schlimmer machen? Und was für eine Erde wollen wir unseren Kindern und Enkeln hinterlassen?

Denn das Klima ist thermodynamisch betrachtet nichts anderes als eine gigantische Maschine. Je mehr Energie durch den Treibhauseffekt aufgenommen wird, umso schneller bewegt es sich. Desto extremer werden die Extreme. Und erste deutliche Anzeichen des stattfindenden Klimawandels und der damit verbundenen Probleme finden wir überall.


Quellen und Anmerkungen:

(1) Wilfried Bach: Notwendige Schritte in eine zukunftsfähige Welt, Zeitschrift „Zukünfte“, 1992.
(2) Hans Boës, Vortrag DVR-Forum 1995 (http://www.hansboes.com/wp-content/uploads/2014/04/Vortrag-Vollgas-DVR-Forum-95.pdf)
(3) Karl Otto Schallaböck 2004, (https://www.boell-hessen.de/archivseite/pol/fachtagung_verkehr/Beitr%E4ge/Schallaboeck.pdf)
(4) Climate Concerns, https:oz4caster.wordpress.com
(5) Climate Concerns, (https:oz4caster.wordpress.com)
(6) Marcott et. al. 2013 (https://www.researchgate.net/publication/235885717_A_Reconstruction_of_Regional_and_Global_Temperature_for_the_Past_11300_Years)
(7) Marcott et. al. 2013, aktualisiert